Die analoge Gesellschaft

Die analoge Gesellschaft druckt E-Mails aus.

Die analoge Gesellschaft hat Angst vor dem grenzenlosen Internet.

Die analoge Gesellschaft spielt gerne mit Knöpfen.

Die analoge Gesellschaft schreibt Leserbriefe.

Die analoge Gesellschaft redet hinter Deinem Rücken.

Die analoge Gesellschaft steht vor Bauzäunen bei Stuttgart 21.

Die analoge Gesellschaft hat massig Geld.

Die analoge Gesellschaft ist pleite, nicht zukunftsfähig und ohne Ideen.

Die analoge Gesellschaft hat Lobbyisten.

Die analoge Gesellschaft hat Schlagstöcke, Gummigeschosse.

Die analoge Gesellschaft ist so schrecklich ahnungslos.

Die analoge Gesellschaft spielt X-Box, hat iPhones, klickt Facebook und schert sich einen feuchten Kehricht.

Die analoge Gesellschaft schreibt Worte wie „Medienkompetenz“.

Die analoge Gesellschaft guckt Fußball und Tatort.

Todeskrake Facepalm!

Gestern wurde auf der re:publica darüber gesprochen, wie diskriminierend Wörter wie „Internet-Aktivist“ oder „Datenkrake“ gegenüber der Internet-Gemeinde doch sind. Das konnte die „BILD“ natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Wer heute in Berlin seine Brötchen holen geht, wird von dieser Schlagzeile begrüßt:

Sperren und Löschen – warum nicht einfach beides?

Stefan Tomik kommentiert auf FAZ.net zum Ende der Websperren:

Nur einzelne Unionspolitiker blieben bis zuletzt dabei, dass solche Sperren das Löschen der Inhalte an der Quelle hätten ergänzen können. Dafür wurden sie als Ewiggestrige abgestempelt. Dabei hätte nichts dagegen gesprochen, beides parallel zu betreiben. Wenn es jetzt heißt, das Löschen funktioniere schneller als noch vor Beginn der großen Debatte über „Zensursula“, dann liegt das auch an einer verbesserten Zusammenarbeit im Kampf gegen Kinderpornographie, die es ohne diese Debatte wohl nicht gegeben hätte.

Da hat Tomik einen richtigen Halb-Gedanken. Denn eigentlich ist die Frage unvermeidlich: Warum benötigten wir die Debatte um Netzsperren um die internationale Zusammenarbeit zu verbessern? Ich schreibe nun schon seit 10 Jahren zum Thema — und kein Fachmann äußerte je einen Zweifel daran, dass die internationale Zusammenarbeit der Polizeibehörden dringend verbessert werden musste. Die wichtigsten juristischen Hürden waren bereits vor knapp fünf Jahren weitgehend beseitigt: Kinderpornografie war international geächtet und Microsoft vertrieb sogar schon ein Tool um Hashwerte von Missbrauchs-Bildern auszutauschen. Dennoch tat sich wenig.

Stattdessen bauten nach und nach Länder wie Großbritannien, Schweden, Italien in den letzten Jahren ihre eigenen Sperrsysteme auf — und plötzlich war die internationale Zusammenarbeit nicht mehr so drängend. Die Diskussion um Websperren in Deutschland hat enthüllt, dass nicht Mal in Europa ein geregelter Austausch von essentiellen Informationen bestanden hat. Der Erfolg der Maßnahmen wurde nie überprüft. Wenn ein Kinderporno-Ring mit Hunderten und Tausenden Verdächtigen in ganz Europa enttarnt wird, fragt niemand: wie kamen diese Menschen an den Sperren vorbei? Kein Wissenschaftler darf die Sperrlisten ansehen. Die für die britischen Internetsperren zuständige Internet Watch Foundation verweigerte mir gar Auskunft darüber, ob sie jemals eine Seite gesperrt habe, die schon zwei Jahre offline war. Die Botschaft: alles ist in guten Händen. Gehen Sie weiter. Es gibt nichts zu sehen! Und es gibt nichts, womit man Gipfeltreffen oder Fachkonferenzen belasten sollte. Unser System funktioniert jedenfalls prima! Sperren und Löschen? Die Frage stellte sich nicht. Sperren reichte ja schon.

Selbst wenn Websperren keinen negativen Effekt hätten, selbst wenn Staaten das Mittel nicht dazu nutzen wollten ihre Glücksspieleinnahmen oder Staatsdogmen zu sichern, selbst dann ist die Frage zu stellen: haben die Websperren nicht dazu beigetragen, sinnvolle Schritte zu verhindern?

