(Satire)

Udo Vetter berichtet über einen spannenden Fall: Erfolgsautor Bastian Sick (dessen Lebenswerk mir viele Leser-Mails über eingebildete sprachliche Fehler eingebracht hat) prozessiert gegen Google. Kurz zusammengefasst: in den Suchergebnissen war ein satirisch gemeinter Text verlinkt — ohne dass die Satireabsicht in dem „Snippet“ zu erkennen war.

In den USA hat Google News dazu eine eigene Lösung: satirische Beiträge werden mit einem kleinen Hinweis versehen.

Natürlich hinkt der Vergleich. Alle Beiträge von „The Onion“ sind Satiren – im Gegensatz zu dem Ressort auf Welt.de kann ich sogar drüber lachen. Wie wäre es mit einem Kompromiss: Google löscht den Beitrag nicht, sondern versieht ihn mit einem Satire-Tag. Und damit Google nicht den Humorwächter spielen und manuell nachbessern muss, wird der humoristische Gehalt auf ganz welt.de verteilt:

Im nächsten Schritt können die SEO-Profis sich dann über eine nachhaltige Lösung Gedanken machen. So könnte man es zur Pflicht machen, Satire-Beiträge in den Metadaten der Webseite kenntlich zu machen. Ein Ironie-Schild, um jedes Missverständnis auszuschließen.


<meta name="robots" content="Index, Follow"/>
<meta name="humour" content="yes"/>
<meta name="humour-style" content="mariobarth"/>

Panoramafreiheit fürs Web?

Der Bundesgerichtshof hat entschieden: die Bildervorschau in Googles Bildersuche ist nicht rechtswidrig:

In Übereinstimmung mit den Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Bundesgerichtshof davon ausgegangen, dass die Klägerin zwar nicht durch eine ausdrückliche oder stillschweigende rechtsgeschäftliche Erklärung Google ein Recht zur Nutzung ihrer Werke als Vorschaubilder im Rahmen der Bildersuche eingeräumt hat. Der in der Wiedergabe in Vorschaubildern liegende Eingriff in das Recht der Klägerin, ihre Werke öffentlich zugänglich zu machen § 19a UrhG, ist jedoch gleichwohl nicht rechtswidrig, weil die Beklagte dem Verhalten der Klägerin auch ohne rechtsgeschäftliche Erklärung entnehmen durfte, diese sei mit der Anzeige ihrer Werke im Rahmen der Bildersuche der Suchmaschine einverstanden. Denn die Klägerin hat den Inhalt ihrer Internetseite für den Zugriff durch Suchmaschinen zugänglich gemacht, ohne von technischen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, um die Abbildungen ihrer Werke von der Suche und der Anzeige durch Bildersuchmaschinen in Form von Vorschaubildern auszunehmen.

Der alte Streit ist: muss ich mir erst mühsam die Bedienungsanleitung jedes wild gewordenen Bots durchlesen, um das Recht an meinen Inhalten kontrollieren zu können? Warum grast Google einfach meine Seiten ab ohne mich zu fragen? Warum ist der Content-Lieferant in der Bringschuld, warum muss er aktiv werden, wenn Google oder irgendein anderer Suchmaschinenbetreiber über das Ziel hinaus schießt – zumindest aus der Sicht des Urhebers?

Ich sehe da eine Parallele zur Panoramafreiheit. Verkürzt ausgedrückt: so lange ich auf öffentlichem Grund stehe, kann ich jedes Gebäude von außen fotografieren ohne gegen die Rechte des Eigentümers zu verstoßen. Der Eigentümer kann dies verhindern – muss dazu dann aber zum Beispiel eine hohe Mauer um sein Grundstück bauen. Übertragen auf das Web wäre die Mauer dann ein Eintrag in die robots.txt oder eine der JavaScript-Spielereien, die schlechte Webdesigner so lieben.

Zurück in die Realwelt: Die Panoramafreiheit deckt natürlich nicht ab, dass ich durch das Fenster den Hauseigentümer beim Duschen fotografiere. Ich darf auch nicht auf eine hohe Leiter steigen, um ungefragt den Garten hinter dem Haus fotografieren. Ich darf auch nicht eine Webcam auf das Haus richten, um das Kommen und Gehen der Hauseigentümer zu dokumentieren. Sie erstreckt sich nur auf das, was jeder quasi im Vorbeigehen von der Straße aus sehen kann. Wovon der Normalmensch auch ausgehen kann. Kurz: ein minder schwerer Eingriff in die Rechte des Hauseigentümers.

