Common-sense-Compliance

In der Informationweek gibt es ein Interview zum Thema Wikipedia.

Was kann die Firmenleitung tun, um negative Auswirkungen zu verhindern?
Will sich ein Unternehmen nicht mit peinlichen und imageschädigenden Einträgen in dieser Liste wiederfinden, müssen die Mitarbeiter für diese Problematik sensibilisiert werden. Es gilt, Regeln dafür aufzustellen, wie mit Wikipedia-Änderungen aus dem Firmennetz heraus zu verfahren ist. Das Stichwort hier heißt Wikipedia-Compliance, kurz Wikipliance. Nur mit klar definierten und verbindlichen Regeln zum Umgang mit Wikipedia lässt sich vermeiden, dass aus dem Unternehmensnetzwerk heraus Änderungen vorgenommen werden, die dem Unternehmen schaden können.

Au ja. Eine Email-Compliance, eine Foren-Compliance und eine Wikipedia-Compliance. Wie wäre es mit ein paar einfachen Grundregeln für alle Medien? Keine anonymen Selbstdarstellungen, keine öffentlichen Äußerungen über die Konkurrenten – und wenn man seinen Namen drunter schreibt, sollte man sich nachher nicht schämen müssen.

Wikiscannen mit Verstand – oder: die lieben Kollegen bei Axel Springer

Ich gebe es offen zu: die Nutzung des Wikiscanners macht Spaß. Es ist sehr interessant zu sehen, welche Mitarbeiter wo editieren – und wo sie über die Stränge schlagen. Da kommt schnell Jagdfieber auf.

Doch nicht jeder Edit in eigener Sache ist eine Manipulation oder Schönfärberei. Ob nun die Liste des Manager-Magazins besser ist als die von Forbes ist eine Geschmackssache – ein Geschmäckle ist sicher vorhanden. Doch es schadet nicht, sich die vermeintlichen Manipulationen etwas genauer anzusehen.

So wird auf der Wikiscanner-Fundseite in der Wikipedia etwa dieser Edit als Lobhudelei aus dem Hause Axel Springer charakterisiert. Doch ist er das?

Zwar fällt dieser Teil des Artikels weg:

Diesen Posten verlor er, nachdem er sich in einem Artikel über den sinkenden Schwimm-Star Franziska van Almsick im Ton vergriff. Seitdem ist „F.J.W.“ „Chef“-Kolumnist der Bild-Zeitung. Seine Kolumne “Post von Wagner“, die immer auf der zweiten Seite erscheint, mutet manchmal unfreiwillig dadaistisch an, ist aber meistens einfach nur populistisch. Der konservative Wagner scheut sich nicht Frauen, Homosexuelle, Atheisten, Liberale, Sozialdemokraten und ihm unliebsame Prominente anzugreifen, wobei er sich als Anwalt der „kleinen Leute“ präsentiert.

Stattdessen kommt es aber noch ganz dick:

Er gilt als Erfinder des „Romanes auf 15 Zeilen“ und genialer Autor. In Führungspositionen scheiterte er wegen ständigem Nichteinhalten von Produktionszeiten (was wegen verspäteter Auslieferung zu schweren Verlusten in der verkauften Auflage führt), teuren Verletzungen von Foto- und Persönlichkeitsrechten und katastrophalem Umgang mit Mitarbeitern. Burda dürfte zuletzt auch mit seinem brachialen Journalismus-Verständnis Probleme gehabt haben. Etwa mit der „Super!“-Schlagzeile „Angeber-Wessi mit Bierflasche erschlagen – Ganz Bernau ist froh, daß er tot ist.“

Bei solchem Kollegen-Lob braucht man keine Feinde mehr…

In der Wired-Liste ist Axel Springer auch aufgefallen, laut „Jack R.“ hat der Verlag mehrfach einen kritischen Satz herausgelöscht. Wer den Edit tatsächlich ansieht, entdeckt das Gegenteil: der anonyme Autor aus dem Springer-Netz hat keine Kritik gelöscht, sondern in den Artikel eingefügt:

Wieland gilt seit Amtsantritt als sehr umstritten. Zahlreiche Positionen besetzte er mit Personen, zu denen er aus seiner Zeit bei auto, motor und sport ein freundschaftliches Verhältnis pflegt. Trotz großer Anstrengungen gelang es Wieland nicht, die Auflage nennenswert auszubauen.

