De-Fax

De-Mail ist die Antwort auf die Frage: Wieso sind wir in Deutschland heute immer noch im Fax-Zeitalter? Warum gilt eine pixelige Unterschrift in Schwarz-Weiß als rechtsverbindlich, wenn sie über einen durchweg manipulierbaren Kommunikationsweg übertragen wird? Warum soll ich 24 Stunden am Tag einen Stromfresser betreiben, weil mir vielleicht zwei Mal im Jahr jemand ein Fax schickt?

Die typisch deutsche Antwort: wenn wir elektronische Kommunikation auch etwas unbequemer machen, dann darf auch E-Mail rechtsverbindlich sein. Also: keine normalen Mailprogramme mehr, es muss Geld kosten und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen müssen die Sehnsucht nach dem guten alten Thermo-Papier wieder erwecken. Sicherheit ist nicht zentral, die Unbequemlichkeit ist offenbar das Haupt-Kriterium.

In Wahrheit ist das Fax den deutschen Regulatoren und Gesetzgebern wohl einfach nur durchgerutscht – vielleicht wollte man auch der Telekom in jungen Jahren noch etwas mehr Anschub in die schöne neue Welt von BTX und ISDN verschaffen? Ich weiß es nicht. Würde man die angeblich so notwendigen Regularien von De-Mail, bzw dem Vorläufer-Service E-Postbrief auf das Fax zurückportieren, müsste das wohl so aussehen:

  • Nur staatlich zertifizierte Hersteller dürfen Faxgeräte vertreiben. Das sorgt für eine enorme Markttransparenz, weil sich eh nicht mehr als drei bis vier Konzerne und Konsortien die Zertifizierung antun werden.
  • Statt dem Empfänger direkt zu faxen, sendet man alle Faxe zuerst an die staatlich zertifizierte Fax-Zentrale, die kostengünstig privat betrieben wird. Dort wird das Fax wie gewohnt ausgedruckt und danach an den Empfänger weiter geschickt.
  • Jeder Fax-Käufer muss sich mit Ausweis identifizieren, wenn er das Gerät in Betrieb nehmen will. Vorher klappt das Gerät nicht.
  • Vor jedem Fax-Versand muss eine TAN angefordert werden.
  • Faxe werden separat abgerechnet: Du magst eine Telefonflatrate haben, aber für jedes Fax zahlst Du extra. Und zwar nicht die billigen Telefonübertragungskosten, sondern das Snail-Mail-Porto. Mindestens. Wegen der Authentizität.

Lasst es uns so machen.

Netz der Netze

Vielleicht hat Obermann ja recht: der Telekom-Backbone ist leidlich gut und YouTube verbraucht eine Menge Traffic. Das muss doch bezahlt werden!

Aber eine Frage: YouTube-Videos abzuspielen verbraucht auch massig Strom, ohne Strom klappt weder T-Entertain noch das iPhone. Was zahlt die Telekom an RWE und Konsorten für den Stromverbrauch ihrer Kunden?

Wozu wir einen Personalausweis brauchen

Der Chaos Computer Club hat 11 Forderungen für ein lebenswertes Netz veröffentlicht. Jetzt kann die Diskussion darum beginnen. Also los – unter Forderung Nummer 8 steht dies:

Auch bestehende Regelungen müssen geprüft werden. Andere Länder kommen ganz ohne Personalausweis aus, etwa die USA und Großbritannien. Wieso brauchen wir einen Personalausweis, zumal einen mit biometrischen Daten und Online-Zugriff der Behörden auf die Ausweisdaten? Wieso darf unser Paß biometrische Daten enthalten? Biometrische Ausweisdokumente mit funkendem Mikrochip sind nicht sinnvoll begründet, daher soll ihre Verbreitung nicht fortgeführt werden.

