Kanzlerduell: Die Verlierer stehen fest

Mit Spannung fragen sich Millionen von Naiven und Journalisten, wer der Gewinner des Wahlduells heute abend sein wird.

Wer die Verlierer sind, steht schon nach neun Minuten fest: Frank Plasberg, Maybritt Illner, Peter Kloeppel und Peter Limbourg. Und ein paar Millionen Zuschauer.

Demo-Mathe

Die taz tickert von der Freiheit-statt-Angst-Demo:

Der Veranstalter spricht in einer ersten Presseerklärung von mehr als 20.000 Teilnehmern. Eigenen Zählungen ergeben jetzt, dass ungefähr 15.000 Demonstranten dabei sind.Die Polizei spricht von 10.000 Teilnehmern.

Eigentlich ist es immer so: Die Veranstalter sagen, es sind doppelt so viele Teilnehmer wie die Polizei meldet. Die Realität befindet sich irgendwo in der Mitte.

ShellDU – Wir haben die Kraft…stoffe (Update)

Als ich diesen Wahlspot der CDU gesehen habe, dachte ich sofort: der wurde doch co-finanziert?

shelldu
shelldu2
shelldu3
shelldu4

Das kann natürlich peinliche Unachtsamkeit sein, aber prominenter war die Marke „Shell“ auch in Billy Wilders genialem Some like it hot… nicht positioniert. Wenn man einen Wahlwerbespot an einer Tankstelle dreht und nicht mal Spritpreise thematisiert, ist das in meinen Augen schon extrem ungewöhnlich. Auch die Abfolge ist auffällig: als der Protagonist dafür plädiert Bestehendes zu verbessern, statt in Solarträumen zu schwelgen, kommt die Tankpistole mit Werbung für Super 95 ins Bild. Slogan: „Mehr Kilometer fürs gleiche Geld“.

Update: Auf meine Anfrage hat mir Shell versichert, vorher von dem Spot keine Ahnung gehabt zu haben. Diese Versicherung ist meines Erachtens glaubhaft, da der Spot doch allzu plump daher kommt. Der schwarze Peter ist nun bei der CDU und der beauftragten Agentur – was hat die nur geritten?

Update 2: Nach der Beschwerde von Shell hat die CDU das Video kommentarlos entfernt. Die ganze Geschichte ist hier.

Intelligentere Verkehrsführung spart Kameras

Ein ganz besonderes Jubiläum gab es in Köln zu feiern: der 1000. Radfahrer verunglückt in diesem Jahr.

Seit einigen Monaten ist eine Mountainbike-Staffel der Polizei mit Videokamera unterwegs, um Verkehrsverstöße von Radfahrern zu dokumentieren. An einer Fernsehstudie ihrer Rotlichtfahrten haben viele überführte Radfahrer jedoch wenig Interesse. „Der Prozentsatz derer, die sich das ansehen, ist gering. Die meisten Radfahrer sind sich über ihr Verhalten bewusst“, sagt Simon. Er hält die Gleichgültigkeit im Umgang mit den Verkehrsregeln für ein typisches Kölner Phänomen. „Wir haben uns den Radverkehr in Bochum, München und Dortmund angeschaut. Dort wird anders Rad gefahren“

Vielleicht liegt das auch ein bisschen daran, dass in anderen Städten nicht dauernd Radwege plötzlich an 15 Zentimeter hohen Bordsteinkanten enden und der Radfahrer gezwungen wird sich in eine Hauptverkehrsstraße einzuordnen, wo Autofahrer mit Durchschnittstempo 70 unterwegs sind. In München sind Radwege oft zweispurig ausgebaut, hier hingegen werden die Radwege verengt, damit die Außengastronomie noch mehr Bürgersteig belegen kann. Und wenn eine der vielen Baustellen eingerichtet wird, stellt man schlichtweg ein „Radfahrer absteigen“-Schild auf oder leitet die Radler direkt in den Gegenverkehr. Auch schön: Wahlplakate mitten im Weg oder mit Vorliebe auf Kopfhöhe der Radfahrer. Und Ampeln, die auf ewig Rot zeigen.

