Europäische Urheberrechtsreform: Was heißt hier kommerziell?

Jubel bei den Piraten: die Grünen im Europäischen Parlament haben die Position der Politik-Neulinge in Sachen Urheberrecht übernommen. Andere haben hingegen keinerlei Grund zum Jubeln. Denn die Piraten haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht und die Grünen haben es nicht gemerkt.

Distinction between commercial and non commercial use of copyright material always needs to be made: users making financial benefits from the exploitation of copyrighted works should remunerate right holders accordingly, while users making no financial benefits should be free to use copyrighted works provided that they quote the authors.

Das klingt logisch, das klingt hoffnungsvoll. Endlich wird die Fehlentwicklung der vergangenen 20 Jahre zurückgedreht, die die boomende Internetbranche ausbremst und jeden Blogger, eigentlich jeden Internetnutzer kriminalisiert!

Doch – Moment Mal: Was heißt eigentlich kommerziell? Vor 20 Jahre war das noch sehr einfach zu beantworten, als es nur ein paar Tausend Firmen weltweit gab, die professionell mit Musik- oder Filmrechten handelten. Ein Musikstück für einen Werbespot? Bitte zahlen! Musik von Radio auf die eigene Audiokassette überspielen? Unkommerziell. Wer würde für das Gerausche und das Reingequatsche in die tollsten Intros auch Geld bezahlen?

Das ist aber die Vergangenheit. Die ist unwiderbringlich weg. Heute wird quasi jeder zum Publizierenden. Aber wir verdienen ja kein Geld, damit – also, kein Problem, oder? Falsch! Denn durch die Vielzahl von vernetzten Diensten ist es längst nicht mehr einfach zu unterscheiden, wer jetzt was veröffentlicht. Dienste wie Kino.to haben es sich in den letzten Jahren ein Spiel draus gemacht, scheinbar unkommerzielle Strohmänner vorzuschieben, die angeblich alles mögliche hochgeladen haben. Die Wahrheit war aber eine andere. Und im Gegenzug haben deutsche Gerichte jedem 12jährigen, der ein ganzes Album(!) im Filesharing-Ordner hatte, zum gewerblichen Urheberrechtsverletzer gemacht.

Wenn man Kommerzialität zum zentralen Unterscheidungskriterium macht, muss man die Frage konsistent beantworten können: Was ist kommerziell? Sind es die Bilder auf Siegfried Kauders Website? Der verdient ja kein Geld damit. Du hingegen hast ein paar Google-Anzeigen auf Deinem Blog und verdienst 2,50 Euro pro Monat? Eindeutig kommerziell! Öffentlich-rechtliches-Radio? Kommerziell! Ähm, nein. Nein! Doch! Oder wie? Häh?

Legt man die Hürden für die Unkommerzialität hoch, dann vernichtet man viel kreative Energie im Internet und nimmt Enthusiasten die Möglichkeit nach Refinanzierungswegen zu schauen. Denn mit dem ersten Euro, den sie einstecken, müssten sie einen ganzen Wust an Lizenzanforderungen erfüllen. Eine Konzentration auf wenige große Player wäre die Folge, die Musiklizenzen als industriell gefertigte Bitware handeln. Kunst wird nach Megabyte abgerechnet, nicht nach Inhalt. Der Künstler verkauft zum Einheitspreis oder verzichtet halt!

Legt man die Hürde der Unkommerzialität hingegen niedrig, wer sollte da überhaupt noch zahlen? Leute, die physische Datenträger verkaufen? Die Großḱonzerne wie Google und Apple passen halt ihr Geschäftsmodell an und verkaufen ihre Dienstleistung rund um die „soziale“ Musik, lassen den Künstler aber weitgehend leer ausgehen. Der versprochene Interessensausgleich zwischen Künstlern und Konsumenten fiele flach.

Die Europäischen Grünpiraten sind offenbar davon ausgegangen, dass die Arbeit schon schon von anderen gemacht wurde:

§22. We do support Creative Commons as a good possibility for creatives to share their works when ever wanted.

