DVD-Paradoxon

Die dritte Staffel von Breaking Bad läuft grade auf arte, ist sogar auf deren Website kostenlos ansehbar. Zudem ist die Serie so beliebt, dass man sie ohne Probleme an zahlreichen Stellen im Netz sehen kann. Warum habe ich hab mir heute trotzdem die DVD bestellt?

  • Meine DVR-Festplatte wäre mit der ganzen Staffel sehr ausgelastet.
  • Ich will die DVD-Kommentare haben. Denn die sind wirklich erhellend im Gegensatz zu vielen anderen DVDs. Vince Gilligan und Bryan Cranston sind intelligente Kreative, denen ich gerne zuhöre.
  • 21,99 Euro sind ein akzeptabler Preis.
  • Ich mag die Stimme von Walter White in der deutschen Synchronisation nicht. Ich glaube es ist die gleiche wie die von John Ritter.

Offliner-Unterdrückung ist nicht christlich

Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat einen Beitrag von Stephan Eisel online gestellt, der viele bekannte Stichwörter zu den Piraten wiederholt: Lückenhaftes Programm, linke Protestpartei, Clowns mit Internetfixierung und Pseudo-Transparenz.

Das Fazit jedoch ein Knaller:

Gerade beim Kernthema der Internetpartei tritt dabei die problematische Grundausrichtung der Piraten offen zu Tage: Ihr Menschenbild ignoriert die Verschiedenartigkeit und Gleichwertigkeit der Menschen. Denn wer mit dem Internet nichts anfangen kann oder will, passt nicht in ihr digitales Weltbild und gehört nicht zu den „Auserwählten“ der neuen Zeit. Das Weltbild der Piraten verweigert sich zudem konsequent dem unverzichtbaren und unauflösbaren Zusammenhang von Freiheit und Verantwortung. Vor einem christlichen Menschenbild kann aber elitäres Gebaren ebenso wenig bestehen wie die bedingungslose Vergötterung eines neuen Mediums.

Internet jetzt mit ohne Porno

Palimm-Palimm

„Guten Tag, ich hätte gerne ein Internet.“
„Aber sicher doch. Ich hol es gleich aus dem Lager.“
„Prima. Hier wird man noch gut bedient.“
„Nur eine Frage: soll es mit Porno sein, oder eins ohne Porno?“
„Gibt es das?“
„Ja, sicher.“
„Ich hätte doch gerne ein vollständiges Internet.“
„Sind Sie sicher?“
„Ja.“
„Ich kann Ihnen auch ein paar Pornos dazu packen. Cheerleader. Ganz frisch! Die sind grad im Angebot.“
„Das ist nicht nötig.“
„Also ein Porno-Internet. Aber keine Pornos?“
„Ja.“
„Wie wäre es mit etwas Speziellerem?“
„Was meinen Sie?“
„Wir haben da auch was neues reinbekommen. Für den besonderen Geschmack. Ich würde mir so etwas ja nie angucken, aber es steht Zoosex auf dem Karton“
„Könnten sie mir jetzt bitte mein Internet aus dem Lager holen?“
„Aber sicher… Wie wäre es mit Transsexuellen? Sie wissen schon. Die haben Mördertitten, aber trotzdem einen prächtigen Schwa…“
„Bitte einmal Internet ohne Pornos“
„Aber gerne doch.“

Das Positive an #0zapftis

Schockierende Nachrichten

Die beiden Lenker von RSA, Art Coviello (Chairman) und Tom Heiser (President), nutzten ihre jeweiligen Eröffnungsansprachen zur RSA Conference in London, um Einzelheiten der Angriffe im März zu erläutern. Coviello sagte, dass es sich beim Angreifer um einen Staat handeln müsse. Der Angriff sei zu ausgefuchst, als dass andere Angreifer in Frage kämen.

Das Positive: Deutschland gehört nicht zu den verdächtigen.

Für ein schwarz-grünes Urheberrecht

Die Grünen (und ein Pirat) im EU-Parlament haben vor kurzem ein Positionspapier vorgestellt, das zwar viel Gutes, aber in meinen Augen auch einen schweren Denkfehler enthält. Jetzt preschen Unions-Politiker mit ihrer Initiative Faires Urheberrechtnach, das den meiner Meinung nach viel besseren Ansatz des Fair-Use-Gedankens enthält, aber offenbar nicht von völlig überzogenen Verwertungsfristen abrücken will.