Gerade die Länder, die auf Ausweise verzichten, haben uns in den letzten Jahren gezeigt, dass dieser Verzicht nicht für eine größere Freiheit und weniger Bürokratie sorgt. Im Gegenteil: So muss man in Großbritannien alle möglichen Unterlagen wie Gas- und Wasser-Rechnungen vorlegen, um beispielsweise die British Telecom von seiner Existenz und Adresse zu überzeugen. Dass dabei erheblich mehr private Daten als mit einem Ausweis offenbart werden, ist unvermeidlich. Und in Arizona wurde grade der Ausweisverzicht ad absurdum geführt: Niemand muss Ausweise bei sich haben, aber wenn ein potenzieller Einwanderer einem Polizisten auf Verlangen keine Visapapiere vorlegen kann, wird er eingesperrt. Auch wenn er gar kein Einwanderer ist. Und das ist nur ein Auswuchs von vielen.

Halten wir fest: ein zuverlässiger Ausweis kann(!) tatsächlich private Daten schützen und staatliche Willkür einschränken. Bleibt die Frage: warum biometrische Daten und was immer der CCC mit „Online-Zugriff auf Ausweisdaten“ meint. Bei einer so geringen Verbreitung von falschen Ausweise wie in Deutschland bestand in meinen Augen nicht wirklich ein Bedarf für zusätzliche Authentifizierung. Während ein E-Ausweis mit nutzerautonom implementierten qualifizierten Signaturen durchaus seinen Reiz hat, sind Fingerabdrücke oder die notorisch unzuverlässigen biometrischen Bilder weder für Komfort, noch für Sicherheit ein Gewinn.

Reception issue

Einige Menschen haben heutzutage Probleme mit dem Empfang, deshalb die Botschaft nochmal hier:

Man sollte keine High-Tech-Produkte am ersten Tag kaufen, bevor die ersten Praxis-Tests draußen sind. Erst dann kann man einigermaßen informiert entscheiden, ob man mit neu entdeckten Mängel – und die gibt es immer und bei jedem Hersteller – leben kann oder auf eine überarbeitete Version warten will. Wer unbedingt ein early adaptor adopter sein will, zahlt fast immer einen Preis dafür.

Die Dummschwätzer-Conspiracy: Rauchen

Ihr wusstet es eigentlich schon lange: es gibt da eine riesige Verschwörung. Wo immer sich ein Thema auftut, bei dem wirklich alle mitreden können – ob es um Fußball-Trainer, Bundespräsidenten oder Casting-Shows geht – gibt es die geheime Übereinkunft, dass jeweils nur die blödesten, plattesten und polarisierendsten Argumente, Behauptungen und Beleidigungen ausgetauscht werden. Und in Deutschland sind zirka 80 Millionen in diese Verschwörung verstrickt.

Beispiel: Rauchverbot. Auf der einen Seite der militante Nichtraucher: Raucher stinken. Auf der anderen Seite der merkbefreite Kettenraucher: Es gibt kein Menschenrecht auf Kneipenbesuch. Direktdemokratie ist toll. Aber nicht hier. Deshalb. Und so.

Blieben wir doch einfach bei den Fakten: In erster Linie hat nicht das absolute Rauchverbot gewonnen, sondern das Hin- und Her der CSU-Regierung beim Nichtraucherschutz hat verloren. Gleichzeitig hatte das Volksbegehren keineswegs peinlich niedrige Wahlbeteiligung – hätten 80 Prozent abgestimmt, wäre das Ergebnis wohl kein anderes gewesen. Das ist natürlich nur ein Annahme, aber ich sehe keine Indizien dafür, dass dem nicht so gewesen wäre.