Im Gegenteil: auch die Creative-Commons-Bewegung hat auf diese Frage keine befriedigenden Antworten auf die Frage nach Kommerzialität gefunden. Wenn man die Akteure der CC-Musikszene zum Beispiel nach der Ausstrahlung auf öffentlich-Rechtlichen Radiosendern fragt, gucken sie verblüfft und laufen dann schnell weg. Auf die Publicity des Radios wollen sie nicht verzichten, auch wenn es streng genommen gegen die Lizenzen verstößt. Sie hoffen halt darauf, dass die Musik dann in Werbespots verwendet wird, und massig Geld einspielt.

Deswegen ist die Verwendung der NC-non-commercial-Klausel auch unter den Anhängern freier Lizenzen sehr unbeliebt geworden. NC zum Grundgedanken eines Gesetzesrahmens zu machen, erscheint mir da nicht zielführend zu sein.

Auch das Problem der „orphaned works“ wollen die Verfasser des Papiers angehen. Das Problem: sie begreifen das Problem nicht wirklich. Denn mögen die Werke ohne ermittelbare Urheber aus der Vergangenheit ein veritabler Schatz für Biliothekare und Historiker zu sein — es kommt grade eine riesige Welle neuer orphaned works auf uns zu. Man muss sich nur bei soup.io oder Facebook umsehen. Haufenweise Katzenfotos, Mitschnitte aus US-Fernsehsendungen, lustige Infografiken. Doch von wem stammen sie? Der Urheber verliert sich in einem Gewirr aus „via“-Links. Ich hab das hier Bild bei X gefunden, X hat es von Y kopiert, Y hat ein Werk von Z bearbeitet und Z hat es geklaut. Ob die URL, die unter einem Bild klebt einem Urheber oder einem fleißigen Bildchen-Sammler gehört — keine Ahnung.

Auch dies ist eine der Antworten, die Creative Commons bisher nicht geben konnte: wie verweise ich verlässlich auf den Urheber? Eingebürgert hat sich die unkomplizierte Variante: Ich verlinke einfach auf die Fundstelle und schreibe einen Namen dazu, den ich dort gesehen habe. Doch wie man kürzlich beim Wikipedia-Streik gesehen hat: es gibt keinerlei Garantie, dass die Links auch weiterhin die Informationen zum Urheber bereit halten. Wenn Flickr dicht gemacht wird sein URL-Schema oder die Name-Policy ändert, sind plötzlich Millionen oder gar Milliarden Bilder orphaned works. Wer soll unter diesen Umständen schon wissen, ob die Werke vor fünf Jahren oder weniger entstanden sind? Doch genau diese Grenze schlagen die Grünen in dem Positionspapier vor.

Lange Rede, kurzer Sinn: Wer die Probleme mit dem Urheberrecht lösen will, muss neue Lösungen finden. Man kann nicht davon ausgehen, dass Creative Commons bereits die Arbeit gemacht hat und man kann auch nicht in Konzepten von 1955 denken, um die Probleme von 2020 zu lösen.

Einfach kaudern

Da lacht das Netz und die CDU wundert sich. Grade noch hat der CDU-Abgeordnete Siegfried Kauder über Urheberrechtsverletzungen gelästert und wollte Download-Sündern den Daten-Hahn abdrehen, da wurde er auch schon als Urheberrechts-Verletzer entlarvt und bloßgestellt.

Wir dürfen in den nächsten Wochen und Monaten noch Hunderte ähnlicher Entlarvungen erwarten, denn es geht einfacher als je zuvor. Man geht einfach auf die Webseite der Zielperson, lädt ein paar verdächtige Bilder herunter und geht anschließend in die Bildersuche von Google. Dort gibt es jetzt nämlich seit kurzem eine neue Funktion. Statt Bilder nach Titeln und anderen Kriterien zu suchen, kann man Bilder hochladen, sie identifizieren lassen und andere Fundstellen des gleichen Fotos anzeigen.

