E-Brief statt De-Mail?

Eben kam in den WDR2-Nachrichten ein kurzer ericht über De-Mail. Letzter Satz der Meldung:

Die Kosten lägen aber unter denen eines normalen Briefes.

Das ist einer der Schlüssel zu der Diskussion: Die Ministeriums-Kopfgeburt De-Mail kann nicht mit der E-Mail konkurrieren, sie ist aber immer noch schneller und billiger als ein Brief. Vielleicht hättte man das bei der Namensfindung berücksichtigen sollen: ich fände „E-Brief“ viel treffender.

BILD meint: „Tatort Internet“ gucken!

„BILD“ hat mal wieder die Bundesjustizministerin zum Verlierer des Tages gemacht:

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (59, FDP) sieht weiterhin keinen Grund, Daten von Online­Kriminellen wie Kinderschändern zu speichern. In einem Papier für die FDP-Fraktion bestreitet sie Sicherheitslücken, widerspricht insoweit auch dem Bundeskriminalamt (BKA).

BILD meint: „Tatort Internet“ gucken!

Was BILD und wohl auch „Tatort Internet“ nicht erwähnt: Mit der Vorratsdatenspeicherung werden keineswegs nur Daten von „OnlineKriminellen“ gespeichert, sondern auch die von „OnlineOpfern“, von „OnlineZuschauern“ und auch von „OnlineIrgendwem“. Kurz gesagt: von jedem.

An anderer Stelle titelt BILD: Kinderschänder beschimpfen Stephanie zu Guttenberg und blendet dabei jede legitime Kritik an der Sendung aus. Alleine ein Satz-Zipfel der „Südeutschen Zeitung“ hat es in den Artikel geschafft:

Auf einschlägigen Seiten warnen sich Pädophile gegenseitig: „Gebt Obacht, wenn ihr euch in der nächsten Zeit verabredet!“ Andere jammern: „Sind wir wirklich solche Monster?“ Oder fühlen sich wie Juden diskriminiert: „Irgendwann bekommen wir ’nen Stern auf die Brust.“

Das sieht die „Süddeutsche Zeitung“ offenbar ähnlich. Das Blatt attackiert besonders Stephanie zu Guttenberg. Deren Einsatz gegen Kinderschänder habe „die Lynchmobs des Ku-Klux-Klan“ zum Vorbild, heißt es dort. Die Ministergattin wecke einen „gefährlichen Volkszorn“ gegen erwachsene Männer, die mit 13-jährigen Kindern Sex haben wollen.

Was der SZ-Autor Adrian Kreye schrieb, findet man hier:

Das Bedenkliche an der Sendung ist, dass unter der Schirmherrschaft einer Ministergattin ein gefährlicher Volkszorn geweckt wird. Demokratie und Rechtsstaat stellt Tatort Internet prinzipiell in Frage. Sie wolle die laschen Gesetze verschärfen, betonte Frau zu Guttenberg in der Sendung immer wieder. Man solle endlich unsere Kinder schützen, fordern die Einspieler im Alarmton. Das sind berechtigte Anliegen. Doch vielleicht sollte sich Stephanie zu Guttenberg bei ihrem Einsatz für unsere Kinder lieber ein Vorbild bei der Präsidentengattin Eleanor Roosevelt nehmen, die sich für Mütter und Kinder in Parlament und Regierung stark machte, als bei den Lynchmobs des Ku Klux Klan. Demokratie und Bürgerwehr bleiben ein Widerspruch.

Beruf: Opfer

Ich habe eben aus Versehen die heute-Nachrichten im ZDF angeschaltet. Dass die „Deutschenfeindlichkeit“ als Top-Thema angeteasert wurde, ließ mich verharren. Was dann über den Bildschirm flimmerte, war zutiefst kurios.

Als Vorzeige-Beispiel für die Deutschland-Feindlichkeit dient „Domitian E.“. Als nur einer von zwei deutschstämmigen Schüler in einer Klasse voller Muslime Ausländer Mitschülern aus fremden Kulturkreisen wurde er diskriminiert, wechselt in den Herbstferien die Schule.

Screenshot: ZDF.de

Ob das Bild von ihm in einer national ausgestrahlen Nachrichtensendung mit der Bauchbinde „Opfer“ zu seinem neuen Schulerfolg beitragen kann, wage ich zu bezweifeln.

New York 21 fällt aus

Gigantische öffentliche Verkehrsprojekte kann man einfach nicht stoppen. Oder etwa doch?

The largest public transit project in the nation, a commuter train tunnel under the Hudson River to Manhattan, was halted on Thursday by Gov. Chris Christie of New Jersey because, he said, the state could not afford its share of the project’s rising cost.

Then, reinforcing his reputation for audacity, the governor called on the senators who had secured the $3 billion in federal money for the tunnel to try again, for a less costly project.