Kurz zusammengefasst: Springer muss sich derzeit weniger um Wikipedia-Vandalismus als um das Betriebsklima Sorgen machen.

Die FAZ ist eine Scheibe!

Thomas Thiel schreibt in der FAZ über die Entwurzelung des Wissens in der Wikipedia.

Die hier betriebene Demokratisierung der Wahrheitsfindung ist dem wissenschaftlichen Verstand, der dem esoterischen Expertengedanken verpflichtet ist, verdächtig: Die Erde wäre wohl heute noch eine Scheibe, wenn man das Urteil über ihre Oberflächenform einer Demokratie überlassen hätte.

Toller Satz. Genau, möchte man rufen – und dann setzt man hinzu: Ganz wie im Mittelalter!!

Aber bei den klugen FAZleserköpfen sollte gleich nach dem zweiten Ausrufezeichen der Denkimpuls einsetzen.

  • Man hat die Oberflächenform keiner Demokratie überlassen, und trotzdem hielt man die Erde für eine Scheibe.
  • Hätte man es demokratisch entschieden – was wäre die Folge gewesen? Wäre niemals jemand nach Amerika gefahren?

Nach diesem Gedankengang kann man die FAZ ruhig zur Seite legen. Denn dass Enzyklopädien grundsätzlich nicht wissenschaftlich zitiert werden, sollte den akademisch gebildeten Lesern längst bekannt sein.

Der Tag als Jimmy 40 wurde

War es gestern oder heute? Man weiß es nicht. Der Enzyklopaedia Britannica ist das eine Fußnote wert:

There is some confusion over the date of Jimmy Wales’s birth. A number of sources, including Current Biography and Who’s Who in America, give his birth date as Aug. 7, 1966. In June 2007 Mr. Wales notified Britannica that this date was incorrect. However, Mr. Wales would provide Britannica with the correct date and appropriate documentation only if it was agreed that his date of birth would not be published, which runs contrary to Britannica’s policies. Given that the majority of sources report Aug. 7, 1966, and without documentation that disproves this date, Britannica has decided to give August 7 with a question mark.

Mike Rogoway hat das nachrecherchiert und das echte Geburtsdatum aus einem öffentlichen Führerscheinverzeichnis gefischt. Peinlich: bis gestern hatte auch die Wikipedia das falsche Geburtsdatum ihres Gründers aufgelistet.

Ach ja: Jimmy Wales erklärt den Vorfall anders. In seinem Blog schreibt er, dass er die EB über sein echtes Geburtsdatum informiert habe, aber lediglich keine Dokumente vorlegen wollte.

Big people need big names

Zugegeben: die Fotos von Berühmtheiten in der Wikipedia sind oft nicht besonders toll. Falls man bessere Bilder gemacht hat, kann man die austauschen. Das ist eigentlich das Grundprinzip der Wikipedia: schlechte Inhalte können einfach durch bessere ersetzt werden.

Wenn es nach diesem futurezone-Bericht geht, ist es das jedoch nicht. Denn Web 2.0.-Evangelist und Wikipedia-Administrator Joi Ito hatte eine geniale Idee.

Ito: „Ich bin bei vielen Konferenzen und treffe eine Menge Leute, von denen es Fotos von sehr schlechter Qualität in Wikipedia gibt. Ich habe also begonnen, diese Leute zu fotografieren und ihre Fotos in Wikipedia auszutauschen. Ich hatte das Gefühl, auf einer Mission zu sein – als ob ich sie befreien würde, denn sie wollen ja auch, dass ihre Fotos gut aussehen.“

„Ich habe dann begonnen, alle bekannten Leute zu fotografieren und die Fotos auf Flickr unter einer Creative-Commons-Lizenz für Artikel und Blogs zur Verfügung zu stellen. Ich erzählte Larry Lessig davon, und er meinte: Tu dich doch mit anderen zusammen und starte eine Bewegung.

Sorry, eine Mission, eine Bewegung gar? Das ist der sinnloseste Gebrauch des Wortes seit der FON-Movimento.

Der wahre Bias von Wikipedia und Brockhaus

Es wird ja viel über den Bias der Wikipedia spekuliert und geschrieben. Ich habe ihn gefunden. Man vergleiche nur die Einträge zu dem Wort „Dilettant“ in beiden Enzyklopädien.

Den Brockhaus-Fachleuten ist das Wort zwar bekannt – es ist aber so unwichtig, dass der Verlag nicht mal einen Xipolis-Punkt für die Definition verlangt.