Die nukleare Vernunft des Franz-Josef Strauß

CDU-Generalsekretär Gröhe geht in die Offensive. Nicht die CDU, sondern die sozialliberale Koalition unter Helmut Schmidt habe die Atomkraftwerke nach Deutschland gebracht. Eine historische Tatsache. Und wer hat im Dienste der Vernunft gegengesteuert?

Welt Online: Das ist doch, was viele Ihnen heute vorwerfen: Wenn die Stimmung umschlägt, ändert die CDU über Nacht ihre Politik.

Gröhe: Wir reagieren auf eine schreckliche Katastrophe, nicht auf bloße Stimmungen. Angesichts der täglichen Nachrichten aus Japan wäre es fatal gewesen, rechthaberisch mit dem Kopf durch die Wand zu wollen. Im Übrigen haben schon Franz Josef Strauß und Ernst Albrecht politische Entscheidungen in Sachen Kernenergie verändert, weil sie um die notwendige gesellschaftliche Akzeptanz wussten.

Franz-Josef Strauß, gesellschaftliche Akzeptanz und Nukleartechnik — da fällt mir vor allem ein Kapitel ein: Der Atom-Granatwerfer Davy Crocket, den Strauß damals für die Bundeswehr kaufen wollte. Oder um die Wikipedia zu zitieren:

In der Praxis zeigten beide Antriebe M-28 und M-29 eine geringe Treffergenauigkeit; demnach hätte die Waffe vor allem über die sehr starke Radioaktivität gewirkt: Selbst bei Einstellung auf geringe Sprengkraft produzierte die M-388 eine direkte Anfangsstrahlung mit einer letalen Strahlendosis von über 100 Sievert innerhalb von 150 Metern, und eine ebenfalls meist halb-letale Dosis von etwa 50 Sv innerhalb von 430 Metern.

Auf Grund der Ungenauigkeit der Waffe, der geringen Entfernung der Geschützmannschaften zum Ground-Zero und folglich der nur schwer kalkulierbaren Zugrichtung eines möglichen Fallouts (Radioaktiver Niederschlag), war davon auszugehen, dass die bedienende Geschützmannschaft bei der Explosion des atomaren Sprengkopfes auch schwere Strahlenschäden erleiden könnten. Daher war der Einsatz dieser Waffe lediglich als letzter Ausweg aus einer verzweifelten Bedrohungslage vorgesehen.

Politiker sahen bei der Verwendung der Davy Crockett nicht die Gefahr der Auslösung eines Atomkrieges. Daher wollte unter anderem der deutsche Verteidigungsminister Franz Josef Strauß den Mangel an Soldaten der Sowjetunion gegenüber durch die Davy Crockett ausgleichen. Aus Angst, die Kontrolle über den Einsatz von nuklearen Waffen zu verlieren, verkauften die Vereinigten Staaten keine nuklearen Kleinstwaffen an NATO-Partner.

Lange Rede, kurzer Sinn: im Kampf gegen den Kommunismus hätte Strauß Deutschland notfalls in eine atomare Wüste verwandelt. Keine Politik der verbrannten Erde, sondern eines verstrahlten Landes. Aber anders als beim Starfighter, lieferten die USA einfach nicht. Ein Sieg der Vernunft und der Weitsicht des großen CSU-Vorsitzenden.

Recht auf Vergessen

Jeder One-Night-Stand endet um 9 Uhr. Plus eine Stunde pro Promille. Bitte verlasse die Wohnung, vergiss keine Kleidungsstücke und erwarte bitte kein Frühstück. Ich will mit einem Kater aufwachen und nicht mehr wissen, was passiert ist. Das ist Romantik.Liebe ist keine Ansammlung von Fakten.

Das passiert doch jedem Mal? Nein! Das ist noch nie passiert. Mit Dir stimmt doch was nicht! Aber vergiss nicht: morgen ist wieder alles OK.

Vergesst das Familienrecht. Väter sind eine Illusion. Die unbefleckte Empfängnis dagegen ganz normal.

PS: Vielleicht könnte man das Recht auf Vergessen am einfachsten durchsetzen, wenn man vorher das Recht auf Rausch institutionalisiert.

E10

E10 ist der neue Guttenberg: Jeden Tag neue Schlagzeilen, obwohl es eigentlich so wenig Neues gibt. Die Schlagzeile von Montag ruft aufgeregt „Boykott“ und die Schlagzeile vom Dienstag wundert sich, dass die Autofahrer trotzdem nicht massenhaft E10 tanken und erklärt das Ganze zum „Aufstand“. Aufstände sind gerade sehr angesagt.

