Netz der Netze

Vielleicht hat Obermann ja recht: der Telekom-Backbone ist leidlich gut und YouTube verbraucht eine Menge Traffic. Das muss doch bezahlt werden!

Aber eine Frage: YouTube-Videos abzuspielen verbraucht auch massig Strom, ohne Strom klappt weder T-Entertain noch das iPhone. Was zahlt die Telekom an RWE und Konsorten für den Stromverbrauch ihrer Kunden?

Tag der Abrechnung

Und wieder Mal die alte Leier

Die Deutsche Telekom will Anbieter von datenintensiven Diensten wie Google und Apple künftig stärker zur Kasse bitten. "Ein gut gemachtes Netzangebot ist am Ende auch kostenpflichtig", sagte Telekom-Chef René Obermann einem dpa-Bericht zufolge dem Manager Magazin. Wenn die Telekom besondere Netzsicherheit oder höchste Übertragungsqualität zum Beispiel für Musik oder Video biete, müsse dies "auch differenziert bepreist werden". Entsprechende Diskussionen mit Diensteanbietern wie Google seien angestoßen.

Das Lustige an der Diskussion ist, dass immer wieder Google als böser Traffic-Nassauer angekreidet wird. Wenn man aber sieht, welche Investitionen Google in die Infrastruktur gesteckt hat, ergibt sich ein ganz anderes Bild.

Teuer für Provider ist es, wenn sie Traffic über vier, fünf oder gar zwölf Hops in fremde Netze transportieren müssen. Wenn sie dagegen Traffic in ihrem eigenen Netz verteilen, ist der Kostenfaktor im Vergleich kaum erwähnenswert.

Nun hat Google aber nicht nur in der ganzen Welt seine Rechenzentren verteilt, sie haben sich auch an direkte Anbindung bei allen möglichen Providern bemüht. Google ist quasi sein eigenes Akamai-Netzwerk – wenn die Telekom mehr als einen Hop außerhalb ihres Netzes gehen muss, um Google zu erreichen, machen sie etwas falsch.

Wenn man also alles ökonomisch durchrechnet und die Trafficleistungen der Parteien genau beleuchtet, könnte – Achtung: das ist eine wilde Hypothese – Google tatsächlich Geld herausbekommen, statt es an die Telekom zu bezahlen.

Apple hingegen müsste hingegen wohl draufzahlen (sei es an die Telekom oder Akamai) – obwohl: die Telekom könnte als Vertriebspartner ja auch die lächerlich großen iPhone-Updates verteilen und so den Traffic ins interne Netzwerk verschieben.

Zwei Interviews zu Wikileaks

CNet hat ein tolles Interview mit John Young von Cryptome.org veröffentlicht. Natürlich bleibt er dabei, dass er Wikileaks gar nicht gut findet, aber darüber hinaus verrät er einiges über seine Philosophie und wie die US-Behörden mit ihm umgingen:

Wikileaks pledges to maintain the confidentiality of sources and stressed that in the presentation over the weekend. Do you offer your contributors the same guarantee?
Young: No. That’s just a pitch. You cannot provide any security over the Internet, much less any other form of communication. We actually post periodically warnings not to trust our site. Don’t believe us. We offer no protection. You’re strictly on your own.

We also say don’t trust anyone who offers you protection, whether it’s the U.S. government or anybody else. That’s a story they put out. It’s repeated to people who are a little nervous. They think they can always find someone to protect them. No, you can’t. You’ve got to protect yourself. You know where I learned that? From the cypherpunks.

So Wikileaks cannot protect people. It’s so leaky. It’s unbelievable how leaky it is as far as security goes. But they do have a lot of smoke blowing on their site. Page after page after page about how they’re going to protect you.

And I say, oh-oh. That’s over-promising. The very over-promising is an indication that it doesn’t work. And we know that from watching the field of intelligence and how governments operate. When they over-promise, you know they’re hiding something. People who are really trustworthy do not go around broadcasting how trustworthy I am.

Meine Lieblingsstelle ist jedoch diese:

Did they criticize you for, well, leaking about Wikileaks?
Young: They certainly did. They accused me of being an old fart and jealous. And all these things that come up, that typically happen when someone doesn’t like you. That’s okay. I know you would never do that and journalists never do that, but ordinary people do this all the time.

Because journalism is a noble profession in all its guises?
Young: That’s right. And there’s no back-biting there.

Der Mann hat Humor.

Das absolute Gegenteil ist das Interview mit Julian Assange, das auf Sueddeutsche.de erschienen ist – und das von Fehlern nur so wimmelt. Wie viel davon auf Assange und wie viel auf den Interviewer zurückfällt weiß ich nicht, aber diese Stelle ist mir doch extrem übel aufgestoßen:

SZ: Fühlen Sie sich in Europa sicher?

