Mein Chemielehrer war eine Niete

In einer Infobox klärt Spiegel Online über TATP auf.

Eine TATP-Bombe ist einfach herzustellen: „Alles was man an Fähigkeiten dafür braucht, ist das Wissen aus dem Chemieunterricht der zehnten Klasse“, sagt der Cottbuser Kampfstoffexperte Wolfgang Spyra.

Also ich habe mich in der zehnten Klasse noch mit den Feinheiten der Wasserstoff-Brückenbindung und ähnlich unergiebigen Stoffen auseinandergesetzt – ich habe nicht Explosivstoffe unter Verwendung von Säureverdünnungen als Katalysatoren zusammengemischt. Sprengstoffexperten sind halt keine Lehrplanexperten.

Flüssigsprengstoffe auf Wasserstoffperoxid-Basis wurden unter anderem bei den versuchten Anschlägen auf britische Flugzeuge im vergangenen Jahr verwendet, sagt Kampfstoffexperte Spyra.

Verwendet wurden sie zum Glück nicht. Ob sie überhaupt existierten, ist AFAIK mehr als zweifelhaft. EU-Parlamentarier scheinen diese Meinung zu teilen.

TATP-Bomben seien allerdings in der Herstellung und beim Transport höchst gefährlich: Die kleinste Erschütterung bringt sie zur Explosion. „Wenn ein Selbstmordattentäter mit einer solchen Bombe im Auto in eine Menschenmenge rast, ist die Überlebenschance gleich Null.“

Und wie ist die Überlebenschance für den Zehntklässler bei der Herstellung?

PS: Tagesschau.de hat den Experten Spyra auch in einem Infokasten verfrachtet. Dort wird sein Name allerdings verschwiegen, das Zitat mit der Autobombe ist aber identisch.

2. PS: Kaum habe ich drüber gebloggt, ist der Infokasten aus dem Tagesschau-Artikel wieder verschwunden. Ich platziere ihn mal hier:

Screenshot Tagesschau.de: TATP-Infokasten

Communitynapping

Zugegeben – zuerst war ich misstrauisch, als sich mal wieder StudiVZ-Mitgliedern zusammenrauften und ihren Unmut über eine Marketingaktion in einer Diskussionsgruppe zusammenfassten – natürlich auf der kritisierten Plattform selbst.

Diesmal ging es um den „Eleganz-Kalender“ des StudiVZ in der wohl halbnackende Studenten in „eleganten“ Posen abgebildet werden sollen. So weit, so langweilig. Kaum eine Frauensportmannschaften, Studentenfachschaft oder Jungbauernvereinigung, die nicht in den letzten Jahren ähnliches gemacht oder zumindest angedacht hätten.

Es kam wie immer: Studenten kritisieren die Kalender-Aktion heftig, ein Moderator droht mit Löschung der Gruppe, schließlich geht ein Forum außerhalb von StudiVZ online. Alles wie gehabt.

Das Überraschende: die Gegenaktion scheint ausnahmsweise nicht im Sande zu verlaufen. Die Kalender-Rebellen haben ihren eigenen Kalender geplant und dafür bereits einen Sponsor gefunden: die Studenten-Zeitschrift Unicum.

Nun könnte man denken: wenn gleich zwei Gruppen aus StudiVZ Kalender produzieren – um so besser für die Plattform. Sie beweist ja ihr Mobilisierungspotenzial gleich doppelt. Super. Wäre da nicht das Problem mit den Sponsorengeldern. Denn StudiVZ finanziert sich unter anderem dadurch, dass Firmen solche Aktionen auf StudiVZ planen und dafür gutes Geld zahlen. Unicum zahlt aber offenbar nichts an die Holtzbrinck-Tochter.

Macht das Beispiel Schule, können sich Marketing-Firmen das Geld für StudiVZ sparen und sich gleich auf die Gruppen stürzen, die sich in StudiVZ gefunden und dann verselbständigt haben. Das ist sehr viel billiger – schließlich kostet so eine Plattform für einige Millionen Studenten, Nicht-Studenten und Karteileichen täglich einen ganzen Batzen Geld.

Wie auch immer die Kalender aussehen werden: Die Entwicklung wird spannend.

Wie deutsch können Terroristen sein?

Während die ganze Welt über die neue RAF-Doku berichtet, scheinen Journalisten Schwierigkeiten zu haben, dass Terroristen heute tatsächlich deutsch sein können.