Versuchen wir es doch einfach mit einem mehr vernunftbasierten Diskurs:

  • Raucher haben nicht mehr Anrecht auf Minderheitenschutz als Opel-Fahrer. Der Eingriff in ihre Persönlichkeitsrechte beschränkt sich darauf, dass sie einmal die Stunde für ein paar Minuten vor die Tür gehen, um ihrer Sucht zu frönen, und dabei anregende Gespräche zu führen.
  • Rauchen ist eine über Jahrhunderte gepflegte Kulturtechnik. Auch wenn Zigarettenrauch karzinogen ist – sprich: für einen langwierigen, qualvollen Tod sorgen kann – ist es nicht etwa so als ob Raucher Strychnin an Kinder verteilen. Jeder Autofahrer sollte wissen, dass er giftige Abgase verteilt, wenn er mal eben um um den Block fährt.
  • Spätestens seit den tieferen Hartz-IV-Debatten kennen wir den Begriff der soziokulturellen Teilhabe: sprich: jeder sollte am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Einschränkungen der persönlichen Freiheiten in öffentlichen Räumen müssen abgewogen werden. Sowohl bei Rauchern, als auch bei Nichtrauchern
  • Viele Nichtraucherschutz-Gesetze funktionierten einfach nicht. Man kann positive Anreize verteilen wie Zuckerwatte auf der Kirmes – und trotzdem können sind plötzlich Nichtraucherkneipen seltener als Fitnessstudios ohne dämliche, nervtötende Dance-Musik. Ebenfalls funktioniert so manche Verbots-Gesetzgebungen nicht. In Bayern schienen so manche Behörden den Vollzug zu verweigern – wohlgemerkt in einem Bundesland, in dem ein Radfahrer tunlichst nicht auf der falschen Seite des Radweges fahren sollte.
  • Auch wenn konservative Menschen ein Problem mit einem „Recht auf Rausch“ haben, insgeheim sind sie doch sehr dafür. Als allgemeines Konzept wird es verteufelt, doch jede Gesellschaft hat ihre offiziellen Drogen. Bei den Liberalen/Libertären ist es das gleiche Problem – nur umgekehrt.

Angewandter Sexismus zur WM

Wenn Du nicht viel Zeit hast – stell Dich nicht beim männlichen Kassierer an. Geh lieber zu der Kassiererin nebenan! Die Schlange mag länger sein, aber ihr liegt das Kassieren im Blut. Und dass mehr als eine Kasse von einem Mann besetzt ist, das kommt nicht vor.

Und: wenn das WM-Spiel läuft, sind Männer nur chirurgisch vom Bildschirm zu trennen. Und sie tragen kein Makeup. Zumindest kein dekoratives.

Das zumindest mag Globus glauben:

Ein Zensus ist nötig

Viel, viel, viel zu spät haben einige Netizens entdeckt, dass es 2011 eine registergestützte Volkszählung geben wird. Und sie haben plötzlich Beschwerden:

  • Wir sehen ganz grundsätzlich die Gefahr, dass diese sensiblen und durch die Volkszählung zusammengeführten Daten z.B. der Aufbau des neuen umfangreichen Adressenregisters aller Gebäude mit Wohnungen nicht dauerhaft sicher sind vor Hacker-Angriffen, Diebstahl, Missbrauch und Datenverarbeitungsfehlern. Nur nicht erhobene Daten sind sichere Daten. Wie Spiros Simitis einmal treffend gesagt hat: “Demokratie zeichnet sich durch Informationsverzicht aus!”
  • Das deutsche Zensusgesetz verlangt die Erhebung von mehr Daten, als von der EG-Richtlinie gefordert. So werden in den Stichprobenerhebungen auch Fragen nach Religionszugehörigkeit und Migrationshintergrund gestellt. Besonders markant sind die dabei nochmals die Fragen zum “Glaubensbekenntnis”, in denen insbesondere Menschen islamischen Glaubens weiter differenziert erfasst werden.
  • […]

  • Fragliche Praktiken der Erhebungsbeauftragen =Volkszähler, die beim Nichtantreffen der zu Befragenden auch die Erlaubnis haben, Familienangehörige, Minderjährige und Nachbarn zu befragen. Von den Volkszählern dürfen auch Informationen darüber erfasst und gespeichert werden, die von und über die Wohnung von außerhalb von öffentlich zugänglichen Plätzen und Räumen aus in Erfahrung zu bringen sind.