Bedingungsloses Grundgehalt

Was verdient man so als Deutschlands prominentester Manager-Export? Wir wissen es zumindest ungefähr:

Ex-SAP-Chef Léo Apotheker wird an der Spitze des Computerkonzerns Hewlett-Packard üppig entlohnt. Er wird in den ersten zwei Jahren ein Grundgehalt von 1,2 Millionen Dollar beziehen, wie aus einer HP-Mitteilung an die US-Börsenaufsicht SEC hervorgeht. […] Die jährlichen Bonuszahlungen können zwischen 200 und 500 Prozent des Grundgehalts betragen.

Ich bin wahrhaftig kein Sprachpapst, aber wenn der Bonus mindestens 200 Prozent des Grundgehalts beträgt, dann würde ich sie zum Grundgehalt zählen. Sie werden ja offenbar ohne weitere Bedingung ausbezahlt und sie können die Schwelle von 200 Prozent selbst bei schlechter Leistung des Managers oder Verlusten des Unternehmens nicht unterschreiten. Neben seinen Umzugskosten von 2,9 Millionen US-Dollar, dem Antrittsbonus, den Aktienoptionen im Wert von 50 Millionen Dollar und sonstigen Vergünstigungen wie Management-Versicherungen kassiert Apotheker also 3,6 Millionen US-Dollar Grundgehalt.

Auch mal hinlangen

  • Wenn der Kleine sich gar nicht mehr beruhigt und die Leute im Supermarkt schon gucken;
  • wenn ein Kumpel Deine Freundin angräbt und auch noch damit anzukommen scheint;
  • wenn das gegnerische Team viel zu hart spielt und der Schiri sowieso nicht guckt;
  • wenn die Leute von den Bäumen gar nicht mehr loslassen wollen, obwohl man es Ihnen Hundert Mal gesagt hat und alles seinen geordneten demokratischen Weg ging,…

…ja, was macht man dann? Da muss man auch mal hinlangen dürfen.

Wäre sonst auch noch schöner. Ich meine: wo kämen wir sonst auch hin?

Bundespräsidiale Medienkompetenz

Prüfen, abwägen, auch mal etwas weglassen, weil sich die gute Story am Ende doch als lahme Ente erwiesen hat – das sollte selbstverständlich sein, nicht nur für Nachrichtenagenturen. Früher hatte man noch Zeit bis in den Abend, heute hat man nicht mal mehr Sekunden. Das stellt besondere Anforderungen an den bezahlten Journalismus, der eine Zukunft braucht, weil wir uns auf ihn besonders verlassen müssen.

Denn gerade in Zeiten der Nachrichtenflut brauchen wir Profis, die das Wichtige vom Unwichtigen trennen und das Richtige vom Falschen. Wer überprüft, verliert Zeit, aber die Häufung von Fehlern und Dementis untergräbt Vertrauen und macht den Profijournalismus dem Laienjournalismus dann doch zu ähnlich. Damit gefährdet man die eigene Existenz.

Wir brauchen Orientierung im immer dichteren Gestrüpp von Meldungen, Mutmaßungen und Meinungen. Wir brauchen Journalisten, die Verantwortungsbewusstsein zeigen, denen wir vertrauen können, die verlässlich und glaubwürdig sind. Wir brauchen Kontroversen, Konflikte und Kritik. Aber keine Verletzungen, Verspottung, Verachtung. Wir brauchen Medien, die zuspitzen. Aber nicht, um damit jemanden zu erstechen.

Adam Soboczynski hat scharfsinnig zur Entgegensetzung von Moral und Politik formuliert unter der Überschrift "Die Medien unterstellen der Politik notorisch Verlogenheit. Damit werden sie mitschuldig an deren Niedergang". Wir brauchen Medien, die Vorgänge und Zusammenhänge deutlich machen, die aufklären, welche Einflüsse und Kräfte in der Gesellschaft wirken, damit alle auf der Basis verlässlicher Informationen diese Gesellschaft mitgestalten können.

Diese Verantwortung ist heute, gerade mit Blick auf die Komplexität von politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen und mit dem Druck, unter dem viele Entscheider heute stehen, größer als jemals zuvor. Deswegen brauchen wir Medien, die neue Formen der Qualitätssicherung – quasi eine ISO-Norm – entwickeln, um auch für sich die Zukunft zu sichern und wir brauchen eine intensive Debatte darüber, wie man es schafft unter dem Druck, dem Sie ausgesetzt sind, den nach wie vor gültigen Qualitätskriterien Rechnung zu tragen.

Bundespräsident Christian Wulff bei der Eröffnung der neuen dpa-Zentralredaktion.

Geben Sie Gedankenfreiheit, Sire

Mathias Döpfner, Axel Springer AG:

Ökonomische und publizistische Unabhängigkeit bedingen einander. Nur wenn das wirtschaftliche Fundament der Medienhäuser langfristig in Takt bleibt, nur dann wird es langfristig wirkliche Freiheit der Information, also: Meinungsfreiheit und Gedankenfreiheit, geben. Und nur dann werden die Suchmaschinen langfristig etwas zum Suchen haben und das Netz langfristig etwas zum Vernetzen haben.

