Discordianer müssen Twitter lernen

Ein Bekennerschreiben der „Discordischen Mediengruppe“ kursiert grade – großspurig betitelt mit Erklärung zur Manipulation der Twitter Prognosen (sic!).

Vor der Wahl wurde häufig die Sorge geäußert, auf der Microblogging-Plattform Twitter könnten sogenannte Exit Polls schon lange vor dem Schließen der Wahllokale bereits veröffentlicht werden. Die Ergebnisse der Befragungen, die normalerweise bis ca. 14 Uhr erhoben werden, erreichen üblicherweise gegen 15.30 Uhr Medien und Parteien. Bei der letzten Bundespräsidentenwahl wurden die Ergebnisse via Twitter veröffentlicht, noch bevor das Ergebnis der Bundesversammlung bekannt gegeben wurde.

Die Panik um den Einsatz von Twitter als Plattform für den anonymen Ergebnisverrat hat sich in diesem Fall aber als haltlos herausgestellt. Warum das so war? Wir haben die Veröffentlichung von Exit-Polls auf Twitter am Wahltag dominiert, manipuliert, gefälscht was das Zeug hält. Dazu haben wir zunächst 125 Twitter-Accounts angelegt, und falsche Ergebnisse veröffentlicht. Andere als Exit Poll bezeichnete Ergebnisse sollten in unserem Rauschen untergehen.

Liebe(r) Discordianer,

netter Versuch, aber der ist völlig in die Hose gegangen. Da ihr 125 zufällige Accounts mal eben angelegt habt, hat fast niemand Eure tollen Prognosen gelesen, ernst genommen hat sie erst recht keiner. Ihr habt nicht das Rauschen erzeugt, ihr seid selbst im Rauschen völlig untergegangen. Halb Twitter hat auch ohne Euch Prognosen verbreitet – und fast jeder hat sich mehr Mühe gegeben als Ihr. Dass ihr es kurz vor Löschung nicht mal geschafft habt, den Link auf Euer Bekennerschreiben korrekt zu twittern, hätte Euch zu denken geben sollen. Und dass „ihr“ mehr als einer seid, ist unwahrscheinlich – Deine sehr spezielle Rechtschreibung enttarnt Dich.

Dass die Aufregung um vermeintliche Twitter-Prognosen nicht wirklich gerechtfertigt ist, wussten wir übrigens schon.

PS: Richtig bitter ist es, wenn man um die Aufmerksamkeit betteln muss. Aber wenigstens eine ist drauf hereingefallen. Ein Happy End, Glückwunsch.

Uferlos

Die Außenpolitik-vom-anderen-Ufer-Witze sind genau so witzig und erhellend wie die vielen, vielen geschmacklosen Rollstuhl-Witze über Wolfgang Schäuble. Sie sagen am meisten über den aus, der sie macht.

PS: Das geht ja früh los:

Durch eine diffamierende Äußerung fiel bei der Wahl-Party am Sonntag Abend im Duisburger Rathaus der städtische Dezernent und Kämmerer Peter Langner (SPD) auf. „Ich will keinen schwulen Außenminister haben”, sagte er.

Richtig merkwürdig wird es am Schluss des Artikels:

Oberbürgermeister Adolf Sauerland, der beim letzten schwul-lesbischen Straßenfest in der Duisburger Fußgängerzone Schirmherr gewesen war, reagierte auf die Aussage seines Dezernenten souverän: „Was Westerwelle zuhause macht, ist mir egal.”

Was bitte ist daran souverän? Was sein Dezernent auf SPD-Veranstaltungen macht, sollte Oberbürgermeister Sauerland sehr wohl interessieren.

Wort zum Sonntag, 18 Uhr

Liebe Piraten,

es hat nicht geklappt. Keine fünf Prozent, keine drei Prozent, nicht einmal zwei. Aber ihr habt nicht wirklich an den Einzug in den Bundestag geglaubt? Oder daran, dass die Abstimmungen bei StudiVZ irgendwas mit dem amtlichen Endergebnis zu tun haben? Aber immerhin: Eins Komma ein paar Gequetschte sind beeindruckend, wenn die Wahlarithmetik Stimmen für Euch im Lager Schwarz-Gelb verbucht.