Ein buntes Sammelsurium an Kritik, die keinem erkennbaren Schema folgt. So scheint dem „AK Zensus“ noch nicht klar zu sein, ob man denn solche Dinge wie eine amtliche Statistik braucht, die zuverlässiger ist als eine Telefonumfrage.

Wenn man glaubt, man könne ganz darauf verzichten, kann man die „fraglichen Praktiken der Erhebungsbeauftragen“ kritisieren – das Ergebnis ist dann aber auch eine öffentliche Planung, die das Schwarzbuch des Steuerzahlerbundes und die Berichte der Rechnungshöfe anschwellen lässt. Das Planungschaos um die Transrapid-Strecken hat gezeigt: wenn keine amtlichen Daten vorliegen, werden die Zahlen halt passend gemacht.

Das Zitat von Spiros Simitis mag schmissig klingen. Aber es erscheint derzeit eher wie ein Witz, da die griechische Demokratie grade Schlag um Schlag verkraften muss, eben weil die Daten der griechischen Behörden nicht stimmten. Daten per se sind kein Feind der Demokratie, sondern eine Grundvoraussetzung. Wenn eine Steuererhöhung geplant wird, muss man auch irgendeine Ahnung haben, wie viel Geld das denn einbringt, wenn man Kindergarten kostenlos machen will muss man ungefähr wissen, was das kostet.

Sieht man hingegen die Notwendigkeit von amtlichen Statistiken als gegeben an, muss man sich auch mit den Grundlagen beschäftigen. Würde man alleine auf freiwillige Mitwirkung der Bürger bauen, wäre die Qualität der Daten höchstwahrscheinlich deutlich geringer. Wer nimmt sich schon gerne Zeit Formulare auszufüllen? Und wie stellt man sicher, dass man nicht ein Panel von Leuten erwischt, die nicht bestimmte Merkmale überrepräsentieren?

Ohne eine Ahnung von der Religionszugehörigkeit der Bevölkerung kann man auch nicht den – aus meiner Sicht wünschenswerten – Islamunterricht jenseits der Hinterhöfe durchsetzen. Wer eine ungefähre Ahnung bekommen will, sollte einfach mal einen Lehramtsstudenten fragen, welche Umzugspläne er nach seinem Studium hegt. Gleichzeitig hat die Erfassung der Religionszugehörigkeit gerade in Deutschland einen extrem üblen Beigeschmack. Man braucht nicht viel Fantasie um sich sofort an die Judensterne zu erinnern. Der Gesetzgeber hat diese Abwägung getroffen und – soweit ich informiert bin – die Antworten freiwillig gemacht. Muss man anders abwägen, ganz verzichten? Eine schwere Frage.

Meine Meinung: an einem Zensus geht kein Weg vorbei. Durch die registergestützte Zählung und die anschließende Löschung der Daten hat der Gesetzgeber wesentliche Voraussetzungen geschaffen, die die informationelle Selbstbestimmung nicht allzu sehr einschränken. Sicher kann man noch einiges verbessern – gerade bei der IT-Infrastruktur und den Zugriffsrechten muss Klarheit herrschen. Und ich verstehe auch nicht, warum bei Wohnungen das Vorhandensein einer Badewanne abgeglichen sein muss.

Dennoch: Fundamentalopposition ist falsch. Um das längst beschlossene Gesetz noch irgendwie nachzubessern müssen die Netizens noch viel, viel Arbeit leisten – jenseits der empörungsfördernden Öffentlichkeitsarbeit. Erst müssen die Grundlagen geklärt werden und dann fundierte Verbesserungsvorschläge gemacht werden.