Da die wenigsten Politiker ihren Homepage-Erstellungsprozess mit Argusaugen und moralischem Kompass überwachen, wird man oft fündig werden. Aber Vorsicht: natürlich können Bilder ordentlich lizensiert worden sein ohne dass dies sichtbar ist. Und viel zu oft stellen Menschen Bilder bei Flickr ein, an denen sie keine Rechte haben. Eine Fundstelle allein reicht also nicht aus, um einen Urheberrechtsverstoß festzustellen.

Viel Spaß damit — was auch immer ihr damit beweisen oder prokrastinieren wollt.

Leistungsschutzrecht und elektronische Pressespiegel

Das viel diskutierte Leistungsschutzrecht könnte eingedampft werden. Das legt jedenfalls ein Interview mit der Bundesjustizministerin nahe, die keine Internet-GEZ für Büro-PCs will, sondern von einer Vergütungspflicht für gewerbliches Verlinken spricht.

Durch Twitter und Blogs erschallt der Spott: diese Verleger haben noch nichts von robots.txt gehört. Wenn sie nicht von Google ausgewertet werden wollen, können sie Google doch ganz einfach aussperren. Das Blöde daran ist: zumindest einige der Leute, die so etwas äußern, scheinen das durchaus ernst zu meinen. Dabei sollte der gesunde Menschenverstand und ein halbwegs waches Ohr zur unweigerlichen Erkenntnis führen, dass die Verleger (zumindest die große Mehrheit) absolut nichts gegen Google haben, wenn es denn zu neuen Einnahmen führt. Da Google im Bereich Online-Werbung eine durchaus bestimmende Marktstellung hat, haben die Verleger eigentlich einen legitimes Grund zur Beschwerde, zumindest zur rationalen Kritik des Ist-Zustandes.

Während einige Leute nun die Kommunikationsfreiheit als solche gefährdet sehen, hilft vielleicht einfach Mal ein entspannter Blick auf das jetzt geltende Recht. Denn Pressespiegel und elektronische Pressespiegel sind bereits heute kostenpflichtig, entsprechende Lizenzen werden von der Verwertungsgesellschaft Wort vermarktet. Während das Leistungsschutzrecht nach der Lesart von Keese und Co einer kaum zu begründeten GEZ-Gebühr für Büro-PCs gleich käme, die Online-Distribution gegenüber Offline-Distribution stark reglementiert, haben wir im durch den neuen Vorstoß der Bundesjustizministerin eine Chance über übergreifende Vorschriften nachzudenken, die das Urheberrecht modernisieren.

Ich glaube zwar nicht daran, dass dies passieren wird — aber die Chance will ich dem Justizministerium durchaus zugestehen.

PS: Um es nochmal klarer zu formulieren: Als es keine Links und Internetverwertung gab, entschloss sich der Gesetzgeber eine Möglichkeit zur niedrigschwelligen Nutzung von Inhalten der aktuellen Berichterstattung zu schaffen, die einerseits die Urheber und Verleger entschädigt und gleichzeitig die Weiterverbreitung der Information selbst rationalisiert. Wie würde man diesen Paragraph 49 des Urheberrechts heute formulieren, in einer Zeit, in der Pressespiegel durch Snippets und Links abgelöst wurden und die Verwertungskette nahtlos in den privaten Bereich übergeht?

Nachtrag: Thomas Stadler deutet Leutheusser-Schnarrenbergers Vorschlag in eine allgemeine Zahlpflicht für Links jeder Art um und findet das Ergebnis nicht gut. Verfassungsrechtlich ist er damit auf der sicheren Seite — nur mit der Realität hat diese Uminterpretation nichts zu tun. In dem Interview sagt die Bundesjustizministerin klar, dass es bei dem Vorschlag alleine um die Vermarktung von Inhalten geht, bei denen eine Verlinkung eines von mehreren Elementen sein kann. Wie gesagt: ich glaube derzeit nicht, dass diese Initiative erfolgreich sein wird. Um so wichtiger ist es, keine Worte aus dem Kontext zu reißen. Eine fundierte und ehrliche Debatte tut von beiden Seiten not.

Kulturwertmark – 20 Jahre zurück

Der CCC hat heute ein „zeitgemäßes Vergütungsmodell“ für Kreative vorgestellt. „Zeitgemäß“ heißt hier aber: Wir wollen 20 Jahre zurück und hoffen, dass wir die Fehler nicht wiederholen.

