Prophet Sodann

Peter Sodann hat keine Chance auf das Bundespräsidentenamt. Das weiß er, das wissen wir. Seine Aufgabe: Er soll für Stimmung sorgen. Ein paar realitätsferne Vorschläge, die an den Grundlagen der Gesellschaft rütteln – sofern sie denn jemand ernst nähme. Wir kennen das ja. Und so poltert er in Stammtischmanier gleich los, Ackermann gehört doch verhaftet. Jawohl!

Unverhoffte Unterstützung könnte er bekommen. Denn das FBI verschiebt grade mal wieder seinen Fokus:

The Federal Bureau of Investigation is struggling to find enough agents and resources to investigate criminal wrongdoing tied to the country’s economic crisis, according to current and former bureau officials.

The bureau slashed its criminal investigative work force to expand its national security role after the Sept. 11 attacks, shifting more than 1,800 agents, or nearly one-third of all agents in criminal programs, to terrorism and intelligence duties. Current and former officials say the cutbacks have left the bureau seriously exposed in investigating areas like white-collar crime, which has taken on urgent importance in recent weeks because of the nation’s economic woes.

The pressure on the F.B.I. has recently increased with the disclosure of criminal investigations into some of the largest players in the financial collapse, including Fannie Mae and Freddie Mac. The F.B.I. is planning to double the number of agents working financial crimes by reassigning several hundred agents amid a mood of national alarm.

Eine spannende Entwicklung: Die US-Regierung zieht Drittel verwandelt ein Drittel der Bundespolizei in einen Geheimdienst, der nur noch dann der Verfassung und dem Rechtsstaat verpflichtet ist, solange niemand „Terrorismus“ ruft. Und nun werden siese Leute auf die Jagd geschickt nach Kriminellen Maipulatoren.

Besonders diese Zitat stimmt bedenklich:

“To fix our system and prevent a repeat of the events we now see,” they wrote in a letter this month to Robert S. Mueller III, the F.B.I. director, “we have got to set an example by bringing the full might of federal law enforcement against the people who illegally profited or destroyed companies at the expense of our country.”

Es geht nicht um Kriminalität und Recht, es geht um nationale Interessen. Und da fallen ja bekanntlich viele Schranken.

Herr Ackermann muss sich keine Gedanken machen, in Guantanamo aufzuwachen. Wenn die Agenten jedoch die gleichen Methoden anwenden wie bei ihren Terrorermittlungen, dürften auf die Deutsche Bank ein paar sehr merkwürdige Geschäftsvorschläge zukommen. Und den Blackberries würde ich an ihrer Stelle nicht allzu viel Vertrauen schenken.

Widde-widde

Früher war es einfach: selbst wenn man die Lokalzeitung bis auf die letzte Zeile lesen wollte, konnte man noch ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft sein – mit Beruf, Familie, Stammtisch und auslaufsbedürftigen Hunden.

Kaum hat man einen Internet-Anschluss, geht das nicht mehr. Alle zwei Minuten neue Nachrichten – und das gilt nur nur für sehr eng gefasste Zielgruppen wie portugiesische Apple-Fans. Die einzige Lösung: man muss, filter, filtern, filtern.

Was kommt also durch den Wahrnehmungsfilter? Wohin klicken wir? Interessante Neuigkeiten? Ein breites Spektrum der Nachrichten zu den Themen, die uns wirklich interessieren? Nein: wir suchen uns die Neuigkeiten aus, die uns in den Kram passen. Die unserer Meinung entsprechen. Ab und zu auch Nachrichten, die uns aufregen – aber nicht zu viel davon.

Mich erinnert das immer an einen Vers des Pippi-Langstrumpf-Lieds:

Ich mache mir die Welt,
Widde-widde wie sie mir gefällt.