P.S. Datenbrief

Hal Faber hat meinen Vorschlag eines Datenbrief-Kompromisses aufgegriffen:

Noch steckt der Text des CCC-Mitgliedes Frank Rieger hinter einer Paywall, doch das Konzept des Datenbriefes, das er im Blatt noch einmal erläutert, soll einen Weg ins Bundesinnenministerium gefunden haben. Natürlich gibt es Spötter, die diesen Brief für ausgemachten Schwachsinn halten. Wenn der Datenbrief dabei hilft, dass sich Firmen Gedanken darüber machen, ob man nicht mit ein „bisschen weniger Suchgenauigkeit oder etwas wilderen Buchempfehlungen“ leben kann, ob man auf Daten verzichten kann, weil die Auskunftskosten und das Drumherum die Sache nicht wert sind, dann hat er sich schon gelohnt und war das Nachdenken über eine solche Konstruktion, sein Porto wert.

Nun, eigentlich zielte mein Spott eher auf Gremien, Kompromisse und der Kreativität der werbetreibenden Wirtschaft. Aber mal im Ernst: Ich halte den Datenbrief in der Realität für nicht durchsetzbar und – sofern man sie denn wirklich umsetzen wollte – eine schlechte Idee dazu.

Richtig gut ist der Datenbrief als Kampagnenidee: plakativ, sofort einsichtig und er jagt der Industrie einen gehörigen Schrecken ein. Wenn am Verhandlungstisch nicht mehr nur in dreißig Jahren Behördeneinsatz zerschlissene Datenschützer und die Funktionäre des Geschäftsbetriebs sitzen, ist das zu begrüßen. Neue Ideen sind gefragt.

In der Realität jedoch wäre ein Datenbrief, wie er bisher vom CCC skizziert wurde, in meinen Augen verheerend. Denn die oben skizzierten Ziele würden nicht erreicht, eher im Gegenteil.

  • Die Bösewichter der Branche, die sich hinter Briefkästen in Liechtenstein verstecken oder alle halbe Jahre einen neuen Namen haben, wären durch den neuen Datenbrief nicht zu erreichen. Ich habe in den Vorschlägen bisher nichts gesehen, was über die bestehenden Gesetze hinaus ginge, um diesen Kreis der Datenschleudern zu erfassen.
  • Für den Kleinhändler ist es aber sehr wohl ein Problem. Gesetzlich ist er zur mehrjährigen Speicherung von Rechnungsdaten verpflichtet, die Laufkundschaft des Internets belästigt er in der Regel nicht weiter. Wenn man einem Kunden einmal eine Druckerpatrone für zehn Euro verkauft hat, fällt das Porto für einen Datenbrief schwer ins Gewicht. E-Mail ist da leider keine Lösung – denn um eine Software zu installieren, die diese Aufgabe allein erledigt, werden wohl ein paar Hundert bis Tausende Euro fällig. Noch kann man ohne Lexware und SAP Dinge verkaufen, mit dem Datenbrief wäre das schon erheblich schwerer.
  • Folge: statt selbst zu kaufen, bedient man sich der Plattform-Anbieter wie Amazon oder Ebay, die zentralisiert die Daten der kleinen Händler erfassen und dann auch zentralisiert die Datenbriefe versenden könnten. Folge: Statt auf Suchgenauigkeit zu verzichten, hätten Amazon und Ebay plötzlich viel mehr Kundendaten in ihren Datenbanken. Und das ganz legal.
  • Der Gesetzgeber hat ein geübtes Händchen dafür, einfache Sachverhalte in furchtbar komplizierte Gesetze zu gießen. Hier eine Ausnahme für Kleinhändler mit bis zu 149 Datensätzen, dort das Medien-Privileg, das auch die GEZ nutzt, dort der Katalog mit den zu übermittelnden Daten, die so gar nicht zur Praxis der Händler passt – und schon haben wir ein Ungetüm, das in erster Linie Arbeitsbeschaffung für die Abmahnindustrie ist.
  • Datenschutzbewusstsein mit Dutzenden, Hunderten oder gar Tausenden standardisierten Nachrichten fördern zu wollen ist ein Ansatz, der sich ebenfalls ins Gegenteil verkehren kann. Heute schon bekomme ich pro Online-Kauf in einem neuen Shop drei bis vier E-Mails. Eine fünfte, sechste und siebte E-Mail werde ich schlichtweg nicht lesen. Datenschutz wird damit so lästig wie das Kleingedruckte in den Verträgen. Datenschutz? Ach, lass mich damit doch in Ruhe!