So heißt es bei tagesschau.de:

Zwei der Männer haben nach Angaben der Bundesanwaltschaft deutsche Pässe, der Dritte sei ausländischer Herkunft.

Wohlgemerkt: die zwei Täter sind keine Deutschen, sie haben lediglich deutsche Pässe. Was bedeutet das? Offenbar sind die Pässe nicht falsch, also muss es sich wohl um Deutsche mit Migrationshintergrund handeln, die man politisch korrekt identifizieren will.

Doch falsch gemutmaßt: Nach einer Meldung von Spiegel Online sind die beiden Täter identifiziert als „Daniel S. aus dem Saarland und Fritz G. aus Neu-Ulm in Bayern“.

Was macht eigentlich M.R. Ranicki?

Ich stöbere nicht gerne in der Computerabteilung des gut sortierten Zeitschriftenhandels, weil ich von zu vielen super-top-geheimen Windows-Ebay-Hacker-Tricks Bauchgrimmen bekomme. Manchmal stutze ich aber auch. Zum Beispiel bei der Wahl dieses Pseudonyms auf dem Titel eines Ebay-Ratgebers.

Ebay-Profi-Tipps von M.R. Ranicki

Vernunft nach dem Rücktritt?

Zwar fordern viele Politiker die Debatte um die Onlinedurchsuchung und das neue BKA-Gesetz zu versachlichen, im gleichen Atemzug schütten sie aber mal eben frisches Öl ins Feuer: da wird fern jeder Kompetenz über die technischen Möglichkeiten spekuliert, der Straftatenkatalog ausgeweitet oder die Hohlphrase vom rechtsfreien Raum im Computer aufs schmerzlichste malträtiert. Auch die Gegner der Onlinedurchsuchung kommen nicht immer ganz ideal rüber.

Eine schöne Ausnahme ist das Interview mit Gerhart Baum, das Kai Biermann für die Onlineredaktion der ZEIT geführt hat. Ein paar Ausschnitte:


ZEIT online
: Gehen Sie davon aus, dass die Onlinedurchsuchung heimischer Computer von Karlsruhe ebenfalls verboten würde?

Baum: Es gibt derzeit eine Reihe von Beschwerden gegen das nordrhein-westfälische Verfassungsschutzgesetz, das die Onlinedurchsuchung erlaubt, darunter eine von mir. Das Verfassungsgericht hat dazu fünf Sachverständige eingeladen, denen das Gericht Fragen vorgelegt hat. Aus denen geht hervor, wie schwierig die Materie ist. Denn die technischen Abläufe haben einen großen Einfluss auf die Beurteilung der verfassungsrechtlichen Situation.

[…]

ZEIT online: Die SPD will auf das Ergebnis der Verfassungsbeschwerde warten, das Innenministerium aber sagt, diese betreffe das BKA-Gesetz nicht, da sie gegen ein Landesgesetz gerichtet sei und für ein Bundesgesetz keine Auswirkungen habe.

Baum: Das ist eine Ansicht, die ich nicht teile. So wie in Karlsruhe das Verfahren vorbereitet ist, legt es mir den Eindruck nahe, dass das Gericht ein Grundsatzurteil anstrebt. Welches in seiner Bedeutung auch über das Verfassungsschutzgesetz in Nordrhein-Westfalen hinausgeht. Es ist ohnehin eine merkwürdige Situation. Als wir vor zehn Jahren den Großen Lauschangriff diskutiert haben, ist der Eindruck entstanden, die Sicherheit der Bundesrepublik hinge am Lauschangriff. Wie wir später festgestellt haben, ist das gar nicht der Fall gewesen. Auch jetzt fokussieren wir uns wieder auf eine Maßnahme. Sie wird in ihrer Bedeutung für die Sicherheit hochgespielt. Ich möchte bei dieser Gelegenheit mal fragen, warum die Öffentlichkeit nicht zur Kenntnis nimmt, dass wir im Internetbereich nur 350 Fahnder haben?

[…]

ZEIT online: Vielleicht, weil wir alle etwas zu verbergen haben, und wenn wir das tun, es auf der Festplatte unserer Computer verbergen?

Baum: Mein FDP-Kollege Burkhard Hirsch hat mal gesagt, die Festplatte ist das ausgelagerte Gehirn. Hans-Dietrich Genscher nannte es mal Seelendepot. Ja, das ist wohl so.

Vielleicht darf man kein politisches Amt bekleiden, um zu differenzierten Äußerungen fähig zu sein.

