Paradies für Inklusionisten?

Man sollte als Autor nicht immer durch die Heise-Foren surfen. Es ist ab und an sehr deprimierend zu sehen, wie wenig von dem Artikel bei den Kommentatoren angekommen ist. Bei meinem gestrigen Artikel zum Relevanz-Schlammschlacht-Streit scheint zumindest kaum einer der Diskussionsteilnehmer eine Notiz von der Meldung oder dem Hintergrundartikel genommen zu haben.

Einen interessanten Beitrag habe ich aber dennoch gefunden: Hier wird auf zwei Alternativprojekte verwiesen, die explizit inklusionistischen Anspruch haben, in denen Skurrilitäten, Theoriefindung und Stubs ausdrücklich erwünscht sind.

Das eine Projekt hatte keine allzu lange Lebensdauer. Auf der verbliebenen Startseite heißt es:

Es gibt einfach Verhaltensmuster, und unter fremden Namen schreiben gehört ganz sicher dazu, die sollte man nicht ertragen. Die Freiheit eines Wikis scheint für manche Menschen zu viel zu sein. Dann muss das Wiki eben geschlossen werden.

Das zweite Projekt heißt Wikinfo:

Wikinfo ist für alle da, für Narren und Weise. Hier dürfen vorhandene Erkenntnisse weitergegeben, aber auch neues Wissen geschaffen werden. Damit unterscheidet sich Wikinfo ganz wesentlich von Enzyklopädie-Projekten wie Wikipedia, die keine originäre Forschung unterstützen. Desweiteren besteht die Möglichkeit, Artikel von Wikipedia zu importieren um sie danach zu erweitern und gegebenenfalls zu korrigieren.

Das Projekt besteht schon seit 2003 und war von Anfang an dafür gedacht, den Unvollkommenheiten der Wikipedia zu begegnen – so wurde der Neutral Point Of View, eines der Haupt-Prinzipien der Wikipedia, abgelehnt. Mit einigem Erfolg: über 43000 Artikeln ist Wikinfo einer der größeren Wikipedia-Forks – wenn auch viele davon Importe aus Wikipedia zu sein scheinen.

Allerdings gibt es auch ein paar Nachteile:

Racist viewpoints are allowed on Wikinfo. Readers from counties where racist material is illegal can find this disturbing. People who are not White Caucasian can feel particularly threatened. There will never be universal agreement as to how much weight should be given to free speech and how much weight should be given to protecting ethnic minorities.

In spite of the fact that Wikinfo has the reputation of being a somewhat friendlier place to edit than Wikipedia (no doubt true), Wikifoans have a rather Qickdraw Mcgraw attitude towards vandals and trolls. Often new users who cross the line will be banned after their first offense, whereas on Wikipedia, they may enjoy two or three warnings before a ban. This may be due to the fact that security on Wikinfo is, (as Fred puts it), not quite twenty four hours.

„Kommando zurück“

Vor dem ersten Kaffee schrieb ich in einer Mail „Kommando zurück“. Dabei hatte ich gar kein Kommando gegeben. Wieso schreibe ich das nur? Ich bin schließlich nie beim Bund gewesen.

Kurze sprachliche Selbsterforschung: Es klingt wohl für den Schreibenden besser als „Sorry, mein Fehler“ oder „Da war ich voreilig“. Zudem ist es kürzer.

Phoenix is not enough

Welt.de berichtet:

Lammert übte gleichzeitg harte Kritik an der Programmgestaltung der öffentlich-rechtlichen Sender. Ihm fehle jedes Verständnis dafür, dass die konstituierende Sitzung des 17. Deutschen Bundestages weder vom ersten noch vom zweiten Programm direkt übertragen werde, sagte er nach seiner Wiederwahl. Stattdessen liefen an diesem Vormittag in ARD und ZDF Unterhaltungssendungen. Lammert verwies darauf, dass das gebührenpflichtige Fernsehen sein „üppiges Privileg“ dem Parlament verdanke.

Wenn man bedenkt, dass diese Beschwerde live auf Phoenix lief, ist das Jammern auf sehr hohem Niveau.

Relevanz allerorten

Für eine Arztpraxis in der Nähe meiner Wohnung sind bei Google Maps falsche Öffnungszeiten angegeben. Also loggte ich mich ein, um den Fehler zu korrigieren. Crowdsourcing par excellence. Aber ich hab mich zu früh gefreut: die falschen Daten kommen offenbar von Qype und können daher nicht auf Google Maps verändert werden.

