Löschen vor Sperren, präventiv

Gestern habe ich über den Widerstreit in NRW zwischen dem Grundsatz „Löschen statt Sperren“ und den real existierenden Sperrverfügungen geschrieben.

Da sich die Bundespolitik grade unter sehr schmerzhaftem politischen Bedingungen dagegen entschieden hat, Websperren gegen Kinderpornografie zu etablieren, fällt die Begründung bei dem vergleichsweise harmlos erscheinenden Thema Glücksspiel und Sportwetten schwer. Schließlich ist Poker doch ein regelrechter Familienspaß für Erwachsene, wenn man das Fernsehprogramm von Pro7 und Co als Orientierung nimmt.

In der Antwort auf eine Kleine Anfrage eines Abgeordneten der Fraktion „Die Linke“ liest sich das so:

Die Landesregierung steht dem Mittel der Internetsperre durchaus kritisch gegenüber, selbst  wenn dieses – wie im Glücksspielstaatsvertrag – nur als ultima ratio zur Anwendung gelangt. Internetsperren sind wegen der bekannten Umgehungsmöglichkeiten nur begrenzt wirksam,  bergen aber zugleich die Gefahr problematischer Eingriffe in die Freiheitsrechte der Bürger. Allerdings müssen die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und Rechtsdurchsetzung nach Ansicht der Landesregierung auch im Internet gewahrt werden, kriminelle Machenschaften  müssen auch dort konsequent und effektiv bekämpft werden.

Nach einem generellen Verzicht zu Netzsperren gefragt, lautet die Antwort so:

Die Landesregierung begrüßt den Beschluss  des Bundeskabinetts vom 13. April 2011, auf  Netzsperren zur Bekämpfung kinderpornographischer Inhalte zu verzichten und diesen vielmehr nach dem Grundsatz „Löschen statt Sperren“ zu begegnen. Die Entscheidung entspricht der Auffassung der Landesregierung,  dass diese Methode, dort wo sie Erfolg verspricht, zur Bekämpfung illegaler Inhalte stets vorzugswürdig ist. Das ist im Bereich der Kinderpornographie der Fall, da deren Verbreitung weltweit als kriminelle Handlung angesehen  wird und Bitten deutscher Stellen um Löschung entsprechender Dateien auf ausländischen  Servern daher mittlerweile in den meisten Fällen zeitnah entsprochen wird.

Der Grundsatz gilt also nur dort, wo Löschen erfolgreich ist. Aus „Löschen statt Sperren“ wurde so „Löschen vor Sperren“. Also wo ist das kriminelle Treiben, von dem weiter oben die Reden war?

Davon unterscheidet sich die Situation beim illegalen Glücksspiel. Die zumeist im Ausland  ansässigen Anbieter von Online-Glücksspielen verfügen regelmäßig über eine Zulassung in
dem jeweiligen Staat, die es ihnen gestattet, auch Kunden in Deutschland die Spielteilnahme  zu ermöglichen (sog. Offshore-Lizenzen). Daher schreiten die Behörden dieser Länder selbst  dann nicht gegen solche Angebote ein, wenn sie von deutschen Stellen darauf hingewiesen  werden, dass diese ohne die Erlaubnis der zuständigen Glücksspielaufsichtsbehörden nach  hiesigem Recht illegal sind.  Von daher bedarf es alternativer Methoden, um das illegale Glücksspiel im Internet zu bekämpfen.

Fassen wir zusammen: Da die großen Glücksspielanbieter in anderen Ländern legal sind, kann man sie nicht löschen lassen. Da sie hier nicht legal sind, qualifizieren sie sich als „kriminelle Machenschaften“, die konsequent bekämpft werden müssen.

Dennoch sind die Websperren nicht etwa als Strafe zu sehen:

Der Entwurf sieht die Möglichkeit von Sperrverfügungen vor, die jedoch nicht der Sanktionierung, sondern der Verhinderung illegaler Glücksspielangebote dienen und damit präventiven  Charakter haben.

Dies erklärt auch, dass die Glücksspielanbieter, die von den Sperrverfügungen betroffen wären, bisher offiziell nicht informiert wurden.

Trotzdem will die Landesregierung jetzt nochmal intensiv darüber beraten, ob man auf die Netzsperren verzichten kann.