Interessantes Detail: Während alle anderen von „Biosprit“ reden, schreibt die taz vom Agrosprit. Bio ist Natur, frisch, gut. Agrar, das ist Überdüngung, Gentechnik und Lebensmittelkonzerne.

Die Hoffnung, dass die Deutschen E10 aus enttäuschtem Umweltbewusstsein massenhaft verweigern, halte ich für haltlos. Wer so denkt, fährt tendentiell eh schon Fahrrad und Bahn. Was ich mich frage: Warum wirbt die Bundesregierung für E10 nicht viel lauter mit dem Argument: „Wir wollen den Gaddafis dieser Welt nicht so viel Geld überweisen“?

Wer sich mit Biosprit auseinandersetzen will und sich dabei unterhalten lassen will, sei an dieser Stelle nochmal die Serie The West Wing empfohlen. In Staffel 6, Folge 13 mit dem Titel „King Corn“ wird die Ethanol-Politik der USA aufs Korn genommen. Die Vorzeichen sind etwas andere, die Politik dahinter jedoch die gleiche wie hier:

Russell: It takes more oil to transport it and fertilize it than we save using it.
Will: Sir, you’re not considering changing the speech?
Russell: Don’t worry, I’m not suicidal.

Guttenberg entpolarisiert

„Nein, das ist nicht zuende“. Als ich am Wochenende auf einer Geburtstagsparty, war, kamen wir natürlich auch auf Guttenberg zu sprechen. Ich gab meinem Gegenüber recht, dass die mediale Berichterstattung nervt — ich gab ihm ganz und gar nicht recht, dass das Thema mit der Rückgabe des Doktortitels erledigt sei.

Was mir auffällt: es gibt kaum jemanden, mit dem man normal und reflektiert zum Thema reden kann. Als der Skandal zum ersten Mal aufkam, erwähnte ich, dass Guttenberg schon früh mit der BILD ins Bett gestiegen sei. Die Antwort verstörte mich schon fast: „Und wenn es so wäre, würde ich es nicht glauben“. Im Gegenzug schicken mir andere Freunde E-Mails mit triumphalen Betreffzeilen „Der Fatzke geht von Bord“. Ist es dem Karneval geschuldet, dass wir keinen Diskurs mehr führen können, der nicht von beiden Seiten ei n Stück Realitätsverleugnung verlangt? Versuchen wir es Mal.

Ja: Guttenberg ist ein politisches Talent. Man mag naserümpfend darüberstehen, aber Menschen für eine Sache zu begeistern ist Teil der Politik. Selbst wenn der Politiker in erster Linie sich selbst als Mission sieht – nur durch einen gewissen Populismus, lässt sich die Gesellschaft auch Mal auf einen anderen Kurs lenken. Der Krieg in Afghanistan hatte schon fast einen Anstrich, als sei dies eine Operation des Bundesverwaltungsamts, Außenstelle Hindukusch. Guttenberg hat es geschafft, den Blick zu den Soldaten zu lenken, er hat es geschafft den Menschen, die wir, beziehungsweise unsere Volksvertreter losgeschickt haben, das Gefühl zu vermitteln gehört zu werden. Und er konnte politische Erdbeben auslösen, wo sie nötig waren. Wer außer Guttenberg hätte die CSU davon überzeugen können, den seit Jahrzehnten immer absurderen Zustand der Bundeswehr neu zu überdenken?

Nein: Guttenberg war in meinen Augen kein guter Politiker. Viel weiter als bis zur Inszenierung ist Guttenberg nie gekommen. Ich glaube nicht, dass er die Bundeswehrreform auch nur ansatzweise organisieren konnte. Er hatte den Respekt der Soldaten, doch was hat das geändert? Die Soldaten beschweren sich darüber, dass sie mit Afghanen zusammenarbeiten müssen, die ihnen vielleicht in den Rücken schießen — woher wissen sie das schon? Guttenberg hat die Soldaten von sich überzeugt, aber nicht von seiner Politik. Er hielt an der Methode fest, konnte aber seinen Untergebenen auch keine Perspektive vermitteln, wo es denn hinführt. Da hört mir einer zu. Aber ändern tut sich doch nichts.