Assange: Wir stehen auch hier unter Beobachtung. Wir haben in den letzten Monaten einige Vorfälle entdeckt.

SZ: Was für Vorfälle?

Assange: Wir sprechen nie darüber, was für Vorfälle wir entdeckt haben oder welche wir nicht entdeckt haben.

Wikileaks verbreitet andauernd hysterische Meldungen über angebliche Repressionen, die sich aber im Nachhinein als falscher Alarm herausstellen. Wenn solche Widersprüche nicht addressiert werden, ist der Erkenntnisgewinn eines Interviews ziemlich gering.

Wozu wir einen Personalausweis brauchen

Der Chaos Computer Club hat 11 Forderungen für ein lebenswertes Netz veröffentlicht. Jetzt kann die Diskussion darum beginnen. Also los – unter Forderung Nummer 8 steht dies:

Auch bestehende Regelungen müssen geprüft werden. Andere Länder kommen ganz ohne Personalausweis aus, etwa die USA und Großbritannien. Wieso brauchen wir einen Personalausweis, zumal einen mit biometrischen Daten und Online-Zugriff der Behörden auf die Ausweisdaten? Wieso darf unser Paß biometrische Daten enthalten? Biometrische Ausweisdokumente mit funkendem Mikrochip sind nicht sinnvoll begründet, daher soll ihre Verbreitung nicht fortgeführt werden.

Gerade die Länder, die auf Ausweise verzichten, haben uns in den letzten Jahren gezeigt, dass dieser Verzicht nicht für eine größere Freiheit und weniger Bürokratie sorgt. Im Gegenteil: So muss man in Großbritannien alle möglichen Unterlagen wie Gas- und Wasser-Rechnungen vorlegen, um beispielsweise die British Telecom von seiner Existenz und Adresse zu überzeugen. Dass dabei erheblich mehr private Daten als mit einem Ausweis offenbart werden, ist unvermeidlich. Und in Arizona wurde grade der Ausweisverzicht ad absurdum geführt: Niemand muss Ausweise bei sich haben, aber wenn ein potenzieller Einwanderer einem Polizisten auf Verlangen keine Visapapiere vorlegen kann, wird er eingesperrt. Auch wenn er gar kein Einwanderer ist. Und das ist nur ein Auswuchs von vielen.

Halten wir fest: ein zuverlässiger Ausweis kann(!) tatsächlich private Daten schützen und staatliche Willkür einschränken. Bleibt die Frage: warum biometrische Daten und was immer der CCC mit „Online-Zugriff auf Ausweisdaten“ meint. Bei einer so geringen Verbreitung von falschen Ausweise wie in Deutschland bestand in meinen Augen nicht wirklich ein Bedarf für zusätzliche Authentifizierung. Während ein E-Ausweis mit nutzerautonom implementierten qualifizierten Signaturen durchaus seinen Reiz hat, sind Fingerabdrücke oder die notorisch unzuverlässigen biometrischen Bilder weder für Komfort, noch für Sicherheit ein Gewinn.

Zensus-Missverständnisse

Chrstian Rath hat in der taz etwas zu den Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde gegen den Zensus 2011 geschrieben: Klage auf den letzten Drücker:

Aber: Noch vier Jahre lang können die Daten mit Hilfe einer Ordnungsnummer wieder zusammengeführt werden. Erst dann sind die Erhebungsunterlagen zu vernichten. "Die Zuordnung der persönlichen Daten durch eine Ordnungsnummer hatte das Bundesverfassungsgericht in seinem Volkszählungsurteil von 1983 ausdrücklich verboten, monieren die Kläger.

Das allerdings ist ein Missverständnis. Verboten hatte das Karlsruher Gericht damals nicht den Einsatz von Ordnungsnummern innerhalb der Volkszählung, sondern die Zusammenführung der Zensusdaten und anderer bei Behörden gespeicherter Daten mittels einer Personenkennziffer.

P.S.: Auch ich rechne nicht mit dem durchschlagenden Erfolg der Verfassungsbeschwerde, da der Eingriff in die Grundrechte – soweit möglich – minimiert wurde und ein Verzicht auf verlässliche Statistiken in meinen Augen ebenfalls einen Eingriff in die Bürgerrrechte darstellt. Ohne zuverlässige Grundlagen kann der Staat nicht zielsicher agieren. Die fehlgeleiteten Gesetze und sonstigen Vorhaben kosten nicht nur sehr viel Geld, sondern greifen tief in die Lebensläufe vieler Bürger ein.

