Zwar fordern viele Politiker die Debatte um die Onlinedurchsuchung und das neue BKA-Gesetz zu versachlichen, im gleichen Atemzug schütten sie aber mal eben frisches Öl ins Feuer: da wird fern jeder Kompetenz über die technischen Möglichkeiten spekuliert, der Straftatenkatalog ausgeweitet oder die Hohlphrase vom rechtsfreien Raum im Computer aufs schmerzlichste malträtiert. Auch die Gegner der Onlinedurchsuchung kommen nicht immer ganz ideal rüber.
Eine schöne Ausnahme ist das Interview mit Gerhart Baum, das Kai Biermann für die Onlineredaktion der ZEIT geführt hat. Ein paar Ausschnitte:
ZEIT online: Gehen Sie davon aus, dass die Onlinedurchsuchung heimischer Computer von Karlsruhe ebenfalls verboten würde?Baum: Es gibt derzeit eine Reihe von Beschwerden gegen das nordrhein-westfälische Verfassungsschutzgesetz, das die Onlinedurchsuchung erlaubt, darunter eine von mir. Das Verfassungsgericht hat dazu fünf Sachverständige eingeladen, denen das Gericht Fragen vorgelegt hat. Aus denen geht hervor, wie schwierig die Materie ist. Denn die technischen Abläufe haben einen großen Einfluss auf die Beurteilung der verfassungsrechtlichen Situation.
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ZEIT online: Die SPD will auf das Ergebnis der Verfassungsbeschwerde warten, das Innenministerium aber sagt, diese betreffe das BKA-Gesetz nicht, da sie gegen ein Landesgesetz gerichtet sei und für ein Bundesgesetz keine Auswirkungen habe.
Baum: Das ist eine Ansicht, die ich nicht teile. So wie in Karlsruhe das Verfahren vorbereitet ist, legt es mir den Eindruck nahe, dass das Gericht ein Grundsatzurteil anstrebt. Welches in seiner Bedeutung auch über das Verfassungsschutzgesetz in Nordrhein-Westfalen hinausgeht. Es ist ohnehin eine merkwürdige Situation. Als wir vor zehn Jahren den Großen Lauschangriff diskutiert haben, ist der Eindruck entstanden, die Sicherheit der Bundesrepublik hinge am Lauschangriff. Wie wir später festgestellt haben, ist das gar nicht der Fall gewesen. Auch jetzt fokussieren wir uns wieder auf eine Maßnahme. Sie wird in ihrer Bedeutung für die Sicherheit hochgespielt. Ich möchte bei dieser Gelegenheit mal fragen, warum die Öffentlichkeit nicht zur Kenntnis nimmt, dass wir im Internetbereich nur 350 Fahnder haben?
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ZEIT online: Vielleicht, weil wir alle etwas zu verbergen haben, und wenn wir das tun, es auf der Festplatte unserer Computer verbergen?
Baum: Mein FDP-Kollege Burkhard Hirsch hat mal gesagt, die Festplatte ist das ausgelagerte Gehirn. Hans-Dietrich Genscher nannte es mal Seelendepot. Ja, das ist wohl so.
Vielleicht darf man kein politisches Amt bekleiden, um zu differenzierten Äußerungen fähig zu sein.