Mehr dazu bei Heise.

Ganz unrecht hat er nicht!

Ein Satz, den wir in den letzten Wochen besonders häufig hören: „Ganz unrecht hat er ja nicht“. Doch eins wird dabei übersehen: um ganz und gar unrecht zu haben, muss man sich schon sehr anstrengen.

Nehmen wir zum Beispiel das Lied von Pipi Langstrumpf in deutscher Übersetzung:

Zwei Mal Drei macht Vier
Widdewiddewitt und Drei macht Neune

Die Rechenschritte (2*3 und 4+3) sind falsch, aber das Endergebnis stimmt. 2*3 + 3 = 9. Ganz unrecht hat Pipi also nicht. Möchte man sie dennoch seine Steuererklärung machen lassen? Ich glaube nicht.

Ganz unrecht zu haben ist ein Kunststück. Und so unnötig. Meist reicht es aus, wenn nur einer von 100 Fakten falsch ist, um die 99 übrigen zu entwerten

Letzte Behauptung hab ich zwar erfunden, aber ganz unrecht hab ich damit ja nicht, oder?

Instant Off

Das ist also Google Instant: man drückt eine Taste und bekommt schon eine Suchergebnisseite angezeigt. Mit Verlaub: FUCK OFF, Google!

Ich bin vielleicht altmodisch, aber ich benutze Google tatsächlich noch als Suchmaschine. Ich rufe Google nicht auf, um Ebay oder Facebook aufzurufen, wie ich es manchmal bei Mitfahrern im ICE mit wachsenden Depressionen sehe. Für diese Zielgruppe mag das neue Feature gut und knuffig sein. Für mich nicht. Denn ich gehöre zu einer aussterbenden Art: Ich weiß in der Regel, was ich suche.

Google scheint mir das nicht mehr zuzutrauen. Gestern suchte ich zum Beispiel unter anderem mit dem Suchbegriff „Tochter“. Was macht Google? Natürlich meint der allmächtige Algorithmus, dass ich ja vielleicht den Plural „Töchter“ meine und pflastert die erste Ergebnisseite mit Treffern zu, die nicht das sind, was ich suche. Erst wenn ich das Wort in Anführungsstriche setze oder den Suchparameter „+“ verwende, gibt Google endlich das aus, was ich will. Aber nur solange kein Sonderzeichen drin vorkommt – denn dann schaltet Google auf stur und präsentiert mir alles, was irgendwie ähnlich aussehen könnte. Diese Philosophie der wohlmeinenden Bevormundung zieht sich durch viele Angebote von Google.

Ich bin eben mal meine Suchanfragen durchgegangen (in meiner lokalen Browser-Historie, nicht in der Google-Cloud) und habe festgestellt, dass meine Suchanfragen meist aus drei oder mehr Suchbegriffen bestehen. Google kann Glück haben und den dritten erraten, hat es aber in der Regel nicht. Und so bekomme ich halt acht bis fünfzehn Mal Ergebnisseiten angezeigt, die nichts mit dem zu tun haben, was ich finden will. Außer vielleicht, ich suche einen epileptischen Anfall.

PS: Björn Sievers findet das Angebot im Gegensatz zu mir komfortabel und nicht nur das:

Google Instant ist die Pest: für Suchmaschinenoptimierer. Steve Rubel wird da sehr deutlich: “Google Instant Makes SEO Irrelevant”. Mit Instant sieht jeder Google-Nutzer (endgültig) ein anderes Internet. Denn Google sucht nicht nur während der Nutzer tippt, sondern versucht auch zu erraten, was er tatsächlich finden will.

Das halte ich für eine naive Sichtweise. Manche SEO-Techniken werden bei Google vielleicht nicht mehr so gut funktionieren wie vorher – vorausgesetzt die Kundschaft schaltet das tolle Feature nicht gleich ab – aber der SEO-Wettkampf wird ja nur verschlimmert. Derzeit bekommt jeder Google-Nutzer mit „Instant“ ganz oben einen Amazon-Link angezeigt, wenn er nur ein „A“ eingibt – egal was er sucht oder ob er in München oder Seattle sitzt. Und jeder SEO sagt: da will ich hin. Noch schlimmer: sie sagen ihren Kunden: Da wollt ihr hin. Die erste Seite von Google ist wertvoller als je zuvor.

Wenn eine neue „Lady Gaga“-Single rauskommt, werden diese Störenfriede Millionen Seiten zum Begriff „La“ oder „Lad“ ins Netz stellen, vielleicht geht es soweit, dass der nächste Opel Obamo getauft wird und Palm nennt sein nächstes Smartphone „Ip“. Instant on.