Lachen mit Pakistan und den Vereinigten Arabischen Emiraten

Pakistan etabliert ein antiterroristisches Lachverbot: Wer Witze über den Präsidenten per SMS oder E-Mail verbreitet, kann bis zu 14 Jahre lang im Knast landen:

The country’s interior minister, Rehman Malik, announced the Federal Investigation Agency (FIA) had been asked to trace electronically transmitted jokes that „slander the political leadership of the country“ under the new Cyber Crimes Act.

Mr Malik, said the move would punish the authors of „ill motivated and concocted stories through emails and text messages against the civilian leadership“.

Was in der ausgiebigen Berichterstattung nicht wirklich erklärt wird: Mit einem solchen Gesetz muss natürlich eine Zensur-Infrastruktur etabliert werden, die den Zugriff auf alle E-Mails und SMS ermöglicht. Mehr noch: Statt wie hierzulande gezielt nach den Kommunikationsdaten von Verdächtigen und ihrer Kontaktpersonen zu suchen, müssen die Pakistaner für ihr Vorhaben quasi alle Daten nach bestimmten Stichworten durchsuchen.

Unmöglich? Nein, mit modernen Datenbanken und ein wenig Expertenwissen ist das kein Problem. Zu den Mobilfunk-Providern in Pakistan gehört das Unternehmen Etisalat, das im Staatsbesitz der Vereinigten Arabischen Emirate ist und sich auch in Pakistan eingekauft hat. Etisalat ist kürzlich dabei ertappt worden, dass sie Blackberry-Anwender ausspionieren wollten, mit einer Software die wegen ihrer Unzuverlässigkeit vom indischen Telekommunikationsministerium abgelehnt wurde. Schließlich soll der Bespitzelte nicht bemerken, dass er bespitzelt wird.

Etisalat hat damit weniger Probleme. Zwar ist die Spionage-Attacke aufgeflogen und hat weltweit Schlagzeilen gemacht, aber Etisalat lügt unbeirrt weiter. Die Zeitschrift Arabian Business, die vor ein paar Tagen lautstark Antworten gefordert hat, wurde durch Exklusiv-Interview mit Etisalat-Manager Abdulla Hashim halbwegs ruhig gestellt. Die Redaktion gibt sich mit einem wortreichen und absolut unglaubwürdigen Dementi zufrieden, erwähnt nicht einmal mehr die erdrückenden Beweise gegen Etisalat oder die brisanten Details der Stellungnahme von Blackberry-Hersteller RIM. Der hat die Etisalat-Kunden sogar explizit davor gewarnt, das von Etisalat als Deinstallionsprogramm verteilte Update zu installieren. Wahrscheinlich wird das Spionageprogramm dadurch nur besser versteckt. Die Leser von Arabian Business werden hingegen ermuntert, in diese weitere Überwachsungs-Falle zu laufen. Man legt sich halt nicht gerne mit den Spitzen von Wirtschaft und Staat gleichzeitig an.

Immerhin die Arab News scheinen noch am Ball zu sein und zeigen ganz klar, dass die Behauptungen von Etisalat von vorne bis hinten falsch sind:

However, a telecom network expert and software programmer has dismissed Etisalat’s claim that the software it released to its Blackberry users was designed to aid 2G to 3G handovers as “rubbish” and “completely bogus.” Rudolf Van Der Berg, an expert in the field of telecommunications and based in Holland with experience of implementing telecoms interception and surveillance systems said the statement from Etisalat was “completely bogus.”

Who watches the watchers?

Tolle Idee. Aus den Filmen der allgegenwärtigen Überwachungskameras in London wurde ein Musik-Video zusammengestellt. Ein kreativer Appell, die Überwachunshysterie herunterzudrehen. Oder eher ein Beweis, wie sehr sie doch schon zum Alltag gehört? Dass man mit big brother gut leben und sogar seinen Spaß haben kann?

Was sollten wir also fordern? Weniger Kameras? Oder eher sogar mehr: In jede Kamera-Zentrale sollte man ein paar Kameras installieren, die genau dokumentieren, was und wie denn so aufgezeichnet wird. Wann sich der Überwacher die Nase putzt, ob er ins Badezimmer der Wohnungen ringsum zoomt und ob jemand dreckige Witze macht.

