Steuersünder sind wertvoll

Ich bin mal gespannt, wie lange die Steuersünder-Liste noch auf dem Markt ist, wenn die Identität des Informanten mittlerweile plakatiert wird:

Die CD mit Schweizer Kontodaten mutmaßlicher deutscher Steuerflüchtlinge stammt nach FTD-Informationen von der britischen Großbank HSBC. Es ist ein Datensatz, der schon einmal Schlagzeilen machte.
Dabei soll es sich um jene Daten handeln, die der 37-jährige Informatikspezialist der HSBC Private Bank in Genf, Hervé Falciani, bereits im vergangenen August den französischen Behörden angeboten hatte.

Vielleicht fällt die Finanzierung leichter, wenn man einen unparteiischen Mittler einsetzt. So würde Wikileaks das Geld bestimmt nehmen.

Aber vielleicht könnte man sich das Geld auch sparen. Ein kleiner Rückkanal der SWIFT-Daten aus den USA könnte ja auch wertvolle Erkenntnisse bringen. Aber Steuerhinterzieher stehen – anders als Raubkopierer – ja nicht unter Terrorismusverdacht.

Die gefährliche Lust nach Daten

Die NZZ hat unseren neuen Obersten Datenschützer Karl Theodor zu Guttenberg interviewt:

Ich glaube, dass man hochsensibel damit umgehen sollte und auf beiden Seiten, insbesondere aber bei uns, rechtsstaatliche Massstäbe beachten sollte und manche vorauseilende Lust auf Daten auch einer solchen Überprüfung standhalten muss. Diese Prüfung ist vorzunehmen, und wenn ich Herrn InnenFinanzminister Schäuble richtig verstanden habe, hat er sich schon sehr skeptisch geäussert. Ich kann diese Skepsis nur teilen.

Ach ja: es geht nicht um unsere Daten, nicht um SWIFT und Terrorlisten, sondern um die Kontoinformationen von Steuerbetrügern.

Die untoten Webpiraten

Allen war es klar: Kaum ist die Bundestagswahl vorbei, werden alle Parteien ihre Aktivitäten im Social Web stark zurückfahren, die zur Schau gestellte Dialogbereitschaft wird sich – wie üblich – als leeres Wahlversprechen erweisen. Youtube-Kanäle verwaisen, Twitter-Accounts setzen Staub an, die dynamischsten Blogs werden plötzlich statisch. Doch von einer Partei hätte man das nicht erwartet: die Piratenpartei bleibt im Netz. Logisch. Schließlich ist das die Partei derer, die eh im Netz leben. Wo sollen sie auch sonst hin?

Tja, zumindest wäre das eine rationale Erwartung gewesen. Doch zu viel erwartet. Als heute drei Handvoll Piraten eine kleine Nackt Unterwäsche-Demo gegen Nackt- Körperscanner an drei Flughäfen starteten, erfuhr man als erstes auf Spiegel Online davon:

An mehreren deutschen Flughäfen will die Piratenpartei nach Informationen von SPIEGEL ONLINE am Sonntag um 14 Uhr gegen die Einführung der Nacktscanner protestieren. Dabei planen die Aktivisten, sich an den Sicherheitsschleusen der Flughäfen bis auf die Unterwäsche auszuziehen. „Unser Motto ist: ‚Ihr braucht uns nicht scannen – wir sind schon nackt'“, erklärte der Sprecher der Bundespartei, Simon Lange. Offen ließ er, an welchen Flughäfen und in welchen Städten die Aktionen genau stattfinden werden. Bislang hätten sich acht Landesverbände der Idee angeschlossen, sagte Lange.

Tja, 14 Uhr ist seit sechs Stunden Vergangenheit – wo erfahren wir nun mehr davon? Auf Piratenpartei.de? Nein, auf der Startseite herrscht Scheigen. Wie steht es mit dem Live-Portal, auf dem alle sozialen Aktivitäten gebündelt werden? Nichts, die neuesten „News“ stammen vom September. Im Piraten-Wiki, der Schaltstelle der vereinten Dezentralität? Nichts. Auf Twitter finden sich ein paar Links zu einer einzigen Fotogalerie einer der Aktionen – viel mehr ist man aber damit beschäftigt, die Twitter-Icons mit Piratenlogos zu verzieren. Warum soll man auch einen Bohei um eine Aktionsform machen, die ab 15 Grad Außentemperatur von jedem Ortsverein der Landjugend immer wieder gerne genommen wird?

Alles in allem wundert es kaum, dass die dpa bis zum Abend nur eine kleine Acht-Zeilen-Meldung zu Stande bringt, die alleine von 15 halbnackten Piraten am Berliner Flughafen weiß, aber nichts von den Schwester-Aktionen am Düsseldorfer und Frankfurter Flughafen.

Ob bei so viel Durchhaltevermögen die informierte Debatte in Form der liquid democracy große Überlebenschancen hat, darf bezweifelt werden.

PS: Gegen 21 Uhr hat die Piratenpartei eine Pressemitteilung ohne jegliche Information über die einfach messbare Teilnehmeranzahl auf ihre Startseite gestellt – und mal eben zwei Stunden vordatiert. Das kann die CDU auch.

Scannen Sie den?

Nackt! Scanner! Nein! Nicht! Niemals! Privat! Sphäre!

Aber über Körperscanner müssen wir doch mal reden dürfen?

11616 Piraten

Laut Piraten-Wiki hat die Piratenpartei in Deutschland inzwischen 11616 Mitglieder. Das Bundestagsmandat ist dahin, aber immerhin gibt es vielversprechenden Nachwuchs. Und da ist ja noch der Sitz im Europaparlament.