Ja: die mediale Aufarbeitung der Affäre Guttenberg erschien unverhältnismäßig. In Nordafrika wird Weltgeschichte geschrieben und wir kümmern uns nur noch um unseren eigenen Bauchnabel? Nicht nur eine, sondern zwei, gleich drei Wochen lang? Natürlich spielt eine gewisse Missgunst eine Rolle. Teilweise sind es die gleichen Leute, die Guttenberg hochgeschrieben haben, die sich nun über ihn entrüsten. Dass Guttenberg die Bundespressekonferenz vor den Kopf stieß und den Hauptstadtjournalisten beweisen wollte, dass er ohne sie auskäme — das haben sie ihm nicht verziehen. Medien sind Tendenzbetriebe, Journalisten sind Menschen. Und oft auch Akademiker.

Nein: die Journalisten haben Guttenberg nicht abgeschossen. Das war er selbst. Er muss seinen Betrug gekannt haben, hat sich aber bis heute nicht dazu bekannt, er spricht nur sehr vage von Fehlern. Jeder andere Bundesminister hätte eine Woche vor Guttenberg zurücktreten müssen. Stattdessen forderte Guttenberg Solidarität ein, verspielte politisches Kapital, über das er vor zwei Wochen noch überreichlich verfügen konnte. Doch jedes neue Bundestagsgutachten, jedes peinliche Vorschützen der Bundeswehr-Soldaten, kostete reichlich. Auch Politiker sind oft Akademiker.

Ja: natürlich überschütten Gabriel und Trittin ihn mit Häme. Aber wann hat die Opposition schon einmal so eine Einladung bekommen? Mir fällt nur das Ehrenwort Helmut Kohls ein, als der Altkanzler die Bevölkerung vor den Kopf stieß. Ja: Guttenberg die Schuhe zu zeigen, wie es die Ägypter mit Mubarak taten, war in meinen Augen lächerlich. Guttenberg war kein Mubarak, die Demonstranten mussten ihr Leben, ihre Familie nicht riskieren, um ihre Meinung zu äußern.

Nein: Guttenbergs Doktorarbeit ist keine harmlose Schummelei in der Mathe-Arbeit und auch kein schwerer Raub. Es ist einen jahrelanger, kalkulierter Betrug — vermeintlich ohne Opfer. Keinesfalls ein Einzelfall, aber selbst in der Masse werden die Missetäter schnell abgeurteilt.

Nein: Bisher gibt es keinerlei Indiz, dass die Pro-Guttenberg-Gruppen zusammengekauft wurde. GZSZ-Fans versammeln sich bei RTL.de und Facebook hat den Netzwerk-Effekt auf die Spitze getrieben: Gruppen, die viel Zulauf haben, tauchen besonders häufig im Live Feed auf. Auch die enorme Anzahl alleine ist noch kein Indiz für faules Spiel. Zum Vergleich: die Holofernes-Absage an BILD und Jung von Matt erhielt 54000 Facebook-Likes – und konnte nicht eine Woche lang Fahrt aufnehmen. Facebook polarisiert gerne, um Klicks zu generieren.

Länger als ein Sechs-Minuten-Ei

Eine Fage, die ich mir stelle: wieso hält sich die Empörung über Guttenberg länger als die über Dioxin in unserem Frühstücksei?

Guttbye

Ein Erklärungsansatz: wenn wir Ägypten, Tunesien spielen wollen, muss irgendwer der Mubarak sein.

No fly list – the system works

Wie das Schmierblatt metro.co.uk berichtet, hat ein britischer Einwanderungsbeamter Kreativität und Initiative bewiesen:

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@flueke)

Wikipedianer verschenken Millionen

Wikipedia ist keine Demokratie. Ich kann das so oft wiederholen wie ich will – es werden immer wieder Medien finden, die das Gegenteil behaupten. Aber, wie Gründervater Jimmy Wales immer wieder betont: Wissen ist keine Verhandlungssache. Wenn es demokratisch zuginge, wären zum Beispiel historische Darstellungen des Propheten Mohammed längst verschwunden, die Evolutionstheorie wäre nur eine von vielen Hypothesen, wie der allmächtige Gott seinen Plan verwirklichen wollte, Sarah Palin zur Präsidentin zu machen.

Wikipedia ist keine Demokratie, weil die Online-Enzyklopädie dazu viel zu offen ist. Jeder kann sich hinter verschiedensten IP-Adressen und Accounts verstecken – und oft genug tun sie es auch. Tagtägliche gibt es bei Tausenden von Artikeln Streitfälle, die sich nicht auf die Regeln runterbrechen lassen, oder die das teilweise konfuse Regelwerk ad absurdum führen. Ruf nicht nach Abstimmungen, nach Umsturz, sondern Sei Mutig! schrieben die altehrwürdigen Früh-Wikipedianer ihren Nachfolgern ins Stammbuch – und verabschiedeten sich ins Elysium von Berufstätigkeit und höheren Aufgaben.

