Schildbürger zweiter Klasse

Ein bekanntes Klischee ist: In Deutschland gibt es zu viele Straßenschilder. Weil wir es viel zu genau nehmen. Der Diagnose will ich mich nicht anschließen. Wir haben zwar viele Schilder — wirklich genau sind sie aber nicht. Nicht mal auf unseren Autobahnen bekommen wir es hin, dass die Tempolimits tatsächlich an der richtigen Stelle postiert sind. Dass wir gar eine verbindliche Deutschlandkarte mit den geltenden Tempolimits hätten – pure Science Fiction.


Was für mich als Autofahrer ein mittelkleines Ärgernis ist — schließlich wird selten geblitzt, wo denn den Schilder fehlen — ist für mich als Radfahrer eine immer wieder neue Quelle von Frust. Wenn sich Leute beschweren, dass sich viele Radfahrer oft nicht an Verkehrsregeln halten — wer will widersprechen? Das Problem: Können sich Radfahrer an Verkehrsregeln halten? In Köln: Eher nicht.

Ein simples Beispiel, ein paar hundert Meter von meiner Haustür entfernt. Die Eisenbahnbrücke am Eifelwall wird langfristig saniert. Ausschüsse und Stadtrat schauen sich die Lage an und erkennen: Da können wir doch ohne Probleme eine Fahrradstraße etablieren, wenn die Autos sowieso nicht fahren können. Tolle Idee.

Das Problem: So sieht das heute aus:

Die Schilder sagen: Dies hier ist zwar ein Radweg. Aber leider ist die Durchfahrt hier verboten. Tatsächlich war das da gemeint:

Das klingt wie eine Haarspalterei. Jeder weiß doch, was gemeint ist. Das Problem: Nein, wir wissen es nicht. Die gleiche Schildkombination steht auch an Baustellen, wo Radfahrer absolut nicht durchfahren sollen. Egal in welche Richtung ich von meinem Haus aus fahre – nach spätestens zwei Minuten komme ich an eine Stelle, wo man als Radfahrer raten muss, wie man sich denn gemäß der gedachten Vorschriften verhalten kann.

Auf dem Radweg vor einer Ampel ist etwa kein Haltestreifen. Heißt das, dass ich nicht halten muss? An der einen Stelle: Halte an. Ein paar hundert Meter weiter? Fahr weiter. Manchmal erfährt man das erst, wenn man zufällig einen offiziellen Plan der Stadt sieht. Aber wer hat die schon immer zur Hand? Am Sonntag etwas stand ich in Zollstock an einer Ampel und wunderte mich: Nirgends ist irgendein Auto – warum wird die Ampel nicht grün? Die Antwort fand ich unter meinen Füßen: Dort war ein Sensor eingelassen, der die Ampel grün schaltet, wenn ein Auto wartet. Da ich ein paar Hundert Kilo zu wenig auf die Waage bringe oder einfach nicht magnetisch genug bin, blieb die Ampel halt rot. Heißt das nun: Ich kann hier gar nicht regelgerecht fahren? Ja. Ignorieren Radfahrer diese Ampel irgendwann? Aber klar! Und wahrscheinlich die nächsten fünf Ampeln ebenso.

Wo immer in der Stadt ein Loch gegraben, Asphalt gefräst oder eine neue Markierung aufgetragen wird — die Bauarbeiter haben ein Schild dabei, das den gewöhnlichen Radfahrer abschrecken soll. Schließlich will man nicht haftbar sein, wenn irgendetwas passiert. Ob es tatsächlich Sinn ergibt dass Radfahrer absteigen sollen oder ob überhaupt eine Umleitung existiert — es spielt in der Regel keine Rolle. Als die neue U-Bahn in der Südstadt gebaut wurde, habe ich mich mal auf die Suche gemacht, wie ich mit dem Fahrrad noch legal an den Rhein gelangen konnte. Es gab schlicht keinen Weg mehr. Alle Straßen wurden nach und nach für Radfahrer gesperrt und niemandem ist es aufgefallen.

Und das Schöne ist: Wenn die Baustelle abgeräumt wird — was bleibt stehen? Richtig!

Ein Baustellenschild auf dem Radweg - die Baustelle ist schon lange abgeräumt