Das iPhone wurde nicht verlacht

Es ist ein beliebtes Argument von Start-ups, die ein undurchdachtes, unvollständiges, vielleicht sogar ein unmögliches Produkt herausbringen wollen: Ja, es gibt Probleme, aber schließlich wurde ja auch Steve Jobs mit seinem iPhone verlacht. Macht Euch nur lustig, übt nur Kritik, aber ich trete das Erbe von Steve Jobs an und zeige Euch Neidern schon, wie es denn funktioniert. Irgendwann. Die Begeisterung für diesen Mythos ist so hoch, dass sich Theranos-Gründerin Elizabeth Holmes sogar zu einer Steve-Jobs-Kopie umstylte, um ein nicht existentes Produkt zu vermarkten. Mit gewaltigem Erfolg.

Es ist aber eine Geschichtsfälschung, wenn man behauptet, Steve Jobs sei für sein iPhone verlacht worden. Allein schon die Prämisse ist albern: Apple war schon lange kein Start-up mehr, als das iPhone vorgestellt wurde. Es war keine vage Idee, sondern ein jahrelang gründlich vorbereiteter Produktstart eines milliardenschweren Konzerns, der seine Dominanz in bestimmten Märkten auf einen neuen Markt übertragen wollte. Damals genügte es nicht, die Baupläne an einen Auftragsfertiger in Shenzen zu schicken und dann auf einen vollen Schiffscontainer mit der Ware zu warten. Zu Innovation gehört nicht nur eine Idee und ein Design, sondern auch die Fähigkeit, diese Idee umzusetzen und zu vermarkten.

Schauen wir doch einfach mal ins Presse-Archiv, das mir meine Stadtbibliothek zur Verfügung stellt. Was schrieb die Weltpresse, nachdem Steve Jobs im Januar 2007 das iPhone der Öffentlichkeit vorgestellt hatte?

Fangen wir der Einfachheit halber an mit der Pressemeldung, die Apple selbst ausgesandt hat:

Apple(R) today introduced iPhone, combining three products-a revolutionary mobile phone, a widescreen iPod(R) with touch controls, and a breakthrough Internet communications device with desktop-class email, web browsing, searching and maps-into one small and lightweight handheld device. iPhone introduces an entirely new user interface based on a large multi-touch display and pioneering new software, letting users control iPhone with just their fingers. iPhone also ushers in an era of software power and sophistication never before seen in a mobile device, which completely redefines what users can do on their mobile phones.

„iPhone is a revolutionary and magical product that is literally five years ahead of any other mobile phone,“ said Steve Jobs, Apple’s CEO. „We are all born with the ultimate pointing device — our fingers — and iPhone uses them to create the most revolutionary user interface since the mouse.“

Was auffällt: Viele Features, die wir heute mit dem iPhone verbinden, kommen nicht vor. Etwa ist der App Store nicht erwähnt, dafür aber einige wenige Programme wie Google Maps und die eingebaute Suchfunktion von Google und Yahoo. Apple schließt mit einem wichtigen Absatz: Die Firma ist kein Anfänger, sondern hat die Kompetenz, Neuerungen nicht nur zu denken, sondern auch umzusetzen. Und sie hat eine kampferprobte Rechtsabteilung:

Apple ignited the personal computer revolution in the 1970s with the Apple II and reinvented the personal computer in the 1980s with the Macintosh. Today, Apple continues to lead the industry in innovation with its award- winning desktop and notebook computers, OS X operating system, and iLife and professional applications. Apple is also spearheading the digital music revolution with its iPod portable music players and iTunes online store.
NOTE: Apple, the Apple logo, Mac, Mac OS, Macintosh, iPod, iTunes, Apple TV and Safari are trademarks of Apple. Other company and product names may be trademarks of their respective owners.

Die Financial Times schrieb am 10. Januar 2007:

Apple yesterday laid out ambitious plans to broaden its early lead in the digital entertainment business, announcing an iPod mobile phone and an Apple TV set-top box that together could extend the US technology company’s reach into big new consumer electronics markets.
Speaking at Apple’s annual MacWorld trade show in San Francisco, Steve Jobs, chief executive, claimed the widely anticipated cellular device, the iPhone, represented a breakthrough.
„Apple is going to reinvent the phone,“ he declared, showing off a thin, handheld device with a3.5-inch screen that displays touch-screen controls.