Brockhaus Dilettant

Die Wikipedia-Dilettanten nehmen den Begriff etwas wichtiger: Nach einer halbwegs ausführlichen 240-Wörter-Einleitung zählt der Artikel ein paar typische Dilettanten auf. Niemand besonderes: nur Leute die einem bei dem Begriff sofort einfallen: Goethe, Mendel, Schliemann, etc pp. Dann kommt noch etwas Wortgeschichte, ein Musikfestival mit fast 1000 Zuschauern – und dann erfährt der Leser, dass „Dilettant“ in der Alltagssprache kein wirklich großes Kompliment ist.

Der Wikipedia-Mord

In einem US-Blog habe ich Stoff für einen Krimi gefunden: Ein Familiendrama wird anonym in der Wikipedia gemeldet, bevor die Polizei die Medien informiert hat. War es gar der Täter selbst?

Here’s quite an amazing edit on Wikipedia, in which an anonymous person, editing from the IP address 69.120.111.23, modifies the article on Chris Benoit to read “However, Chris Benoit was replaced by Johnny Nitro for the ECW Championship match at Vengeance, as Benoit was not there due to personal issues, stemming from the death of his wife Nancy” (editing addition in italics). In case you hadn’t yet heard, Chris Benoit was a WWE wrestler who pumped his seven-year-old son full of non-prescription hormones for several weeks, then killed his wife and his son in a murder-suicide. This edit to Wikipedia was a full half day before these horrific events were reported by police to the media.

So who was anonymously editing the article with information that wasn’t known to the public yet? Chris Benoit himself? One of those friends that he sent text messages to after killing his family but before offing himself? Another edit an hour later by a different anonymous IP address, 125.63.148.173, reveals more information, modifying the article to read “However, Chris Benoit was replaced by Johnny Nitro for the ECW Championship match at Vengeance, as Benoit was not there due to personal issues which according to several pro wrestling websites is attributed to the passing of Benoit’s wife, Nancy” (addition in italics).

Meiner Meinung nach ist dem Blog-Autoren die Fantasie durchgegangen, es gibt viele recht unspektakuläre Erklärungen für Informationslecks. Aber die Idee an sich ist nicht ohne.

Wäre das etwas für unsere Tatort-Kommissare in Münster? Ein ungelöster Mord an einem B-Prominenten, die Vollzugsmeldung in der Wikipedia. Herr Börne ist ja halbwegs fit am Laptop – und in Münster gibt es sicher einen Wikipedia-Stammtisch voller Verdächtiger. Der etwas tollpatschige Kommissar Bulle könnte sich gar als Internet-Junkie outen.

PS: Wie vermutet hat sich die Mörder-Story als harmlos entpuppt.

Die sozialen Grenzen der Wikipedia

Heute habe ich mal wieder vom limitless potential of Wikipedia gelesen und mich ein wenig geärgert. Sicher: Die Grenzen sind noch nicht klar beschrieben, aber deutlich vorhanden. Denn bei Wikipedia haben nach wie vor Menschen das Sagen. Und so freute ich mich über ein Wired.com-Interview mit Jimmy Wales, in dem dieser einige dieser sozialen Grenzen aufzeigt.

So very obscure celebrities who have appeared on–I remember one very good example was Philippine Idol. Its like American Idol, but its in the Philippines. Its quite popular there. And of course, we should have an article about the show, and we do.

But in some cases, we had articles about contestants who had been on the show for two weeks and lost and left. And there just really isnt very much information about these people, other than their puff bios from the official website of the show, which arent always 100% truthful.

And you know, you have problems then in terms of how do you maintain those articles over time? If the person is unfortunately killed in a car crash, does anybody ever notice that and update the article? What is it going to look like 20 years from now when it’s horribly out of date and it’s just some crust laying around that nobody even knows what to do with.

Of course, we can also delete things at that time, if the problem arises. But that’s one of the parameters that I look at.

Der konstitutionelle Monarch von Wikipedistan

Was ist eigentlich mit Jimmy Wales? Er ist nicht mehr Erster Vorsitzender der Wikimedia Foundation, sondern schlichtweg Vorstandsmitglied. Trotzdem wird von der Community eine Entscheidung oft erst dann akzeptiert, wenn sie von Wales abgesegnet wird.

In diesem Blogbeitrag wird Jimmy Wales mit einem konstitutionellen Monarchen aus nach-absolutistischen verglichen. Andere vergleichen ihn mit einem dictator benevolens.