Stattdessen kann ich nur ein Feedback-Formular ausfüllen, dass das Relevanzkriterium von Google Maps enthüllt:

maps-relevanz

Schnapsidee Alkoholverbot

Zur Zeit wird ja viel über Alkoholverbote gesprochen, sogar in der Bahn soll ein solches eingeführt werden. Was auf den ersten Blick ach so sinnvoll erscheint, ist in Wahrheit nicht viel mehr als eine Schnapsidee. Denn wer soll das konsequent durchsetzen? Wer soll Fußball-Fans auf dem Weg zum Spiel die mitgebrachten Bierkästen wegnehmen? Der jetzt schon überlastete Schaffner? Und was ist mit den feucht-fröhlichen Frauenkegelvereinen mit ihren Piccolos und Kleinen Feiglingen? Um die voneinander zu trennen wäre wohl ein Bundeswehreinsatz im Inneren erforderlich.

Es läuft wohl wieder darauf hinaus, dass Gesetze geschafft werden, die es Polizisten ermöglichen quasi jeden unpassenden Menschen zu sanktionieren – und die angepassten lässt man gewähren. In meinen Augen ist das kein Erfolgsrezept für den Rechtsstaat.

Sinnvolle Suche

Ich hab es eben erst bemerkt – welt.de hat ja ganz nützliche Erweiterungen der Suchfunktion vorgenommen. So kann man getrennt nach Print- und Online-artikeln suchen. Die Einschränkung des Zeitraums ist weniger gelungen – man kann jeweils nur die aktuellste Zeitperiode wählen, nicht die Artikel, die zum Beispiel im Juli 2004 geschrieben wurden. Richtig toll ist jedoch die Funktion „zusätzliche Begriffe, um die Suche nach bestimmten Themenbereichen einzuschränken.

Bei der Suche nach der FDP-Politikerin Cornelia Pieper bietet mir diese Funktion folgende Optionen:

sinnvollesuche

Bekenntnisse eines Exklusionisten

Mit meinem letzten kleinen Erklärstück habe ich mich in den Augen vieler anscheinend als Vordenker der Exklusionisten geoutet. Dabei finde ich die Löschdiskussionen selbst oft unsäglich, das Entscheidungssystem der Wikipedia muss seit Jahren grundsaniert werden. Ich habe wegen der Frustration über endlose Meta-Diskussionen meinen Wikipedia-Account schon vor Jahren stillgelegt. Der Vorteil: wenn man ein, zwei Schritte zurücktritt, kann man zuweilen ein wenig mehr Kontext erkennen.

Vor fast drei Jahren schrieb ich:

Ohne die letzte Instanz werden die Widersprüche mehr zu Tage treten, die das Selbstverständnis der Wikipedia prägen. So kokettiert die Wikipedia noch heute mit einem Mischmasch der Machtstrukturen; Entscheidungen werden meist in einem ungeregelten Konsens erzielt. Wer sich gerade mit einem Problem beschäftigen will, bestimmt auch darüber.

I said so“ mag kein guter Stil sein, aber die derzeitige Diskussion ist ein perfektes Beispiel dafür. Das für Wikipedia notwendige Löschsystem hat eine Eigendynamik entwickelt, die dem Projekt nun schaden kann. Ob sie das tatsächlich schon tut – ich weiß es nicht. Das ist auch eine Frage der Perspektive, was Wikipedia leisten soll.

userfriendly-wikipedia

Viel diskutiert wurde über die Löschung des Artikels über den Clubmate-Cocktail Tschunk. Ich hätte ihn nicht gelöscht – zwar war der Artikel nicht gut, aber wer sich für das Thema interessiert hat, wurde zumindest nicht in die Irre geführt. Niemand wollte damit Eigenwerbung betreiben oder seine Weltsicht auf subtile Weise in die Wikipedia schmuggeln, wie es leider allzu oft vorkommt. Hier spielen auch falsche Formatierungen keine Rolle, die notwendige Wartung des Artikels durch einige engagierte Wikipedianer aus dem CC-Umfeld schien gesichert.

