NPOV und die Anti-Islamisten

Da ist er nun: der Anti-Islam-Film, für den sogar Domain-Namen gesperrt werden, hat nach langen, langen Ankündigungen seinen Weg ins Netz gefunden.

Nach einem kurzen Drüberschauen kann ich mit Gewissheit sagen: billigste Polemik. Geert Wilders hat für seinen „Kurzfilm“ nicht mal eine Kamera in die Hand genommen – das Ganze ist ein Zusammenschnitt von Videos, der rein technisch und ästhetisch auf dem Niveau eines Hobby-Amiganers von 1998 liegt – vom Inhalt wollen wir mal schweigen.

Am Schluss hat Wilders aber einen kleinen Knalleffekt eingebaut: als Quasi-Impressum gibt er einen Wikipedia-Link an.

Liveleak Fitna

Das Kalkül ist eindeutig: Die Wikipedia kann man nicht so einfach sperren ohne für einen allgemeinen Aufschrei zu sorgen. Und mit seinem medialen Bohei hat sich Wilders ja einen Platz in der Wikipedia erkämpft. Falls Wilders für seine Polemik wieder einen Provider gefunden hat, müsste er zwangsläufig bei Wikipedia verlinkt werden – schließlich hat die Information der Leser hier höchste Priorität.

Der schwarze Peter liegt nun bei der Wikipedia: Die Seite wird offensichtlich instrumentalisiert. Was bedeutet das nun in Verbindung mit einem der Grundpfeiler der Wikipedia, dem neutralen Standpunkt? Ist es nun neutral, auf die Provokation nicht zu reagieren oder würde der NPOV gerade das verbieten? Muss die Wikipedia gegen den Film Stellung beziehen, um die eigene Neutralität zu betonen?

Das Ganze könnte ein Schuß ins Kontor sein. Kurzfristig hat die Wikipedia-Community aber eine harte Nuss zu knacken. Etwas entschärft wird das Problem dadurch, dass der angegebene Link nur auf eine Begriffklärungsseite verlinkt.

Wir danken

Markus Müller ist nicht mehr Beisitzer im Vorstand von Wikimedia Deutschland. Der Verein bedankt sich sehr wortkarg für geleistete Arbeit. Gründe werden nicht angegeben – das wirft Fragen natürlich auf.

Aber derzeit werden noch viele Wikipedia-Konflikte in der Öffentlichkeit ausgetragen – zumindest für Teile der Öffentlichket, die mit Diff-Links umgehen kann. Einige Hintergründe kann man wohl hier nachlesen. Und hier.

Mohammed-Petition continued

Dank der internationalen Aufmerksamkeit für die Anti-Bilder-Petition gegen die Wikipedia fühlt sich ein anonymer Nutzer namens „United Muslims“ aus Pakistan berufen ein Blog zur Petition zu eröffnen. Es handelt sich wohlgemerkt nicht um den Initiator der erfolgreichen Petition, die mittlerweile über 124000 Unterschriften gesammelt hat.

Im Blog berichtet „United Muslims“, dass es um Respekt gehe, veröffentlicht ablehnende und zustimmende Mails. Und verbreitet Falschinformationen.

Surprised to that a wikiislam existed, but biggest shock is it’s the property of wikipeida and I also edited by same peoples who edit Wikipedia. And most shocking thing is that on the home page of this wikiislam a cartoon form Danish newspaper is shown. I don’t know from how many ways they will try to deceive readers about Islam. So I request reader to guard your children from going on such websites.

Ein Blick auf die angesprochene Anti-Islam-Webseite zeigt jedoch: Die Seite hat nun wirklich nichts mit Wikipedia oder deren Betreibern zu tun – es wird lediglich die gleiche Software eingesetzt. Mediawiki kommt aber auch beim Muslimwiki zum Einsatz, dass die Welt aus muslimischer Perspektive präsentieren will.

Es gbt auch Gegenwind von muslimischer Seite: Auf der Seite The American Muslim schreibt Sheila Musaji:

And, of course, as such things go, someone has posted a petition to fight Islamic pressure to censure Wikipedia. Once again, some Muslims who have a particular point of view express themseves in such a way that non-Muslims see this as “the” Islamic position on a particular issue, and not one of many possible positions. It’s not Islamic pressure it’s Muslim pressure by some Muslims.

I truly don’t understand why with all the serious problems we face in the world, anyone would make an issue about the Wikipedia entry on the Prophet Muhammad. This is especially true since the article is well balanced and may cause many non-Muslims to read more about Prophet Muhammad (pbuh)…

Keine Wiederwahl für Wikipedia-Administratoren

In den letzten Wochen wurde es zu einer kleinen Schicksalswahl hochstilisiert: das Wikipedia-Meinungsbild zur Wiederkandidatur für Administratoren. Dabei ging es um die Frage ob die Administratoren der Wikipedia wie bisher auf unbestimmte Zeit ernannt werden oder nur für eine gewisse Zeitspanne.

Obwohl sich 50,68 Prozent der 586 Teilnehmer für eine Wiederkandidatur aussprachen, ist der Antrag gescheitert: Damit ein Meinungsbild erfolgreich ist, benötigen die Antragsteller eine Zwei-Drittel-Mehrheit.

Wiki-wiki heißt schnell

Früher war es mal einfach, in der Wikipedia zu editieren. Ein Klick auf den Edit-Link und los ging’s. Heute bekommen selbst Akademiker mit guten Absichten nicht gleich einen guten Artikel hin. Und dann erhalten sie eine kleine Begrüßung geschickt, die gleichzeitig eine Ermahnung ist. Das sieht dann zum Beispiel so aus:

Begruessung in der Wikipedia

Wiki-Wiki heißt „schnell“. Wikipedia heißt: „bring zwei bis drei Stunden mit, bevor Du anfängst“.

Nicht unethisch

NYT-Redakteur Patrick J. Lyons hat in Sachen Wikipedia und Guanatanamo ein Dementi des US-Militärs erhalten. Nunja. Das Ganze liest sich jedenfalls so:

“There has been no attempt to alter/change any information that has been posted anywhere,” Lt. Col. Bush said in the statement e-mailed to us. “That would be unethical.”

Bush said in a subsequent phone call that there’s no way to know if any of the 3,000 uniformed military at Gitmo was responsible for the documented changes, but he promised his public affairs staff was not behind it. He also blasted Wikipedia for identifying one sailor in his office by name, who has since received death threats for simply doing his job – posting positive comments on the Internet about Gitmo

Wenn es nicht unethisch ist, Fidel Castro als Transsexuellen zu bezeichnen – selbst für zwei Minuten – scheint das US-Militär eine sehr pragmatische Ethik zu verfolgen. Wenn es dazu noch der Job eines Soldaten ist, anonym positive Kommentare über die US-Armee im Netz zu veröffentlichen, wäre das wahrscheinlich illegal – und dazu hätte der sailor noch einen verdammt schlechten Job gemacht.

Vielleicht möchte Lt. Col. Bush nochmal überlegen, und das Ganze als unautorisierten Gebrauch von Dienstrechnern bezeichnen.