Meine viel zu späte Simpsons-Kritik

Zum einen: der Simpsons-Film war besser als befürchtet. Ich musste nicht weinen.

Zum anderen: der Film entspricht den neusten ausgestrahlten Simpsons-Episonde. Kein Tiefgang, kein Um-Die-Ecke-Denken. Er ist für die gemacht, die in Rainier Wolfcastle die Schwarzenegger-Parodie nicht erkennen können.

Call-In == Teleshopping?

Da Stefan Niggemeier Urlaub macht, kann ich ja auch mal was zu Call-In-Sendungen schreiben. Und ich muss mir dazu nicht mal eine Sendung ansehen oder recherchieren, denn das haben Focus und Tagesspiegel schon getan:

Parallel entscheidet laut „Focus“ der Europäische Gerichtshof (EuGH) darüber, ob Call-TV überhaupt Rundfunk oder eher Werbung oder Teleshopping ist. Wie das Magazin unter Berufung auf den Schlussantrag des EuGH-Generalanwalts berichtet, dürfte das Urteil Anruf-TV als Teleshopping einstufen. Teleshopping ist bei normalen Fernsehsendern auf maximal drei Stunden täglich begrenzt.

Teleshopping? Ich weiß, dass Grenzbereiche schwer zu definieren sind – aber was ist die Handelsware von Call-In-Shows? Hirnverbrannte Rätsellösungen? Aber immerhin soll es ja auch solche Sendungen geben, wo sich die Moderatorinnen entkleiden oder die Zukunft vorhersagen. Diese Waren mögen nicht greifbar sein, sie sind aber zuverlässige Umsatzbringer.

Die Unternehmensberatung Goldmedia schätzt das TV-Geschäft mit allen der sogenannten Telefonmehrwertdienste bei Sendern wie DSF, Neun Live, MTV oder Super RTL auf 350 Millionen Euro jährlich.

Wow. Davon kann man einige Anwälte finanzieren.

Big people need big names

Zugegeben: die Fotos von Berühmtheiten in der Wikipedia sind oft nicht besonders toll. Falls man bessere Bilder gemacht hat, kann man die austauschen. Das ist eigentlich das Grundprinzip der Wikipedia: schlechte Inhalte können einfach durch bessere ersetzt werden.

Wenn es nach diesem futurezone-Bericht geht, ist es das jedoch nicht. Denn Web 2.0.-Evangelist und Wikipedia-Administrator Joi Ito hatte eine geniale Idee.

Ito: „Ich bin bei vielen Konferenzen und treffe eine Menge Leute, von denen es Fotos von sehr schlechter Qualität in Wikipedia gibt. Ich habe also begonnen, diese Leute zu fotografieren und ihre Fotos in Wikipedia auszutauschen. Ich hatte das Gefühl, auf einer Mission zu sein – als ob ich sie befreien würde, denn sie wollen ja auch, dass ihre Fotos gut aussehen.“

„Ich habe dann begonnen, alle bekannten Leute zu fotografieren und die Fotos auf Flickr unter einer Creative-Commons-Lizenz für Artikel und Blogs zur Verfügung zu stellen. Ich erzählte Larry Lessig davon, und er meinte: Tu dich doch mit anderen zusammen und starte eine Bewegung.

Sorry, eine Mission, eine Bewegung gar? Das ist der sinnloseste Gebrauch des Wortes seit der FON-Movimento.

Sozialhilfe für Blogger?

Blogmedien schreibt

In Deutschland können Blogger kaum mit Unterstützung rechnen, weder aus der Politik, noch von den Leitmedien.

Moment mal. Wenn das Verhältnis von Leitmedien zu Bloggern bemerkenswert ist, dann doch wohl, weil Blogs überrepräsentiert sind. Wo immer mal eine schnelle Meinung gefragt ist, greifen viele Redaktionen zum Blog statt zur Straßenumfrage, Blogger werden zu Experten für alles. Und kocht ein Thema in Kleinbloggersdorf so richtig hoch, landet es mit Sicherheit in den etablierten Online-Medien und in der einen oder anderen Zeitung.

Welcher Art soll die Unterstützung für Blogger denn bestehen? Besonderer Rechtsschutz? Ein Blogbeauftragter der Bundesregierung? Wo soll das hinführen?

Nein, wenn Blogger und Bürgermedien Einfluss haben wollen, müssen sie sich den schon selbst erkämpfen. Wer sich auf die Straße traut, muss auch mit der Straße leben. Das Leben ist nicht immer gerecht – aber für wen ist es das schon? Ebay sollte für viele zur Desillusionierungsmaschine geworden sein. Wer als Händler in die Öffentlichkeit tritt, wird ab und an auch betrogen und muss für die eigenen Fehler und auch für die Fehler anderer büßen.

Damit will ich jetzt kein Hohelied auf die Auswüchse des Rechtssystems singen, aber das da ist mir doch zu albern:

Und die Leitmedien? Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, einflussreiche Zeitungen und die meisten großen journalistischen Internetportale haben trotz Sommerlochs die skandalöse Gerichtsentscheidung gegen Call-In-TV schlichtweg ignoriert. Warum sollten sich die so genannten etablierten Medien und deren Berufsverbände auch für unliebsame Konkurrenten ins Zeug legen, die ihnen dazu auch noch regelmäßig selbst auf die Finger schauen, so wie Stefan Niggemeier in seinem Blog?

Was erwartet der Autor? Eine BILD-Schlagzeile gleich am nächsten Tag? Oder eine Tagesschau-Meldung? Aber vielleicht lässt sich Richterin Barbara Salesch durch eine gemeinsame Petition dazu bewegen, mal einen Blogger zu verknacken.

Zu dem Niveau passt dann auch der Schluss des Blogmedien-Artikels:

In Entwicklungsländern ist es häufig üblich, dass Kritiker des Systems unter Hausarrest gestellt werden. Nichts anderes geschieht zurzeit mit kritischen Bloggern in Deutschland.

Ja, genau.

Online-Durchsuchung? Von wegen

In einem CHIP-Exklusiv wird die Sicht des BKA auf die Online-Durchsuchung vorgestellt:

Haben diese Undercover-Ermittler einen „Gefährder“ hinreichend ausgespäht, obliegt es einem BKA-Team, einen Weg zum PC des Verdächtigen zu finden. Das mag in seltenen Fällen tatsächlich ein E-Mail-Trojaner sein; aufgrund der mageren Erfolgsaussichten bevorzugt man in Wiesbaden aber robustes Agenten-Handwerk: heimlich in die Wohnung eindringen und Images von allen PC-Festplatten ziehen. Diese Daten analysiert dann der BKASoftware- Entwickler und bastelt ein Tool, das perfekt auf die Rechner-Umgebung zugeschnitten ist.

Seinen Weg in den Ziel-PC findet das modular aufgebaute Programm namens Remote Forensic Software (RFS) ebenfalls auf eher analoge Weise. Spezialisten machen die Wohnung noch einmal auf und installieren das Tool. Das winzige Programm gleicht also eher einer Wanze als einem Trojaner. Das BKA betont, dass nicht nur das generelle Vorgehen, sondern auch die Technik auf den konkreten Fall abgestimmt wird: Jede RFS ist ein Unikat, dessen Quellcode aus Gründen der Beweissicherung dem zuständigen Richter vorliegt.

Mal abgesehen davon, dass ich das Szenario hier schon beschrieben habe (I said so!!) – bekommt die Online-Durchsuchung eine ganz andere Qualität.

Denn die Polizei will offenbar mehrfach in Wohnungen eindringen, um dort heimlich Dinge zu verändern. Mal abgesehen davon, dass dies mit der grundgesetzlich garantierten Unverletzlichkeit der Wohnung nur schwer zu vereinbaren ist – wer garantiert, dass nicht eben auch die passenden Beweisen untergeschoben werden? Ein manipulierter Computer kann alles mögliche von sich geben. Polizeiliche Durchsuchungen müssen nicht ohne Grund vor Zeugen durchgeführt werden.

Der Medienbürger

In einem Artikel des Freitag habe ich ein neues Wort gelernt: der Medienbürger.

Nicht der Bürger in Uniform, nicht die Gemeinschaft des Volkes, von der sämtliche Staatsgewalt abgeleitet ist – nein: der Medienbürger. Der Medienbürger liest Zeitung – viel zu oft die BILD. Er schaut fernsehen. Auch viel zu oft. Und er hört offenbar mit Vorliebe die besten Hits der 80er, der 90er und von heute. Wir lieben den Medienbürger. Er ist unser Abbild und unsere Knetmasse.

Übrigens: der Medienbürger ist nicht auf den Kopf gefallen. Deshalb muss er sich das Hirn langsam durch Augen und Ohren aussaugen lassen. Manchmal auch die Seele.

Schön, dass wir ihn haben.

Pimpbook

Und wieder mal ein Aufreger in den USA: registrierte Sexualstraftäter bei Facebook. SpOn schreibt:

Blumenthal teilte den Medien mit, die Behörden hätten mindestens drei verurteilte und registrierte Sexualstraftäter auf Facebook ausgemacht. Chris Kelly, der Datenschutzbeauftragte von Facebook, bestätigte, man habe entsprechende „Aktivitäten registriert“.

Bei den aufgespürten Straftätern handle es sich wahrscheinlich nur die „Spitze des Eisbergs“, sagte Blumenthal. Die Verbrecher nutzten Facebook unter ihrem richtigen Namen und seien daher leicht zu entdecken gewesen. Es könnte jedoch noch Tausende weitere Straftäter geben, die unter einem Pseudonym registriert sind. Facebook solle seine Nutzerprofile daher wie MySpace nach denen von Sexualstraftätern durchforsten, forderte Blumenthal.

Nun – vielleicht sollte man noch erwähnen, dass nicht nur finstere Pädophile in solchen Datenbanken registriert werden, sondern auch Leute, die eine Prostituierte aufsuchen wollten und stattdessen auf einen Polizei-Lockvogel hereingefallen sind. Wir kennen das alles aus wahnsinnig lustigen US-Comedy-Serien – für die betroffenen ist es jedoch bitterer Ernst. Es wäre spannend zu erfahren, ob etwa auch Hugh Grant oder George Michael in einer solchen Datei erfasst waren.

Die Gesellschaft muss sich die Frage stellen: sind Netzwerke wie Facebook ein eingezäunter Kinderspielplatz oder Teil der gesellschaftlichen Realität wie ein Geschäftsviertel oder eine Tankstelle? Wenn man ein Portal, das sich zunehmend an Erwachsene richtet, den Regeln des Kinderspielplatzes unterwirft, schließt man Menschen von einem immer wichtigeren Lebensbereich aus. Führt man den Gedanken etwas fort, könnte man die Datenbank der Sexualstraftäter auch an Tankstellen übermitteln – denn der registrierte Sextäter könnte den Treibstoff ja nutzen, um zu einem Kind zu fahren und es zu missbrauchen.

Yigg – das News-Prekariat?

Ich gebe zu: ich verstehe den Sinn der Dutzenden von ach so sozialen News-Portalen nicht. Im Idealfall kann durch eine Community ein interessanter redaktioneller Prozess erzeugt werden – die meisten Anbieter scheinen sich aber nicht darum zu bemühen.

Nehmen wir nur einmal Yigg.de, eine deutsche Adaption von digg.com, die vor zwei Monaten professionell wurde. Was erwartet uns auf der Startseite des News-Portals? Zuerst einmal: erstaunlich wenig neues. Ein Google-Video einer ARD-Reportage über Humor im Dritten Reich, die ich schon vor Monaten gesehen habe oder ein Hinweis auf einen mäßig originellen Carlsberg-Werbespot, der schon vor zwei Monaten auf Youtube zu finden war.

yigg-heftig

Wenn es schon mit der Aktualität nicht klappt – wie sieht es aus mit der Aufbereitung der Inhalte? Kurz zusammengefasst: Schrecklich. Der Carlsberg-Werbespot wird angeteasert ohne jeden Hinweis auf Werbung oder den Inhalt – der Leser wird im Glauben gelassen, dass es sich um ein weiteres unterhaltsames Experiment handelt.

Auch bei ernsteren Themen scheinen die Yigg-Autoren kein wirkliches Interesse daran zu haben, Nachrichten korrekt zusammenzufassen. Stattdessen werden Meldungen noch einmal künstlich skandalisiert. Ein Focus-Online-Artikel zur Diskussion um eine Hartz-IV-Erhöhung wird mit der Schlagzeile „Werden Arbeitslose hungern?“ ergänzt – BILD lässt grüßen. Den zugegebenermaßen lächerlich wirkenden Gesetzvorschlag zur Verschärfung des Copyrights in den USA kommentiert der Einreicher mit einer Frage: „Lebenslang ins Gefängnis weil man den Content anderer kopiert hat? Sei wann gibt es für Diebstahl lebenslänglich?“ Hätte er den verlinkten Artikel gelesen, wüsste er, dass die lebenlängliche Strafe nur für Mordversuche oder Verstöße mit Todesfolge vorgesehen ist.

Überhaupt scheint es sehr schwer von der Yigg-Meldung auf den Inhalt zu schließen. Was hinter der Überschrift „Der Versuch Social-Networks auszutricksen scheint nicht immer zu funktionieren“ stecken mag, kann man nur herausfinden, wenn man den Link anklickt. Man könnte einwenden, dass dies der Sinn solcher Newsportale ist – aber in dem Fall könnte man die Links auch mit undifferenzierten Grunzlauten anteasern.

Lange Rede, kurzer Sinn: Zur Information taugt Yigg derzeit noch weniger als eine Boulevardzeitung.

Augenmaß

Wer glaubt, dass Maßnahmen wie Online-Durchsuchungen auch ohne eindeutige gesetzliche Schranken mit Augenmaß angewendet werden, hat den Schuss nicht gehört. So wie der Chef der Bundespolizei in Chemnitz:

Mindestens 50 e-mail-Konten ließ Fritzsch insgesamt filzen. An der gesuchten Rund-Mail, die laut Begleittext möglichst schnell an „Freunde“ weitergeleitet werden sollte, hingen Fotos von Pin-Up-Girls. Der Kettenbrief „belastet unser IT-Netz zusätzlich und verringert die Bearbeitungsgeschwindigkeit“, begründete Amtsleiter Fritzsch in einem Mitarbeiterbrief die Online-Razzia. Drei der geknackten elektronischen Postfächer gehörten Personalräten. Ihre Kontakte zu Kollegen genießen besonderen Vertrauensschutz. Laut einer Dienstvereinbarung von April 2006 ist es zudem allen Bundespolizisten erlaubt, ihre E-mail-Adressen auch privat zu nutzen.