Uferlos

Die Außenpolitik-vom-anderen-Ufer-Witze sind genau so witzig und erhellend wie die vielen, vielen geschmacklosen Rollstuhl-Witze über Wolfgang Schäuble. Sie sagen am meisten über den aus, der sie macht.

PS: Das geht ja früh los:

Durch eine diffamierende Äußerung fiel bei der Wahl-Party am Sonntag Abend im Duisburger Rathaus der städtische Dezernent und Kämmerer Peter Langner (SPD) auf. „Ich will keinen schwulen Außenminister haben”, sagte er.

Richtig merkwürdig wird es am Schluss des Artikels:

Oberbürgermeister Adolf Sauerland, der beim letzten schwul-lesbischen Straßenfest in der Duisburger Fußgängerzone Schirmherr gewesen war, reagierte auf die Aussage seines Dezernenten souverän: „Was Westerwelle zuhause macht, ist mir egal.”

Was bitte ist daran souverän? Was sein Dezernent auf SPD-Veranstaltungen macht, sollte Oberbürgermeister Sauerland sehr wohl interessieren.

Twitterfreiheit

Viel ist über den Twitter-Nutzer geschrieben worden, der illegal den Polizeifunk abgehört und Nachrichten über eine Geiselnahme gleich getwittert hat. Und sich unverschämt auf die Pressefreiheit berufen wollte.

Nun kann man lange über Bürgerjournalismus und Ethikfragen debattieren – aber in meinen Augen ist das hier nicht der Skandal. Das Problem ist viel mehr, dass die Polizei heute immer noch unverschlüsselt sensible Informationen in die Gegend sendet. Dass der Täter die Informationen mit einem kleinen Funkscanner direkt mithört war in diesem Fall wahrscheinlicher als dass er es über Twitter mitliest. Unter der Ägide von Herrn Schäuble und seinen Vorgängern wurden Milliarden Euro verjubelt ohne bis heute zu einem vorzeigbaren Ergebnis zu kommen. Dass der Twitter-Nutzer mitgeschrieben hat, macht nur deutlich wie viele andere heimlich und unbehelligt mithören konnten.

Das Problem: Wenn Polizeireporter und Funkamateure nicht mehr mithören können, geht ein Stück Transparenz und Kontrolle verloren. Hier wäre es an der Zeit, dass Deutschland einführt, was woanders selbst verständlich ist: Einsatzberichte und Alarme so offen und frei wie möglich zu machen. Als in Amsterdam ein Flugzeug abstürzte, ging die offizielle Alarmmeldung der Feuerwehr ganz legal über Twitter, in den USA kann man in öffentlichen Registern nachschlagen, wann und wo denn ein Polizist im Einsatz war.

Unsere Feinde singen unsere Lieder

Eben habe ich an einer Ampel einen kleinen Aufkleber entdeckt, der mich an eine Schäublone erinnert. Darunter eine URL. Ich sehe zu Hause nach – ahja – der „national-soziale Widerstand“.

Das erinnert mich so ein wenig an ein Lied, das Konstantin Wecker in der letzten Folge des alten Scheibenwischer zum Besten gab. Obwohl ich mit Wecker sonst wenig anfangen kann, erinnerte ich mich noch an den Refrain:

Denn unsere Feinde singen unsere Lieder,
Und wenn man Pech hat klatschen Sie sie mit,
denn irgendwie sind wir doch alle Brüder,
im Geiste teils, teils im Profit!
Sie kennen kein Genieren beim Applaudieren,
sie wissen wer ein großer Könner ist,
da gibt es kein sich Zieren beim Tolerieren,
damit die Welt sieht wer ein Gönner ist!
Und unsere Feinde kennen unsere Reime,
Wenn du zitierst wirst, wird dir Angst und Bang.
In den Gesprächen schwimmen sie im Schleime,
und hängen doch am selben Strang!

Übrigens: an der Ampel hängt kein Aufkleber mehr.

Verkürzte Überschriften

Wenn man politiche Aussagen in knackige Überschriften pressen will, kommt es zu gewissen Verkürzungen. Schönes Beispiel bei der Süddeutschen heute: Ein Schäuble-Interview trug zunächst den etwas missverständlichen Titel: „Wir machen den Hasspredigern Konkurrenz“. In der Langfassung liest sich das natürlich weniger doppeldeutig:

sueddeutsche.de: Was wird aus den Hasspredigern in den Moscheen?