Wäre es nicht an der Zeit, dass solche Nachrichten zuerst von den Piraten verbreitet würden? Oder dass das Zensursula-Revival effektiv begleitet würde? Oder dass die Open-Access-Petition durch aktive Arbeit der Partei über 100.000 Unterstützer findet?

Wo ist die Sacharbeit, Piraten? Wir warten. Noch immer.

Schnapsidee Alkoholverbot

Zur Zeit wird ja viel über Alkoholverbote gesprochen, sogar in der Bahn soll ein solches eingeführt werden. Was auf den ersten Blick ach so sinnvoll erscheint, ist in Wahrheit nicht viel mehr als eine Schnapsidee. Denn wer soll das konsequent durchsetzen? Wer soll Fußball-Fans auf dem Weg zum Spiel die mitgebrachten Bierkästen wegnehmen? Der jetzt schon überlastete Schaffner? Und was ist mit den feucht-fröhlichen Frauenkegelvereinen mit ihren Piccolos und Kleinen Feiglingen? Um die voneinander zu trennen wäre wohl ein Bundeswehreinsatz im Inneren erforderlich.

Es läuft wohl wieder darauf hinaus, dass Gesetze geschafft werden, die es Polizisten ermöglichen quasi jeden unpassenden Menschen zu sanktionieren – und die angepassten lässt man gewähren. In meinen Augen ist das kein Erfolgsrezept für den Rechtsstaat.

Hallo GfK

Liebe Gesellschaft für Konsumforschung,

eine Frage: wer ist eigentlich öfter auf deutschen Bildschirmen zu sehen – Johannes B. Kerner oder Wolfgang Bosbach?

Bitte antworte per Pressemitteilung, Deine Tarife sind mir meine Neugier nicht wert.

Koalitions-Funktionärisch

Dass die Koalitionsverhandlungen für manche schon zu lange dauern, merkt man an der Sprache, die in den Berichten darüber verwendet wird. So schreibt Spiegel Online:

Vor allem die Haltung der CSU treibt die Liberalen um. Der bayerische Finanzminister Georg Fahrenschon hatte am Vortag ähnlich keck wie Kampeter argumentiert: Entlastungen von mehr als 15 Milliarden seien angesichts der Haushaltslage momentan nicht darstellbar: „Bei den Liberalen hat sich jetzt diese Realität auch eingestellt.“

Besonders die Kombination des antiquiert-saloppen Adjektivs keck mit dem Funktionärs-Deutsch von den nicht darstellbaren, aber dennoch eingestellten Realitäten hat etwas. Stößt die Simplifizierung der Politik als Kasperle-Theater an ihre Grenzen oder verstehen die Reporter schon nicht mehr, was die Politiker eigentlich sagen?

Fantasie von morgen nachmittag

Datendiebstahl bei VO-Plus
Millionen Verkehrssündern droht Strafe

Mit gestohlenen GPS-Daten versuchten Kriminelle Tausende von Autofahrer zu erpressen. Nun meldet die Bundesregierung Interesse an den Daten an. Zehntausenden Autofahrer könnte der Führerschein entzogen werden, Millionen drohen Bußgelder.

[…]

Offensichtlich hatten sich die Kriminellen ins Netz des Mobilfunkanbieters VO-Plus eingeschlichen und über mehrere Wochen sämtliche Bewegungsdaten der mittlerweile 23 Millionen GPS-Handys im Netz erfasst und gespeichert. Diese Daten werden normalerweise anonymisiert erhoben, um aktuelle Daten zum Verkehrsgeschehen zu erheben. Die Hacker umgingen diese Vorsichtsmaßnahmen und schafften es sogar, Telefonnummern und Identität der VO-Plus-Kunden zu ermitteln.

[…]

„Auf den Ankauf dieser Daten zu verzichten wäre zumindest heuchlerisch“, sagte Bundesverkehrsministerin Tiffy von Boedefeld (CSD). So habe das Bundesfinanzministerium schon mehrfach illegal erworbene Daten von Steuerhinterziehern angekauft, für notorische Verkehrsgefährder müssten die gleichen Regeln gelten. „Schließlich steht besonders das Leben von Kindern auf dem Spiel, wenn rücksichtslose Raser unsere Straßen tagtäglich mit Blut überziehen.“

[…]

Auch der Bund Deutscher Uniformträger (BDU) zeigt großes Interesse an den Daten: „Viele Täter, die bisher ungeschoren davon gekommen sind, könnten so endlich ihrer gerechten Strafe zugeführt werden“, sagt BDU-Sprecher Pavel Uun. Zwar werteten die Polizei schon routinemäßig Handy-Positionsdaten aus. Die GPS-Daten seien aber wesentlich genauer. „Damit können wir Steinewerfer identifizieren, wenn sie sich inmitten einer maskierten Menge bewegen“, erklärte Uun.

Der Beamte regt an, den Datentransfer in Zukunft zu legalisieren. „Die Verkehrspolizei wurde viel zu lange als Profit-Center der Länder und Gemeinden eingesetzt. Die Wut der Autofahrer bekommt ja der Kollege mit der Kelle ab.“ Würde die Verfolgung von Temposündern automatisiert ablaufen, wären Blitzer und Starenkästen in Zukunft unnötig. „Das ramponierte Ansehen des Polizisten in der Gesellschaft könnte endlich wieder steigen – und wir könnten uns auf die Verfolgung von Schwerkriminellen konzentrieren“, sagte Uun.