Was liegt also näher als ein Mashup zu generieren? Einige Teile sind sowieso fast identisch formuliert. Aus dem Grünen-Papier habe ich einige inkonsistente und undurchdachte Forderungen gestrichen. Zu dem Unions-Papier hingegen muss man vieles ergänzen, was der gesunde Menschenverstand gebietet, aber in den vermeintlich konservativen Parteien nicht gut ankommt.

Copyright is a legal tool that was forged in time and that changed according to the evolution of creation and techniques. It was built to offer a balance between the interests of creators and those of the public, and as such it incorporates protections and limitations or exceptions. It is a tool, among others, dedicated to promote creation, and should never be looked as an end in itself.

Es ist dem Gesetzgeber nicht möglich, das Urheberrecht jedem dieser Entwicklungsschritte anzupassen. Hierbei muss das urheberrechtliche Schrankenmodell neu justiert werden.

We believe various options can be designed in the context of in the digital era to allow the necessary recognition of authorship, a better remuneration of the artists, while making the most of the technical possibilities in terms of exchange and sharing of cultural productions. To chart these paths, in order to identify and elaborate the most relevant actions to take, it is the situation of artists and creatives who are creating that needs to be taken as a starting point.

Urheberrechtsverletzungen sind in der digitalen Welt an der Tagesordnung – sehr oft schlichtweg aus purer Unkenntnis der geltenden Rechtslage. Bei zukünftigen Änderungen des Urheberrechts muss deshalb darauf geachtet werden, dass jedermann intuitiv verstehen kann, welche Rechte und Pflichten er hat und welche Grenzen zu beachten sind.

To improve the condition of artists requires to change contract law at the European level in order to stop buy out contracts and to put artists and creators in a better negotiating position when facing the entertainment oligopolies that dominate the market. Consumers are also citizens and therefore have a responsibility towards the artists and creators of whom they enjoy and consume the works.

Urheber müssen weiterhin leistungsgerecht vergütet werden, aber ein Urheberrecht für das digitale Zeitalter muss auch die berechtigten Interessen der Werknutzer berücksichtigen, um gesellschaftliche Akzeptanz zu erfahren.

Non commercial sharing between individuals should be allowed, for instance by widening the
scope of the existing private copying exception. If and when it can be proved that the production of cultural goods is compromised by non-commercial sharing, a content flat rate or another mechanism for broadband users may be envisaged. Such a mechanism must not invade the privacy of internet users. The distribution of revenues should favour poor and starting creators.

Um in Streitfragen flexibel auf neue technologische Entwicklungen reagieren zu können, muss das Fair-Use-Prinzip ins Urheberrecht aufgenommen werden. Die Kriterien für “Fair Use” sind so zu definieren, dass Gerichte Entscheidungen treffen können, die der Lebenswirklichkeit entsprechen. Durch eine allgemein verständliche Formulierung der Fair-Use-Kriterien kann die Verständlichkeit des Urheberrechts gesteigert werden. Urheber müssen weiterhin leistungsgerecht vergütet werden, aber ein Urheberrecht für das digitale Zeitalter muss auch die berechtigten Interessen der Werknutzer berücksichtigen, um gesellschaftliche Akzeptanz zu erfahren.

Today’s ever more restrictive copyright legislation and practice is a major obstacle to musicians, film makers, and other artists who want to create new works by reusing parts of existing works. We want to change this by introducing clear exceptions and limitations to allow remixes and parodies, as well as quotation rights for sound and audiovisual material modelled after the quotation rights that already exist for text.

DRM is an acronym for „Digital Rights Management“, or „Digital Restrictions Management“. The
term is used to denote a number of different technologies that all aim to restrict consumers’ and citizens’ ability use and copy works, even when they have a legal right to do so. It must always be legal to circumvent DRM restrictions, and we should consider introducing a ban in the consumer rights legislation on DRM technologies that restrict legal uses of a work. There is no point in having our parliaments introduce a balanced and reasonable copyright legislation, if at the same time we allow the big multinational corporations to write their own laws, and enforce them through technical means.

Niemand käme beispielsweise auf die Idee, einem Kaufhausdieb als Sanktion den Zugang zu Zeitungen oder dem Fernsehen zu verbieten. Genauso absurd ist die Idee, im Falle von Urheberrechtsverletzungen, zeitweise Internetsperren zu verhängen. Der hierin liegende massive Grundrechtseingriff erscheint spätestens unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit evident verfassungswidrig. Die bestehende Rechtslage sieht derzeit hinreichende zivil- als auch strafrechtliche Sanktionsmöglichkeiten für Urheberrechtsverletzungen vor. Netzsperren sind für uns kein Mittel zur Rechtsdurchsetzung.