Jetzt ist es Zeit, nach vorne zu sehen. Ich bin mir sicher, dass am Wahlabend bittere Verschwörungstheorien auftauchen werden, die das Ergebnis erklären sollen – so etwas wie ein vorgeblicher Medienboykott. Macht die Augen auf: die Piraten haben größere und positivere Medienaufmerksamkeit bekommen als jede andere neu gegründete Partei in den letzten 10 Jahren.

Die Piraten haben allerhand erreicht. Natürlich hat es die üblichen Geburtswehen gegeben, aber 9000 Mitglieder sind beeindruckend. Wenn davon die Hälfte tatsächlich aktiv werden, dann habt ihr eine Basis für Netzpolitik. Fangt damit an.

In den nächsten Jahren heißt es: die außerparlamentarische Politik zu erobern. Damit meine ich nicht „Und alle so Yeah“, es geht um tatsächliche Politik. Mit 9000 Leuten kann man allerhand erreichen, auch ohne eine Stimme in den Parlamenten (okay: Stadtratsmandate ausgenommen). Wenn man im Wahlkampf mal eben mehr als 70000 Euro für einen (überraschend guten) Werbespot mobilisieren kann, wie viele Kongresse und Lobby-Aktionen lassen sich damit finanzieren?

Aber vorher ist viel zu erledigen. Einer der Punkte auf der To-Do-List: sich über die eigenen Ziele gewiss werden. Denn selbst in der manchmal so homogen erscheinenden Netz-Gemeinde gibt es sicher politische Grabenkämpfe. Ist das Auto ein Gadget und sollte daher möglichst frei fahren können oder ist es ein Umweltverschmutzer für Leute, die mehrere Stunden am Stück auf das Internet verzichten können? Sind Waffen ein Gadget? Haben Arbeitslose nur Pech oder sollten sie Unkraut jäten? Wo soll der Strom für den Quadro-Core-Prozessor herkommen und wer soll dafür bezahlen? Oder etwas näher an der Lebenswirklichkeit: Wie kann man effektiv dem Spam Einhalt gebieten ohne Meinungs- und Gewerbefreiheit zu gefährden?

Ein anderer Punkt: Funktionäre heranziehen, die Politik lernen. Leute, die jenseits der Inszenierung die poltischen Entscheidungsmechanismen kennen. Die wissen, was die Junge Freiheit ist. Die auch mal charismatisch sein können. Die Konzepte entwickeln, die über „Nein, das da wollen wir nicht“ hinausgehen. Netzneutralität, Meinungfreiheit und öffentlicher Rundfunk, um ein paar Beispiele zu nennen. Eine überzeugende Lösung im Bereich Urheberrecht erwarte ich von Euch nicht, aber darum drücken sich auch die anderen herum.

Eine weitere Herausforderung: Sucht Frauen. Es ist kein Zufall, dass die Piraten eine Frauenquote unterhalb von Gayromeo hat. Wie will man die Gesellschaft beeinflussen, wenn man nicht mal die Geschlechtergrenze überwinden kann?

Ich bin mir nicht sicher, wo die Piraten in vier Jahren sein werden. Aber es stehen interessante Zeiten an. Enjoy the ride.

Auslandskompetenz und mündige Kunden

Die taz schreibt über Verkaufsgerüchte bei Nachrichtenagenturen:

Würden nun aber AP und ddp enger zusammenrücken, entstünde ein neuer kleiner Agentur-Riese. Einer, der im Paket billiger anbieten könnte, wofür die dpa bisher fast ohne Konkurrenz stand: ein, vom Sport abgesehen, vollumfängliches Angebot an Meldungen aus dem In- und Ausland. Allerdings übersetzt die AP im Auslandsgeschäft vor allem Meldungen ihres US-Dienstes und reichert diese mit deutschen Aspekten an.