Der britische Guardian:

An sleek black device, almost certain to be found in thousands of handbags and pockets before the end of the year was seen for the first time yesterday when Apple unveiled its widely anticipated iPhone.
The touchscreen handset will combine internet access and iPod music with a built-in 2 megapixel digital camera and video playback features.
Apple’s chief executive, Steve Jobs, launched what he called a „magic“, „super-smart“, super-hyped device, which also provides the more mundane functions of the traditional phone.

Die New York Times:

With characteristic showmanship, Steven P. Jobs introduced Apple’s long-awaited entry into the cellphone world Tuesday, pronouncing it an achievement on a par with the Macintosh and the iPod.
The creation, the iPhone, priced at $499 or $599, will not be for everyone. It will be available with a single carrier, Cingular Wireless, at midyear. Its essential functions — music player, camera, Web browser and e-mail tool as well as phone — have become commonplace in hand-held devices.
But it was the ability to fuse those elements with a raft of innovations and Apple’s distinctive design sense that had the crowd here buzzing.

Schauen wir nach Deutschland:

Heise:

Apple steigt mit dem iPhone in einen Markt ein, der im Gegensatz zu den Musikplayern bei Einführung des iPod bereits viele starke Konkurrenten aufweist und streckenweise nahezu gesättigt erscheint. Marktbeobachter glauben dennoch, Apple könne auf dem Handymarkt zu einem wichtigen Faktor werden – und nicht nur hier Maßstäbe setzen. Die neuartige Bedienoberfläche, bei der offenbar einige Neuentwicklungen zum Tragen kommen, die in den vergangenen Monaten beispielsweise als Patentanmeldungen bekannt wurden, eignet sich nicht nur für Mobiltelefone.

Der Spiegel:

Noch ist Apples neue Umsatz-Geheimwaffe (wenn sie denn dazu wird) nur ein Prototyp. Was man anderen Herstellern als zu früh angekündigte heiße Luft vorwerfen würde, wirkt auf Apple-Fans wie eine die Konsumlust befeuernde Verheißung.

Etc, pp, usw.

Wichtiger jedoch als die anfänglichen Berichte war die Intensität der Berichterstattung. In den kommenden Wochen erschien kaum eine Ausgabe irgendeines Print-Massenmediums, in der das iPhone nicht thematisiert wurde. Nicht alles davon war positiv: Cisco stritt sich mit Apple um den Namen iPhone. Es gab einige ungeklärte Probleme mit der Börsenaufsicht SEC. Und einige Analysten bezweifelten, dass das iPhone den erfolgreichen Blackberry sofort wegfegen würde. Überhaupt bemühte sich jeder Hersteller von Mobiltelefonen darum, Hoffnung zu verbreiten: Ja, das iPhone ist spannend, aber und unsere Produkte sind solide. Was für sich genommen schon ein riesiges Kompliment für Apple war: Bisher hatte man das mysteriöse iPhone schließlich nur in der Hand des Chefverkäufers gesehen, während die Geräte von Nokia, Blackberry und sonstigen überall auf der Welt von Millionen Leuten benutzt wurden. Warum sollten sie überhaupt über ein Produkt reden, das nicht am Markt war?

Kurzum: Das iPhone war ein unbeschreiblicher Medienhype. Dass man heute ohne Probleme Kolumnen und Analysen von damals findet, die das iPhone kleinredeten und Steve Jobs überhaupt sehr fragwürdig fanden, liegt daran, dass quasi alles Vertretbare gedruckt wurde, solange nur der Publikumsliebling iPhone in der Schlagzeile erwähnt werden konnte. Sie waren jedoch krasse Außenseitermeinungen – zu einer Zeit, als krasse Außenseitermeinungen noch nicht der Kern vieler Geschäftsmodelle waren, aber in der sich neue Blogs irgendwie vom Mainstream abheben mussten.

Wenn Euer Pläne und Visionen also verlacht oder schlicht ignoriert werden, ist Steve Jobs und das iPhone so relevant für Euch wie Mahatma Gandhi.

Datenjournalismus braucht Kontext

Die neue Datenjournalismus-Website „The Markup“ ist nach langem Trommelwirbel und einigen Querelen endlich online. Die mit dem Geld von Craig Newmark finanzierte Website verspricht journalistische Hilfestellung dabei, Wahrheit von Meinung, Anekdote, Spin und richtiggehende Propaganda zu unterscheiden. Es ist Tag 2 und ich muss sagen: Nein, da stimmt etwas ganz gehörig nicht.

