Kreative Zitatverwendung

Managergehälter sind mal wieder ein tolles Thema. Da lohnt ein Blick über den großen Teich, dachte sich die Redaktion von Tagesschau.de. NDR-Korrespondent Carsten Schmiester schrieb denn auch einen Bericht zum Thema. Problem: Was macht man, wenn die milliardenschweren CEOs sich nicht zu ihren Gehältern äußern?

Im vergangenen Jahr war laut „Forbes“-Magazin „Apple“-Chef Steven Jobs Spitzenreiter unter den Konzernbossen mit stolzen 646 Millionen Dollar. „Es ist unglaublich“, so Jobs, der sich damit zwar auf die Leistung eines neuen „Apple“-Computers bezog, genausogut aber sein Gehalt gemeint haben könnte.

PS: Wenn schon, denn schon. Ich hätte man ja mit Bill Gates und „640K is enough“ weiter gemacht. Aber das wäre wirklich zu fies.

Relativieren in wenigen Worten

Report Mainz hat mal wieder einen Scoop zu melden:

Voigt hatte in einem Gespräch mit iranischen Journalisten, aus dem „Report Mainz“ zitierte, zur Zahl der im Holocaust ermordeten europäischen Juden gesagt: „Sechs Millionen kann nicht stimmen. Es können maximal 340.000 in Auschwitz umgekommen sein. Dann sagen zwar die Juden immer: Auch wenn nur ein Jude umgekommen ist, weil er Jude ist, ist das ein Verbrechen. Aber es ist natürlich ein Unterschied, ob wir für sechs Millionen zahlen oder für 340.000. Und dann ist auch irgendwann die Einmaligkeit dieses großen Verbrechens – oder angeblich großen Verbrechens weg.“

Ich sehe schon die empörten Kommentare von Nachwuchsfaschisten, die sich vorgeblich um die Meinungsfreiheit in Deutschland sorgen und in allem nur eine große Medienverschwörung sehen, um das Verbotsverfahren gegen die NPD in Gang zu bringen. Man wird ja wohl noch rechnen dürfen?

Da ist es schön, wenn bei tagesschau.de dann in ganz ganz einfachen Worten steht, was denn von solchen Äußerungen zu halten ist.

Die Zahl von sechs Millionen ermordeten Juden gilt allerdings in der seriösen Geschichtswissenschaft als unstrittig. Zumal Auschwitz – auf das Voigt Bezug nimmt – keineswegs das einzige der zahlreichen deutschen Konzentrations – und Vernichtungslager war. Die Einmaligkeit des Holocaust schließlich erklärt sich weniger aus der Höhe der Opferzahlen, sondern vielmehr aus der Systematik der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik.

Schön wäre es auch gewesen, hätte man den verlinkten Hintergrundartikel anders betitelt hätte. Die Überschrift „Das präzedenzlose Verbrechen“ mag im Feuilleton gut passen, schreckt aber diejenigen ab, die sich einfach nur informieren wollen. Wie wäre es mit „Ein einmaliges Verbrechen„?

China schützt Innovationen

Aus der Netzeitung

Die zuständigen Behörden in Peking und Xi’an berichteten am Montag, weder eine Ausstellung in Hamburg noch eine Ausfuhr der 2200 Jahre alten Tonkrieger nach Deutschland genehmigt zu haben, obwohl dies vorgeschrieben wäre. Das staatliche Amt für die Verwaltung von Kulturgütern in Peking schloss daraus, dass es sich bei den Exponaten um illegale Kopien handeln müsse: «Hier scheint es ein Problem mit dem Schutz von Urheberrechten zu geben.»

Urheberrechte nach 2200 Jahren? Damit dürfte China zum neuen Traumland der IFPI werden.

Besonders sinnlose Email-Verschlüsselung

Wer seine Emailadresse auf einer Webseite veröffentlichen will ohne dass Spammer die Adresse auslesen können, kann zu einem kleinen Trick greifen: Die Mailadresse wird verschlüsselt in den HTML-Quelltext geschrieben und über ein kleines JavaScript-Programm entschlüsselt.