Schon der Name „Kulturwertmark“ ist ein Zeichen dafür. Wir haben die Mark vor 10 Jahren abgegeben,. Ab und an inseriert ein Teppichhändler oder ein Resteverkauf, dass er an einem Wochenende tatsächlich noch die gute alte Deutsche Mark als Zahlungsmittel akzeptieren will – und dann werden Schubladen durchwühlt und mäuseangefressene Geldscheine hervorgeholt. Die Mark ist eine ferne Erinnerung, sie steht für eine gute alte Zeit, in der das Geld stabil und unsere Lebensentwürfe in Stein gemeißelt waren. In der ein Sparbuch und eine Arbeitsstelle auf 40 Jahre sicher waren.

Doch über den Namen hinaus zeugt der CCC-Entwurf von der Sehnsucht nach vergangener Zeit. Der institutionelle Hintergrund der neualten Währung sieht so aus:

Wir schlagen vor, das System als eine vom Staat initial finanzierte, aber vollständig unabhängige Stiftung zu realisieren, die von den Ländern Hilfe beim Erheben der Beiträge erhält (oder alternativ mit den ISPs Verträge über Einzug und Weiterleitung abschließt). Die Besetzung des Exekutivgremiums der Stiftung sollte hälftig per allgemeiner Wahl unter den Teilnehmern und Künstlern erfolgen, so daß die Interessen beider Seiten adäquat repräsentiert sind. Stimmberechtigt ist, wer mindestens für eine festzulegende Zeit (etwa drei Monate) in das System eingezahlt hat. Wenn die Anzahl der Benutzer um eine signifikante Zahl gestiegen ist, sind Neuwahlen durchzuführen. Eine Besetzung analog der Quotenregelung wie bei den Rundfunkräten hat sich nicht bewährt und ist undemokratisch.

Stiftungsposten sollten zeitlich beschränkt werden. Das Budget der Stiftung soll schmal gehalten und auf die technische Durchführung ausgerichtet sein. Der Verwaltungs-Overhead sollte aus den Zinsgewinnen des Stiftungsvermögens gedeckt werden, so daß eine hundertprozentige Auszahlungsquote der erhobenen Beiträge an die Künster erreicht wird und keine Transaktionsgebühren erhoben werden müssen. Eine privatwirtschaftliche Lösung ist nicht erstrebenswert, Interessenskonflikte wären hier vorprogramiert, die Auszahlungsquote sänke.

Eine zinsfinanzierte Stiftung in demokratischer Hand. Vor 20 Jahren hätte ich das vielleicht toll gefunden, als ich noch keine Ahnung hatte, wo die Zinsen denn her kamen. Als die zwei Prozent auf dem Sparbuch sicher und die Inflation kaum vorhanden waren. Doch gerade die letzten Jahre haben uns gezeigt: Zinsen kommen nicht aus dem Nichts. Wer sich vom Geldmarkt abhängig macht, kann darin umkommen. Und: Woher kommt das Stiftungsvermögen, dass die Zinsen abwerfen soll? Vom reinen Umlaufvermögen kann das nicht abgezweigt werden, schließlich soll ja eine hundertprozentige Auszahlung garantiert werden. (Und eine staatliche Anschubfinanzierung kommt letztlich auch nur aus den Taschen des Kulturvolks.)

Der institutionelle Rahmen ist von der Illusion geprägt, dass wir das Erfolgsmodell parlamentarischer Demokratie (O-Ton Bundespräsident Christian Wulff) verlustfrei ausdehnen können. Der CCC schlägt eine neue GEMA vor, eine bessere GEMA, in der die Interessen von Künstlern und Nutzern unbestechlich und ohne Reibungsverluste vertreten werden. Die dann entscheidet, wie die Leistung eines kompletten Orchesters gegen das eines lispelnden 16jährigen Superstar-Gewinners abzuwägen ist. Doch wer heute durch die Straßen deutscher Städte geht, sieht die Plakatwände vollgepflastert mit dem Aufruf zur Sozialwahl. Kennt ihr irgendjemanden, der sich dort informiert hat, um eine kompetente Wahlentscheidung zu treffen?