Derzeit wird der Artikel auf einer Benutzerseite überarbeitet. Hier zeigt sich sehr schön, wie sich das Relevanz- und Quellenproblem ganz konkret äußert. Liest man das Ganze im jetzigen Zustand, sind die Zutaten eines Tschunk:

  • Clubmate
  • weißer Rum oder brauner Rum
  • Eiswürfel oder crushed ice
  • Zucker oder kein Zucker
  • Limetten oder keine Limetten
  • Salzrand oder kein Salzrand

Ich bin wahrhaftig kein Cocktail-Experte – aber alleine das verwendete Eis kann den Charakter eines Drinks wesentlich verändern. Ich wurde von kundigeren Freunden immer mal wieder über die fundamentalen Unterschiede zwischen weißem und braunen Rum hingeweisen. Mir wurde vor Jahren auch mal ein Tschunk mit Vodka angeboten. Zusammengefasst: alles, was aus Clubmate und irgendeiner Art von Alkohol besteht, kann sich im Prinzip „Tschunk“ nennen. Oder auch „Chunk“.

wikipedian_protester

Wie gesagt: ich hätte den Artikel nicht gelöscht, aber die Frage stellt sich schon: wem nützt ein Wikipedia-Artikel über einen Cocktail, den es eigentlich noch gar nicht gibt? Der in keinem Cocktailverzeichnis steht? Sollte man nicht warten, bis sich zumindest ein halbwegs brauchbares Rezept herauskristallisiert? Würden ein, zwei Sätze im Artikel über Clubmate nicht ausreichen, würde der eine Artikel den Leser nicht sogar besser informieren? Warum fehlen die 2000 Cocktailrezepte, die ohne Zweifel viel verbreiteter sind als der Tschunk?

Ich kann die Fragen nicht eindeutig beantworten, aber wenn man sie mit einer Million multipliziert, hat man ungefähr eine Ahnung von der Komplexität der Entscheidungen in der Wikipedia.

Clean DRM

Die „Clean Coal“-Technologie ist super. Man nimmt eine der dreckigsten Energiequellen und simsalabimm wird sie zum grünen Umweltriesen.

Oder lassen aus berufenerem Munde:

Clean coal is like saying „healthy botulism,“ „child-safe plutonium“…

Die Umweltverschmutzung des Digitalen heißt DRM. Nun hat sich Amazon vor kurzem einen kleinen GAU geleistet, der den gadgetgeilen Kunden schön vorgeführt hat, was sie verlieren, wenn sie ihre alten Staubfänger gegen shiny, shiny E-Books eintauschen.

Barnes & Noble hat da doch eine viel bessere Idee: der hauseigene Ebook-Reader Nook hat die sagenhafte LendMe™ technology.

Share favorite eBooks with your friends, family, or book club. Most eBooks can be lent for up to 14 days at a time. Just choose the book you want to share, then send it to your friend’s reader, cell phone, or computer.

Die meisten Bücher. Bis zu 14 Tage am Stück. Suuuper!

Und dass sogar der Name der Technologie trademarked ist, macht sie nur noch besser!

Ohne Relevanzkriterien keine Wikipedia

Die derzeitige Aufregung um die Relevanzkriterien der Wikpedia nimmt obskure Züge an. Vor allem bin ich erstaunt wie uninformiert auch ein großer Teil der Netzbevölkerung ist, die sich gerne das Wort „Medienkompetenz“ an die Brust heftet.

So schreibt Pavel:

99% aller Deutschen sind irrelevant. Und werden es auch immer bleiben. Jedenfalls nach den Relevanzkriterien der deutschen Wikipedia.

Ähm – ist das ein Vorwurf? Natürlich sind die allermeisten Menschen für Wikipedia irrelevant. Wie kann man sich über Datenlücken bei StudiVZ aufregen, wenn man parallel in der Wikipedia eine Personendatei aufmacht, von der nicht mal Wolfgang Schäuble zu träumen wagt?

Ich persönlich bin ganz froh keinen Wikipedia-Artikel über mich zu haben, den ich ständig nach Vandalismen untersuchen müsste und in dem plötzlich ein Abschnitt „Kritik“ auftaucht, in dem ein Worst-Of der auffindbaren Äußerungen über mich gesammelt werden.
Arrogant oder notwendig?

Wikipedia will das Weltwissen sammeln, ein hehrer Anspruch. Man kann nun fragen, ob der Straßenkehrer Dominik Müller in Bad Salzdettfurt weniger wert ist als ein Mathe-Professor, der auch nur sein Tagewerk vollbringt? Gehört Dominik nicht auch zum Weltwissen? Woher kommt diese Arroganz?

Nun – schauen wir uns das Grundprinzip der Wikipedia an. Zunächst: Wikipedia will Weltwissen sammeln, nicht nur eine Sammlung von Behauptungen. Was trivial klingt, ist in Wahrheit die Quadratur des Kreises. Denn in Wikipedia kann quasi jeder schreiben, was ihm in den Sinn kommt. Man muss sich nicht mal anmelden.

