DNS-Sperren und die DAUs

Ich habe ja in der vergangenen Wochen über die Sperrverfügungen in NRW geschrieben, mit denen zwei Provider verpflichtet werden sollen, den Zugang zu zwei Glücksspielseiten per DNS-Sperren zu erschweren. In der Landtagsdebatte wurde der Unterschied zu dem Löschen-statt-Sperren-Grundsatz bei Kinderpornografie debattiert. Dabei kam es auch zu diesem kleinen Dialog:

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herzlichen Dank für die Frage, Herr Abgeordneter Witzel. Ich gestehe, dass ich persönlich nicht über
die entsprechenden technischen Fertigkeiten verfüge, eine Internetsperre zu umgehen.

(Ralf Witzel [FDP]: Ich auch nicht!

Was man Abgeordneten und Regierungsmitglieder klarmachen muss: sie können das durchaus.

Aber das ist nicht wichtig. Denn der Anbieter kann die Sperre für den User umgehen. Eine Sperre gegen bwin.com betrifft nicht bwin.biz, bwin.eu, bwin.org oder gar bwinnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnn.com. Wenn der Veranstalter bösartig ist oder eine andere Rechtsauffassung durchsetzen will, stehen ihm unbegrenzte Möglichkeiten zur Verfügung. Er kann zum Beispiel beim User eine App installieren, die ständig die neusten Adressen kennt.

Nun könnte man argumentieren: der Nutzer merkt über die ständigen Adresswechsel, dass da etwas nicht stimmt. Außerdem kann man ja die Suchmaschinen verpflichten, die Seiten aus den deutschsprachigen Ergebnisseiten zu streichen. Doch wo will man da aufhören? Muss es irgendwann wieder vor den BGH gehen, weil eine Redaktion die verpönte Adresse genannt hat?

Die deutschen Behörden sagen: wir machen das schon. Wir wissen, was angemessen und wirkungsvoll ist. Das Problem: in der Vergangenheit wussten sie es nicht. Im Kampf gegen den Rechtsextremismus waren die Netzsperren in Nordrhein-Westfalen ein gewaltiger Fehlschlag.

Ich hab übrigens vor Jahren auf einer Party einen echten Online-Spielsüchtigen kennengelernt. Ein nervliches Wrack. Er hatte eine hohe Entschädigung bekommen, die ins Online-Kasino getragen und dort über Jahre gezockt. Irgendwann war nicht nur sein Geld weg, er war auch hoch verschuldet. Nun musste er gleichsam einen Entzug machen und hart arbeiten um seine Schulden abzuarbeiten. Ach ja: sein Glücksspielanbieter ist von dem Glücksspielstaatsvertrag nicht betroffen. Denn statt mit Karten hat er mit Aktien und Derivaten gezockt, das Casino war ein Online-Broker.

Löschen vor Sperren, präventiv

Gestern habe ich über den Widerstreit in NRW zwischen dem Grundsatz „Löschen statt Sperren“ und den real existierenden Sperrverfügungen geschrieben.

Da sich die Bundespolitik grade unter sehr schmerzhaftem politischen Bedingungen dagegen entschieden hat, Websperren gegen Kinderpornografie zu etablieren, fällt die Begründung bei dem vergleichsweise harmlos erscheinenden Thema Glücksspiel und Sportwetten schwer. Schließlich ist Poker doch ein regelrechter Familienspaß für Erwachsene, wenn man das Fernsehprogramm von Pro7 und Co als Orientierung nimmt.

In der Antwort auf eine Kleine Anfrage eines Abgeordneten der Fraktion „Die Linke“ liest sich das so:

Die Landesregierung steht dem Mittel der Internetsperre durchaus kritisch gegenüber, selbst  wenn dieses – wie im Glücksspielstaatsvertrag – nur als ultima ratio zur Anwendung gelangt. Internetsperren sind wegen der bekannten Umgehungsmöglichkeiten nur begrenzt wirksam,  bergen aber zugleich die Gefahr problematischer Eingriffe in die Freiheitsrechte der Bürger. Allerdings müssen die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und Rechtsdurchsetzung nach Ansicht der Landesregierung auch im Internet gewahrt werden, kriminelle Machenschaften  müssen auch dort konsequent und effektiv bekämpft werden.

Nach einem generellen Verzicht zu Netzsperren gefragt, lautet die Antwort so:

Die Landesregierung begrüßt den Beschluss  des Bundeskabinetts vom 13. April 2011, auf  Netzsperren zur Bekämpfung kinderpornographischer Inhalte zu verzichten und diesen vielmehr nach dem Grundsatz „Löschen statt Sperren“ zu begegnen. Die Entscheidung entspricht der Auffassung der Landesregierung,  dass diese Methode, dort wo sie Erfolg verspricht, zur Bekämpfung illegaler Inhalte stets vorzugswürdig ist. Das ist im Bereich der Kinderpornographie der Fall, da deren Verbreitung weltweit als kriminelle Handlung angesehen  wird und Bitten deutscher Stellen um Löschung entsprechender Dateien auf ausländischen  Servern daher mittlerweile in den meisten Fällen zeitnah entsprochen wird.