Sonder-Newsletter! Stimmt nicht! Oder doch?

Der Stern berichtet über Schikanen gegen LIDL-Mitarbeitern und landet dabei sogar in der Tagesschau. Was macht die professionellen Kommunikateure des Handelskonzerns? Sie gehen in die Offensive und schicken einen Sonder-Newsletter an ihre Kunden los.

Wir pflegen einen fairen Umgang mit unseren Mitarbeitern

Neckarsulm, 26.03.2008. „Die im Stern skizzierten Vorwürfe und Feststellungen haben uns sehr betroffen gemacht. Insbesondere der damit vermittelte Eindruck, wir würden unsere Mitarbeiter „bespitzeln“, entspricht in gar keinem Fall unseren Führungsgrundsätzen und dem praktizierten fairen Umgang mit unseren Mitarbeitern“, sagt Jürgen Kisseberth, Geschäftsleitungsmitglied Mitarbeiter und Soziales der Lidl Dienstleistung GmbH & Co. KG.

Hmm – also eine Ente? Hat der Stern das Ganze erfunden?

Um durch Diebstahl verursachte Inventurverluste zu vermeiden, arbeitet auch Lidl – wie im gesamten Handel üblich – mit Kameraanlagen, um Diebstähle aufzuklären. Im Jahr 2007 gab es in 8 Prozent der deutschen Filialen aber besonders auffällige Inventurdifferenzen. Deshalb wurde in diesen Filialen zusätzlich für einen begrenzten Zeitraum mit Detekteien zusammengearbeitet.
Die Aufgabe der Detekteien war es, in den Filialen zusätzliche Erkenntnisse zur Aufklärung von Diebstählen zu gewinnen. Die in diesem Zusammenhang über diesen Aufgabenbereich hinaus festgehaltenen weiteren Informationen wurden zu keiner Zeit in irgendeiner Weise weiterverwertet.

Ah,, also das ganz normale Geschäft. Ich will ja auch nicht beklaut werden!

Die Hinweise und Beobachtungen, die vom Stern veröffentlicht wurden, entsprechen weder im Umgangston noch im Stil unserem Verständnis von einem fairen Umgang mit unseren Mitarbeitern. Deshalb hat Lidl die Zusammenarbeit mit einem der betroffenen Dienstleister schon vor längerer Zeit beendet. Wir haben uns zudem entschieden, unser Eigentum zukünftig ausschließlich mit sichtbar angebrachten Kamerasystemen und gemeinsam mit unseren Mitarbeitern zu schützen.

Hmm – also stimmt der Stern-Bericht also doch? Was ist eigentlich eine „längere Zeit“? Drei Tage oder drei Jahre? Kann man Unternehmenskommunikation eigentlich auch beim Discounter kaufen?

Die Legende von der Mailpolizei

Derzeit schwappt Empörung durch die Blogosphäre. Und der Sachverhalt ist auch ungeheuerlich: jeder kleine Polizist kann wegen Bagatellen in unsere Email-Inboxen gucken.

Gucken wir uns doch Mal die Quelle des Gerüchts an: Es handelt sich um dieses Posting in einem wohl extra zu dem Zweck eröffneten Blog. Der Sachverhalt: der anonyme Autor befindet sich aus ungeklärter Ursache in einer unbekannten Dienststelle der Bundespolizei. Dort wird er Zeuge der Vernehmung eines mutmaßlichen Schwarzfahrers, dessen Anschrift festgestellt werden soll. Der Schwarzfahrer nennt seine Mail-Adresse, weil in dem Postfach eine Mail mit der Adresse befinden soll, was seine Identität bestätigen würde. Daraufhin greift der Beamte in seinen Computer und blättert – ohne nach dem Passwort zu fragen – in dem Postfach des Deliquenten.

Ich sage Mal: bullshit.

