Capsoff off?

Im August hatte Pieter Hintjens eine tolle Idee: Er startete eine Kampagne gegen die unnütze Caps-Lock-Taste, die fast jeden PC-Nutzer ab und an nervt. Er gab der Kampagne den griffigen Namen Capsoff.

capsoff

Hintjens eröffnete eine Webseite, ein Blog, ein Forum – und warb für das Eine-Million-Dollar-Keyboard: Die kreativen Caps-Lock-Gegener sollten Vorschläge für ein neues Keyboard-Layout einreichen und dafür eine Art Jackpot gewinnen.

Doch irgendwie ist die Begeisterung der Community etwas größer als die des Initiators. Sowohl Webseite als auch Weblog wurden seit September nicht mehr aktualisiert. Die eine Million Dollar können sich die Teilnehmer des Wettbewerbs wohl ebenfalls abschminken. Ganze 241 Dollar und 71 Cents sind laut Webseite zusammengekommen. Ob der aktuelle Stand wesentlich höher ist, darf angesichts des tröpfelnden Feedbacks bezweifelt werden.

million

Eine lustige Idee hat wohl nicht so richtig gezündet. Das wäre nicht weiter bemerkenswert, wenn der Initiator nicht gleichzeitig Präsident der FFII wäre. Ob die Organisation beim Kampf gegen Softwarepatente wohl mehr Durchhaltevermögen und Ideen aufbringen kann? Oder wird die FFII-Webseite auch eines Tages ohne weitere Begründung einfach brach liegen?

Wir müssen mehr taggen

Tagging ist toll. Man muss einen Gegenstand nicht in eine Schublade stecken, sondern kann ihn gleichzeitig in mehrere Fächer einordnen. Wenn man denn etwas sucht, muss man nicht mehrere hunderte kleiner Schubladen durchsuchen, sondern kann zielgerichtet nach speziellen Artikeln suchen, die verschiedene Kriterien erfüllen.

Ich weiß, das ist simple Datenbank-Technik. Aber so richtig hat sich das Taggen noch nicht durchgesetzt. Ich rede hier nicht von Technorati (obwohl: was ist wenn ich nach Beiträgen suche, die mehrere Tags erfüllen?) und Bibliothekskatalogen, sondern von breitentauglicheren Angeboten. Wie zum Beispiel im Supermarkt. Will ich beispielsweise eine Steak mit Kartoffeln und Gemüse machen, muss ich erst in die Fleisch-Abteilung nach verwertbaren Fleischstücken fahnen, dann in der Gemüse-Abteilung nach Kartoffeln und anderen nicht-tierischen Beilagen suchen und noch bei den Milchprodukten nach Kräuterbutter oder nach anderen Steaksoßen suchen. Eine eigene Steak-Abteilung würde mir dazu noch das passende Steak-Besteck liefern, die perfekte Pfanne und ein Buch mit den größten Steak-Obsessionen der westlichen Welt.

Ein Anfang wäre es schon, wenn nicht gleich die Supermärkte das Tagging einführen würden, sondern die Online-Händler. Was bringt es wenn Quelle auf der Startseite in solche tollen Kategoren wie „“Mode für Sie“ und „Wohnen und Haushalt“ unterteilt, wenn ich ein Geschenk für meine Freundin suche? Wenn dann noch separat eine Kategorie „Schnäppchen und Auktionen“ geführt wird, bin ich im Zwiespalt. Vielleicht gibt es da besonders originelle Posten – aber wer will sich schon dabei erwischen lassen, beim Schenken besonders sparsam gewesen zu sein?

Zu dem Erfolg des Taggens gehört natürlich Ehrlichkeit. Wenn ein Händler schlichtweg alle Waren im Angebot als „Geschenk“ oder „Überraschung“ taggt, dann hilft das wenig. Vielleicht hilft hier nur eine neue Ehrlichkeit. So wäre gerade im Weihnachtseinkauf ein Tag „geschmacklos, aber die Oma freut sich trotzdem“ nicht zu verachten.

Bevorzugt zahlen

Click&Buy von Firstgate war bisher erfreulich unauffällig. Ich zahle, die Transaktion wird bestätigt, das Geld wird abgebucht. Und sonst Ruhe. Letzte Woche benachrichtigte mich das Unternehmen, dass man eine englische Banklizenz erworben habe. Heute landet das in meiner Inbox:

Bitte beachten Sie, dass ClickandBuy gerade dabei ist, noch offene Transaktionen von Ihrem bevorzugtes Zahlungsmittel einzuziehen. Sollten Sie kürzlich Ihr bevorzugtes Zahlungsmittel gewechselt haben, werden auch diese offenen Transaktionen nun von ihrem neuen
bevorzugten Zahlungsmittel abgebucht. Sie werden nicht mehr von Ihrem vorherigen Zahlungsmittel abgebucht, auch wenn dieses zum Zeitpunkt des
Kaufes ihr bevorzugtes Zahlungsmittel war.

Wäre es nicht einfacher gewesen nur die Kunden zu informieren, die das tatsächlich betrifft? Will sich die Firma sich mit all ihren Plänen, neuen fantastischen Möglichkeiten dauerhaft einen Teil meiner Aufmerksamkeit erobern? Danke, aber ich will doch nur ein bisschen Geld transferieren.

Peter ist sauer!

Wie reagiert man darauf, wenn die Leser eines Top Business-Blogs Kritik an Stil und Technik eines Blogs äußern? Daraus lernen? Nein, man haut drauf.