Heute bringt das Journalismus-Startup eine Geschichte, wie unterschiedlich Google die Kampagnen-E-Mails der unterschiedlichen Präsidentschaftsbewerber behandelt. Das ist eine legitime Fragestellung und eine systematische Untersuchung zum Thema ist sicher einen Blick wert. Auf Twitter zeigt The Markup, wie sexy die Statistik doch ist. Der Artikel wird mit der maximal tendenziösen Frage eingeleitet: „Google the Giant — Swinging the vote?“ – eine Verschwörungstheorie in Frageform.

But there were huge differences. Gmail sent 63 percent of  @PeteButtigieg 's campaign email to the primary inbox.   But it sent none of  @ewarren 's campaign email there. And only 2 percent of  @BernieSanders 's campaign email landed in the primary inbox.

Natürlich verbreitet sich die Story gleich enorm schnell. Google bevorzugt Buttigieg! Und Sanders wird fast komplett ausgefiltert!

Das Problem ist: Die Methodik der Untersuchung ist so fehlerbehaftet, dass jeder, der daraus eine Erkenntnis ziehen will, grob fehlgeleitet wird.

Für den Laien mag die Idee nachvollziehbar klingen: Man sammelt vier Monate lang alle Emails aller Kandidaten und gibt Google keinerlei Anlass E-Mails auszusortieren. Damit keine Daten das Experiment verseuchen könnten, loggt man sich per Tor Browser ein. Also müsste Google doch eigentlich alle eingehenden E-Mails gleich behandeln. Richtig?

Nein, das ist falsch. Denn das Grundkonzept von E-Mail-Filtern wie bei Gmail ist ein anderes. Ein Funktionsprinzip: Wenn 50000 User eine bestimmte E-Mail als Spam markieren, dann wird die Email beim Nutzer mit der Nummer 50001 die E-Mail automatisch in den Spam-Ordner vorsortiert. Man kann dies wie ich als Grund nehmen, Google Mail nicht zu benutzen. Es ist jedoch journalistisch nicht in Ordnung so zu tun, als habe man dieses einfache Prinzip nicht verstanden.

Zudem ignoriert der Text eine grundlegende Wahrheit. Tatsächlich ist politische Werbung per E-Mail spätestens seit dem Obama-Wahlkampf zu einem schieren Ärgernis für viele Nutzer geworden. Seien wir realistisch: Wenn Amy Klobuchar in nur vier Monaten 312 E-Mails verschickt — wer soll all das noch lesen? Und hier kommt dann der Google-Filter ins Spiel. Er sortiert nicht nur Spam aus, sondern sortiert auch „Promotions“ in einer Extra-Box um, die nicht so prominent angezeigt wird. Wenn nun Kampagnen-Emails in der Promotions-Sparte landen, kann man sagen: Der Filter funktioniert. Die befragten Vertreter der Sanders-Kampagne sehen deshalb auch kein Faulspiel von Google. So funktioniert E-Mail-Marketing nunmal.

Natürlich hat Google hier ein kritikwürdiges Eigeninteresse. Wenn nicht jeder gleichberechtigte Sichtbarkeit im Google-Postfach bekommt, dann kann Google Werbeanzeigen verkaufen. Wahr ist aber auch: Wenn jeder gleichberechtigt Sichtbarkeit im Google-Postfach bekommt, dann wird das Postfach für viele Nutzer nicht mehr nutzbar. Es werden viele Witze über Milennials gemacht, die ihre Mailbox nicht mehr abhören und damit wichtige Nachrichten verpassen. Das ist sicher eine Wahrheit. Aber eine andere Wahrheit ist: Im vergangenen Jahr wurden 58,5 Milliarden Robocalls in den USA getätigt. Wer da nicht mehr ans Telefon geht, hat sich schlicht an eine Realität angepasst.

Zurück zu Google: Es ist nicht verkehrt, die Google-Algorithmen unter die Lupe zu nehmen. Doch das wurde hier ja explizit nicht getan. Wenn Pete Buttigieg nicht in den Promotion-Filter abgeschoben wird, hängt das sicher auch damit zusammen, dass er weniger E-Mails als fast alle anderen Kampagnen versandt hat. Wenn die Post von Bernie Sanders komplett in dem Promotions-Ordner landet, hat es damit zu tun, dass er schon seit über fünf Jahren Wahlkampf macht und Google-Nutzer sehr viel Zeit hatten, seine Kampagnen-Emails als Promotion einzustufen. Ohne diese Kontexte sind die Daten ziemlich wertlos. Die Präsidentschafts-Kampagnen sind schließlich nicht vor vier Monaten vom Himmel gefallen.

