Dioxin fürs Hirn
Klischees sind geronnene Wahrnehmung.
Man kann sich gut damit durchs Leben schlagen — genau so wie Gammelfleisch und von Dioxin-Eier nicht sofort auf die Gesundheit schlagen. Den meisten fällt es nicht Mal auf, wenn die Soße nur scharf genug gewürzt ist.
Aber will man das?
Spamming Topics
Monica Lierhaus ist in den „Trending Topics“ bei Twitter.
Und wohin führen solche Links?
Ist es schon wieder so weit, dass man Twitter hinter sich lassen sollte um ein Medium mit Leuten zu suchen, die nicht hirnlos auf jeden Spam klicken?
BTW: Ich glaube, dass ein wesentlicher Teil der Spam-Industrie mittlerweile nicht mehr davon lebt gefälschte Potenz-Pillen oder Rolex-Uhren zu verkaufen – die Spammer zocken ihre eigenen Auftraggeber und Möchtegern-Spammer ab.
(Satire)
Udo Vetter berichtet über einen spannenden Fall: Erfolgsautor Bastian Sick (dessen Lebenswerk mir viele Leser-Mails über eingebildete sprachliche Fehler eingebracht hat) prozessiert gegen Google. Kurz zusammengefasst: in den Suchergebnissen war ein satirisch gemeinter Text verlinkt — ohne dass die Satireabsicht in dem „Snippet“ zu erkennen war.
In den USA hat Google News dazu eine eigene Lösung: satirische Beiträge werden mit einem kleinen Hinweis versehen.
Natürlich hinkt der Vergleich. Alle Beiträge von „The Onion“ sind Satiren – im Gegensatz zu dem Ressort auf Welt.de kann ich sogar drüber lachen. Wie wäre es mit einem Kompromiss: Google löscht den Beitrag nicht, sondern versieht ihn mit einem Satire-Tag. Und damit Google nicht den Humorwächter spielen und manuell nachbessern muss, wird der humoristische Gehalt auf ganz welt.de verteilt:
Im nächsten Schritt können die SEO-Profis sich dann über eine nachhaltige Lösung Gedanken machen. So könnte man es zur Pflicht machen, Satire-Beiträge in den Metadaten der Webseite kenntlich zu machen. Ein Ironie-Schild, um jedes Missverständnis auszuschließen.
<meta name="robots" content="Index, Follow"/>
<meta name="humour" content="yes"/>
<meta name="humour-style" content="mariobarth"/>
Lamestream Media
In diesen Tagen ist es so einfach zum Medienkritiker zu werden: jeder Fernsehsender, der nicht 24 Stunden am Tag vom Gemetzel in Kairo berichtet, ist ein Relikt vergangener Tage, versündigt sich am Erbe der friedlichen Revolution in der DDR, die wir nun am Bildschirm nochmal nacherleben wollen. Live. Jeder Kommentar, jede Überschrift muss die unverbrüchliche Treue mit den Regimegegnern ausdrücken — wer immer sie sein mögen — und den Westen für seine Unterstützung Mubaraks verdammen.
Ich muss übertreiben – sicherlich. Oder etwa nicht? Zum Beispiel hat der allzeit streitsame Jens Best bei tagesschau.de einen Propaganda-Stoßtrupp des ägyptischen Regimes geortet:
Gemeint war dieser Beitrag, in dem der Autor zum Beispiel dies schreibt:
In Kairo, Suez und Alexandria gilt eine verlängerte Ausgangssperre, die um 15.00 Uhr nun eine Stunde früher beginnt und bis morgens 8.00 Uhr andauert. Diese Maßnahme wird von Beobachtern als Bestätigung für den Verdacht gewertet, dass die Plünderungen und das Chaos der vergangenen zwei Tage vom Regime bewusst verursacht worden waren, um die Demonstranten zu schwächen.
Jens Best und viele andere Twitterer haben das wohl nicht gelesen – sie nahmen die Überschrift, ergänzten sie durch ein paar Worte aus ihrer Fantasie und erregten sich. Aber gut, was will man von dem 140-Zeichen-Schnell-Schnell erwarten?
Wenden wir uns also der FAZ zu, in der Jochen Hieber den öffentlich-rechtlichen Sendern ein miserables Zeugnis ausstellt.
Nein, genau das hatten wir eben nicht – knapp elf Minuten hatte Mubaraks Rede gedauert, sie war für den Moment das Ereignis schlechthin und fand just während der Sendezeit des „Journals“ statt. Wir aber sind, Goethe abzuwandeln, eben nicht dabei gewesen, nicht in der ersten, der zweiten oder wenigstens der letzten Reihe. Dass auch die „Tagesthemen“ der ARD, die am Dienstag um 22.30 Uhr begannen, nicht in der Lage waren, die Rede ausführlich (am besten: ganz) zu dokumentieren und deren Wortlaut einer ersten Interpretation zu unterziehen, macht die Sache vollends zum Trauerspiel. Wovon erzählt es?
Nun — es erzählt davon, dass Herr Hilber seine Fernbedienung verlegt hat oder sie nicht bedienen kann. Ich wunderte mich nämlich wie er über den Mini-Ausschnitt der Mubarak-Rede im heute-journal – war aber nicht wirklich erstaunt oder sauer. Stattdessen schaltete ich auf Phoenix um, wo ich mit einigen Minuten Verzögerung die Ansprache in voller Länge sah. Ich kam zum Schluss, dass „das Ereignis schlechthin“ eine Ansammlung von Phrasen war, die nur eine wesentliche Information enthielt: Mubarak will bis September an der Macht festhalten.