Wo zieht man im Web diese Grenze? Sollte Google statt Einzelbildern – entsprechend der Fassade eines Hauses – immer nur Screenshots der gesamten Webseite zeigen dürfen? Der BGH hat entschieden, die Bilddateien dürfen einzeln behandelt werden. Damit tragen die Richter in meinen Augen der dynamischen Natur des Netzes Rechnung: ein und die selbe Bilddatei kann in Hunderten verschiedenen Zusammenhängen stehen, was bei Hausfassaden ausgeschlossen ist.

Gleichzeitig sind aber auch die Grenzen klar: bei der Vorschau darf es sich nicht um eine 1-zu-1-Abbildung handeln und das Thumbnail muss immer im Kontext der Seite stehen. Nur so kann der Eingriff in die Rechte des Urhebers in meinen Augen so minimal gehalten werden, dass er keiner besonderen Genehmigung bedarf.

Permanent record

Grade auf CNN.com:

The sentence stipulates that if Ellis stays out of trouble for a year, the charges will be sealed and the arrest won’t be on her permanent record.

Wer braucht in einem Jahr noch eine Gerichtsakte oder ein Führungszeugnis, wenn die Details des Falls mit vollem Namen der Angeklagten und Videobericht auf CNN zu finden sind?

Richtervorbehalt

Udo Vetter hat einen Fall vor dem Bundesverfassungsgericht gewonnen. Kurzfassung: Wegen fadenscheiniger Ausdrucke eines Webforums wird die Wohnung des Foren-Betreibers durchsucht, seine Rechner mitgenommen.

Aus der Urteilsbegründung:

Auch aus der mit „T.“ betitelten Abbildung, auf die das Amtsgericht den Tatverdacht maßgeblich stützte, ließen sich keine über bloße Vermutungen hinausgehenden Hinweise dazu entnehmen, ob unter der angegebenen Internetadresse tatsächlich ein urheberrechtlich geschützter Spielfilm mit dem gleichnamigen Titel gespeichert war; in diesem Zusammenhang ist nicht nachvollziehbar, warum in dem Durchsuchungsbeschluss – von dem Landgericht unbeanstandet – der Abbildung ein Hinweis auf ein „Computerspiel“ entnommen wurde, obwohl es sich deutlich erkennbar um die Ankündigung eines Spielfilms handelt.

Zu meiner Kindheit haben ungezogene Jungs an fremden Türen geklingelt und sind weggelaufen. Heute können sie viel mehr Spaß haben. Einfach irgendwen anzeigen und seine Wohnung wird durchsucht, seine Rechner mitgenommen. Überprüft wird der Vorwurf nicht mal im Instanzenweg. Und dass der Durchsuchte bis zum Bundesverfassungsgericht geht, ist ja nicht wirklich zu erwarten. Und selbst wenn – der Streich ist mehr als gelungen.

Transatlantisches Recht

Die StudiVZ-PR ist aufgewacht und beschert uns diese Stellungnahme, die auf der Presseseite von StudiVZ bisher fehlt. Natürlich sind die Vorwürfe aus Sicht von StudiVZ haltlos. Wirklich interessant ist der juristische Teil:

Im Vorfeld von amerikanischen Anwälten von Facebook erhobene Vorwürfe haben studiVZ veranlasst, bereits am Freitag Feststellungsklage beim Landgericht Stuttgart einzureichen. Diese hat das Ziel, von den zuständigen deutschen Gerichten feststellen zu lassen, dass die von Facebook erhobenen Vorwürfe nicht zutreffend sind.

Beide Unternehmen haben einen Punkt. Natürlich war StudiVZ eine Eins-zu-Eins-Kopie von Facebook. Und natürlich ist die Klage von Facebook durch die Konkurrenzsituation im deutschsprachigen Raum motiviert. Jetzt streiten sich beide Parteien darum, vor welchem Gericht sie streiten dürfen. Im Zweifel vor beiden.

Spannend – falls es denn soweit kommt: von welcher Seite werden die Samwer-Brüder und Ehssan Dariani als Zeugen geladen werden?

PS: Es kursiert schon wieder, dass Facebook mit 15 Milliarden Dollar bewertet worden sei. Ob PR-Lüge oder Milchmädchenrechnung – das ist schlichtweg falsch. Microsoft hat einen umfangreichen Deal mit Facebook abgeschlossen, nur ein geringer Teil der 240 Milliardonen Dollar flossen für die winzige Beteiligung am Unternehmen.