Heute habe ich diesen Trick erstmals in einer Email gesehen – natürlich war das nötige JavaScript-Programm zur Entschlüsselung nicht enthalten. Ergebnis: die Emailadresse war zwar im Klartext angegeben, für Outlook-Besitzer aber nicht anklickbar.

Wer benutzt eine solch sinnlose Signatur? Der Pressesprecher eines IT-Verbandes.

Wikipedia und die Herausforderungen

Vor fast zwei Jahren habe ich bei Telepolis fünf Herausforderungen für die Wikipedia formuliert. Zeit für eine Zwischenbilanz.

Herausforderung 1: Organisation

Vor zwei Jahren war die Wikimedia Foundation organisatorisch denkbar schlecht aufgestellt. Eine Handvoll Angestellte, die mit den gewaltigen Aufgaben einer weltumspannenden Organisation überfordert waren. Es gab zu wenige Entwickler, niemanden der sich professionell mit Finanzen auskannte, dafür einen Visionär an der Spitze der Organisation, der hochfliegende Pläne, aber keinen wirklichen Spaß an Büroarbeit und Verwaltung hatte.

Seither hat sich einiges verändert, sowohl zum Guten wie zum Schlechten. So gab Brad Patrick, der als Interims-Manager eigentlich die Wikimedia neu organisieren sollte, im März frustriert auf. Die Geschäfte wurden danach von dem ehrenamtlichen Vorstand geleitet, der keinerlei Erfahrung im Management internationaler Organisationen hatte und zudem über die ganze Welt verstreut war.

Die neue Vorsitzende Florence Nibrat-Devouard mühte sich zwar redlich, die Organisation zu stärken und zum Beispiel die Arbeit auf Arbeitskreise zu verteilen oder neue Länder-Organisationen einzubinden. Aber einen radikalen Umschwung konnte sie nicht erreichen.

Der Befreiungsschlag soll jetzt aber kommen. Sue Gardner wurde kürzlich als erste reguläre Geschäftsführerin der Wikimedia Foundation engagiert – und sie hat jetzt die spannende Herausforderung das Exeriment Wikipedia in eine Non-gouvernmental Organisation zu verwandeln. Die Wikimedia Foundation wird ihren Hauptsitz von Florida nach Kalifornien verlegen und dort zumindest teilweise einen Neuanfang machen.

Herausforderung 2: Lizenzproblematik

Die Lizenzproblematik ist ein historisches Problem. Hätte die Creative-Commons-Lizenz bereits im Jahr 2001 existiert, wäre die Wikipedia wahrscheinlich aus dem Schneider. Stattdessen wurde die GFDL gewählt, eine Lizenz die für die Erstellung und Verbreitung von Software-Dokumentationen entwickelt wurde. Bei der Verbreitung von Weltwissen ist diese Lizenz ein nicht zu unterschätzender Hemmschuh – so ist es beispeilsweise unmöglich Wikipedia-Texte lizenzgemäß in einer Zeitung oder Zeitschrift abzudrucken.

Auch diese Herausforderung ist in Arbeit – die GFDL soll mit einer Creative-Commons-Lizenz verschmolzen werden. Wie weit diese Bemühungen gediehen sind, ist nicht ganz klar. Zwar haben Jimmy Wales und Lawrence Lessig schon Erfolge verkündet, die entsprechende Bestätigung der Free Software Foundation steht aber noch aus. Zudem stellt sich die Frage, ob die CC-Lizenz nicht etwas zu frei ist. Genügt es einfach, eine URL zu der Versionshistorie beizusteuern, um die Rechte der Autoren wirklich zu erfüllen? Man stelle sich vor, die Foundation verliert aus irgendwelchen Gründen die Domain wikipedia.org – sind dann alle Rechte hinfällig? Wie können Autorenrechte in einer Umgebung gewahrt werden, in der die Autoren anonym oder synonym auftreten? Hier sind auch Software-Lösungen gefragt, um zum Beispiel den Export und Re-Import von Inhalten zu ermöglichen, ohne die Versionsgeschichte zu entwerten.