Ein Beispiel dafür ist das Zentralorgan der Islamhasser: Pi-News. Dort hält man zwar (nicht wirklich) merkwürdige Beulen im Phaeton von Joerg Haider für berichtenswert – sucht man jedoch nach den wirklichen Ursachen des tödlichen Unfalls, die nicht mal von Haiders eigener Partei und Familie angezweifelt werden, bekommt man dieses Ergebnis:

Es ist nicht so, dass den Machern des Blogs die Trunkenheit ihres Idols entgangen wäre – Google fördert zahlreiche Blogkommentare hervor, die genau das thematisieren. Merkwürdigerweise keiner davon bei den Artikeln über Haider.

Widde-widde.

Cugetinued

Huch – so ein Zufall: Nicht nur ich bekomme zweifelhafte Post von noch zweifelhafteren Verbraucherschützern. Auch Michael Niedermayr hat Post bekommen. Und wie bei mir findet sich bei ihm keine Leistung, die zu bewerten wäre. Zufall? Ich glaube nicht.

Unverlangte Mails von Cuge sollte man übrigens nicht Spam nennen. Denn sonst könnte einem dies passieren. Bei dem gestern verlinkten Blogeintrag droht jemand mit rechtlichen Schritten. Und bietet – wohl im Namen von Cuge – diese Erklärung an:

Sofern Sie kritisieren, dass Ihr Blog bewertet wurde, ist zu sagen, dass es durchaus vorkommen kann, dass eine Site bewertet wird, ohne dass sie bewertbare Leistungen anbietet. **** kann diese Frage bei mehr als einer Million Websites schwerlich manuell prüfen. Für diese Fälle ist der Status “Nicht bewertbar” vorgesehen, der derartige Falschbewertungen verhindert und etwa vorhandene Bewertungen löscht. Dieser Status wurde inzwischen auch für Ihre Website gesetzt.
Wir geben Ihnen angesichts der Dringlichkeit bis heute (18.10.2008) 18:00 Uhr Zeit, diese rufschädigende und unzutreffende Veröffentlichung zu entfernen. Sollte dies nicht bis zu dem genannten Zeitpunkt geschehen, werden wir noch noch am Wochenende gerichtlich im Wege der einstweiligen Verfügung eine Unterlassung erwirken und bei der für Ihren Wohnsitz zuständigen Staatsanwalschaft Strafantrag gegen Sie stellen. Ausserdem werden wir Ihren Provider Globedom GmbH um
Sperrung Ihrer Seite wegen strafbarer Inhalte ersuchen.
Die Geltendmachung von Schadenersatz behalten wir uns vor.

Wie die Betreiber von Cuge ihr Angebot an den Mann bringen wollen kann man hier lesen:

„cugerank“ aussagekräftiger als Google‘s „Pagerank“

Bislang war im Internet der sogenannte „Pagerank“, ein von dem Web-Giganten Google erfundener Indikator, praktisch der einzige öffentlich verfügbare Hinweis auf die Bedeutung einer Website. Der Pagerank ist jedoch ein Faktor, der lediglich die Popularität einer Website ausdrückt. Diese Popularität berechnet Google aus der Anzahl der Links, die von anderen Internetseiten zu der betreffenden Website führen. Besaß der Pagerank per se schon relativ wenig Aussagekraft hinsichtlich der Zuverlässigkeit und Seriosität einer Website, hat sich inzwischen längst ein neuer Markt gebildet, der sich mit der gezielten Erhöhung jenes Pageranks befasst. Es werden Links getauscht, gekauft, getürkt und vieles mehr, um den Pagerank einer Seite künstlich zu verbessern.

[…]

Mit der steigenden Anzahl an Verbraucher-Nachfragen stieg naturgemäss auch das Interesse von Website-Betreibern, auf cuge.org positiv dargestellt zu sein. Die Folge: So mancher Internet-Unternehmer versuchte, sich mit unlauteren Methoden in ein besseres Licht zu rücken. „Manipulationsversuchen treten wir äusserst entschlossen entgegen“, verrät Matteo Severino. Die Aussagekraft des cugerank, so Severino, hinge signifikant von der Wahrhaftigkeit der einzelnen Bewertungen ab. „Wir schliessen Benutzer sofort aus, die gegen das Selbstbewertungsverbot verstossen. Gleiches gilt für die wiederholte Abgabe unwahrer Bewertungen.“

Robert Basic kann von der Seite übrigens nichts mehr hören.