Wissen aus dem Chaos destillieren

Damit aus diesem Chaos an Behauptungen nun so etwas wie Wissen destilliert werden kann, müssen einige Voraussetzungen erfüllt werden. Das Grundprinzip der Wikipedia beruht darauf, dass Artikel ständig überarbeitet und verbessert werden. Denn erstens ist Wissen keineswegs statisch und zweitens soll sich der berühmte Neutrale Standpunkt der Wikipedia dadurch herauskristallisieren, dass Menschen mit unterschiedlichen Standpunkten zusammenarbeiten. Ohne solche Zusammenarbeit wäre Wikipedia nur so etwas wie ein Free-Hosting-Provider, oder ein Portal wie OpenPR, wo jeder einfach veröffentlichen kann, was er will und es niemanden interessiert, wenn es falsch ist.

Die Relevanzkriterien sind ein Mittel dazu einen Ausgleich unterschiedlicher Standpunkte und Quellen herzustellen. Denn Wikipedia kann sich nur aus bereits veröffentlichten Informationen speisen. Wenn der bösartige Schwager schreibt, dass Dominik Müller wegen Vergewaltigung zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt wurde – wie soll ein anderer Wikipedianer das überprüfen? Falsche Quellenangaben sind schnell produziert und Menschen, die Wikipedia-Artikel tatsächlich auf Falschbehauptungen abklopfen sind leider sehr selten. Nur wenn eine Person oder ein Thema lange genug in der Öffentlichkeit ist, werden Fehlinformationen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erkannt.

Jeder Tippfehler wird zur Quelle?

Stichwort Quellen: Ich bin als Online-Journalist in einer seltenen Machtposition. Meine Behauptungen sind googlebar, sie erscheinen in Medien, die viel Wert auf Recherche legen. Dennoch mache ich – wie jeder andere – Fehler. Wie soll man es nun verhindern, dass meine Recherche-Versäumnisse, meine Tippfehler gar durch die Wikipedia zum Weltwissen geadelt werden? Auch hier helfen Relevanzkriterien.

Denn wenn ich dem Bundestagsabgeordnete Dominik Müller fälschlicherweise 100 statt 10 Aufsichtsratsposten andichte, werde ich mit einiger Wahrscheinlichkeit korrigiert werden. Wenn ich einen ähnlichen Fehler bei dem Straßenkehrer Dominik Müller mache, wäre eine Korrektur reine Glückssache. Zudem ließen sich zu den Aufsichtsratsposten höchstwahrscheinlich viele Quellen finden, zu Haftstrafen von unbekannten Menschen hingegen findet man so gut wie keine öffentlichen Quellen – erst recht keine gesicherten. Wenn dazu jemand noch eine toll klingende Quellenangabe (siehe Seite 332 des Standardwerks „Die Müllers“) macht, stößt das System Wikipedia an seine Grenzen. Wer soll dieses Buch ausleihen und dem Ganzen seinen Stempel aufdrücken?

Wissen erfordert Arbeit

Relevanzkriterien haben noch viele weitere Begründungen. So kursiert die Behauptung, dass vermeintlich irrelevantes Wissen der Wikipedia nicht schade – das bisschen Speicherplatz kostet doch nichts. Das ist leider falsch. Alleine schon das Speicherplatz-Argument ist schwach – wer das bezweifelt soll mal einen vollständigen Datenbank-Dump der englischen Wikipedia herunterladen und auf seinem Rechner entpacken. Oder einen Blick in das Operationsbudget der Wikimedia werfen.

Hinzu kommt aber die notwendige Pflege von Artikeln. Niemand kann von sich aus die – großteils sinnvollen – Formatierungsvorgaben auf Anhieb richtig machen. Wie man einen Wikipedia-Artikel richtig mit Projekten wie OpenStreetMap oder der Personennamendatei verknüpft, ist Spezialwissen, für das man einige Stunden trockene Lektüre investieren muss. Gleichzeitig bieten diese Routine-Arbeiten wertvolle Informationen für den Leser. Dazu kommen noch viele andere Probleme, wie das Bemühen den Wissensbestand einigermaßen übersichtlich zu halten, so dass zum Beispiel nicht zum selben Thema unterschiedliche Informationen in unterschiedlichen Artikeln erscheinen.