Doch auch an anderer Stelle ist der Vorschlag durchdrungen von einer Rückwärtsgewandtheit, einer Sehnsucht nach der guten alten Zeit, als die Welt noch in Ordnung war:

Wir wollen an dieser Stelle voraussetzen, daß ein zukünftiges System kein Recht auf Reichtum impliziert. Es geht nicht darum, den Britney Spears dieser Welt ihre zukünftigen Millionengagen zu sichern. Es geht um den Erhalt einer breiten, bunten, schöpferischen Kulturlandschaft mit möglichst großer Vielfalt. Und es geht um den möglichst niederschwelligen, für alle erschwinglichen Zugang zu den Werken, die in dieser Landschaft erblühen.

Es ist fast deprimierend zu sehen, dass es nicht Mal zur Nennung von Lady Gaga gereicht hat – der aufreizende Kostüme und Vermarktungs-Maschinerie sind doch der viel größere Schrecken für die Spießbürger. Wann war Britney Spears ein Skandal? Vor 10 Jahren? Als man „dass“ noch mit ß schrieb?

Aber im Ernst: die Kulturwertmark ist ein nationalstaatliches Konzept, dass das Ausscheren Deutschlands aus dem internationalen Kreativmarkt vorschlägt. Wir wollen uns nicht von US-Mayors die Preise diktieren lassen. Wir wollen, dass unsere Bürger nicht verfolgt werden können, wenn sie Britney Spears herunter- und hochladen. Und wir wollen ein gesondertes, inkompatibles Urheberrecht. Denn wenn Britney und Gaga ihre Tantiemen aus Deutschland abholen wollen, sagen die demokratischen Kulturräte: wie steht es denn mit der Allmende? Entweder ihr gebt Eure Musik kostenfrei heraus oder wir bezahlen Euch nichts. Wohin solche Regelungen führen, wissen wir leider zur Genüge: „Dieses Video ist in Deinem Land nicht verfügbar“.

Aber vielleicht ist genau das das Ziel des CCC-Modells. Drehen wir Globalisierung und Kulturimperialismus zurück. Sie haben versagt. Lasst uns etwas neues aufbauen — ohne Rücksicht auf Verluste. Oder einfacher: gehen wir 20 Jahre zurück. Nach dem Ende des Kalten Krieges hätten wir die Systemfrage stellen müssen um das Beste aus Kapitalismus und Sozialismus zu vereinen. Für ein besseres, gerechteres Heute.

Wer baut die Zeitmaschine?

Quellennachweis, nachgeholt

Aus der Bönningheimer Zeitung Online:

In der Meldung „Gangolf Stocker gibt Amt auf“ vom 29. März vermisst der Fotograf Michael Beckenkamp in Freiberg bei Stuttgart unter dem Bild Stockers einen Hinweis auf seine Urheberschaft. Beckenkamp gibt an, das Foto am 16. Oktober 2010 bei Wikipedia hochgeladen zu haben. Er kann nicht ausschließen, dass uns das Bild über Stocker selbst erreicht hat, weil er, Beckenkamp, es diesem schenkte, gleichwohl: Wir holen hier den Hinweis nach. Unterm Bild hätte die Quellenangabe „Foto: Mussklprozz/ Wikipedia“ stehen müssen. Mussklprozz schreibt sich wirklich so.

Voller Urheberrechtsschutz nur bei Anmeldung?

Die EU-Kommmission hat einen Bericht (PDF) zur „New Rennaissance“ vorgelegt, der sich mit den Erfordernissen an das Urheberrecht im Hinblick auf unser kulturelles Erbe befasst.

There is probably no greater ambition than to perpetuate our rich cultural heritage. It is therefore in full consciousness of our responsibility towards past and future generations and in deep humility that we have approached our mission.