Erster Punkt: Wer immer dieses Gerücht in die Welt gesetzt hat – er tut alles, um eine Überprüfung zu vermeiden. Wo und wann das Ganze stattgefunden hat möchte er nicht verraten. Er selbst steht nicht für Nachfragen zur Verfügung. Das Meatspace-Äquivalent des Ganzen: Jemand hat in der Kneipe ein paar Bierchen getrunken und erzählt lautstark den neusten Skandal. Als man ihm zuhört, erinnert er sich dann auch plötzlich an neue Details – nur keine überprüfbaren.

Zweiter Punkt: Ein Beamter muss schon sehr dämlich sein, wenn er vor unbeteiligten Zuhörern mal eben gegen das Gesetz verstößt und top-geheime Fahndungsmethoden vor dem lauschenden Publikum ausbreitet. Dass es gegen das Gesetz verstößt – daran besteht kein Zweifel. Zwar haben die Strafverfolger in den letzten Jahren ziemlich weitgehende Möglichkeiten bekommen auf Emails zuzugreifen – aber eben erst nach richterlichem Beschluss und einem komplexen Verfahren. Und die Vorratsdatenspeicherung ist zwar schon Gesetz, aber eben noch nicht in Betrieb.

Dritter Punkt: Dieses Verfahren ist an gewisse technische Vorgaben gebunden. Zwar existiert, die „Standleitung“, die der empörte Anonyme anspricht im Prinzip. Doch dafür braucht die Polizeidienststelle eine teure SINA-Box. Das ist nichts, was mal eben unter dem Schreibtisch am Kundenempfang steht. Selbst wenn die SINA-Box dort stünde: der Provider müsste den Zugang zu dem Postfach bereits freigeschaltet haben. Würde die Polizei darüber hinaus routinemäßig auf Email-Postfächer zugreifen, wäre das vielen, vielen Leuten bekannt: den Polizisten, den Verhörten, den Providern, den Verteidigern, etc pp…. Zudem ergibt sich aus der Schilderung („Ich mach sie einfach mal auf“), dass sich der Polizist auf einer Webmail-Oberfläche bewegt.

Vierter Punkt: Der Gesetzesverstoß und der Einsatz nicht vorhandener Hardware explizit gegen die Gesetzesgrundlage wäre ganz und gar unnötig. Der Delinquent will seine Identität beweisen, weil er nämlich sonst mit einem Aufenthalt in der Zelle rechnen muss. Auch der Polizist hat kein Interesse an dem beschrieben Vorgang: Er muss schließlich in sein Protokoll schreiben, wie er denn die Identität des Betreffenden bestätigt hat. Und die Provider haben noch weniger Interesse daran.

Fünfter Punkt: Selbst bei den wenigen genannten Details widerspricht sich der Anonyme. Erst fragt der Polizist explizit nach Hotmail, dann kann er nicht auf einen ausländischen Mailprovider zugreifen. Der Beschuldigte ist obdachlos und offenbar ohne eigenen Computer, trotzdem hat er gleich zwei verschiedene Mailadressen. Und in beiden Inboxen wartet die rettende Anschrift der Notunterkunft.

Einfache Erklärung: Da hat jemand nur mit halben Ohr zugehört – schließlich hatte er ja selbst seine Angelegenheiten auf der Polizei zu regeln. Das erzeugt Streß, zudem redet dauernd jemand dazwischen. Aus dem lückenhaften Eindruck der Vernehmung hat er sich dann eine Geschichte zusammengereimt. Dass sie so nicht stimmt, weiß er eigentlich selbst. Aber er hat da was gelesen und das passte so gut zu dem, was in Deutschland so los ist: Überwachungen, Kompetenzüberschreitungen, Armut.

Was bleibt zu sagen? Die Geschichte des anonymen Bloggers könnte in ein paar Jahren durchaus Realität werden. Dass solche Methoden angewandt werden, zeigt zum Beispiel der Prozess des EFF gegen die Praxis der US-Grenzbehörde, wahllos Computer zu filzen und zu beschlagnahmen. Und die Vorratsdatenspeicherung ist auf dem Weg. Wie schnell unsere Gesetzgeber nach Verschärfungen und Ausweitungen rufen, sehen wir immer wieder.

Aber wie steht über dem Blog so schön „es gibt kein richtiges leben im falschen.“ Bevor man solche Gerüchte weiterträgt, sollte man mal kurz einen kleinen Realitätscheck machen.