Reception issue

Einige Menschen haben heutzutage Probleme mit dem Empfang, deshalb die Botschaft nochmal hier:

Man sollte keine High-Tech-Produkte am ersten Tag kaufen, bevor die ersten Praxis-Tests draußen sind. Erst dann kann man einigermaßen informiert entscheiden, ob man mit neu entdeckten Mängel – und die gibt es immer und bei jedem Hersteller – leben kann oder auf eine überarbeitete Version warten will. Wer unbedingt ein early adaptor adopter sein will, zahlt fast immer einen Preis dafür.

Humorverfall

Kurze Durchsage: Vuvuzela-Witze mussten bereits vor zehn Tagen aus dem Handel genommen werden – und das allerletzte Verfallsdatum für Oktopus-Witze ist Montag mittag.

Berufsbild: Moderator

Ob vergoldete Milchbärtchen oder Merkeleien – alle Welt regt sich auf, wenn Moderatoren gegen journalistische Standards handeln. Was auch immer das heißen mag.

Vielleicht sollten wir den veralteten Begriff des „Moderators“ abschaffen. Nennen wir sie stattdessen „Berufs-Plapperer“. Das vermindert den Druck doch enorm.

P.S. Um nicht missverstanden zu werden: gekonntes Plappern ist eine hohe Kunst, an der ich immer wieder scheitere.

Die Dummschwätzer-Conspiracy: Rauchen

Ihr wusstet es eigentlich schon lange: es gibt da eine riesige Verschwörung. Wo immer sich ein Thema auftut, bei dem wirklich alle mitreden können – ob es um Fußball-Trainer, Bundespräsidenten oder Casting-Shows geht – gibt es die geheime Übereinkunft, dass jeweils nur die blödesten, plattesten und polarisierendsten Argumente, Behauptungen und Beleidigungen ausgetauscht werden. Und in Deutschland sind zirka 80 Millionen in diese Verschwörung verstrickt.

Beispiel: Rauchverbot. Auf der einen Seite der militante Nichtraucher: Raucher stinken. Auf der anderen Seite der merkbefreite Kettenraucher: Es gibt kein Menschenrecht auf Kneipenbesuch. Direktdemokratie ist toll. Aber nicht hier. Deshalb. Und so.

Blieben wir doch einfach bei den Fakten: In erster Linie hat nicht das absolute Rauchverbot gewonnen, sondern das Hin- und Her der CSU-Regierung beim Nichtraucherschutz hat verloren. Gleichzeitig hatte das Volksbegehren keineswegs peinlich niedrige Wahlbeteiligung – hätten 80 Prozent abgestimmt, wäre das Ergebnis wohl kein anderes gewesen. Das ist natürlich nur ein Annahme, aber ich sehe keine Indizien dafür, dass dem nicht so gewesen wäre.

Versuchen wir es doch einfach mit einem mehr vernunftbasierten Diskurs:

  • Raucher haben nicht mehr Anrecht auf Minderheitenschutz als Opel-Fahrer. Der Eingriff in ihre Persönlichkeitsrechte beschränkt sich darauf, dass sie einmal die Stunde für ein paar Minuten vor die Tür gehen, um ihrer Sucht zu frönen, und dabei anregende Gespräche zu führen.
  • Rauchen ist eine über Jahrhunderte gepflegte Kulturtechnik. Auch wenn Zigarettenrauch karzinogen ist – sprich: für einen langwierigen, qualvollen Tod sorgen kann – ist es nicht etwa so als ob Raucher Strychnin an Kinder verteilen. Jeder Autofahrer sollte wissen, dass er giftige Abgase verteilt, wenn er mal eben um um den Block fährt.
  • Spätestens seit den tieferen Hartz-IV-Debatten kennen wir den Begriff der soziokulturellen Teilhabe: sprich: jeder sollte am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Einschränkungen der persönlichen Freiheiten in öffentlichen Räumen müssen abgewogen werden. Sowohl bei Rauchern, als auch bei Nichtrauchern
  • Viele Nichtraucherschutz-Gesetze funktionierten einfach nicht. Man kann positive Anreize verteilen wie Zuckerwatte auf der Kirmes – und trotzdem können sind plötzlich Nichtraucherkneipen seltener als Fitnessstudios ohne dämliche, nervtötende Dance-Musik. Ebenfalls funktioniert so manche Verbots-Gesetzgebungen nicht. In Bayern schienen so manche Behörden den Vollzug zu verweigern – wohlgemerkt in einem Bundesland, in dem ein Radfahrer tunlichst nicht auf der falschen Seite des Radweges fahren sollte.
  • Auch wenn konservative Menschen ein Problem mit einem „Recht auf Rausch“ haben, insgeheim sind sie doch sehr dafür. Als allgemeines Konzept wird es verteufelt, doch jede Gesellschaft hat ihre offiziellen Drogen. Bei den Liberalen/Libertären ist es das gleiche Problem – nur umgekehrt.