Schäuble: Wir gehen gegen Hassprediger mit allen Mitteln vor. Mit islamischem Religionsunterricht machen wir ihnen sozusagen Konkurrenz. Denn, wenn wir die Kinder zum Religionsunterricht an staatlichen Schulen schicken, führt das zu einer Veränderung der Religionsausübung in den Moscheen. Wir haben jetzt schon erreicht, dass die Imame, die uns die Türkei schickt, vorher ausgebildet werden und einen Sprachkurs gemacht haben.

den Unterschied sah wohl auch die Online-Redaktion und berichtigte die Überschrift. Sie lautet nun: „Selbst im Vatikan schauen sie auf uns“

Frage nach Berlin, der Schäuble im Badezimmer.

Nach den YouTube-Präsidentschaftsdebatten kennen die TV-Sender kein Halten mehr: Videobotschaften und Zuschauerbeteiligung sind die neuen Kinderreporter. Statt dem Volk aufs Maul zu schauen, lässt man das Volk direkt ran.

So auch im Dezember in der ARD. Dort heißt es dann Ihre Frage nach Berlin: Zuschauer können ihre Frage direkt an prominente Bundespolitiker richten. Das Procedere ist einfach:

Sie nehmen ihre Frage auf Video auf. Dazu brauchen Sie eine Videokamera oder eine Webcam. Nehmen Sie Ihre Frage auf und laden Sie das Video hier hoch. Wenn Sie keine Kamera besitzen, aber trotzdem ihre Frage an die Politiker stellen möchten, können Sie die Frage auch persönlich bei uns abgeben: Am 30. November in Berlin im ARD-Infocenter (im ARD-Hauptstadtstudio) oder in München im BR-Hochhaus/Foyer, jeweils von 14 bis 18 Uhr sowie in Köln im WDR-Besucherzentrum von 16 bis 20 Uhr.

Ausnahme: am 12. 12. ist Wolfgang Schäuble der Interviewpartner im Morgenmagazin. Da braucht man weder Kamera noch Besucherzentrum – es genügt die Frage laut und deutlich in seinen Badezimmerspiegel zu sprechen.

Das Terror-Axiom

Der FDP-Politiker Alexander Alvaro kritisiert den wahnwitzigen Plan des EU-Justizkommissars die Abfrage von „gefährlichen Wörtern“ wie zum Beispiel „Bombe“, „töten“, „Völkermord“ oder „Terrorismus“ auf Provider-Ebene zu verhindern:

„Wer im Internet – beruflich oder privat – nach einschlägigen Begriffen sucht, ist kein potenzieller Terrorist.“

Er übersieht eins: Wir sind alle potenzielle Terroristen.

(Bei Zweifeln an diesem Axiom einfach Herrn Schäuble oder Herrn Beckstein fragen. Sie erklären es gerne noch einmal.)

Bullshit-Bingo für Anne Will

Gleich spricht Anne Will mit Wolfgang Schäuble zum thema „Deutschland vor dem Anschlag?“ – zu Gast sind Wolfgang Schäuble, Renate Künast, Gerhart Baum und – warum auch immer – Avi primor.

Grade noch rechtzeitig habe ich einen kleinen Bullshit-Bingo-Bogen zusammengestellt. Die Spielregeln sind einfach: Kommt ein Begriff oder eine Hohlphase vorkommt, kreuzt man den Begriff an. Bei vier Kreuzen in einer Reihe hat man gewonnen. Oder verloren.

Im Fadenkreuz Terror-Camp Nicht ob, sondern wann Konvertiten
technischer Vorsprung der Terroristen Nur 10 Fälle pro Jahr Wehrhafte Demokratie in falscher Sicherheit wiegen
Bombenbauanleitung im Internet Nicht zur Tagesordnung übergehen Pakistan 11. September
Hysterie Schmutzige Bombe Terror-Schulung im Internet Überwachungsstaat

PS: Dank einer höchst oberflächlichen Diskussion wurde das „Bingo“ heute abend nicht erreicht. Meine Sonntagabende werde ich wohl auch weiterhin ohne diese Sendung verbingen – egal wer sie jetzt moderiert.

Was ist ein Schäuble?

Peter Mühlbauer bezeichnet den zurückgetretenen US-Justizminister Alberto Gonzales bei Telepolis als den amerikanischen Schäuble.

Was zeichnet denn einen „Schäuble“ aus? Minister, konservativ, Jurist, mit Anti-Terror-Gesetzen beschäftigt, christlich und weiß? Wer wäre denn der Schäuble Frankreichs oder der Schäuble Russlands? Sicher könnte man da jeweils das halbe Kabinett als Schäuble bezeichnen.