Herausforderung 3: Der Kampf mit der Transparenz

Der Kampf mit der Transparenz ist in meinen Augen ein ungelöstes Problem. Auf der einen Seite geben Wikipedia-Autoren in bedenklichem Maße Daten von sich preis, die für jedermann jederzeit abrufbar sind.

Auf der anderen Seite sind die Entscheidungsvorgänge innerhalb der Wikipedia extrem intransparent. Ein Neuling wird immer gegen irgendwelche Regeln verstoßen die irgendwann einmal von irgendwem beschlossen wurden und sich hinter lustigen Abkürzungen wie „BNS“ oder „WNI“ verbergen. Im Prinzip können Interessierte vorangegangene Diskussionen komplett nachlesen – in der Realität verliert man angesichts immer neuer Diskussionsabschnitte, inkonsistenten Archivierungen und der Verteilung von Diskussionen auf immer neue Projektseiten recht schnell den Überblick.

Herausforderung 4: Das Einbinden von Fachleuten

Auch hier muss man eine gemischte Bilanz ziehen. Denn trotz Werbemassnahmen hat Wikipedia zum Beispiel an Universitäten noch keinen tollen Ruf – viele Lehrer und Professoren sehen in der Wikipedia eine Seite, die zum Abschreiben benutzt wird. Auch die Mitarbeit von Firmenmitarbeitern wird durch die Existenz des Wiki-Scanners nicht gerade gefördert.

Auf der anderen Seite arbeitet die Foundation und insbesondere Deutschland hart an einer Akzeptanz durch Fachleute. So spricht Jimmy Wales immer wieder an Universitäten, der Verein richtet zusammen mit Universitäten Konferenzen und Wettbewerbe aus – zuletzt sogar in Südafrika.

Innerhalb der Wikipedia selbst macht die Einbindung von Fachleuten nur wenig Fortschritte – einem Professor oder Ingenieur würde ich die direkte Mitarbeit in der Wikipedia nur empfehlen, wenn sie Usenet-Erfahrung haben. Immerhin gibt es nun in einigen Bereichen funktionierende Redaktionen, die notwendige Arbeiten vorantreiben und Aufgaben verteilen.

Herausforderung 5: Flagge zeigen im feindlichen Umfeld

Es ist beeindruckend, dass Wikipedia noch nicht auf Millionen Dollar Schadensersatz verklagt wurde – jede andere Web 2.0-Seite dürfte mit größerem juristischen Ärger umzugehen haben. In Deutschland wurde Wikipedia gleich mehrfach verklagt und konnte durchweg als Gewinner aus der Sache hervorgehen.

Weniger beeindruckend hingegen ist, wenn Jimmy Wales die chinesische Firma Baidu wegen systematischer Lizenzverstöße nur von Taiwan aus kritisiert und dort behauptet die Foundation könne nicht aktiv gegen Baidu tätig werden. Denn sie könnte natürlich ohne weiteres Autoren finden, deren Rechte missachtet wurde und die im Kampf um ihre Rechte unterstützen.

Fazit:
Im Wesentlichen sind die Herausforderungen von vor zwei Jahren immer noch akut. Immerhin gibt es viel versprechende Lösungsansätze. Um es mit Wikimedia-Board-Mitglied Erik Möller auszudrücken: oft fehlt nur der entscheidende Push, um die entsprechenden Entwicklungen in Gang zu bringen. Und dieser Push muss von der Wikimedia Foundation kommen.

„Licht aus“ ein gewaltiger Reinfall

Wie erfährt man, ob der Aufruf zum symbolischen Licht-Ausschalten ein Erfolg war? Daran dass das Stromnetz zusammenbricht, wie die Vor-Berichterstattung nahe legte? Nicht wirklich. Ein paar ausgeschaltete Lampen, während Kühlschränke, Heizungen und Fernseher weiter laufen – wenn unser Stromnetz nicht mal das aushhält, haben wir ein Problem.

Woran merkt man hingegen, dass die Aktion eine gewaltige Pleite war? Nun – solche Erfolgsmeldungen legen es zumindest nahe:

Rund um den Kölner Dom versammelten sich mehrere Dutzend Menschen bei Regen und stürmischem Wind, um das Bauwerk für fünf Minuten im Dunkel verschwinden zu sehen.