Wie sich das konkret äußert, habe ich vor kurzem schon Mal aufgeschrieben. Wenn der deutsche Dienst von AP ohne Sinn, Verstand oder Rückfrage US-Meldungen übersetzt, scheint die Bezeichnung „Nachrichtenagentur“ fehl am Platze. „Translated Press“ dürfte beim Publikum aber kein Verkaufsschlager sein.

Die Süddeutsche Zeitung ist unterdessen unter anderem einer Blödsinnsmeldung von Pressetext.at nachgegangen.

Das Versenden von Mitteilungen funktioniere „wie bei Ebay oder Amazon“, erklärt Wilfried Seywald, Marketingdirektor bei Pressetext – „vollautomatisch“. Der Kunde müsse ein Konto einrichten und bezahlen, dann könne er Meldungen verschicken. Pressetext setze auf den „mündigen Kunden“. Dennoch werde natürlich alles kontrolliert, auf „politische Parolen, pornographische Inhalte, aber auch unsinniges Geschreibsel“.

Und wie kam P.’s Geschreibsel in Umlauf? Wegen der Tageszeit, heißt es in Wien. Der Text ging nach 21 Uhr rein – und wieder raus. Zu dieser Zeit sei der zuständige Mitarbeiter nicht online gewesen. Die Meldung sei daher nicht geprüft worden. Über Hürden, um so etwas zu verhindern, denke man nun nach.

Geutschland

Lebe ich in Deutschland oder in Germany? Wer kennt das nicht: wer auf einer internationalen Seite die Informationen für deutsche Kunden sucht, landet oft an der falschen Stelle. Auch auf deutschen Seiten muss man für die Zahlungsinformationen erst nach „Germany“ scrollen, während amerikanische Unternehmen Deutschland tatsächlich unter „D“ einsortieren.

Google ist so sehr in aller Welt zu Hause, dass es sich für eine Mischlösung entschieden hat:

geutschland

Voreilig

In einem Interview der Süddeeutschen Zeitung äußert sich der Direktor des Ansbacher Gymnasiums zu den Folgen des Amoklaufs an seiner Schule:

SZ: Welche Konsequenzen müssen aus dem Amoklauf gezogen werden?

Stark: Vor allem keine voreiligen. Mir sind viele Vorschläge und Forderungen viel zu reflexartig und schnell. Sicher muss man sich überlegen, wie Problemfälle schneller erkannt werden können. Aber Schulen dürfen nicht zu hermetisch abgeschirmten Hochsicherheitstrakten werden, womöglich mit elektronischen Einlasskontrollen, Taschendurchsuchungen und Leibesvisitationen. Wollen wir wirklich so die Bildung, den Charakter und das Menschenbild unserer Kinder prägen? Nein, so können wir sie nicht zu offenen Menschen erziehen.

Warum hört man solche Stimmen so selten?

Sims 3 als Killerspiel

Da es mal wieder viele nicht kapieren: Das da ist – natürlich – ein Fake.

PS: Lukas Heinser hat drüben auf Bildblog das Ganze nochmal ausführlicher geschildert.

Natürlich sind Anführungszeichen und Absätze nicht das einzige Zeichen für einen Fake. Auch inhaltlich sollte man sich automatisch ein paar Fragen stellen: wer sollte eine solche hanebüchene Behauptung in die Welt setzen? Wer glaubt, dass die Polizei drei Stunden nach der Tat einen Computer durchsucht hat und die Ergebnisse verkündet? Warum glauben viele Leute das, was ihnen auf auf einer Haha-Witzig-Picdump-Seite präsentiert wird? Und: wer ist eigentlich Bernd – sind nicht nach jedem Amoklauf genug Fakes durchs Internet gegeistert?

Kurz

Einen Teaser zu formulieren, ist nicht immer einfach. Das Layout ist ein strenger Lehrmeister: 180 Zeichen können ideal, 181 zu lang und 179 Zeichen zu kurz sein. Das Ganze soll den Lesern zum Klicken verleiten. Und ja – irgendwie soll der Textfetzen auch eine adäquate Repräsentation der Geschichte darstellen. Und: es sollte stimmen.

Doch in der Kürze gehen manchmal Nuancen verloren:
kurz