Wenn man wirklich über den Einfluss von Google schreiben will, müsste man schon ein paar Gegentests einbauen: Zum Beispiel: Arbeiten Outlook, Yahoo und andere Webmail-Provider wirklich anders? Und: Warum sagt die Sanders-Kampagne, dass sie keinerlei Problem hat, wo doch alle E-Mails im Promotion-Tab landen? Man könnte sich auch ansehen: Nutzen politische Kampagnen das Angebot, einen ersten Platz in der Promotion-Inbox zu kaufen? Notwendig wäre es auch gewesen, mal in die E-Mails hineinzugucken, die im Spamfilter gelandet sind. Gab es dafür vielleicht offensichtliche Gründe, wie extensive Tracking-Techniken? Bei Kampagnen mit hohen Spam-Anteilen wäre auch zu fragen: Woher beziehen sie die E-Mail-Adressen der Empfänger? Nichts davon ist hier geschehen. Wenn man sich den Input nicht ansieht, kann man nicht entscheiden ob der Output eines Algorithmus korrekt oder inkorrekt ist.

Erst ganz zum Schluss des statistischen Addendums räumt The Markup dann schließlich ein, dass die Mühe, die sie sich gegeben haben, eigentlich zu nichts geführt hat:

We were unable to discern from the data we gathered why Gmail treated emails from different political entities differently.

Ich würde es sogar etwas härter formulieren: Die Untersuchung hat nicht mal ergeben, ob E-Mails der Kandidaten tatsächlich unterschiedlich behandelt werden. Das wird aber leider viele Fans von Kandidaten und Journalisten-Kollegen aber nicht davon abhalten, das absolute Gegenteil zu verbreiten.

Liebe PR-Branche

Ich habe eine ganz einfache Bitte. Bevor ihr mich in einen Presseverteiler / Newsletter aufnehmt, fragt mich einfach.

Ich habe eine separate E-Mail-Adresse für Pressemitteilungen, die ich tatsächlich auch lese. Ich sag Euch an was ich interessiert bin und was nicht. Zum Beispiel: Personalien sind meist uninteressant für mich. Neue Produkte gewisser Art hingegen sind interessant, wenn es tatsächlich neue Produkte sind und nicht nur ein neuer Dreh etwas altbekanntes als neu zu verkaufen. Prozesse sind oft spannend — aber ich verstehe, dass ihr darüber nicht reden wollt. Ich sage oft am Telefon zu einem Sprecher: „Wenn sich genau in dieser Sache etwas Neues ergibt — können Sie mir eine E-Mail schicken?“

Wenn ihr hingegen meinen Namen unter einem Artikel seht und dann im Web nach meiner E-Mail-Adresse sucht und mich dann fortan ungefragt mit jeder schlechten Idee / Infografik / Billig-Umfrage belästigt, weil das ja legal sei (eben tatsächlich gehört!), dann seid ihr Spammer.

Was ist das Problem mit FAQs?

Kurzfassung: FAQs sind fast niemals das, was sie zu sein vorgeben. Es sind nicht die Antworten auf die am häufigsten gestellten Fragen. Denn meist werden die FAQs von Leuten geschrieben, die keine einzige Frage der Zielgruppe gehört oder zu Gesicht bekommen haben. Meist werden sie publiziert, bevor irgendjemand eine Frage stellen konnte. Auch ich habe schon FAQs geschrieben und habe mich bemüht, für den Leser die wichtigsten Verständnisprobleme zu beseitigen.

Das gilt jedoch nicht für die corporate FAQs — eine Kategorie, die ich soeben erfunden habe. Was sind corporate FAQs? Eine Darstellungsform der PR, die vorgibt, die drängendsten Fragen der Kunden, der Öffentlichkeit oder der Politik beantworten zu können. Was tut sie stattdessen? Bullshitten. Gibt es dafür ein schönes Beispiel? Die FAQ des Nestlé-Konzerns zu dem Film „Bottled Water“.

Es fängt an mit der Darstellungsform. Statt alle vermeintlichen Fragen vermeintlich in einem Rutsch zu beantworten, muss der Konsument jede Frage einzeln anklicken, wenn er die vermeintliche Antwort sehen will. Dies ist eine Standard-Technik, die man auch bei vielen Firmen findet, die Kleingedrucktes wirklich sehr, sehr klein oder in Dunkelgrau auf Hellgrau publizieren.