Dass das Titelbild aussieht, als wäre es 1991 mit DeluxePaint auf dem Amiga erstellt worden, lässt wenig gutes über die Zukunftsorientierung des Berichts erwarten. Und tatsächlich: auf Seite 5 wird es schon spannend:

Future orphan works must be avoided. Some form of registration should be considered as a precondition for a full exercise of rights. A discussion on adapting the Berne Convention on this point in order to make it fit for the digital age should be taken up in the context of WIPO and promoted by the European Commission.

„Orphaned works“ sind Werke, bei denen man den genauen Urheberrechtsstatus nicht mehr sicher feststellen kann. Ist der Urheber schon so lange tot, dass man das Werk frei nutzen kann? Ist es gar ein Gemeinschaftswerk? Oder wer sind die Erben, wo kann man die Rechte an dem Werk rechtssicher erwerben?

The Association des Cinémathèques Européennes estimates that 21% of films held in audiovisual archives are orphaned, with 60% of these being over 60 years old. The British Library estimates that 40% of its in-copyright collections are orphan. The ‚In from the Cold‘ report estimated approximately 90% of the photographic record in UK cultural institutions as orphaned.

Ein Vorschlag der Autoren: Im Zweifel zahlt der Lizenznehmer die Tantiemen in ein Treuhandkonto ein, mit dem ein Urheber oder Rechteeinhaber später entschädigt wird. Eine unbefriedigende Lösung: denn welchen Tarif soll man zu Grunde legen und wie lange soll das Geld auf dem Konto vor sich hingammeln?

Eine Lösung für die Zukunft ist nach Überzeugung der Berichterstatter eine Registratur, in der Rechteinhaber sich und ihre Werke anmelden. Der volle Urheberrechtsschutz gilt nur noch für Werke, die registriert worden sind, der Rest geht ins Allgemeingut über.

In order to comply with the norms that exist in intellectual property laws, igitisation requires the clearance of each and every copyright and related right. Therefore mechanisms have to be developed that recognise the rights and interests of the rights holders, but at the same time facilitate the digitisation that in turn will lead to greater innovation and creativity. Given the cost of rights clearance, it is in the public as well as private interest of European society to streamline rights clearance in a manner that is fair and balanced.

Ich bin gespannt, wie das konkret aussehen soll. Zur Erinnerung: Eine solche Copyright registration war in den USA Pflicht, wurde aber durch das Berner Abkommen obsolet. Wenn die EU hier eine Rolle rückwärts macht, bekommt das Copyright wieder mehr einen kommerziellen Charakter anstatt die Verfügungsgewalt des Urhebers über sein Werk zu betonen. Denn egal wie „streamlined“ der Registrierungsprozess sein wird – am ehesten werden sich die Medienkonzerne dieser Möglichkeit bedienen. Sie haben schließlich ausreichend Erfahrung und die Infrastrukturen, die sie eh im Umgang mit Verwertungsgesellschaften benötigen.

Nutzungsverhinderung mit Creative Commons

Der Landesverband NRW der Piratenpartei hatte eine nette Idee:

Hier klicken, um den Inhalt von Flickr anzuzeigen.
Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von Flickr.

http://www.flickr.com/photos/gedankenstuecke/5004624555/
http://www.flickr.com/photos/gedankenstuecke/5005184004/

Die Lizenz cc-by wäre genau richtig, wenn man für Publicity sorgen will. Mit ihr kann jedermann – ob Blogger oder Lokalzeitung – die entsprechenden Bilder einfach übernehmen. Alleine der Name des Fotografen muss genannt werden. Der Weiterverwender muss im Prinzip nicht einmal wissen, was Creative Commons ist.

Alleine: laut Flickr-Seite stimmt das nicht. Denn dort sind die Bilder nicht etwa mit cc-by, sondern mit der wesentlich restriktiveren Lizenz CC by-nc-sa angegeben. Sprich: die Lokalzeitung darf die Bilder nicht verwenden, da sie ja ein kommerzielles Unternehmen ist. In solchen Fällen will der Foto-Pirat Greshake sein Recht auf geistiges Eigentum in klingende Münze umsetzen und bietet auf Flickr seine Bilder über die Agentur Getty Images zur kostenpflichtigen Nachnutzung an. Wie das abläuft, erfährt man auch:

Wir kontaktieren den Fotografen in Ihrem Namen, um Details zu klären. Normalerweise dauert es zwischen zwei und sieben Tagen bis die Lizenzierung erfolgt.

