Voller Urheberrechtsschutz nur bei Anmeldung?

Die EU-Kommmission hat einen Bericht (PDF) zur „New Rennaissance“ vorgelegt, der sich mit den Erfordernissen an das Urheberrecht im Hinblick auf unser kulturelles Erbe befasst.

There is probably no greater ambition than to perpetuate our rich cultural heritage. It is therefore in full consciousness of our responsibility towards past and future generations and in deep humility that we have approached our mission.

Dass das Titelbild aussieht, als wäre es 1991 mit DeluxePaint auf dem Amiga erstellt worden, lässt wenig gutes über die Zukunftsorientierung des Berichts erwarten. Und tatsächlich: auf Seite 5 wird es schon spannend:

Future orphan works must be avoided. Some form of registration should be considered as a precondition for a full exercise of rights. A discussion on adapting the Berne Convention on this point in order to make it fit for the digital age should be taken up in the context of WIPO and promoted by the European Commission.

„Orphaned works“ sind Werke, bei denen man den genauen Urheberrechtsstatus nicht mehr sicher feststellen kann. Ist der Urheber schon so lange tot, dass man das Werk frei nutzen kann? Ist es gar ein Gemeinschaftswerk? Oder wer sind die Erben, wo kann man die Rechte an dem Werk rechtssicher erwerben?

The Association des Cinémathèques Européennes estimates that 21% of films held in audiovisual archives are orphaned, with 60% of these being over 60 years old. The British Library estimates that 40% of its in-copyright collections are orphan. The ‚In from the Cold‘ report estimated approximately 90% of the photographic record in UK cultural institutions as orphaned.

Ein Vorschlag der Autoren: Im Zweifel zahlt der Lizenznehmer die Tantiemen in ein Treuhandkonto ein, mit dem ein Urheber oder Rechteeinhaber später entschädigt wird. Eine unbefriedigende Lösung: denn welchen Tarif soll man zu Grunde legen und wie lange soll das Geld auf dem Konto vor sich hingammeln?

Eine Lösung für die Zukunft ist nach Überzeugung der Berichterstatter eine Registratur, in der Rechteinhaber sich und ihre Werke anmelden. Der volle Urheberrechtsschutz gilt nur noch für Werke, die registriert worden sind, der Rest geht ins Allgemeingut über.

In order to comply with the norms that exist in intellectual property laws, igitisation requires the clearance of each and every copyright and related right. Therefore mechanisms have to be developed that recognise the rights and interests of the rights holders, but at the same time facilitate the digitisation that in turn will lead to greater innovation and creativity. Given the cost of rights clearance, it is in the public as well as private interest of European society to streamline rights clearance in a manner that is fair and balanced.

Ich bin gespannt, wie das konkret aussehen soll. Zur Erinnerung: Eine solche Copyright registration war in den USA Pflicht, wurde aber durch das Berner Abkommen obsolet. Wenn die EU hier eine Rolle rückwärts macht, bekommt das Copyright wieder mehr einen kommerziellen Charakter anstatt die Verfügungsgewalt des Urhebers über sein Werk zu betonen. Denn egal wie „streamlined“ der Registrierungsprozess sein wird – am ehesten werden sich die Medienkonzerne dieser Möglichkeit bedienen. Sie haben schließlich ausreichend Erfahrung und die Infrastrukturen, die sie eh im Umgang mit Verwertungsgesellschaften benötigen.

Die doppelte Reinkarnation von John Lennon

Die Reaktion auf das Attentat auf die demokratische US-Abgeordnete Gabrielle Giffords warvorhersehbar: das aufgestachelte politische Klima hat den Täter zu seiner Tat getrieben. Und wer hat das Klima so aufgestachelt?

Die hasserfüllte politische Rhetorik der rechten Tea Party und insbesondere Alaskas ehemalige Gouverneurin Sarah Palin seien schuld an einer Atmosphäre, in der verwirrte Menschen wie der verhaftete Schütze Jared L. Loughner zu den Waffen greifen.

Bernd Pickert nennt das in der taz einen „billigen Reflex“, obwohl es Sarah Palin sehr einfach gemacht hat diesen Reflex auszulösen:

Ja, Sarah Palin hat auf ihrer Facebook-Seite eine Grafik veröffentlicht, in der von bestimmten Demokraten gehaltene Wahlkreise mit einem Fadenkreuz zu sehen sind, so auch der von Gabrielle Griffords. Ja, sie hat die republikanischen Abgeordneten in der Debatte um Obamas Gesundheitsreform aufgefordert: „Nicht zurückweichen, nachladen!“

Ein PR-Albtraum erster Güte. Nicht nur ein erschossener Bundesrichter, eine Astronautengattin, ein 9-jähriges Mädchen, das obendrein am 9. 11. September 20102001 geboten worden war. Wer will schon mit diesen Opfern in Verbindung gebracht werden?