Frage 1 ist schon ein sehr schönes Beispiel kalkulierten Frage-Antwortens:

Have you responded to the film’s allegations in the media? Download Peter Brabeck-Letmathe‘s op-ed  Nestlé Chairman Peter Brabeck-Letmathe’s response to the film: SF TV (in German), SonntagsBlick (in German), et Le Temps (in French, registration required).

Wer würde eine solche Frage stellen? Ein sehr enger Personenkreis. Hauptsächlich Leute, die für die PR von Nestle arbeiten. Warum verlinkt Nestlé ein „Op-Ed“? Weil es kein Opinion editorial ist, sondern ein Statement. Wie bitte? Es ist eine Stellungnahme, die diese FAQ unnötig machen würde, weil dort alle Antworten vorweg genommen werden. Warum also nochmal Medien zitieren, die das Statement mehr oder weniger zitieren? Weil Medien wie SF TV oder Le Temps mehr Objektivität unterstellt wird als Nestlé. Sind sie denn objektiver? Zumindest nicht in den verlinkten Artikeln, sonst hätten wir sie kaum verlinkt.

Frage 2:

Is it true that you refused to participate in the film Bottled Life? We did not engage in dialogue with the film’s producers as we were under the strong impression that it would be one-sided and not represent Nestlé and our employees in a fair manner.  The completed film unfortunately confirms this initial impression.

Was ist das Paradoxon an dieser Frage? Es ist eine argumentative Schleife. Wir haben an der Dokumentation nicht teilgenommen, also ist sie einseitig. Weil sie einseitig ist, haben wir nicht an ihr teilgenommen. Also ein Möbiusschess Band? Ja, so ungefähr. Bullshit? Nicht unbedingt. Wenn mir jemand eine Kamera ins Gesicht hält und mir klar ist, dass er mich verächtlich machen will, werde ich nicht viel tun um zu kooperieren.

Frage 3:

Is it true that this is the wrong film at the wrong time?  No.  Nestlé is always open to participate in discussions and projects that are objective and allow us to convey our position and our activities in a clear manner.  Nestlé was not convinced that this would be the case with the film, Bottled Life. We have nothing to hide.  Nestlé is a responsible company that is committed to compliance with all laws and regulations related to our business, including water use, consumer communication and codes of business conduct.

Was wäre der richtige Film zu dieser Zeit? Erlauben Sie mir eine Antwort in Frageform: Möchten Sie diese FAQ verfilmen? Wir haben ein Budget dafür!

Frage 6:

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Was sind 0.003% der globalen Frischwasserentnahme konkret? 28432 Fußballfelder, ein Dreizehntel des Bodensees und eine Orange auf dem Mond, 13 Milliarden Badewannen und ein Swimmingpool für jeden Vegetarier im Saarland. Häh? Genau!

Frage 7:

Is it true that bottled water companies pay little for the water they use and make a huge profit selling it?  No. Bottled water is a packaged beverage that incurs costs linked to raw materials, production, quality assurance, bottling, taxes, storage and distribution. In our case, we also invest in various water resource protection measures.  While the detailed price structure of our products is confidential, it is possible to provide a loose overview of the costs incurred by packaged beverages: one-third can be attributed to water and raw materials, one-third to production and one-third to distribution.

Ihre Kostenaufstellung sagt überhaupt nichts über den Gewinn aus, wenn sie nicht verraten, wie viel der Verkaufspreis über den Kosten liegt? Genau! Also wie viel Gewinn machen Sie? Das sagen wir doch ganz klar: Das sagen wir nicht!

Frage 12:

Is it true that Nestlé tried to force its way into Fryeburg by exhausting the town with law suits? No. The Fryeburg Planning Board approved Nestlé Waters North America/Poland Spring’s application for approval of its load-out facility but a small group of opponents filed an appeal. The Maine Law Court eventually upheld the Planning Board’s original decision to approve the water station.

Stimmt es also? Wen juckt’s? Wir haben gewonnen.