Frage nach Berlin, der Schäuble im Badezimmer.

Nach den YouTube-Präsidentschaftsdebatten kennen die TV-Sender kein Halten mehr: Videobotschaften und Zuschauerbeteiligung sind die neuen Kinderreporter. Statt dem Volk aufs Maul zu schauen, lässt man das Volk direkt ran.

So auch im Dezember in der ARD. Dort heißt es dann Ihre Frage nach Berlin: Zuschauer können ihre Frage direkt an prominente Bundespolitiker richten. Das Procedere ist einfach:

Sie nehmen ihre Frage auf Video auf. Dazu brauchen Sie eine Videokamera oder eine Webcam. Nehmen Sie Ihre Frage auf und laden Sie das Video hier hoch. Wenn Sie keine Kamera besitzen, aber trotzdem ihre Frage an die Politiker stellen möchten, können Sie die Frage auch persönlich bei uns abgeben: Am 30. November in Berlin im ARD-Infocenter (im ARD-Hauptstadtstudio) oder in München im BR-Hochhaus/Foyer, jeweils von 14 bis 18 Uhr sowie in Köln im WDR-Besucherzentrum von 16 bis 20 Uhr.

Ausnahme: am 12. 12. ist Wolfgang Schäuble der Interviewpartner im Morgenmagazin. Da braucht man weder Kamera noch Besucherzentrum – es genügt die Frage laut und deutlich in seinen Badezimmerspiegel zu sprechen.

Big Apple is watching you!

Golem greift einen Blog-Beitrag auf, wonach das iPhone die eigene IMEI-Nummer an Apple-Server übermittelt.

Apple würde dazu die IP-Nummer protokollieren und etwa in Erfahrung bringen können, welche Aktienkurse mit Hilfe des iPhones abgerufen werden.

Also ein scheinbar sinnloser Eingriff in die Privatsphäre. Den springenden Punkt hat Golem aber übersehen: Anhand der IP-Adresse und IMEI könnte Apple ohne Problem feststellen, welche Nutzer die Datendienste eines Handy-Providers nutzen, der kein Exklusiv-Abkommen mit Apple hat. Wenn IMEI 1234567890123 aus dem IP-Netz von E-Plus auf die Aktienkurse zugreift, weiss Apple, dass Kunde X wahrscheinlich die Software-Sperre seines iPhone geknackt hat. Das Handy könnte so gezielt still gelegt oder die Funktionalität eingeschränkt werden.

Mal sehen wann der Groschen fällt und ob die Story einer Überprüfung stand hält.

PS: Es war, wie zu vermuten war, falscher Alarm. Es wird zwar eine Zahl übermittelt, die ist aber nicht die IMEI des iPhone. Also lediglich ein ungeschickt ausgewähler Variablenname? Mehr bei Heise.

Bullshit-Bingo für Anne Will

Gleich spricht Anne Will mit Wolfgang Schäuble zum thema „Deutschland vor dem Anschlag?“ – zu Gast sind Wolfgang Schäuble, Renate Künast, Gerhart Baum und – warum auch immer – Avi primor.

Grade noch rechtzeitig habe ich einen kleinen Bullshit-Bingo-Bogen zusammengestellt. Die Spielregeln sind einfach: Kommt ein Begriff oder eine Hohlphase vorkommt, kreuzt man den Begriff an. Bei vier Kreuzen in einer Reihe hat man gewonnen. Oder verloren.

Im Fadenkreuz Terror-Camp Nicht ob, sondern wann Konvertiten
technischer Vorsprung der Terroristen Nur 10 Fälle pro Jahr Wehrhafte Demokratie in falscher Sicherheit wiegen
Bombenbauanleitung im Internet Nicht zur Tagesordnung übergehen Pakistan 11. September
Hysterie Schmutzige Bombe Terror-Schulung im Internet Überwachungsstaat

PS: Dank einer höchst oberflächlichen Diskussion wurde das „Bingo“ heute abend nicht erreicht. Meine Sonntagabende werde ich wohl auch weiterhin ohne diese Sendung verbingen – egal wer sie jetzt moderiert.