Much of today’s entertainment industry is built on the commercial exclusivity on copyrighted
works. This, we want to preserve. But today’s protection times — life plus 70 years — are absurd. No investor would even look at a business case where the time to pay-back was that long. We want to shorten the protection time to something that is reasonable from both society’s and an investor’s point of view, and propose 20 years from publication.

The problem of orphan works urgently needs to be solved. It is important to be aware of the sectoral differences. For archives, libraries and especially (public) broadcasters extended collective licensing is the preferable solution. However, the condition of a diligent search has to be feasible and shall not lead to additional administrative and bureaucratic work and expenses. A general exception in copyright for orphan works is not desirable, but an exception for libraries etc. in the frame of a „LEX-Europeana“ should be considered.

Nun – DAS klingt nach einem Arbeitspapier, das ich gerne unterschreiben würde. Vor allem: Es wäre meines Erachtens durchsetzbar, oder zumindestens planbar. Jetzt ist es die Aufgabe der Parlamente, Parteien und Verbände auf dieser Grundlage praktikable Modelle und Gesetzentwürfe zu erarbeiten, über die man dann konkret debattieren kann.

Europäische Urheberrechtsreform: Was heißt hier kommerziell?

Jubel bei den Piraten: die Grünen im Europäischen Parlament haben die Position der Politik-Neulinge in Sachen Urheberrecht übernommen. Andere haben hingegen keinerlei Grund zum Jubeln. Denn die Piraten haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht und die Grünen haben es nicht gemerkt.

Distinction between commercial and non commercial use of copyright material always needs to be made: users making financial benefits from the exploitation of copyrighted works should remunerate right holders accordingly, while users making no financial benefits should be free to use copyrighted works provided that they quote the authors.

Das klingt logisch, das klingt hoffnungsvoll. Endlich wird die Fehlentwicklung der vergangenen 20 Jahre zurückgedreht, die die boomende Internetbranche ausbremst und jeden Blogger, eigentlich jeden Internetnutzer kriminalisiert!

Doch – Moment Mal: Was heißt eigentlich kommerziell? Vor 20 Jahre war das noch sehr einfach zu beantworten, als es nur ein paar Tausend Firmen weltweit gab, die professionell mit Musik- oder Filmrechten handelten. Ein Musikstück für einen Werbespot? Bitte zahlen! Musik von Radio auf die eigene Audiokassette überspielen? Unkommerziell. Wer würde für das Gerausche und das Reingequatsche in die tollsten Intros auch Geld bezahlen?

Das ist aber die Vergangenheit. Die ist unwiderbringlich weg. Heute wird quasi jeder zum Publizierenden. Aber wir verdienen ja kein Geld, damit – also, kein Problem, oder? Falsch! Denn durch die Vielzahl von vernetzten Diensten ist es längst nicht mehr einfach zu unterscheiden, wer jetzt was veröffentlicht. Dienste wie Kino.to haben es sich in den letzten Jahren ein Spiel draus gemacht, scheinbar unkommerzielle Strohmänner vorzuschieben, die angeblich alles mögliche hochgeladen haben. Die Wahrheit war aber eine andere. Und im Gegenzug haben deutsche Gerichte jedem 12jährigen, der ein ganzes Album(!) im Filesharing-Ordner hatte, zum gewerblichen Urheberrechtsverletzer gemacht.

Wenn man Kommerzialität zum zentralen Unterscheidungskriterium macht, muss man die Frage konsistent beantworten können: Was ist kommerziell? Sind es die Bilder auf Siegfried Kauders Website? Der verdient ja kein Geld damit. Du hingegen hast ein paar Google-Anzeigen auf Deinem Blog und verdienst 2,50 Euro pro Monat? Eindeutig kommerziell! Öffentlich-rechtliches-Radio? Kommerziell! Ähm, nein. Nein! Doch! Oder wie? Häh?

Legt man die Hürden für die Unkommerzialität hoch, dann vernichtet man viel kreative Energie im Internet und nimmt Enthusiasten die Möglichkeit nach Refinanzierungswegen zu schauen. Denn mit dem ersten Euro, den sie einstecken, müssten sie einen ganzen Wust an Lizenzanforderungen erfüllen. Eine Konzentration auf wenige große Player wäre die Folge, die Musiklizenzen als industriell gefertigte Bitware handeln. Kunst wird nach Megabyte abgerechnet, nicht nach Inhalt. Der Künstler verkauft zum Einheitspreis oder verzichtet halt!