Frage 16:
It is true that bottled water is just an example of successful marketing?  No. The origins of bottled water can be traced back to the earliest civilisations and the spa movement in Europe and the Americas, long before marketing was even invented. Indeed at Nestlé Waters, some of our brands have been bottled for over 100 years: Perrier has been bottled since 1863, Poland Spring since 1845 and Sao Lourenco since 1890.  Bottled water still has its place in today’s society in which lifestyles are increasingly on-the-go: consumers choose to buy bottled water products because they appreciate the fact that they are convenient and portable, have a constant taste, don’t contain calories, and come with the Nestlé quality guarantee.  To empower consumers to exercise their right to informed choice and promote healthier diets, Nestlé Waters is committed to responsible, reliable consumer communication on our products.  We operate in a highly competitive industry, where marketing of our products is necessary to differentiate our brands from those of our competitors.   Consumer communication and marketing are also the opportunity to raise consumer awareness about the advantages of drinking water as part of a healthy lifestyle, the specific natural origins of many of them, as well as the importance of recycling.

Wann wurde Marketing erfunden? Am 18. April 1985. Vor diesem Datum haben Leute immer nur die Wahrheit gesagt. Nicht nur das, was sie ehrlich glaubten, sondern die objektive Wahrheit! Besonders, wenn sie etwas verkaufen wollten. Gab es 1863 schon Leitungswasser heutiger Qualität? Psst!

Frage 17:
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Sie profitieren von schwachen Gesetzen? Ja. Wiederholen sie da nicht, was sie oben schon gesagt haben? Wir haben uns schon so oft wiederholt, was in dem vermeintlichen Op-Ed-PDF steht, warum fragen Sie noch? Ähm…keine Fragen mehr.

Nur noch eine Frage: Is it true, I mean really true? Wir mögen den Film wirklich nicht. Das stimmt. Hoch und heilig.

Social Media Taktik

Sie sind enttäuscht von ihrer Multichannel-Kommunikationsagentur? Hat sich ihre Social Media Strategie nicht ausgezahlt trotz der fehlenden Bindestriche? Es wird Zeit für einen Wechsel.

Kommen sie zu uns. Wir sind der führende Anbieter für Social Media Taktik. Kurzstrecken-Tweets mit zerstörerischem Potenzial. Bevor der Mob zu Ihnen aufrückt, hinterlassen wir für Sie verbrannte Erde! Wir kaufen nicht nur Facebook-Likes, wir geben auch noch großspurige Interviews darüber. Bevor irgendjemand etwas Schlechtes über Sie schreibt, sorgen wir für den Wikipedia-Löschantrag.

Social Media Taktik. Nur echt mit ohne Binde Striche.

Das Internet wird heute nicht umgestellt

In vielen Beiträgen wurde der World IPv6 Launch Day in den letzten Tagen thematisiert — und meist falsch. Eine typische Formulierung:

An diesem Mittwoch ändert sich die Architektur des Internets: Provider, Betreiber von Webseiten und Hersteller von Internetgeräten aktivieren weltweit den neuen Adressstandard IPv6.

Das ist jedoch nicht nur eine unzulässige Verkürzung, es ist falsch. Wer gestern mit IPv4 surfte, surft höchstwahrscheinlich auch morgen noch mit IPv4. Und wer morgen mit IPv6 surft, tat es höchstwahrscheinlich auch letzte Woche. Das legt schon die Wortwahl nahe: Eine Architektur ändert sich nicht über Nacht. Und in den Artikeln tun sich die Autoren schwer zu erklären, was sich denn heute konkret ändert. Das hat einen einfachen Grund: Es ändert sich nicht wirklich viel. Der Launch Day ist in erster Linie eine PR-Aktion. Eine legitime PR-Aktion, aber eben doch PR.

Die — angesichts der Größe des Internets und der Dringlichkeit des Themas — erschreckend wenigen Teilnehmer des Aktionstages haben ihren Beitrag oft schon vor Monaten geleistet. Und diejenigen, die tatsächlich den 6. Juni nutzen, stellen nicht wirklich auf IPv6 um. In den meisten Fällen sorgen die Admins lediglich dafür, dass ihre Webseiten auch direkt über IPv6 erreichbar sind. Der Unterschied zu vorher ist gering: Die Webseiten bleiben per alter IPv4-Technik erreichbar und wer heute schon auf IPv6 surft, konnte auch bisher Google und Facebook nutzen. Wichtigster Mangel der vermeintlichen Revolution ist die fehlende Auswirkung auf das Publikum. Kein deutscher Privatkunde surft plötzlich mit IPv6.