Joe, der Lügner

John McCain verwandelt einen Mann der Straße in eine rhetorische Massenvernichtungswaffe: Joe the plumber repräsentiert all die amerikanischen Werte, die durch Obamas Steuerpläne zunichte gemacht werden.

Und es kommt, wie es kommen muss: Die englische Times hat nachrecherchiert: Joe hat gar keine Lizenz, um sich als Klempner selbständig zu machen. Und zudem kann er nicht mal jetzt seine Steuern bezahlen.

Beste Ausgangsbedingungen also, die nur durch Obamas Steuerpläne durchkreuzt werden.

Zweifelhafte Verbraucherschützer

Der Verbraucherschutz geht um. Heute habe ich zwei Mails bekommen, dass meine Blogs von der vorgeblichen Verbraucherschutzseite cuge.org erfasst wurden.

Dabei schneide ich nicht mal schlecht ab: ich bekommen einen „cugerank“-Wert von 8,625 Punkten. Das habe ich mir auch verdient: Meine gelieferten Waren und Dienstleistungen bekommen neun von zehn Punkten, in der Kategorie pünkliche Lieferung sind es immerhin acht Punkte. Problem: Ich verkaufe in meinen Blogs weder Waren, noch Dienstleistungen.

Das Schicksal teile ich mit offenbar mit vielen anderen. Ein Blick auf die Seite offenbart, dass die Cuge-Nutzer angeblich so ziemlich jede crawlbare Seite bewertet haben – egal ob dort Waren und Dienstleistungen angeboten werden oder auch nicht. Der Wikimedia Foundation bescheinigt die vermeintliche Verbraucherschutzseite eine durchschnittliche Lieferzeit von einem Tag und sechs Stunden, Stefan Niggemeier braucht eine Stunde länger. Der Deutsche Bundestag bekommt in der Kategorie Einhaltung von Werbeversprechen erstaunlicherweise ganze sechs Punkte – und liegt damit auf einer Stufe mit Lawblogger Udo Vetter.

Weniger nett sind die internationalen Verbraucherschützer zu Robert Basic. Er steht auf der „Liste der von ihren Kunden als betrügerisch eingestuften Websites“:

Glaubt ihr nicht? Ich auch nicht.

Daran ändert auch der werbliche Wikipedia-Eintrag nichts. Eher im Gegenteil.

Wie bebildert man eine Finanzkrise?

Ganz klar: DAX-Kurven, Dollarscheine und immer die selben Nasen. Die von mir sehr geschätzten Infografiker von Tagesschau.de hatten diese Idee:

Tolle Idee, toll gemacht. In der Bildidee kommt alles rüber: die Geldspritze, der provisorische Charakter – und sogar Humor. Leider gibt es hier eine Text-Bild-Schere – der Texter wirft lieber mit Mataphern wie „Sprint“ und „Großkampftag“ herum, als die geniale Vorlage der Grafiker aufzugreifen. Trotzdem: Klasse.

Ganz anders ist es bei n-tv.de. Sie versuchen Humor – heraus kommt aber aber nur Zynismus und Klickstrecken:

Besonders peinlich: bei den Mini-Witzchen in den Bildbeschreibungen müssen die Wortspiele GROSS HERVORGEHOBEN werden.

Ha. Ha. Ha.

Der gläserne Alumni

Das Absolventennetzwerk der Kölner Universität veranstaltet ein VI. Symposium zum Thema „Der gläserne Mensch“. Dabei diskutiert „ein interdisziplinäres Podium das Spannungsfeld von Schaden und Nutzen der zunehmenden Datenerfassung„.