Know your audience

Wenn man professionell schreibt, muss man wissen für wen man schreibt. Das spiegelt sich dann im verwendeten Wortschatz. Bei einem Leser der Frankfurter Rundschau setze ich nicht voraus, dass er weiß was ein „Patch“ ist, den Begriff „Browser“ sollte er aber durchaus einordnen können.

Der Print-Spiegel hat die Schwelle etwas niedriger gesetzt – das Wort Billion ist offenbar nicht opportun. So steht in der aktuellen Ausgabe folgender Satz:

Kursstürze an den Börsen vernichteten innerhalb weniger Tage in den Depots von Aktionären mehrere tausend Milliarden Euro.

Watch out, blogger!

Der Kommentator – t – enthüllt

Leider war Herr Niggemeier mal wieder schneller:
„bildblogblog.de” hat er am 31. August 2007 bei der DENIC registrieren lassen, „bildwatchblog.de” am 13. Juli 2007.
„bildwatchblogwatchblog.de” ist noch frei.

Skandal! Da nutzt der Alpha-Watchblogger doch tatsächlich seine Werbemillionen, um die dringend nötige, überfällige – ich möchte sagen: natürliche – Kritik an seinem Tun und Lassen zu monopolisieren. Und die willfährige Denic schaut zu!!

Aber nicht verzagen: niggewatch.de ist noch frei.

Subjektiv, irreführend, Weblog

Ein typisches Weblog wird von einem Autoren befüllt. Und der lebt sich in seinem Schreib-Refugium aus, ist subjektiv, streitbar, experimentierfreudig. Für Verlage heißt das gewöhnlich: wollen wir haben – aber bitte nicht auf der Titelseite. Selbst auf der Webseite des Mediums fallen die Blogbeiträge in eine separate Rubrik, abgesondert – unten oder irgendwo in der Navigationsleiste versteckt.

Nicht so im Onlineangebot der Zeit. Da rutscht auch mal ein Blogbeitrag unter die Top-Teaser auf der Startseite. Wenn ich mir aber diesen Teaser ansehe, weiß ich nicht, ob das immer so gut ist.

Grünlich, schmierig, Döner!

Eigentlich enthält der Blogbeitrag nur die bekannte Tatsache, dass Gammelfleisch nun nicht unbedingt gesundheitsgefährdend ist. Kein Wort davon, dass Dönerfleisch immer grün und schmierig sei. Oder dass das Gammelfleisch genau so gut in Marinade gepackt und als Grillsteak verkauft werden könnte.

Man kann mich der Doppelmoral schelten – für ein Weblog finde ich eine solche Überschrift durchaus in Ordnung. Für die Startseite der honorigen Zeit? Eher nicht. Ich bin wohl nicht mehr experimentierfreudig genug.

Technisches Missverständnis

Laut Netzeitung sagt die bayerische Justizministerin Beate Merk folgendes:

In der Auseinandersetzung um die Pläne von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) werde zum Teil «ideologisch verbrämt» diskutiert, kritisierte Merk am Samstagmorgen im Deutschlandfunk. Dabei würden «ganz bewusst Ängste geweckt» und «Horrorszenarien» über flächendeckende Untersuchungen verbreitet. Diese seien in Wirklichkeit jedoch technisch gar nicht möglich.

Das ist ein Missverständnis. Phisher und Virenprogrammierer zeigen, dass das Anzapfen von Hunderttausenden Rechnern kein großes Problem ist. Entsprechende Software ist sogar käuflich erhältlich – wenn man mit Kriminellen ins Geschäfte macht. Die Kritik an der Onlinedurchsuchung gründet sich unter anderem darauf, dass eben der gezielte Einsatz bei Terroristen, Mördern und Kinderschändern (war nicht zunächst nur von internationalem Terrorismus die Rede?) technisch zwar nicht unmöglich, aber in den meisten Fällen unrealistisch ist.

PS: Das Interview ist jetzt online. Das Zitat in lang:

Die Technik allein ist sehr kompliziert, sodass wir nicht sagen können, das wird sehr oft angewandt, sondern das wird nur bei schwersten Delikten, also bei Mord, bei Terror bzw. was ich immer wieder sage, auch im Fall von Kinderpornografie ganz massiv ist. In solchen Fällen wird man mit Online-Durchsuchungen arbeiten und nicht in anderen Fällen. Wir müssen wegkommen von diesen Gespensterdebatten, von diesen Horrorszenarien, dass eine flächendeckende Durchsuchung gemacht würde, geplant wäre oder überhaupt technisch möglich wäre.