Drei Tage nachdem der anonyme deutsche Fon-Blogger „Peter“ eine Umfrage gestartet hatte, um den „Wünschen der FONeros weitestmöglich entgegenzukommen“, ist die Umfrage wieder verschwunden. Dass die wenigen Kommentatoren seine Arbeit kritisierten, war für Peter offenbar unerwartet gekommen. Heute verkündet er, was er gelernt hat:

  • Manche Menschen sind einfach nur grausam…. und deren Ego reziprok grenzenlos…
  • Anonymität erlaubt Grenzenlosigkeit bei mangelnder Selbstdisziplin… und bindet Ressourcen sinnlos
  • Der Blog wird als „corporate blog“ weitergeführt, d.h. im Wesentlichen wird er auf seine Informationsfunktion reduziert werden
  • Für diese Seite wird es keine Kommentarfreischaltung geben, da ich momentan einfach nur stinksauer bin.

PS: Peter hat auch nun auch seinen kleinen Wutanfall gelöscht. Der Google-Cache zeigt noch einige Kommentare, die aus dem Blog verschwunden sind. Zum Beispiel dieser:

Auch ich schließe mich an. Vor allem die Tatsache, dass man Artikel teilweise das dritte mal im rss reader findet, stört doch ein wenig. Und ehrlich gesagt finde ich es auch nur halb spannend, dass in letzter zeit nur noch berichtet wird, in welchem asiatischen land noch la foneras verteilt werden, während ich seit 5 wochen auf meinen warte… :-(
Stellt euch doch mal vor und erzählt, was ihr in Deutschland so macht.

oder der

Es wäre schön, wenn die Artikel nicht oft noch 3-4 mal nachbearbeitet werden würden, das stört ganz schön im RSS-Reader.
Ein bisschen mehr redaktioneller Inhalt, weniger „Tests“ und das wärs auch schon.
Im Endeffekt ist das hier ja nur Werbung, und daher ist das schon ok.

Crumbelievable

Truthiness ist das Wort des Jahres. Schon wieder.

truthiness (noun)

  1. „truth that comes from the gut, not books“ (Stephen Colbert, Comedy Central’s „The Colbert Report,“ October 2005)
  2. „the quality of preferring concepts or facts one wishes to be true, rather than concepts or facts known to be true“ (American Dialect Society, January 2006)

Hipp Hipp, Colbert.

In diesem Sinne ein paar Truthiness-Wahrheiten.

  • Große Teile der Bevölkerung haben erst durch Blogs lesen gelernt.
  • Pizza macht nicht fett, wenn man sie auf dem eigenen Pizzastein zubereitet.
  • Abgerundete Ecken sind ein Zeichen von Fortschritt und Barrierefreiheit.
  • Clubmate ist gesund – es ist schließlich pflanzlich.

Damals, vor Web 2.0

Viel gelobt wird gerade ein Beitrag von Sascha Lobo im Zeitschriftenblog. Die Geschichte lässt sich schnell zusammenfassen: Lobo soll eine iX-Sonderausgabe zum Thema Web 2.0 rezensieren. Der Slogan von iX ist aber „Versteht nicht jeder. Ist auch besser so!“ Lobo versteht nicht und so macht er das, was er am besten kann: er räsonniert ganz allgemein über Web 2.0.

Das ist zwar sehr nett geschrieben, aber irgendwie… naja. Nehmen wir ein Beispiel:

Früher entdeckte ein Einzelner, dass Kraftwerksabwässer in den Bach geleitet werden, er schrie herum und irgendwann kam eine Kuh und pupste und das war’s. Heute schreit er digital herum, mit den Mitteln des Web 2.0 – schreibt, fotografiert, filmt und verlinkt und es besteht eine gute Chance, dass irgendwann eine sehr große Kuh namens Spiegel Online ankommt und einen Pups macht, der bis in die Schaltzentrale des Kraftwerks stinkt. Und allein die Angst davor, dass es passieren könnte, verbessert die Welt.

Hallo? Wie alt ist Sascha Lobo? Lebte er im 20. Jahrhundert schon?

Damals – die elektrische Energie war übrigens grad erfunden worden – gab es so unbedeutende Kühe namens Spiegel. Das war im Prinzip wie Spiegel Online, nur etwas mehr Text, viel weniger abgeschrieben und auf einem altertümlichen Medium namens „Papier“ verbreitet. Wenn damals jemand eine Kraftwerksabwasserumleitung bemerkte, konnte er zu einem so genannten „Telefon“ greifen – das ist im Prinzip wie Skype, hatte aber Tasten. Oder gar eine Wählscheibe. (Wenns die Oma nicht mehr weiß, in der Wikipedia steht es noch.) Und mit diesem Gerät konnte er den Spiegel anrufen. Und wenn der dann pupste, dann roch man das nicht nur in der Schaltzentrale des Kraftwerks.

Das Telefon konnte man übrigens auch benutzen, um andere Leute anzurufen als den Spiegel. Damals waren diese Geräte nämlich fast so weit verbreitet wie der Acrobat Reader oder Flash 8 heute. So hätte der Kraftwerksabwasserumleitungsauffinder zum Beispiel auch die Redaktion des Fernsehmagazins Monitor (so etwas wie eine frühe Alpha von Youtube) anrufen können. Oder gar Greenpeace. Oder seinen Landrat. Oder das Umweltministerium. Oder gar die Lokalredaktion einer Zeitung. Allesamt wahre Meister im Pupsen.

Ja, damals lebte man durchaus schon als Individuum. Ohne Ajax, ohne Weblogs und ohne Handykameras. Aber irgendwie hat es doch geklappt.