Von utopischen Dingen wie Grünphasen, die auch Fahrradfahrer-Tempo berücksichtigen will ich gar nicht mal träumen. Aber an den Grundlagen einer fahrradfahrerfreundlichen Stadt muss Köln noch schwer arbeiten.

Glaubwürdigkeit

Gestern hatte ich mich ja schon kurz mit dem aus meiner Sicht allzu internet-optimistischen Internet-Manifest beschäftigt. Eine der Behauptungen ist, dass die Ansprüche des Publikums gestiegen sei: „Ein Publikum gewinnt auf Dauer nur, wer herausragend, glaubwürdig und besonders ist.“ Ich persönlich fände es sehr bedauerlich, wenn nur noch herausragende Menschen vom Publizieren leben könnten – man stelle sich vor nur Madonna verdient mit Musik Geld und alle gehen leer aus. Aber das ist eine Petitesse, das Thesenpapier wurde einfach zu hurtig formuliert um tatsächlich fundierte Analysen zu bieten.

Trotzdem möchte ich hier nochmal drauf eingehen. Eine der Lieblings-Quellen für deutsche Netizens ist das Blog von Fefe, der beim Chaos Communication Congress immer die unterhaltsamen Jahresrückblicke veranstaltet. Ist die Quelle glaubwürdig? Auf den ersten Blick: nein – ganz oben steht: „Wer schöne Verschwörungslinks für mich hat: ab an felix-bloginput (at) fefe.de!“ Das Blog ist demnach eher ein alternate reality game als eine Nachrichtenquelle. Was stimmt, was nicht? Wer erkennt das bekannte Muster? Wo sind die 23 CIA-Agenten versteckt?

Der Inhalt des Blogs stammt zum großen Teil aus Agenturen, Stücke von Spiegel Online, dem Guardian – kurz: die Massenmedien, die Fefe so gern verhöhnt, sind seine wichtigste Informationsquelle. Deren Kurzmeldungen dampft er nochmal auf ein zweizeiliges Zerrbild ein. Aber Fefe hat mehr: zusätzliche Infos, die die vielen Zuträger einsenden: unbekannte Fakten, neuer Kontext, verschrobene Interpretationen. Manchmal ist das sehr unterhaltsam – aber glaubwürdig? Nein.

Das Problem: Trotzdem wird Fefe geglaubt. Ihm selbst ist das furchtbar unangenehm und er hat zur Abschreckung einen Beitrag verfasst, der seine Arbeitsweise als inoffizielles Redaktionsstatut von bild.de entlarvt: von ihm kann man weder Neutralität, noch Korrekturen erwarten. Überhaupt: alles, was er schreibt, sind ja eh nur Meinungsäußerungen. Wer will, kann ja den Links folgen, die oft – aber keineswegs immer – die Quelle der Kurz-Anekdoten zeigen.

Und noch immer kommt es bei dem Publikum nicht an. So ist heute morgen wieder eine Fefe-Meldung in meinen Twitter-Horizont geschwappt.

Die SPD ist so verzweifelt, dass sie schon alte Schröder-Plakate aufhängt. Aufgenommen gestern in Berlin Pankow. Im Hintergrund sieht man ein großes Steinmeier-Plakat, falls jemand zweifelt, dass das eine aktuelle Aufnahme ist.

Wirklich lustig ist das ja nicht, und so blöd sind SPD-Plakatierer auch nicht. Ein Blick auf das Beweisfoto offenbart, was man eh schon vermutet hat: jemand hat das Steinmeier-Plakat abgerissen und darunter kam ein Schröder-Plakat zum Vorschein. Oben hängt sogar noch ein Fetzen Steinmeier herum. Und dennoch: auf Twitter wird die Falschinterpretation ohne jede Kritik weiter verbreitet – von Menschen, die eigentlich selbst denken können, die eine so billige Manipulation mit einem Blick erkennen müssten.

Ich bin mal gespannt, wie viele Leute heute glauben werden, dass der Axel-Springer-Verlag Welt.de und Bild.de noch in diesem Jahr für den freien Zugriff sperren will. Schließlich hat es ja RIA Novosti in einem Fünfzeiler gemeldet. Zwar sind glaubwürdigere Quellen nur einen Klick entfernt, man kann die Rede von Herrn Wiele sogar komplett online ansehen – aber wen interessieren schon Fakten?