Legt man die Hürde der Unkommerzialität hingegen niedrig, wer sollte da überhaupt noch zahlen? Leute, die physische Datenträger verkaufen? Die Großḱonzerne wie Google und Apple passen halt ihr Geschäftsmodell an und verkaufen ihre Dienstleistung rund um die „soziale“ Musik, lassen den Künstler aber weitgehend leer ausgehen. Der versprochene Interessensausgleich zwischen Künstlern und Konsumenten fiele flach.

Die Europäischen Grünpiraten sind offenbar davon ausgegangen, dass die Arbeit schon schon von anderen gemacht wurde:

§22. We do support Creative Commons as a good possibility for creatives to share their works when ever wanted.

Im Gegenteil: auch die Creative-Commons-Bewegung hat auf diese Frage keine befriedigenden Antworten auf die Frage nach Kommerzialität gefunden. Wenn man die Akteure der CC-Musikszene zum Beispiel nach der Ausstrahlung auf öffentlich-Rechtlichen Radiosendern fragt, gucken sie verblüfft und laufen dann schnell weg. Auf die Publicity des Radios wollen sie nicht verzichten, auch wenn es streng genommen gegen die Lizenzen verstößt. Sie hoffen halt darauf, dass die Musik dann in Werbespots verwendet wird, und massig Geld einspielt.

Deswegen ist die Verwendung der NC-non-commercial-Klausel auch unter den Anhängern freier Lizenzen sehr unbeliebt geworden. NC zum Grundgedanken eines Gesetzesrahmens zu machen, erscheint mir da nicht zielführend zu sein.

Auch das Problem der „orphaned works“ wollen die Verfasser des Papiers angehen. Das Problem: sie begreifen das Problem nicht wirklich. Denn mögen die Werke ohne ermittelbare Urheber aus der Vergangenheit ein veritabler Schatz für Biliothekare und Historiker zu sein — es kommt grade eine riesige Welle neuer orphaned works auf uns zu. Man muss sich nur bei soup.io oder Facebook umsehen. Haufenweise Katzenfotos, Mitschnitte aus US-Fernsehsendungen, lustige Infografiken. Doch von wem stammen sie? Der Urheber verliert sich in einem Gewirr aus „via“-Links. Ich hab das hier Bild bei X gefunden, X hat es von Y kopiert, Y hat ein Werk von Z bearbeitet und Z hat es geklaut. Ob die URL, die unter einem Bild klebt einem Urheber oder einem fleißigen Bildchen-Sammler gehört — keine Ahnung.

Auch dies ist eine der Antworten, die Creative Commons bisher nicht geben konnte: wie verweise ich verlässlich auf den Urheber? Eingebürgert hat sich die unkomplizierte Variante: Ich verlinke einfach auf die Fundstelle und schreibe einen Namen dazu, den ich dort gesehen habe. Doch wie man kürzlich beim Wikipedia-Streik gesehen hat: es gibt keinerlei Garantie, dass die Links auch weiterhin die Informationen zum Urheber bereit halten. Wenn Flickr dicht gemacht wird sein URL-Schema oder die Name-Policy ändert, sind plötzlich Millionen oder gar Milliarden Bilder orphaned works. Wer soll unter diesen Umständen schon wissen, ob die Werke vor fünf Jahren oder weniger entstanden sind? Doch genau diese Grenze schlagen die Grünen in dem Positionspapier vor.

Lange Rede, kurzer Sinn: Wer die Probleme mit dem Urheberrecht lösen will, muss neue Lösungen finden. Man kann nicht davon ausgehen, dass Creative Commons bereits die Arbeit gemacht hat und man kann auch nicht in Konzepten von 1955 denken, um die Probleme von 2020 zu lösen.

Der Trojaner guckt nicht nur

Dem CCC ist eine Enthüllung erster Klasse gelungen: sie haben den Bundestrojaner aufgespürt, analysiert und allerlei Schwächen entdeckt.

Ein Punkt kommt bisher aber zu kurz: ein solcher Trojaner, der Programmmodule nachladen kann, kann alles mit einem Computer machen. Also nicht nur ablauschen, was tatsächlich passiert, sondern auch Inhalte ändern. Der vermeintlich gefährliche Terrorist kann nicht gerichtsfest überführt werden? Kein Problem. Chatlogs, Telefonate, E-Mails können bitgenau und nicht unterscheidbar auf seine Festplatte geschrieben und direkt an die Polizei geschickt werden.