Also in einer Woche könnte die Lokalzeitung die Bilder vielleicht benutzen. Dass sie dies nicht tun wird, liegt wahrscheinlich nur daran, dass die Pressekonzerne die bedrohliche Piratenpartei ausbooten wollen.

Dies mag jetzt ein wenig kleinkariert klingen, es ist aber eins von unzähligen Beispielen, wo die eifrigsten Verfechter der Creative-Commons-Lizenzen die Anwendung der Lizenzen einfach nicht begriffen haben.

Swift Slammer Justice

Gestern war ich wieder beim fabulösen Kölner Poetry Slam Reim in Flammen. Obwohl der Veranstaltungsraum jetzt bedeutend größer ist als zuvor, war es proppenvoll.

Etwas fand ich sehr bemerkenswert: die Art, wie die Slammer mit einem vermeintlichen Textklau umgingen. Einer der Teilnehmer – ein arbeitsloser Lehrer – hatte einen Text vorgelesen, im dem er schilderte wie toll doch die Welt sein könnte, wobei er sich in immer fantastischere Visionen hineinsteigerte, bei denen es doch meist wieder um Sex ging.

Nach dem Vortrag jedoch kam es zum Eklat. Jemand aus dem Publikum rief „Das ist geklaut“, „Das ist von Sebastian 23“, das Wort „YouTube“ war zu hören. Kurze Konfusion, der Moderator erinnerte sich an einen ähnlichen Text und rief ohne langes Federlesen zur Abstimmung auf. Von den fast 300 Zuhörern hob niemand seine Hand. Es war das erste Mal, dass ich einen Slammer mit Null Punkten von der Bühne gehen sah. Keine Diskussion, keine Textanalyse, keine Abmahnung – die Strafe der öffentlichen Demütigung wurde sofort vollstreckt. (Das klingt jetzt vilelleicht dramatischer als es ist: wer nicht Gefahr laufen will ohne Applaus von einer Bühne hinunterzusteigen, darf sie nie betreten.)

Erst in der Finalrunde wurde der Vorfall nochmal thematisiert. Michael Goehre schickte seinem Auftritt voraus, dass er einzelne Worte verwendet, die auch schon Mal Sebastian 23 in den Mund genommen habe. „Und dennoch ist das mein Text. Genau so wie das eben sein Text war.“ Kurzer Zwischenapplaus, dann weiter nach Schema F. In der Abschlussrunde stand der vermeintliche Textdieb wieder auf der Bühne und wurde mit den anderen Slammern mit Applaus verabschiedet.

The independent enterprise of the great newspapers

Golem berichtet über einen interessanten Vorschlag über die Umgestaltung des Urheberrechts in den USA

Clemons und Madhani sprechen sich dafür aus, selbst Zahlen und Fakten für 24 Stunden urheberrechtlich zu schützen. Schon die Wiedergabe der puren Fakten würde dann einen Urheberrechtsverstoß darstellen.

Die Begründung erinnert an die Debatte zum Leistungsschutzrecht in Deutschland:

Über Google News sei es möglich, „die wichtigsten Absätze fast jeder Story in der New York Times, der Washington Post und praktisch jedes anderen großen Nachrichtendienstes in Echtzeit zu lesen“. Es sei deshalb, schreiben Clemons und Madhani, nicht verwunderlich, dass „die traditionellen Medienpublikationen sterben“.

Was finde ich daran so interessant? Nun – das Ganze gab es schon Mal. Als sich die Telegrafie in den USA verbreitete, machten sich viele Zeitungen einen Sport daraus die spannenden Nachrichten von anderen Zeitungen zu übernehmen. Zeitverschiebung sei Dank konnten die Blätter an der Westküste die geklauten Berichte am gleichen Tag publizieren wie die Kollegen von der Ostküste – ohne sich aufwändige Recherche-Arbeit zu machen.