Relevanzkriterien sind notwendig

In der englischen Wikipedia gibt es ebenfalls erbitterte Kämpfe um die Relevanz. Zwar wird immer wieder angeführt, dass dort quasi jede Folge einer bekannten US-Serie mit einem eigenen Artikel versorgt wird. Aber das hat – hier muss ich etwas mutmaßen – vor allem zwei Gründe: Die Autorengemeinschaft der englischen Wikipedia ist über die ganze Welt verstreut. Der Autor aus Indien wird nie mit den Autoren aus Texas oder Honululu zusammen treffen. Die weltweit verbreiteten US-Serien sind da ein prima Feld um Gemeinsamkeiten auszuloten. Zudem verfügt die englische Wikipedia über ein Vielfaches an Autoren und Korrekturlesern und kann somit mehr Artikel in den eigenen Kanon integrieren. Gleichzeitig jagt in den USA ein Verleumdungsskandal den anderen, längst gehört Wikipedia zum bevorzugten Ziel von Astroturfern.

Jetzt habe ich lange begründet, warum Relevanzkriterien notwendig sind. Qualität, Genauigkeit, Privatsphäre und Relevanz sind eng miteinander verwoben. In meinen Augen kann niemand, der sich ernsthaft das System Wikipedia vor die Augen führt an der Notwendigkeit von Relevanzkriterien zweifeln – ohne sie wäre Wikipedia längst in Falschbehauptungen, Eigen-PR und Verleumdungen versunken.

In der Wikipedia geht einiges schief

Gleichzeitig behaupte ich nicht, dass alle Löschungen vertretbar und gut sind, dass die Praxis der Wikipedia nicht wesentliche Mängel aufweist. Die Relevanzkriterien sind weder „gerecht“, noch übermäßig konsistent. Sie wurden entworfen wie eine Hausordnung eines IRC-Channels oder die Satzung einer Newsgroup. Ein paar Leute haben das mal entschieden – wer und warum das bestimmt hat, verliert sich in den Untiefen der Wikipedia-Diskussionsseiten. Es gibt eine Unmenge von Schein-Abstimmungen und Pseudo-Regularien, die im Endeffekt darauf hinaus laufen, dass ein paar Leute unter sich ausmachen, was durchgesetzt wird. Die checks and balances funktionieren nicht richtig, zu viele selbstverstärkende Mechanismen ziehen die Wikipedia in bestimmte Richtungen.

Wer entscheidet letztlich, dass Artikel gelöscht werden? Menschliche Spamfilter, die sich Tag für Tag Themen widmen, die sie eigentlich nicht weniger interessieren könnten. Dass sich diese daran orientieren, ob ihr Kumpel einen Artikel gut findet oder ob ein Schreihals sie 15 Mal als Nazi-Blockwart beschimpft hat, ist kaum verwunderlich.

Störenfriede und Mitarbeiter frustriert

Das System Wikipedia beruht zum Teil darauf – (Vorsicht: verkürzte Darstellung!) – Störenfriede zu frustrieren. Ich habe letztens einer PR-Arbeiterin die Regeln über Selbstdarsteller zum Lesen gegeben – sie hat dann davon abgesehen, die Eigendarstellung ihres Klienten in der Wikipedia abzuladen. Aber das ist das Leichteste – Wikipedia hat alle Trolle des gesammelten Usenets abbekommen, jeder Heise-Troll verewigt seine Weltsicht gerne Mal in der Mitmach-Enzyklopädie. Dabei hat das System eine bemerkenswerte Standhaftigkeit gezeigt. Gleichzeitig wurden aber viele wohlmeinende und konstruktive Mitarbeiter frustriert und abgeschreckt.

Wer Ideen hat, dieses Problem nachhaltig zu lösen, ist bei der Wikipedia-Community in der Regel gerne willkommen. Man sollte aber darauf gefasst sein, dass die hundertste Wiederholung des selben Vorschlags für wenig Begeisterung sorgt – besonders wenn der Vorschlagende sich bisher nie für die Arbeit in der Wikipedia engagiert hat und demnach keine Ahnung hat, welche Regeln und Entscheidungsprozesse bereits existieren, oder ein Stichwort nicht von einem Lemma unterscheiden kann. Viele gute Ideen sind schon bekannt, es fehlen aber Menschen, die sie auch durchsetzen und dafür arbeiten würden.

Wer gänzlich anderer Meinung ist: ein anderes Grundprinzip der Wikipedia ist das right to fork. Es ist ein leichtes sämtliche Edits der Wikipedia abzufischen – selbst die nachher gelöschten. Bisher hatten zwar alle bekannten Forks höhere Relevanzkriterien als die Wikipedia, aber eine Anarchopedia könnte mal ein spannendes Experiment sein.

Hallo GfK

Liebe Gesellschaft für Konsumforschung,

eine Frage: wer ist eigentlich öfter auf deutschen Bildschirmen zu sehen – Johannes B. Kerner oder Wolfgang Bosbach?

Bitte antworte per Pressemitteilung, Deine Tarife sind mir meine Neugier nicht wert.