Diese Staatspropaganda in voller Länge vorzuspielen gehört in meinen Augen nicht zu den vorrangigen Zielen im Programmauftrag der GEZ-finanzierten Sender, wenn mit eben diesen Gebühren bundesweit ein Nachrichtenangebot finanziert wird, das mit einem Druck auf die Fernbedienung zu erreichen ist. Mit der gleichen Berechtigung könnte man kritisieren, dass der FAZ-Artikel nicht das Nachtprogramm abdeckt. Redaktionsschluss oder Schlaf sind in diesen Zeiten der Moment-Ereignisse doch irrelevant geworden.
Die Ereignisse in Ägypten zeigen, wie viel Macht Informationen und damit auch „die Medien“ haben. Diese Macht verlangt nach Kontrolle und Kritik. Haben die Medien im Verbund mit den westlichen Regierungen ein Unrechtsregime gestützt? Sind die Journalisten so gefangen im Schema von „Die Regierung hat gesagt, die Opposition erwiderte“, dass sie vergessen, dass sie über echte Menschen, über fundamentale Umstürze berichten? Wie kann die ARD sein Korrespondentennetz effektiv nutzen, wenn das Publikum bei Revolutionen 24/7-Berichterstattung fordert, aber beim Weltspiegel oder den Hintergrundberichten von Deutschlandradio gelangweilt wegschaltet?
All dies sind legitime Fragen. Um sie zu beantworten, muss man jedoch hinsehen, hinhören und nachdenken.
P.S. Bei mir zu Hause liegt die ARD auf Programmplatz 1, arte auf der 2 und Phoenix auf der 3. Medienkompetenz fängt zu Hause an.
P.P.S.: Nach einem weiteren FAZ-Angriff schlägt ARD-Aktuell-Chefredakteur Kai Gniffke zurück:
Wir hätten die Rede von Hosni Mubarak am Dienstag live übertragen sollen, heißt es da. Meint der Autor das ernst? Das wäre so als wenn wir jetzt jede Rede von Fidel Castro live zeigen würden. Es könnte ja die letzte sein. Was würden wir den machen, wenn Husni zwei Stunden lang Parolen absondert – draufbleiben, weil’s so toll ist? Unser Job als Journalisten ist es, zu bewerten, zu gewichten, auszuwählen und nicht einfach laufen zu lassen.
The Daily – Keine Zeitung für mich
Heute wurde mit viel Pomp die neue Super-Duper-Zeitung für das iPad vorgestellt: „The Daily“. Nach der Vorführung glaube ich nicht, dass dieses Medium die Antwort auf irgendeine Frage ist, die jemand zur Zukunft des Publizierens gestellt hat.
Zunächst einmal präsentierten Murdoch & Mitarbeiter, zwei ach so tolle Features: schwenkbare Panorama-Aufnahmen und Sportlerköpfe, die sich plötzlich von unten in das Layout schieben. Das fand ich schon schlimm, als sich Netscape an DHTML versuchte. Erinnert sich noch jemand an die Schmetterlinge, die plötzlich über jede zweite Webseite flogen? Es war schrecklich. Die 3D-Ansichten kamen ein paar Jahre später, verlangten die Installation irgendeines Plugins. Das lag dann bis zur Neuinstallation auf der Festplatte lag ohne je wieder genutzt zu werden.
Die Redaktion von „The Daily“ hat zwei Alternativen: Entweder baut sie Geschichten um dieses tolle Rundumblick-Feature herum. Das erfordert einiges an Personalaufwand: Mindestens zwei Leute müssen um die Welt reisen, um wirklich spektakulären Bilder zu bauen und dazu eine spannende Geschichte zu erzählen. Wahrscheinlicher ist die Lösung: Murdochs Mannen bedienen sich bei irgendeinem Katalogs fertiger Panoramen und bringen die unter wo es grade rein passt. Oder auch nicht. Wer das Wort „Symbolfoto“ hört, weiß welches Ungemach solche fest installierte Features haben – wenn man nichts findet, was in den redaktionellen Kontext passt, nimmt man halt irgendwas.
Die Fixierung auf das Interface scheint einem der Präsentatoren direkt aufs Hirn geschlagen zu sein, indem er die unglaublich guten Bilder aus Ägypten lobt, ohne mit einem Wort auf den Inhalt einzugehen – eine Revolution als herrliche Staffage für das neue Medium. Brilliante Bilder sind wichtig, ein twitternder Reporter unverzichtbar, Journalismus jedoch spielt nur eine Nebenrolle. Jonathan Price lässt grüßen.
Der Preis ist mit 99 Cent pro Woche sehr, sehr günstig. Oder soll ich schreiben: zu günstig? Die exklusiv zusammengekaufte Redaktion muss über Werbung finanziert werden, die man möglichst nicht überblättern kann und gegen die auch kein Adblocker hilft. Ein großer Teil der Einnahmen wird — wenn man sich an Projekten wie der Second-Life-Zeitung Avastar orientieren kann – mittelfristig von App-Entwicklern kommen, die bei „The Daily“ werben, beziehungsweise, die von „The Daily“ direkt verlinkt werden. Wie in New York betont wurde, wird die iPad-Zeitung bei Apps einen publizistischen Schwerpunkt setzen – mit Direktanbindung an Apples App Store. Provisionseinnahmen treffen auf journalistische Unabhängigkeit.
Ich will nicht ausschließen, dass „The Daily“ DAS Medium für tolle Reportagen sein wird, die angeblich Mal vor 20 Jahren im Playboy gestanden haben mögen. Zum Produktstart haben die Verantwortlichen aber nichts gezeigt, was diese Hoffnung nähren würde.
No fly list – the system works
Wie das Schmierblatt metro.co.uk berichtet, hat ein britischer Einwanderungsbeamter Kreativität und Initiative bewiesen:
@flueke)