Derzeit ist es ja besonders in, Second Life ganz schrecklich zu finden. So springt auch Thomas Knüwer auf den Zug der Second-Life-Verächter auf. Und er hat recherchiert.
Second Life ist vor allem ein Empty Life. Denn es gibt bei weitem eben keine 4,5 Millionen Nutzer, wie es die erste Zahl auf der Second-Life-Homepage suggerieren könnte. Man muss nur eine Zeile tiefer lesen, um das Problem zu erkennen: Der Großteil der Nutzer verabschiedet sich schnell wieder.
Das ist auch schon die wesentliche Erkenntnis: Second Life ist nicht so voll, wie das Medienecho suggeriert. Die zweite Zeile. Big deal. Entsprach etwa das Gesangstalent von Daniel Küblböck seinem Medienecho? Ist Paris Hilton so sexy, dass sich eine Nachrichtenagentur tatsächlich rühmen muss, ganze sieben Tage auf Berichte verzichtet zu haben? Nein. Das ist aber auch gar keine Überraschung.
Ja, es gibt einen Medien-Hype um Second Life. Macht dieser Hype das Ganze wieder zu nichte? Nein. Ich habe nun einige Berichte über Second Life geschrieben und mich einige Zeit umgesehen. Ich persönlich würde mich in diesem virtuellen Universum nicht niederlassen, aber das heißt wenig. Ich sehe trotzdem einige spannende Entwicklungen auf der Plattform.
Zum einen kenne ich kein MMORPG mit solchen Freiheiten. Ich hab mich von einem Bekannten herumführen lassen, der mir stolz die automatische Tür seiner SecondLife-Wohnung präsentierte und auch an einer Art Radar für SecondLife arbeitete. Bei den meisten Plattformen waren solche Funktionen nur von der Herstellerfirma zu programmieren und zu implementieren. Dass die User jetzt solche weitgehenden Möglichkeiten haben und die Skripte in der 3D-Umgebung in Echtzeit aufeinanderprallen ist technisch hoch komplex. Wenn dann noch solche Events wie U2-Konzerte stattfinden, mag das für den einen öde sein, mich erinnert das an einen Echtzeit-Machinima-Film.
Auch die soziale Dynamik innerhalb SecondLife ist spannend. Nein, damit meine ich weder vermeintliche Immobilienmillionäre, noch Cybersex. Vor allem das Spiel zwischen LindenLabs und den Usern finde ich spannend. Welche Regeln stellen sie auf? Welche bewähren sich nicht? Kann die Selbstregulierung durch Etablierung eines Marktes funktionieren?
Dass Konzerne wie Springer sich mit großen Erwartungen und Ausgaben engagieren und dann doch nichts verdienen, ist nicht das Ende vom Spiel. Natürlich kommt es darauf an, wie geschickt sich der Betreiber verhält. Aber auch wenn LindenLabs selbst nur noch virtuell vorhanden ist, geht die Entwicklung noch weiter. Sony und Konsorten sind schon längst in den Startlöchern. Und die Leute, die in SecondLife gescheitert sind, haben einige Lektionen gelernt, die sie in Zukunft brauchen können. Zumindest hatten sie die Gelegenheit dazu.