Damit das Ganze keine Diskussion aus dem Elfenbeinturm wird, haben sich die Alumnis entweder viele Gedanken gemacht und regen ihre Teilnehmer zum Denken an. Oder sie gehören zu den vielen, die zwar über Datenschutz reden, aber – kaum sind sie vom Podium heruntergestiegen – das genaue Gegenteil machen. Ich vermute mal letzteres.

Man sehe sich nur das Anmeldeformular an. Als erstes bekommt der Interessent eine Fehlermeldung angezeigt: die Alumni verwenden ein SSL-Zertifikat, das wohl nur innerhalb der Universität Köln voreingestellt ist. Dann soll er einen Fragebogen ausfüllen, wie ich ihn bei einer Veranstaltung ohne akute Terrorgefahr und Staatsbesuch noch nicht erlebt habe: Geschlecht, Name, Anschrift, Geburtsdatum, Email, Monat des Studienbeginns, Monat des Studienabschlusses, Geburtsdaten weiterer Gäste. Und wozu braucht man das Ganze? Das verraten die Alumni nicht.

In den AGB kann man sich aber die Bestimmungen zum Datenschutz raussuchen. Kurz gesagt – es gibt keinen:

A.7 Datenschutz
A.7.1 Der Teilnehmer erklärt sich bereit, dass seine persönlichen Daten (Name,
Personalausweisnummer usw.) auf Wunsche eines Leistungsträgers von
KölnAlumni e.V. an Dritte weitergeleitet werden.
A.7.2 Der Teilnehmer stimmt der Verwendung seiner Daten auf einer allen übrigen
Teilnehmern zugänglichen Teilnehmerliste zu.
A.7.3 Der Teilnehmer verzichtet auf sein Recht am eigenen Bild und stimmt der
Veröffentlichung zu.

Fassen wir zusammen: Wer diese Veranstaltung besuchen will, muss trotz Sicherheitsfehlermeldungen einen ganzen Haufen persönlicher Daten ungesichert an einen Veranstalter übertragen, der sie an ungenannte Dritte weitergeben will.

Das sollte doch eine spannende Datenschutz-Diskussion werden.

(via Tim Bartel)

PS: Der WDR zeigt wie eine Diskussion zum Datenschutz auch organisiert werden kann. Man veröffentlicht den Ort und Zeit – „Eintrittskarten sind nicht erforderlich“. Fertig. Das funktioniert auch – wahrscheinlich noch sogar besser.

Partyschreck

Harald Martenstein schreibt unter der Überschrift Der Partyschreck:

Der alte Mann brachte einen Mut auf, den nicht viele besitzen. Wer schafft es, hunderten von Leuten geradeaus ins Gesicht zu sagen, dass man für dumm hält, was sie gerade stundenlang bejubelt haben?

Hmm – vielleicht sollte ich damit aufhören.

Die Simpsons sind toll wie immer und können ewig weiterleben! Burn After Reading war ein intellektueller und humoristischer Genuss. Topmodel-Sendungen sind gut gemachte Unterhaltung. Obama ist der Heiland. Wer Fefe liest, weiß wirklich Bescheid.

Darf ich nun wieder auf die Party? Bitte? Es ist doch hoffentlich genug Alkohol da?

30 Prozent

In den letzten Tagen kursierte ein Interview mit dem Wertpapier-Händler Dirk Müller, der bekannt wurde, weil er bei Fernsehaufnahmen an der Frankfurter Börse immer so dekorativ im Blickfeld der Kameras steht. Seine düstere Vorhersage:

Ich verschärfe heute meine Tonart nochmal: Ich behaupte mit einer 70-prozentiger Wahrscheinlichkeit sehen wir im Moment und erleben wir mit: den Zusammenbruch unseres Wirtschafts- und Finanzsystems. Nichts anderes passiert hier grade. Wir haben eine 30-prozentige Wahrscheinlichkeit aus meiner Sicht die Sache zu retten. Offen gestanden: ich hab keine Ahnung, wie das aussehen könnte.

Nun – fünf Tage später wissen wir, wie das aussieht: