Propaganda 2.0

Vorgestern fragte ich, wie lange es dauern würde, bis das Video von der Hinrichtungs Saddams wohl auf Youtube verfügbar wäre. Wie Nachrichtenagenturen berichten hat es nicht lange gedauert, bis der Clip im Internet zu finden war.

Insgesamt ist die vermutlich mit einem Handy gemachte Aufnahme zwei Minuten und 38 Sekunden lang. Immer wieder waren Blitzlichter von Fotoapparaten zu sehen, während die Schlinge um den Hals des früheren Staatschef gelegt wurde. Saddam Hussein zeigte keine Gefühle und wirkte sehr ruhig.

Die Mittel erinnern an den viel zitierten Bürgerjournalismus: Ein Augenzeuge nimmt mit einer Handykamera eine Szene direkt auf, die in der offiziellen Berichterstattung ausgeblendet wird. Es werden so mehr Details bekannt, etwa, dass dem Ex-Diktator noch der Name eines seiner Opfer zugerufen wurde. Wir erfahren, wie voll die Hinrichtungskammer war . Und dass Saddam die Augen geöffnet hatte, als er am tot am Galgen baumelte. Unmittelbare Eindrücke. Ungefiltert.

Doch Moment mal – wie wahrscheinlich ist es, dass hier jemand unbemerkt mit einer Handykamera das Ganze geschehen aufnehmen kann? Meines Erachtens ist die Erklärung wahrscheinlicher, dass hier eben ein anderes Stilmittel gewählt wurde, um den Tod Saddams unter das Volk zu bringen. Schon seit Jahren verbreiten Extremisten Bilder von ihren Anschlägen im Irak im Internet – und brechen so auch die Regeln, die bei einer unabhängigen Berichterstattung eingehalten werden.

Das hat sich wohl auch die andere Seite zum Vorbild genommen: Offiziell hat die irakische Regierung eine Fernsehaufnahme präsentiert, die ohne den baumelnden Leichnam auskommt. Unter der Hand wird jedoch die andere Version verbreitet, die für Saddams Anhänger besonders demütigend sein dürfte.

Wikipedia als Podcast – aber psssst

Ich bin kein großer Freund von Podcasts, höre aber ab und an Mal rein. Durch Zufall wurde ich auf den Infotainment Podcast aufmerksam und lud mir mal eine Folge mit dem Thema „Zeit“ herunter. Bei einigen Formulierungen stutzte ich und warf Google an. Ergebnis: Der Podcast ist eine redigierte Fassung vom Wikipedia-Artikel „Uhr“ und einiger darin verlinkter Artikel. Über weite Strecken sind die Formulierungen wörtlich übernommen oder nur leicht angepasst worden. Leider fehlt sowohl im Podcast als auch auf der Webseite eine Erwähnung der Quelle.

Wikipedia: Kooperation oder Werbung?

Auf allen Wikipedia-Seiten prangt heute das Logo der Hilfsorganisation Virgin Unite. Dahinter steckt die neuste Spendenkampagne der Wikimedia Foundation. Ich hatte im Vorfeld bei Heise darüber berichtet, bei Tim Bartels gibt es eine Zusammenfassung der wichtigsten Fakten.

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Der spannende Moment: obwohl für die Platzierung eines Firmenlogos eine beträchtliche Menge Geld fließt, ist dies keine Werbung – das sagt zumindest die Wikimedia Foundation. Und es steht in der offiziellen FAQ zur Spendenkampagne.

Inwiefern unterscheidet sich die Zusicherung einer Spende von Werbung?

 

Werbung ist die Platzierung eines vom Werbenden erstellten Werbeträgers, wie zum Beispiel in „Kauft die ABC-Ware von XY, denn sie ist die Beste“. Würden wir einzelne Pixel am Kopf unserer Seiten verkaufen und hätten die Unternehmen die freie Wahl, welchen Inhalt sie dort platzieren möchten, dann wäre das Werbung. Dies gehört aber explizit nicht zu den von uns getroffenen Vereinbarungen. Und dies schon alleine deshalb nicht, weil eine solche Vorgehensweise die Steuerfreiheit dieser Transaktionen gefährden würde.

Stattdessen erklären wir uns einverstanden, eine Dankeschön-Notiz für die Verdoppelung von Spenden der Nutzer einzublenden: „Ihre heutigen Spenden werden durch die großzügige Unterstützung von XY verdoppelt.“ Das auf diese Weise gesammelte Geld steht dabei in direktem Verhältnis zur Spendenbereitschaft des Einzelnen für unsere Projekte. Wenn nur wenige Einzelspenden zusammenkommen, wird es auch nur wenig Geld von den jeweiligen Unternehmen geben. Sind die Einzelspender großzügig, werden sich auch die Unternehmen als großzügig erweisen. Es handelt sich also um eine Kooperation in der finanziellen Unterstützung.

Die Präsenz eines Logos und eines Links zur Bezeichnung des Spenders ändert nichts am Wesen der Vereinbarung und der normale Nutzer unserer Websites wird sich damit nicht weiter befassen müssen.

 

Gehen wir mal den Werbecharakter der Sitenotice anhand der verschiedenen Argumente durch.

Gestaltbarkeit der Werbung

Hauptargument ist, dass Virgin Unite die Werbung gar nicht selbst gestalten konnte. Aber ist das wirklich die Haupteigenschaft von Werbung? Schon in der Schülerzeitung haben wir Werbungen relativ frei gestaltet – ein kleines Geschäft, das uns mit ein paar Euro unterstützen wollte, hatte nicht immer eine verwertbare Druckvorlage – also klebt man etwas zusammen aus dem Material, das der Händler mal eben bereitstellen kann

Auch bei professionell vermarkteter Werbung kann der Auftraggeber nicht wirklich frei über das Werbemedium verfügen. Die überaus erfolgreichen Google Ads lassen grade Mal ein paar Zeichen Text zu – oft reicht dies nicht mal zu einer eindeutigen Produktanpreisung wie einem Slogan. Ist es deshalb keine Werbung?

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Keine Produktwerbung

Dieses Argument kommt in der englischen FAQ etwas besser heraus:

 

Advertising is the placement of copy written by the advertiser, i.e., „Buy Joe’s Widgets, they’re the best“.

 

Offenbar sehen die FAQ-Autoren in der konkreten Produktanpreisung ein weiteres zentrales Merkmal von Werbung. Doch ist es das wirklich noch? Gerade Konzerne und Firmengruppen wie eben Virgin schalten in Massenmedien allgemeine Image-Werbung. Wenn der Kunde weiß, dass hinter dem roten Virgin-Logo Qualität und lauter nette Menschen stecken, ist das oft mehr wert, als wenn ein einzelnes Produkt dieses Konzerns breit beworben wird.

Zusammenarbeit statt Bezahlung

Der zweite Absatz der FAQ ist merkwürdig: Hier wird verquast von einer Vereinbarung und einer „Kooperation in der finanziellen Unterstützung“ (im Englischen: „cooperation in financial gift“) erzählt. Ich vermute mal, dass das Argument so läuft: Wikimedia hilft als gemeinnütige Organisation einer anderen Wohltätigkeits-Organisation Spenden einzutreiben. Eine Zusammenarbeit auf Gegenseitigkeit, nichts weiter.

Doch die Kooperation ist ein einfacher Vertrag: Virgin zahlt, Wikimedia liefert eine Gegenleistung. Wie sich der genaue Kaufpreis des Werbeplatzes berechnet, ist keine zentrale Eigenschaft von Werbung. Und dass Wikimedia mehr „kooperiert“ als jeder andere Werbetreibende ist auch nicht ersichtlich. Die Wikipedia-Community wird nicht aufgefordert sich an Projekten von Virgin Unite zu beteiligen, Wikipedia-Admins helfen nicht bei dem Aufbau eines Virgin-Unite-Wikis.

Fazit:
Halten wir fest: Wir sehen auf Wikipedia keine Produktwerbung. Die Sponsoren werden von Jimmy Wales und der Foundation handverlesen und es wird keine Werbebotschaften verbreitet, sondern ein Logo und ein Link. Werbung ist es trotzdem.

Hauptsache Ford

Der ehemalige US-Präsident Gerald Ford ist tot. Das hat der Infoscreen eben verkündet, als ich am Hauptbahnhof auf die U-Bahn wartete. Bemerkenswert war die Bilderauswahl neben der Meldung: die Ford-Unternehmenszentrale, Szenen aus einer Autofabrik, verschiedene Ford-Modelle…

Prepotteria

Cliffhanger sind in Büchern eigentlich selten. Die von Joanne K. Rowling nerven aber so langsam. Die neuste Ankündigung:

Nach Angaben des Senders BBC versteckte Rowling den Titel so auf ihrer offiziellen Website, dass er erst durch ein Online-Spiel ermittelt werden konnte. Die Autorin hatte zuvor angedeutet, dass im siebten Potter-Buch zwei Charaktere sterben werden. Sie schloss dabei nicht aus, dass einer von ihnen Harry ist.

Mein ganz heißer Tipp: Dudley muss sterben. Und Onkel Vernon.

Intimspam

Warum ist das bitteschön durch den Spamfilter gerutscht? Und bitte was ist ein Intimsalon?

Sehr geehrter Kunde!

Wir bedanken Sie fur Ihren Einkauf der Videosammlung in unserem Intimsalon. 399 euro auf Ihrer Kreditkarte wurden abgebucht. Die Quittung ist in der Anlage beigefugt. Der Artikel wird innerhalb 12 Stunden an Ihrer Adresse geliefert werden.

Wir hoffen, dass Sie viel Spass bei dem Fernsehen haben! Wir wunschen Ihnen frohe Feiertage!

P.S. Wenn Sie ein Rabatt haben mochten, bewahren Sie, bitte, die Quittung.

MfG,
Handelabteilung
der Intimsalon
Neckermann.de

Beigelegt: empfangsschein.exe

Springer 2.0 – allein in MySpace…

Der Axel-Springer-Verlag traut sich ins Web 2.0 – morgen erscheint die Erstausgabe des „Avastar“, einer Zeitung nur fürs „Second Life“.

Wie es sich für Webzwonuller gehört, haben sich auch die Springer-Leute im Web 2.0 umgesehen und sich natürlich auf den wichtigsten Plattformen dieses weltumspannenden Kreativitätsmolochs umgesehen.

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Was lernen wir aus dem MySpace-Profil? AvaStar ist Single, hat das Sternzeichen Schütze, ist 100 Jahre alt und seit vorgestern bei MySpace registriert. Also der ideale Zulieferer von trendigen News, die der Kundschaft jede Woche 150 Linden-Dollar wert sind.

Nicht nur Donaldisten bei der FAZ

Die Frankfurter Allgemeine war schon seit Jahren ein Hort für Donaldisten, jetzt scheinen auch Trekkies am Steuer zu sein. Anders kann ich mir diese Textstelle im (lesenswerten) Artikel über das Verhältnis von Bild zu Bohlen zur Realität nicht erklären:

Bohlen ist nicht einfach eine Fälschung, eine öffentliche Figur, hinter der sich irgendwo ein echter Dieter verbirgt. Bohlen ist wie der Holo-Doc aus „Star Trek Voyager“: eine Projektion, die in der echten Welt nicht existieren kann.

Kleine Schönheitsfehler: Kein echter Trekkie würde das Medizinische holographische Notfallprogramm als „Holo-Doc“ titulieren. Und dank seines mobilen Emitters macht der Doc ja recht ausgiebige Ausflüge in der Realität – was das in diesem Kontext auch immer bedeutet.