Die spannende Frage war also: welchen Spin versucht die maßlose Populistin um die populistischen Angriffe gegen sich selbst abzuwehren? Die New York Times gibt Einblick:

As the nation reacted to the shooting of Representative Gabrielle Giffords and 19 others outside a Tucson supermarket this weekend, former Gov. Sarah Palin of Alaska and Glenn Beck, the conservative radio host, took to e-mail on Sunday to have a conversation of their own.

“I hate violence,” Ms. Palin wrote, according to Mr. Beck, who read what he said were excerpts of their e-mail exchange on his radio show on Monday. “I hate war.”

Die Frau, die das Hobby Großwildjagd aus dem Hubschrauber als Imagekampagne benutzt hat, die immer wieder Krieg gegen dieses Problem oder die Todesstrafe gegen jenen Menschen fordert, ist in Wahrheit ein friedliebender Engel, der halt nicht in Frieden leben kann, weil es dem bösen Nachbarn (also: Russland?) nicht gefällt.

Aber auch Glenn Beck, der in seiner Sendung eine moderne Version der jüdischen Weltverschwörung erstehen lässt, der mit Hitler- und Stalin-Vergleichen um sich wirft, sucht Absolution in dem E-Mail-Wechsel unter Gleichgesinnten:

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„new tone“ die Empörung über die Gewaltrhetorik übertriebenes Gutmenschentum sei, dass es ganz normal sei, den politischen Gegner nicht nur zu rhetorischen Zielscheiben zu machen.

Lange Rede, kurzer Sinn: die aufgeheizte Debatte, die jedes Maß verloren hat, mag oder mag nicht zu den Morden beigetragen haben. Zu einer Selbstreflexion oder gar Umkehr scheint das tragische Ereignis nicht geführt zu haben.

P.S.: Jon Stewart bringt es Mal wieder auf den Punkt:

It would be really nice if the ramblings of crazy people did’nt in any way resemble how we actually talk to each other on TV.

CCC: Anarchisten mit RAF-Kontakten?

Die niederländische Zeitung Telegraaf hat ein Portrait über den „meesterhacker“ Rop Gonggrijp veröffentlicht, der jüngst wegen seines zeitweiligen Engagements für Wikileaks in den Fokus der amerikanischen Behörden und somit auch in die Schlagzeilen geriet.

Wenig schmeichelhaft ist die Beschreibung seiner Kontakte zum deutschen Chaos Computer Club:

Op zijn twintigste verhuisde Gonggrijp met wat vrienden naar Amsterdam, waar hij in contact kwam met hackers en techneuten binnen de kraakbeweging. Volgens Siebelt kreeg hij in die tijd nauwe banden met Duitse anarchisten van de Chaos Computer Club (CCC), die weer banden hadden met RAF-terroristen. CCC zorgde in 1987 voor grote opschudding met een inbraak in de Amerikaanse NASA-computers. „Een jaar later werd bekend dat een aantal CCC’ers samenwerkten met de Russische geheime dienst KGB om in Amerikaanse computers in te breken”, zegt Siebelt.

Dass irgendwann Mal RAF-Kontakte des CCC dokumentiert worden wären, ist mir neu – ich bezweifle auch, dass es hier wesentliche Verbindungen gab, die über das Triviale hinaus gehen.

Aber wenn es um Wikileaks geht, muss ja irgendwo eine Terror-Verbindung bestehen, oder?

Warum warten, Frau Piel?

Frau Monika Piel macht als turnusgemäße ARD-Intendantin Furore. Sie erklärt zum Beispiel gegenüber der Frankfurter Rundschau:

Man ist offensichtlich von Seiten der Verlage auf dem Holzweg, wenn man journalistische Inhalte kostenlos anbietet. Diese Kostenloskultur kann nicht Ziel führend sein. Das kann für die Verlage nur heißen, man muss dahin kommen, die journalistischen Inhalte zu verkaufen. Da sind kostenpflichtige Apps der richtige Anfang. Bei diesen fühlen sich die Verleger jedoch im Markt behindert. Wenn der Verlegerverband die Apps kostenpflichtig macht, dann werde ich mich auch vehement dafür einsetzten, dass unsere öffentlich-rechtlichen Apps kostenpflichtig sind.