Wikipedia ist keine Demokratie. Und doch gibt es Wahlen. Und Abstimmungen. Eine kleine Schar von Autoren, die sich dem großen Ganzen verpflichtet fühlen, die von den Entscheidungen anderer genervt fühlten oder die sonst in einem Sportverein wären ohne selbst Fußball zu spielen, kommt immer wieder zusammen, um über den Zukunftskurs und die Herausforderungen die Wikipedia zu bestimmen. Eine dieser Entscheidungen, die zu treffen wäre, ist mir grade wieder ins Auge gefallen.

Seit Jahren steht die Beteiligung an dem METIS-System der Verwertungsgesellschaft VG Wort immer Mal wieder auf der Agenda des Verein Wikimedia Deutschland. Kurz zusammengefasst: Die VG Wort sammelt Geld von uns allen ein, um Autoren für die vielen unbezahlten Verwertungen von Texten zu entschädigen. Bei Wikipedia ist in den vergangenen zehn Jahren eine ganze Menge Text zusammen gekommen, was die VG Wort dazu bewegte bei Wikimedia Deutschland anzufragen, wohin man das Geld denn überweisen könne. Doch es gibt Schwierigkeiten: die Software von Wikipedia ist nicht wirklich zu dem Zweck gerüstet, die VG Wort würde gerne ihre Zählpixel installieren und überhaupt: will man überhaupt bei einem solchen System mitmachen? Für Wikimedia wäre das System lukrativ – schließlich wird auch ein Anteil des Geldes an den Plattform-Betreiber ausgeschüttet.

Nach jahrelanger ergebnislosen Vereinsberatungen wurde nun die Community um Rat gefragt. Obwohl die Umfrage noch bis zum 25. Februar laufen soll, scheint das Ergebnis bisher eindeutig: gerade Mal 12 Befürworter stehen 120 Gegner gegenüber, 16 schwankende Nutzer hätten gerne ein Gutachten zum Thema. Die Statements zum Thema gehen sehr oft ums Prinzip, es geht um Verteilungsgerechtigkeit, Freies Wissen und die Angst, wie das Geld die zuweilen fragile Gemeinschaft der bisher unbezahlten Autoren untergraben würde:

–† Alt ♂ 02:24, 26. Jan. 2011 (CET) Das gierige Funkeln, das stellenweise jetzt schon in einigen Kommentaren aufscheint (was wir damit alles machen könnten!) verursacht bei mir extreme Magenschmerzen. Wenn wir hier Geld fürs Schreiben bekämen, würde sich verdammt viel ändern und es ließe sich wohl auch nicht mehr zurückdrehen.

–Jogo.obb Disk 21:34, 27. Jan. 2011 (CET) Was bekommen die, die im Hintergrund ackern, um zu verhindern das aus der WP ein Müllhaufen wird? Wer bekommt die Vergütung für Autoren bei einem Artikel mit X Autoren? Wer soll prüfen, ob ein Autor wirklich etwas für den Artikel geleistet hat oder ob er bloß ein Stückchen vom Kuchen haben will? Wer sorgt dafür, das nachher nicht sämtliche wichtige Artikel gesperrt werden, dass sich die Admins den Batzen allein verteilen können? Wie werden die Belohnt, die sich um Illustrationen kümmern? Wenn dann müsste das Geld komplett an die Stiftung fließen, das heißt Autoren müssten einer Verzichtserklärung auf ihre Ansprüche zustimmen, das wäre bei 26.715 aktiven Benutzern bereits ein enormer Aufwand, es müssten jedoch auch alle anderen der 1.156.568 angemeldeten Benutzer zustimmen.

–Andys / ☎ 12:54, 29. Jan. 2011 (CET) Ich lehne das geltende Urheberrechtsgesetz eh ab, das in weiten Teilen überholt und hoffnungslos veraltet ist. Da kann ich mich nicht zu dessen Nutznießer machen. Ich lasse mich nicht korrumpieren.

Es wird viel spekuliert über hive minds und verschwörerische Kungelrunden, die geheimen Agenden der Wikipedia-Oberen – METIS ist nur ein Kapitel von vielen, was diese einfachen Erklärungsmuster ad absurdum führt. Natürlich gibt es in der Wikipedia wie in jedem anderen Lebenraum Politik und Intrigen – wer jedoch sich nur auf das konzentriert, was ihm gefällt oder was ihm gerade nicht gefällt, wird Wikipedia nie verstehen.