Der Gedanke, dass das Internet an einem Tag „umgestellt“ würde, ist widersinnig. Denn das Netz hat keine zentrale Entscheidungsinstanz, die ähnlich der Deutschen Bundespost Mal zentral neue Postleitzahlen einführen könnte. Sicher: Es gibt Organisationen wie die Internet Assigned Numbers Authority (IANA), die IP-Adressen zuteilt. Doch diese Zuteilung ist eher technischer Natur, die IANA ist machtlos, den Nutzen der zugeteilten Nummern vorzuschreiben. Die Standardisierungsgremien können die Nutzer lediglich drängen, doch bitte auf eine neue Technik zu wechseln. Und das Beharrungsvermögen vieler Player im Markt kann man sehen, wenn man sieht, wie viele Rechner noch mit Windows 98 betrieben werden. Wieso Geld ausgeben, es läuft doch?

Das Internet ist hauptsächlich ein Netz, gesponnen aus Millionen von Vereinbarungen. Bis sich alle auf etwas Neues einigen, dauert es Jahre. Bis sie es tatsächlich tun, dauert noch länger. Denn wer den ersten Schritt macht, hat im Zweifel die meiste Arbeit, die meisten Kosten. Wenn die Telekom komplett auf IPv6 wechseln würde, hätten andere Provider wieder die Möglichkeit deren veraltete IP-Nummern zu nutzen, um ihre eigene Umstellung auf die lange Bank zu schieben.

Von Polizist zu Polizist

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter, Landesverband Niedersachsen informiert seine Mitglieder und die interessierte Öffentlichkeit über das neuste verbale Scharmützel zwischen dem niedersächsischen Innenminister Schünemann und der Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger. Das liest sich dann so:

Am 06.04.2011 berichtete die Presse über einen verbalen Angriff des niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann CDU gegen die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger FDP im Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung. „Sie muss sich hier bewegen. Es ist mehr als problematisch, dass wir hier noch keine Regelung haben”, sagte Innenminister Schünemann am 06.04.2011 in Hannover und wurde dafür als Hardliner gescholten, der über das Ziel hinausgeschossen sei.

Die Rollen sind klar verteilt: der ausgewogen-rationale Landes-Polizeiminister und das keifende liberale Berlin.

Doch irgendwie hatte ich das Wortgefecht anders in Erinnerung. Oder um die dapd zu zitieren:

Im Streit um die Vorratsdatenspeicherung attackiert Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) als „Sicherheitsrisiko“. „Die Justizministerin schützt durch ihre ideologische Blockadehaltung Pädophile und Terroristen und wird damit selber zu einem Sicherheitsrisiko in unserem Land“, sagte Schünemann der Zeitung „Die Welt“

Solche allzu zielgruppenorientierte Information macht mich regelmäßig ratlos. Glaubt der BDK-Landesverband, dass seine Mitglieder keine Nachrichten hören, keine Zeitung lesen? Oder gilt die Parole, dass sich die braven Beamten nur klammheimlich über die Tiraden ihres Arbeitgebers freuen dürfen? Oder will man sich von der Wortwahl distanzieren, möchte dem politischen Gegner aber keinen Fußbreit entgegen kommen?

Wikileaks muss nicht gerettet werden, Amerika schon

Es ist wahr, Wikileaks sieht sich herben Attacken ausgesetzt: DDOS-Angriffe, gekündigte Accounts und Geschäftsbeziehungen, sogar merkwürdige Kollateralschäden bei anderen Organisationen werden berichtet. Aber muss Wikileaks jetzt unbedingt gerettet werden? Derzeit wohl eher nicht.

Auch wenn es schwer fällt — analysieren wir die Lage nüchtern: Amazons Cloud war nie der Haupt-Provider von Wikileaks. PayPal hatte den Wikileaks-Account schon vor knapp einem Jahr gekündigt. Der Bezahlservice, der einerseits für Einfachheit und andererseits für willkürliche Kündigungen berühmt ist, war zuletzt auf Platz 5 der Wikileaks-Spendenseite. Selbst wenn dieses Konto die Haupt-Einnahmequelle von Wikileaks gewesen sein sollte, ist der Einfluss aufs operative Geschäft von Wikileaks nicht unmittelbar spürbar. Wie bereits vor ein paar Monaten berichtet, rief Wikileaks die Spenden, die bei der Wau-Holland-Stiftung eingingen über lange Zeit nicht ab, da die gemeinnützig anerkannte Stiftung auf steuerlich verwertbare Belege bestand. Auch die Drohungen mit Gerichtsverfahren und Anklagen gegen Julian Assange scheinen vorerst leeres Geschwätz zu sein, wie die neue (untaugliche) Gesetzesinitiative zeigt.