Man muss sich da schon fragen: wo war Frau Piel in den letzten fünf bis zehn Jahren? Denn so lange versuchen schon Medienkonzerne das Modell Free-TV – sagen wir es Mal so – um eine weitere Bezahl-Komponente zu ergänzen. Ob Grundverschlüsselung bei Kabel Deutschland oder bei Astra – der Zuschauer soll zukünftig einen monatlichen Obulus zahlen. Das erste Jahr gibt es gratis, danach kostet „HD Plus“ 50 Euro pro Jahr — ein Fakt, den Pro7 in seinen „Jetzt sind wir viel schärfer“-Werbespots verschweigt.

Ein Bollwerk gegen solche Versuche war bisher ARD und ZDF. Sie sagt seit Jahren: Verschlüsselung gibt es mit uns nicht, unsere Signale sollen frei empfangbar bleiben. Oder in ihren eigenen Worten:

„Das Fernsehen droht, seine publizistische Seele zu verlieren“, zeigte sich ZDF-Intendant Markus Schächter in Berlin besorgt. „Es verlässt seinen gesellschaftlichen Auftrag und hat nicht mehr das Ziel, das Gespräch der Gesellschaft anzustacheln.“ ARD-Generalsekretärin Verena Wiedemann fürchtete gar, dass sich „unsere Demokratie grundsätzlich verändern wird“.

Der Widerstand hatte Erfolg. Wer auf Konservenregale wie „Kabel1 Classic“ oder andere noch unterentwickelte HD-Programme verzichten kann, erhält so mit seinem einfachen Receiver ohne weitere Kosten die zahlreichen ARD-Programme empfangen – egal ob Zimmerantenne, satellit oder Kabel, egal ob analog oder Digital, HD oder Standard-Auflösung. Das öffentlich-rechtliche Programm mag gerade über Weihnachten eine Qual gewesen sein, aber gewöhnlich ist es mehr als ausreichend.

Allerdings sehe ich nicht den prinzipiellen Unterschied zwischen Bezahl-Apps und Grundverschlüsselung. Wenn Frau Piel das eine will, kann sie doch nicht mehr wirklich gegen das andere sein. Wenn also die Verleger mit ihren iPad-Träumen auf dem Markt sind, auf den die ARD so unbedingt angewiesen ist, dann sind es die Privat-Sender erst recht. Ein voll verdongeltes Medien-Vertriebssystem mit Zahlkomponente gibt es nicht nur bei Apple und Google. Wenn also die Bezahl-Apps der Verlage die ARD zu Bezahl-Apps treiben können, dann ist wohl auch die Opposition gegen Grundverschlüsselung hinfällig.

Bisher zahle ich meine GEZ-Gebühr pünktlich und ohne jeden Groll. Sollte die ARD kann mit Kabel-Betreibern, Providern und Satelliten-Services ins Bett steigen, um uns ein zweites Mal abzukassieren, würde ich mir überlegen den TV-Empfänger komplett abzuschaffen. Aber welchen Unterschied würde das machen – ab 2012 ist ja die Haushalts-Gebühr fällig.

Henkel: Negativ-Werbung gegen sich selbst

Seit ich einen digitalen Videorekorder habe, bekomme ich nur noch wenige Werbespots mit. Aber einer erwischte mich dann doch. Die sehr rothaarige Esther Schweins steht lässig-souverän an der aufgeklappten Waschmaschine und sagt in die Kamera:

„Wussten Sie, dass Erdöl die Basis fast aller Waschmittel ist?“

Das Ganze ist eine Werbekampagne für Henkels neues Öko-Waschmittel „Terra“, das auf pflanzlicher Basis entwickelt wurde und eben nicht wie „fast alle“ Waschmittel ist.

Kleines Problem dabei: „Fast alle“ ist vor allem das Produktportfolio von Henkel selbst. Aus dem Konzern stammen zum Beispiel:

  • Persil
  • Spee
  • Weißer Riese
  • dato
  • Perwoll
  • Sil
  • Vernell
  • Pril
  • Somat
  • ATA
  • Biff
  • Bref Power
  • Der General
  • Dor
  • Sapur
  • Sidol
  • Sidolin
  • Sofix
  • WC Frisch

Wer also noch weiter auf das böse Erdöl setzen will, ist bei Henkel gut aufgehoben. Und statt in großem Stil umzuschwenken, etabliert Henkel einen Versuchsballon, weil die Konsumenten halt fast stündlich neue Produkte verlangen. Zieht die Öko-Schiene nicht, bleibt Persil halt wie es ist. Außer dass es jedes Jahr natürlich viel, viel weißer wäscht.