Es ist so, als ob die Polizei einen Generator für Fingerabdrücke einkauft, der Fingerspuren jedes Verdächtigen hinterlassen kann. Oder ein Chemiebaukasten, um DNA-Spuren zu fälschen. Man muss kein paranoider Staatskritiker sein, um zu fragen: „Moment Mal, wozu braucht ihr das?“

Die Polizei hat viele, viele Möglichkeiten Kommunikationsdaten abzuschöpfen. Wenn jemand tatsächlich kompetent mit seinem Computer umgehen kann, kann er den technisch laienhaft implementierten Trojaner auch außer Gefecht setzen. Kann er es nicht, sind höchstwahrscheinlich auch die anderen legalen Abhörtechniken erfolgreich. Warum also ein Mittel einführen, was kaum mit dem Rechtsstaat zu vereinbaren ist?

Mein persönlicher Digital Divide

Viel wurde in der vergangenen Woche geschrieben, wie sehr doch Facebook sich das gesamte Internet aneignen werde, dass Facebook unser aller Leben umkrempeln werden. Mit meiner persönlichen Realität hat das jedoch wenig zu tun. Und eigentlich stehe ich nicht allzu weit entfernt von dem Epizentrum des gesellschaftlichen Wandels. Ich bin zwar jenseits der 30, gehöre aber zu der Generation, die das Internet in Deutschland groß gemacht hat.

Ein Digital Divide geht mitten durch meinen Freundeskreis. Die einen sind beruflich und privat ständig online, haben Smartphones, loggen sich irgendwo ein, wenn sie ausgehen. Die anderen sind beruflich und privat oft online, haben ihre Smartphones noch nicht so lange wie die anderen und schicken Links zu witzigen Youtube-Videos tatsächlich per E-Mail. Die erste Gruppe hat Facebook grade massenhaft hinter sich gelassen, die anderen haben Facebook nie in ihren Alltag integriert. „Was hätte ich denn davon?“ werde ich oft gefragt. Dabei hab ich das Thema meist gar nicht angesprochen.

Ein Beispiel aus meinem Alltag: Poetry Slams sind ein guter Anteil für Ressentiments. Im kompetetiven Umfeld zahlt es sich aus, die Antipathien des Publikums zu aktivieren um Applaus zu bekommen. Krude Witze über FDP, den Papst und Mario Barth gehören zum Standard-Repertoire. Damit sind die Slammer mehr oder weniger erfolgreich — schließlich ist die Zielgruppe aus dem Alter der „Deine Mudder“-Witze entwachsen, gebüldet ohne sich etwas drauf einzubülden. Und man will sich schließlich amüsieren und keine Privat-Vorlesung abholen.

Als ich am Wochenende bei der Vorrunde der NRW-Meisterschaft der Poetry Slammer war, haben vier von 10 Teilnehmern Witze über Facebook gemacht. Wie schrecklich doch diese Plattform doch ist, seine Symbolik, die Leute, das Netz. Applaus gab es dafür jedes Mal, wenn auch nicht übermäßig. Dabei war die Veranstaltung selbst auf Facebook angekündigt.

Doch als ich nachgesehen habe, scheint diese Haltung nicht nur rethorisch zu sein. Auf Facebook haben höchstens eine Handvoll Leute ihren Senf zur Veranstaltung dazu gegeben, die dazu meist zur Gruppe der Veranstalter gehörten. Auf Twitter war gar nichts los und auch von den 50 Millionen Google+-Nutzern scheine ich der einzige gewesen zu sein, der tatsächlich einige Beiträge zu der Meisterschaft einstellte.

Ich habe Freundschaften im IRC geschlossen, ich habe spannende Menschen über Usenet-Signaturen gefunden, ich kenne Menschen, die ihren Lebenspartner über Wikipedia gefunden haben. Ich habe aber nie einen interessanten Menschen über Facebook kennengelernt, habe dort keine spannenden Diskussionen gefunden, die nicht irgendwo anders drei Mal besser gestanden hätten, habe nie etwas gelernt, was mich überrascht hätte.

Wenn nun nicht Mal ein tendentiell studentisch-akademisches urbanes Publikum unter 40 Facebook wirklich zu einem ihrer Lebensmittelpunkte gemacht hat — welche Chance hat das Unternehmen tatsächlich das Leben seiner Mitglieder darzustellen?