Keine Musik, nur Porno

Der EFF freut sich über einen gewonnenen Fall gegen die Musikindustrie. Ein Gericht fand die Beklagten nicht schuldig, obwohl es unstreitig war, dass sie Kazaa installierten und darüber tatsächlich urheberrechtlich geschützte Musik abrufbar war.

Bemerkenswert finde ich die Verteidigung der Beklagten, die aus dem Urteil hervorgeht.

Q: [Y]ou would agree with me that when KaZaA ran on your computer, you were automatically sharing your KaZaA files with anyone who wanted to download them?

[Howell]: Yes.

Q: And this includes any songs that you copied from your own CDs on to your computer that were placed in your KaZaA folder?

[Howell]: No. That should not have ever happened. […] because it should have only been sharing the shared folder
and in the shared folder was pornography and free to the public software, e-books.

Q: And why didn’t you place your music in your shared folder?

[Howell]: Because that’s not where it belongs. It belongs in my music folder.

Andere hätten wohl die Strafe bezahlt, statt zuzugeben, eine Porno-Ordner auf der Festplatte zu haben.

Wir brauchen mehr Anwaltswitze

Demnächst in einem Büro des Landgerichts in Berlin. Am Telefon.


Dönnerwege… Ja, Guten Tag, Herr Anwalt…

Ja, da sind Sie eigentlich bei mir richtig…

Nein. Von dem Vorgang ist mir nichts bekannt. Wie ist denn das Aktenzeichen..?

Eine Berufung sagen Sie? Rechtsmittel fristgerecht eingelegt..?

Nein, hier ist nichts eingegangen. Ich hab die Akte hier…

Ja, wissen Sie – hier ist manchmal so ein Chaos…

Nein, ich glaube, die Frist abgelaufen. Da können Sie leider gar nichts tun…

Ich bitte Sie, das kann doch jedem mal passieren…

Hallo? Hallo?…. Einfach aufgelegt…

Frisch vom Lastwagen gefallen

Manchmal hört man ja von merkwürdigen Urteilen: So entschied das Amtsgericht Pforzheim kürzlich, dass ein Kunde wegen Hehlerei zu belangen sei, da er wegen des günstigen Preises der ersteigerten Ware davon hätte ausgehen müssen, dass die Ware gestohlen sei. Die Empörung war groß: Hatte die Richterin das Prinzip von Startpreis und Endpreis schlichtweg nicht verstanden?

Nun – offenbar ist auch Ebay selbst mit dieser kleinen Unterscheidung überfordert, wenn man diese Anzeige betrachtet: Alle Staffeln der Serie 24 für unter 17 Euro? Das kann ja nur frisch vom Laster gefallen sein.

Ebay 24 Staffeln billig

Man könnte Ebay auch zu Gunsten halten, dass die zuständige Werbeabteilung die deutsche Sprache nur unzureichend beherrscht und die Wörter „alle“ und „jede“ verwechselt hat. Und selbst dann wäre es gelogen: denn zu dem günstigen Preis gibt es höchstens die erste Staffel.

Nachtrag: Atze Schröder

Vorgestern habe ich über die juristischen Auseinandersetzungen über den bürgerlichen Namen des TV-Comedians Atze Schröder berichtet. Die kuriose Situation: Obwohl die Pressekammer des Landgerichts Hamburg dem Comedian eine eindeutige Abfuhr erteilt hat, liegt dort kein Urteil zur Sache selbst vor.

Ein solches Urteil liegt hingegen in Berlin vor. Das Landgericht Berlin bewertet die selbst gewählte Anonymität des TV-Prominenten als höchst schützenswert und hat einem Bremer Zeitungsverlag per Einstweiliger Verfügung verboten, den öffentlich längst bekannten Namen zu erwähnen. Dieser Verlag hat nun die juristischen Waffen gestreckt und will nicht länger gegen das Urteil vorgehen.

Sprich: die Rechtssicherheit wird es auf absehbare Zeit nicht geben, bis sich mal wieder ein Verlag sich entschließt elementare Arbeitsgrundlagen auch juristisch zu verteidigen. Privatsphäre in allen Ehren, aber wenn schlichtweg jeder öffentlich bekannte Fakt mit diesem Argument weggeklagt werden kann, können Journalisten nicht mehr ernsthaft über solche Personen berichten. Denn im Nachhinein kann irgendein Detail eines Berichts ja wieder Grund für Klagen und Einstweilige Verfügungen werden.