Lange Rede, kurzer Sinn: der Datenbrief ist ein prima Mittel, um sich an den Verhandlungstisch zu begeben. Wenn man vom Verhandlungstisch aufsteht, sollte aber alles andere als ein Datenbrief das Ergebnis sein.

Datenbrief-Kompromissvorschlag

Einzug in die Realpolitik: Die Datenbrief-Idee des Chaos Computer Clubs wird ernsthaft beraten:

Noch gibt es keine konkreten Pläne, das vorweg. Gleichzeitig aber wirkt es, als sei man auf dem Weg zu einem Kompromiss, mit dem viele leben können.

Wie könnte so ein Kompromiss aussehen? Ich habe da so eine Idee:

Sehr geehrter Herr Mustermann,

nach dem NzDBDA-Verordnung vom 11.11.2010 sind wir verpflichtet Ihnen folgende Mitteilung zu machen.

Zum Stichtag 1.1. 2012 haben wir folgende Daten von Ihnen gespeichert:

Max Mustermann
Musterstraße 33
12345 Musterhausen

Geburtsdatum: 13.5.1975
Facebook-Profil: Pervertsexboy55
Käuferprofil: enthusiastischer Technik-Fan

Ihre Käufe im Kalenderjahr 2011:

ACHTUNG ACHTUNG: DATENRABATT

  • Eine DESIGNER-USB-Taschenlampe für 32,95nur 14,95 Euro (Bestellnummer DD1313)
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Und wer in geistiger Umnachtung bei der auf bild.de beworbenen „Volks-Umfrage“ mitmacht, bekommt diese Briefe ganze 62 Mal. Jedes Jahr.

Gewöhnt Euch dran!

Am Rande der re:publica hatte ich ein sehr interessantes Gespräch mit Edward Hasbrouck, der mir einen beunruhigenden Ausblick in die Zukunft gab. Grundthese: Es gibt keine Flugzeuge, die mit alternativen Energien fliegen. Wenn die Erdöl-Preise steigen, wenn eine angemessene CO2-Steuer durchkommt, wird nicht nur die Zeit der Billigflieger vorbei sein – das Reisen per Flugzeug wird zum absoluten Luxusgut.

Wir erleben grade, wie ein paar Tage Flugausfall wie der Untergang des Abendlandes gefeiert werden: eine Kanzlerin im Bus, Kondensstreifen, Milliardenschäden nicht nur für die Luftfahrtunternehmen. Stellt Euch vor, das wird zum Dauerzustand. Was wird aus Hawaii, wenn der Massentourismus nicht mehr ein paar Tausend Meilen überbrücken kann? Was wird aus philipinischen Gastarbeitern, die sich keinen Heimflug mehr leisten können? Wann wird das Wort „Fernbeziehung“ zu einem beschönigenden Wort für „Zölibat“?

Auf der anderen Seite: Flughafen-Hopping wird unbezahlbar. Wenn wir also in die USA reisen, dann fliegen wir nicht zurück bevor der Jetlag abgeklungen ist, sondern bleiben mindestens drei Wochen da. Und die Schiffsreise wird zur Norm, das leicht wogende Unterdeck zum neuen Lebensraum, die Reise zum nächsten Kontinent wird selbst zum achten Kontinent.