Der Grundsatz gilt also nur dort, wo Löschen erfolgreich ist. Aus „Löschen statt Sperren“ wurde so „Löschen vor Sperren“. Also wo ist das kriminelle Treiben, von dem weiter oben die Reden war?

Davon unterscheidet sich die Situation beim illegalen Glücksspiel. Die zumeist im Ausland  ansässigen Anbieter von Online-Glücksspielen verfügen regelmäßig über eine Zulassung in
dem jeweiligen Staat, die es ihnen gestattet, auch Kunden in Deutschland die Spielteilnahme  zu ermöglichen (sog. Offshore-Lizenzen). Daher schreiten die Behörden dieser Länder selbst  dann nicht gegen solche Angebote ein, wenn sie von deutschen Stellen darauf hingewiesen  werden, dass diese ohne die Erlaubnis der zuständigen Glücksspielaufsichtsbehörden nach  hiesigem Recht illegal sind.  Von daher bedarf es alternativer Methoden, um das illegale Glücksspiel im Internet zu bekämpfen.

Fassen wir zusammen: Da die großen Glücksspielanbieter in anderen Ländern legal sind, kann man sie nicht löschen lassen. Da sie hier nicht legal sind, qualifizieren sie sich als „kriminelle Machenschaften“, die konsequent bekämpft werden müssen.

Dennoch sind die Websperren nicht etwa als Strafe zu sehen:

Der Entwurf sieht die Möglichkeit von Sperrverfügungen vor, die jedoch nicht der Sanktionierung, sondern der Verhinderung illegaler Glücksspielangebote dienen und damit präventiven  Charakter haben.

Dies erklärt auch, dass die Glücksspielanbieter, die von den Sperrverfügungen betroffen wären, bisher offiziell nicht informiert wurden.

Trotzdem will die Landesregierung jetzt nochmal intensiv darüber beraten, ob man auf die Netzsperren verzichten kann.

Google down? Nicht möglich.

Als ich gestern in kurzer Folge fünf Kommentare zu einem relativ alten Eintrag bekam, wusste ich: da stimmt was nicht. Und in der Tat: die Websuche Nummer 1 war disfunktional. Weltweit. Bis zu 55 Minuten lang!

Der Leser oliselli kommentiert meinen Artikel bei Focus Online so:

Das ist mir bisher noch nie passiert. Ich war dann auch tatsächlich so perplex, daß ich eine Systemwiederherstellung am Computer vornahm, im Glauben, es läge an der Technik. Als dieses keine Änderung brachte, zog ich tatsächlich auch in Erwägung, daß es an Google selbst liegen könnte. Mit Yahoo ging es denn auch vorzüglich.

Erster Gedanke: Wie viele Windows-Installationen wurden gestern wegen dieses Hickups auf den Kopf gestellt? Und wie viele Norton-Pakete wurden extra verkauft?

Zweiter Gedanke: Ein Glück, dass so etwas dem BKA nicht passieren kann. Und falls doch ist der Fehler sicher in weniger als 55 Minuten Stunden behoben. Garantiert.

Internetzensur – lässt sich das Biest zähmen?

Mathias Schindler macht sich Gedanken:

Nach der Sperrung der Wikipedia durch die “IWF” gab es hin und wieder Ansätze einer Diskussion über die Mindestanforderungen einer Zensurinfrastruktur. Also so etwas wie der Versuch, das Biest ein wenig zivilisierter erscheinen zu lassen.

Sein Rezept ist – verkürzt gesagt – Transparenz und Rechtsstaatlichkeit.

Doch ist eine transparente Sperrliste nicht automatisch auch eine Surf-Empfehlung für Möchtegern-Kriminelle? Eine staatliche gepflegte Liste des Stoffs, der nicht mehr „barely legal“ ist? Eine Liste von Dingen, mit denen sich 13jährige auf dem Schulhof gegenseitig erschrecken?

Und zum Thema Rechtstaatlichkeit: wo sind denn die Mindeststandards? Liegen sie dort, wo man aktiv Piraten bekämpft? Oder liegt sie doch ein wenig höher? Oder besser ein wenig niedriger?

Lasst die Kinderpornos im Netz

Das scheint die Devise der Norweger zu sein, wenn es nach dieser Meldung geht:

Im Kampf gegen die Verbreitung von Kinderpornografie im Internet setzt Norwegen landesweit ein Filtersystem ein, das den Zugang zu einschlägigen Web-Seiten blockiert.

„Wir können damit pro Tag rund 15 000 Zugriffe auf solche Seiten verhindern – und damit rund 15 000 Straftaten“, sagte Bjørn-Erik Ludvigsen, der zuständige Beamte von der norwegischen Kriminalpolizei. Ludvigsen äußerte sich am Rande der laufenden Herbsttagung des Bundeskriminalamts in Wiesbaden, deren Schwerpunkt die Internetkriminalität ist.

In welchem Land ist Kinderpornographie denn legal? Welche Provider hosten „einschlägige Angebote“ dauerhaft? Und welcher Idiot glaubt, ein Kind würde weniger missbraucht, weil einige Perverse in Schweden einen anderen Zugangsweg nehmen? Wer für Kinderpornos Geld bezahlt, wird auch einen Proxy nutzen können.