The doctrine was given U.S. Supreme Court recognition in International News Service v. Associated Press, 248 U.S. 215 (1918). INS would take AP news stories from East Coast newspapers and wire them to the West Coast newspapers that had yet to publish. The Supreme Court held that INS’s conduct was a common-law misappropriation of AP’s property. (fn5). Congress recognized that the „hot news“ doctrine should continue as an exception to pre-emption of state law by the federal Copyright Act. The House Report for the 1976 amendments to the Copyright Act stated that „state law should have the flexibility to afford a remedy . . . against a consistent pattern of unauthorized appropriation by a competitor of the facts (i.e., not the literary expression) constituting „hot“ news, whether in the traditional mold of [International News Service] or in the newer form of data updates from scientific, business or financial data bases.“

Der Kampf wurde über mehrere Jahrzehnte geführt. Und die Rethorik des Ganzen erinnert doch sehr an heute. So begründet ein Richter im Jahr 1901 seine Entscheidung so:

Is the enterprise of the great news agencies, or the independent enterprise of the great newspapers, or of the great telegraph and cable lines, to be denied appeal to the courts, against the inroads of the parasite, for no other reason than that the law, fashioned hitherto to fit the relations of authors and the pul)Iic, cannot be made to fit the relations of the public and this dissimilar class of servants ? Are we to fail in our plain duty for mere lack of precedent ? We choose, rather, to make precedent-one from which is eliminated, as immaterial, the law grown up around authorship-and we see no better way to start this precedent upon a career than by aflirming the order appealed from.

Theorie und Anwendung

Der Spiegel hat einen Artikel über die Arbeit des Wirtschaftshistorikers Eckhard Höffner veröffentlicht. Grundthese: durch die spätere Einführung beziehungsweise Durchsetzung des Urheberrechts profitierte Deutschland im Gegensatz zu Großbritannien.

Höffners Fleißarbeit ist die erste wissenschaftliche Arbeit, in der die Auswirkungen des Urheberrechts über einen vergleichbar langen Zeitraum und anhand eines direkten Vergleichs zweier Länder untersucht wird. Seine Erkenntnisse sorgen in der Fachwelt für Aufregung. Denn bislang galt das Urheberrecht als große Errungenschaft und Garant für einen florierenden Buchmarkt. Demnach werden Autoren nur dann zum Schreiben animiert, so die Lehrmeinung, wenn sie ihre Rechte gewahrt wissen.

Doch die Geschichte zeigt ein ganz anderes Bild:

In Deutschland hingegen saßen den Verlegern Plagiatoren im Nacken, die jede Neuerscheinung ohne Furcht vor Strafe nachdrucken und billig verkaufen durften. Erfolgreiche Verlage reagierten mit Raffinesse auf die Abkupferer und ersannen eine Form der Publikation, wie sie noch heute üblich ist: Sie gaben edle Ausgaben für Wohlhabende heraus und günstige Taschenbücher für die Masse.So entstand ein ganz anderer Buchmarkt als in England: Bestseller und wissenschaftliche Werke wurden in großer Stückzahl und zu Ramschpreisen unters Volk gebracht."So viel tausend Menschen in den verborgensten Winkeln Teutschlands, welche unmöglich, der theuren Preise wegen, an Bücher kaufen denken konnten, haben nach und nach eine kleine Bibliothek mit Nachdrucken zusammengebracht", notierte der Historiker Heinrich Bensen verzückt.

Die Engländer mit ihren Nobel-Bänden versinken in Lethargie, die Taschenbuch-Deutschen hingegen werden die Meister des Wissens, deutsch wird zur Sprache der Gelehrsamkeit weltweit. Die Lehre ist klar: Macht Bücher billig und ihr könnt das Weltwissen erobern. Danke, Herr Höffner, das ist ein wichtiger Hinweis.

Ach ja, was kostet die Langfassung dieser Botschaft? Kauft man beide Bände einzeln, zahlt man 138 Euro – im Verlag Fifo Ost (Gesellschafter: Eckhard Höffner) gibt es beide Bände zum Schnäppchenpreis von nur 100 Euro – natürlich zuzüglich Versand. Eine elektronische Fassung oder eine Taschenbuch-Ausgabe scheint es nicht zu geben.