Was bleibt zu sagen? Medienkompetenz wird nicht automatisch mit einem Internet-Anschluss erworben, objektive Wahrheiten sind eh nur eine Illusion und daher auch komplett verzichtbar.

Zukunftsmodell

Der Axel-Springer-Verlag will – ähnlich Astra mit HD+ – die Kostenloskultur durchbrechen. Den Anfang soll eine iPhone-App machen, die Inhalte von bild.de gegen Bezahlung verfügbar macht.

Auf dem Kongress zur Medienwoche Berlin-Brandenburg greift Axel-Springer-Manager Andreas Wiele zu ungeschickten Vergleichen:

„Elektronische Fürze können Sie kaufen, die kosten 79 Cent“, erklärte Wiele. Nur die Verlagsbranche wage es bislang nicht, für ihre Inhalte Geld zu verlangen. „Wir versuchen unserem Journalismus nun dort einen Wert zu geben.“

Druckerpressen sind von gestern, Elektro-Fürze sind von heute. Doch wie nachhaltig ist der Flatulenz-Hype ums iPhone? Wyatt Cenac hat sich umgehört.

Man fühlt sich direkt an die Hamburger Erklärung erinnert.

Man wird doch wohl noch träumen dürfen…

Ein paar Menschen. von denen ich die meisten seit Jahren kenne und schätze, haben ein Internet-Manifest veröffentlicht, das aus 17 „Behauptungen“ besteht.

Einige der Aussagen lassen mir die Zehennägel hochrollen. Zum Beispiel diese:

16. Qualität bleibt die wichtigste Qualität.

Das Internet entlarvt gleichförmige Massenware. Ein Publikum gewinnt auf Dauer nur, wer herausragend, glaubwürdig und besonders ist. Die Ansprüche der Nutzer sind gestiegen. Der Journalismus muss sie erfüllen und seinen oft formulierten Grundsätzen treu bleiben.

Leider nein. Ja, das Internet entlarvt ganz gerne Massenware – das stimmt zweifellos. Aber es gibt ein großes Publikum, das Massenware liebt. Man kann 20 Mal entlarven, dass Stefan Raabs Sportveranstaltungen nur Dauer-Werbesendungen sind, sie finden immer noch ein Publikum.

Herausragend, glaubwürdig und besonders zu sein, ist leider kein Erfolgsrezept. Herausragend unglaubwürdige Angebote scheinen hingegen zu boomen – offline wie online.

Ein Beispiel: Michael Arrington – der zu den Erfolgreichen gehört, von dem wohl niemand ungesehen einen Gebrauchtwagen kaufen würde – lästert heute über ein vermeintliches Problem der New York Times. Deren Redakteur David Pogue schreibt, bloggt, podcastet überaus distanzlos über seinen Lieblings-Konzern Apple – und ist damit besonders erfolgreich ist. Die aktuellen deutschen Blogcharts wimmeln vor Blogs, die ihre Artikel niemals recherchieren, geschweige denn Fehler zugeben können. Vor ein paar Monaten konnte ich mir auf einer Fachkonferenz anhören, wie sich die Corporate-TV-Anbieter die Zukunft planen: Statt Werbepausen zu buchen, finanzieren BMW, Daimler Benz und Co einfach ihre Werbefilme in Überlänge und machen einen eigenen Internet-Sender daraus. Glaubwürdig? Wen juckt’s – guckt doch mal die tollen Bilder!

Lange Rede, kurzer Sinn: Der Satz müsste wohl heißen: „Ein Publikum gewinnt auf Dauer nur, wer herausragend, glaubwürdig oder besonders ist.“ Und da man jedem mit einem Publikum irgendeine Besonderheit nachsagen kann, ist das eine Binsenweisheit

Die traurige Realität: viele Leute wollen keine Fakten, Distanziertheit oder Objektivität. Glaubwürdig ist sehr oft der, der mir am besten nach dem Mund redet. Wer auf dem niedrigstem Niveau losschimpft, ist eine Edelfeder, ein Satiriker – sofern er gegen die richtigen lästert. Wer nur laut genug ist, wird ernst genommen. Nennen wir es: Qualität 2.0.