Ein stark übergewichtiger Systemadministrator könnte die selbe Reaktion ernten, wenn er nachts um 3 Uhr nackt über die Domplatte tanzt. Ohne medialen Bohei.

Sueddeutsche.de: Petzen reicht nicht

Sueddeutsche.de schränkt die Leserkommentare ein:

[…]

In den vergangenen Monaten ist die Zahl der Nutzerkommentare ständig angestiegen. An Wochentagen werden nun rund 2.000 Kommentare an sueddeutsche.de geschickt. Auch dieser Wert ist zunächst erfreulich, er zeigt das große Interesse unserer Leser am Austausch.

Elementare Voraussetzung jeder Diskussion ist der gegenseitige Respekt und ein fairer Umgang miteinander. Da dies nicht immer eingehalten wurde, haben wir gemeinsam mit den Nutzern eine Nettiquette entwickelt und neue Funktionen – wie das Petzen oder das Bewerten – eingeführt. Außerdem entfernen Mitarbeiter von sueddeutsche.de unangemessene Kommentare.

In letzter Zeit mussten wir allerdings feststellen, dass diese zurückhaltende Moderation nicht mehr genügt. Insbesondere nachts und am Wochenende gehen zuweilen Kommentare online, die mit einer sinnvollen Form von Meinungsäußerung nichts mehr zu tun haben. Wir haben uns deshalb entschlossen, in Zukunft stärker moderierend einzugreifen.

Eine solche intensivere Betreuung erfordert die ständige Präsenz aktiver Moderatoren. Deshalb werden die Kommentarfunktion ab sofort zwischen 19 Uhr abends und 8 Uhr morgens einfrieren. Das bedeutet, dass in dieser Zeit auf sueddeutsche.de keine Kommentare publiziert werden können. Dieser „Freeze“ gilt auch für die Zeit am Wochenende – zwischen Freitag, 19 Uhr, und Montag, 8 Uhr – sowie für Feiertage.

Bitte haben Sie Verständnis für diesen Schritt. Wir hoffen, dass wir damit die Qualität der Diskussionen und damit auch das Niveau einzelner Kommentare deutlich aufwerten.

Die Chefredaktion

Passend dazu rässonniert Bernd Graff über die neuen Idiotae:

Sie zerfleddern – wie es gerne auch wir Zeitungsmenschen tun – jedes Thema. Sie tun dies aber oft anonym und noch öfter von keiner Sachkenntnis getrübt. Sie zetteln Debattenquickies an, pöbeln nach Gutsherrenart und rauschen dann zeternd weiter. Sie erschaffen wenig und machen vieles runter. Diese Diskutanten des Netzes sind der Diskurstod, getrieben von der Lust an Entrüstung.

Haben wir Entrüstung gesagt? Setzen Sie dafür bitte beliebig ein: Sabotage, Verschwörung, Häme, Denunziation, Verächtlichmachung, Hohn, Spott. Ja, wir müssen uns die Kräfte des freien Meinungsmarktes als äußerst destruktiv vorstellen.

Ausführliche Fehlermeldung

Eins der frustrierendsten Erlebnisse beim Computern sind Fehlermeldungen. Sie lesen sich meist so verständlich wie „Unzulässiger Schreibzugriff auf Sektor AS213453DJKL546546DSKADJ.“ oder sind so ausführlich wie „Error„. Was macht man? Man klickt auf „Okay“ und züchtet neue Magengeschwüre.

Mein KDE-Desktop hat mir heute ein anderes Exemplar präsentiert. Ausführlich, mit klaren Handlungsanweisungen und auf Deutsch:

Fehlermeldung KDE

Was soll ich sagen? Danke, hat geklappt. (Mein Vater hätte gleichwohl nichts davon verstanden.)

TCP/IP und Demokratie

Ich lese grade:

…das Recht auf freie Meinungsäußerung in einem demokratischen Medium wie dem Internet auf diese Weise zu beschneiden….

Ist das Internet so viel demokratischer als – sagen wir mal – Lotto spielen oder Zebrastreifen?