Der unmittelbare Eindruck einer Attacke, eines Informationskriegs um Wikileaks entsteht daher, dass die Haupt-Domain wikileaks.org derzeit nicht erreichbar ist. EveryDNS soll die Domain blockiert haben, berichten viele. Das Unternehmen selbst besteht darauf, dass es lediglich die grassierenden DDOS-Angriffe nicht im kostenlosen Service bewältigen kann. Bleibt die Frage: Warum hat Wikileaks überhaupt die Dienste eines Kostenlos-Providers mit Sitz in den USA in Anspruch genommen? Und: warum zieht man den Domainnamen nicht einfach um, wie es ja bei wikileaks.ch problemlos möglich war?

Dies erinnert an das Pseudo-Drama um die Domain wikileaks.de, die sich im Frühjahr 2009 abgespielt hatte. Wikileaks gerierte sich hier als Opfer des deutschen Bundesnachrichtendienstes, der die Sperre der deutschen Domain erwirkt haben sollte. Die Wahrheit jedoch war anders: ein Wikileaks-Enthusiast hatte die Domain registriert und danach versucht illegal die Domain des Bundesnachrichtendienstes zu übernehmen. Daraufhin kündigte ihm sein Provider fristgerecht die Verträge und stellte die Domain nach mehreren Monaten Wartezeit ab. Die Domain konnte anschließend problemlos an einen anderen Anbieter übertragen werden, trotzdem ging Wikileaks mit einer Revolverstory über den vermeintlichen BND-Angriff an die Presse.

Hilfe wird aber derzeit wirklich gebraucht, in meinen Augen aber vor allem jenseits des Atlantiks. Dass die Library Of Congress Wikileaks sperrt, hat eher anekdotischen Charakter — besonders wenn man die Diskussionen um Sperren an Bibliotheks-Computern des letzten Jahrzehnts kennt. Wenn aber tatsächlich Studenten der Columbia University gewarnt werden, dass alleine man seine Jobchancen riskiert, wenn man sich die Wikileaks-Inhalte ansieht oder gar über Wikileaks spricht, dann ist etwas faul im land of the free. Und wenn man im Kontrast dazu sieht, dass die Washington Times einen unverhohlenen Mordaufruf ohne Kontext oder Distanzierung abdruckt, dann stimmt es nicht nur mit der Meinungsfreiheit nicht, dann ist auch die Ethik schwer verrutscht.

Auch mal hinlangen

  • Wenn der Kleine sich gar nicht mehr beruhigt und die Leute im Supermarkt schon gucken;
  • wenn ein Kumpel Deine Freundin angräbt und auch noch damit anzukommen scheint;
  • wenn das gegnerische Team viel zu hart spielt und der Schiri sowieso nicht guckt;
  • wenn die Leute von den Bäumen gar nicht mehr loslassen wollen, obwohl man es Ihnen Hundert Mal gesagt hat und alles seinen geordneten demokratischen Weg ging,…

…ja, was macht man dann? Da muss man auch mal hinlangen dürfen.

Wäre sonst auch noch schöner. Ich meine: wo kämen wir sonst auch hin?

Charm and disarm

Transkript des Press Briefings vom 22. Juli 2010:

MR. GIBBS: Mr. Feller.

Q Thanks, Robert. A few questions following up on Shirley Sherrod. Just a point of order, in the statement —

MR. GIBBS: Point of order?

Q Point of order.

MR. GIBBS: Okay. (Laughter.) Is there a parliamentarian for Ben’s point of order?

Q I cede my time to the gentleman from the Associated Press. (Laughter.)

Q The statement says —

MR. GIBBS: If there are no objections — go ahead, I’m sorry.

Q Thank you. The President expressed to Ms. Sherrod his regret. Is it accurate to say that he apologized, personally apologized?

MR. GIBBS: Yes, yes.

Q Okay. Thank you, the point of order.

MR. GIBBS: Reclaiming your time?

Q Reclaiming the time. Did he lobby for her to take her job back —

MR. GIBBS: No.

The West Wing, Staffel 6, „The Hubbert Peak“:

TOBY: Are you trying to get fired?

ANNABETH: I’m trying to help you. That Mencken line this morning was funny. No one laughed ‚cause you
flung it at them.

TOBY: Briefing the press isn’t a seduction, it’s war.

ANNABETH: What C.J. did for seven years wasn’t combat. It was charm and disarm.

TOBY: Just draft the release.

ANNABETH: Smart and funny. Seduce them. Worked on your wife.

TOBY: We’re divorced.

ANNABETH: Living with you’s a whole nother ballgame. I get that already.