Der Boulevard in der Nachbarschaft

Ein Jahr lang war sie medial verschollen – jetzt ist sie wieder da: die BILD berichtet unter Berufung auf „Die Neue“ ausgiebig über Gaby Köster. Zwar weiß das Boulevardblatt nicht wirklich viel, fabuliert aus ein paar Faktenfetzen einen „Liebesurlaub“ zusammen.

Die seltsam lückenhafte Klatschgeschichte ist nicht überraschend – wahrscheinlich mussten die Autoren um Einstweilige Verfügungen herum schreiben. Kösters Anwalt wird es aber nicht allzu schwer haben, neue Verfügungen zu beantragen:

Doch seit der Rückkehr aus dem Urlaub zeigt sich Gaby Köster ganz behutsam wieder in der Öffentlichkeit!

Nachbarn und Passanten in ihrer Kölner Wohngegend erleben eine lebensfrohe Fernsehfrau, die sich nicht versteckt und versucht, die täglichen Angelegenheiten des Lebens ohne Hilfe zu regeln.

Merke: Wenn die Nachbarn jemanden sehen können, ist das für BILD „Öffentlichkeit“. Und wenn man ein Jahr nicht mehr im Fernsehen zu sehen war, ist man eben zu Hause eine „Fernsehfrau“. Mal sehen, wie lange der Artikel dem Blick eines Richters standhält.

PS: Da lag ich wohl daneben: der Artikel ist weiterhin online.

BamS: Echte Deutsche haben keine jüdischen Gene!

Wie so jede große journalistische Story des 21. Jarhunderts fing auch diese in Twitter an: Der Wortwart bemerkte eine merkwürdige Anzeige auf Facebook:

Sind Sie Jude? Genetische Herkunftsanalyse zeigt, ob Sie jüdische Wurzeln haben. DNA-Analyse ab 105.- inkl. Gutachten.

Diese Anzeige führt zum Anbieter Ingenea, der tatsächlich Gentests unter der Überschrift „Sind Sie Jude?“ anbietet. Unter dem Angebot steht dieser Disclaimer:

Ist das Judentum mehr als eine Religion? Gibt es ein „Juden-Gen“?

Nach halachischem Recht ist jüdisch, wer von einer jüdischen Mutter geboren wurde oder zum Judentum konvertiert ist. Die enge Verbindung von Kultur, Tradition, Religion und Volkszugehörigkeit zeichnet das Judentum im Besonderen aus. Es entwickelte sich über die Jahrhunderte eine gewisse genetische Homogenität, die durch einen DNA-Test sichtbar wird.

Ich ertappe mich beim Gedanken: Ariernachweis 2.0? Wenn das der Führer gewusst hätte!

Aber es kommt noch dicker: Im Pressebereich stößt man auf die positive und unkritische Berichterstattung deutscher Medien über Ingenea. So hat sich die Gratiszeitung 20 Minuten bereit gefunden, die hanebüchene genbedingte Vorhersage des Fußball-Europameisters zu drucken.

Die BILD am Sonntag schlägt dem Fass allerdings den Boden aus. Am 25. November 2007 greift der BamS-Autor Helmut Böger eine „Studie“ des Gentest-Anbieters auf und zitiert die Igenea-Geschäftsführerin Inma Pazos:

Die moderne Genetik führt den Rassismus ad absurdum. Denn alle Genanalysen beweisen ohne jeden Zweifel, dass jeder Mensch unzählig viele Wurzeln hat, weil die Urvölker über Jahrtausende gewandert sind.

Die Erkenntnisse aus der Studie fasst Böge so zusammen:

Das Ergebnis ihrer Arbeit ist sensationell: Deutsche Frauen sind wesentlich häufiger germanischer Abstammung als deutsche Männer, und ein Zehntel der Deutschen hat jüdische Vorfahren.

Diese zwei – in meinen Augen höchst zweifelhaften – Informationen haben jedoch die BamS-Redaktion deutlich überfordert. Denn in der Überschrift wird daraus dann dies:

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Merke: Wer jüdische Vorfahren hat, ist zweifellos weniger deutsch sein als Nachfahren der Germanen. Meint zumindest die BamS.

PS: Auch die Berliner Morgenpost macht sich diese Definition vom Deutschen als genetischem Germanen zueigen. Ein Detail fügt die Morgenpost aber hinzu:

Die Firma Igenea wirbt im Internet gemeinsam mit der „Bild“-Zeitung für Gentests zur Bestimmung der Abstammung. Diese Tests kosten je nach Fragestellung mindestens 120 Euro.

Klar ins Dschungelcamp!

Jedesmal wenn ich die BILD sehe, bemerke ich etwas Absurdes. Oder etwas Ekelhaftes. Heute kann ich mich nicht entscheiden, was das wohl ist:

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  • Die absurde Deutung: Die BILD möchte Klar als Kandidat für das Dschungelcamp empfehlen. Mit dem Slogan „Ich bin ein Star holt mich hier raus“ hat er ja schon einige Erfahrungen gemacht.
  • Die ekelhafte Deutung: Auf den Rechtsstaat geben wir nichts, ein paar „aufrechte Bürger“ sollten Christian Klar als Zielscheibe für ihren Hass nutzen. In welcher Form auch immer.

PS: Ich sehe grade – es gibt auch eine juristische Variante: Da der Axel Springer Verlag wohl eh zu Schadensersatz verurteilt wird, will er sich gleich für einen Mengenrabatt bewerben.

Bild.de: Suck this, Welt Online

Wer heutzutage noch aus der schieren Masse der Bildergalerien herausragen will, muss sich schon etwas einfallen lassen. Das kann man auf der einen Seite mit beeindruckenden Bildern erreichen, wie sie The Big Picture zu bieten hat. Das andere Ende der Qualitäts-Skala scheint aber lukrativer zu sein – zumindest scheinen sich mehr Teilnehmer für einen Wettbewerb zu finden, die absurdeste und klickintensivste Bildergalerie in einem redaktionellen Medium zu platzieren.

Für Furore sorgt immer mal wieder PI-Akrobaten von Welt Online, die die Bilderstrecke ohne Bilder wenn auch nicht erfunden, so doch perfektioniert haben. Paradebeispiel für den Klickhunger sind zum Beispiel die einfallslosen bis kurios missplatzierten 333 Fakten über Sex, die selbst als Satire jeden Niveau-Limbo-Wettbewerb gewinnen. Wie will man das noch über- oder unterbieten?

Doch halt! Wir haben die Rechnung ohne die ambitionierten Klickmeister von Bild Online gemacht. Die konnten die Schmach nicht verwinden und setzten dem Ganzen noch eins auf. Statt 333 haben die Bildianer pünktlich zu Weihnachten 666 Fakten über Sex zu bieten. Und das unter der Google-freundlichen URL http://www.bild.de/BILD/ratgeber/gesund-fit/2008/09/08/fakten-ueber-sex/kurioses-ueber-orgasmus-penis-mann-und-frau.html.

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Ein Geniestreich – zweifellos. Und sprachbildend: „Jeden Tag wird auf der Welt etwa 120 Millionen Mal gesext“ – da wird jeder Dadaist vor Neid kubistisch. Und die Symbolik erst. Mir fehlen die Worte.

Bleibt die Frage: Wer macht die 999 voll?

Ist Bild.de das neue NeunLive?

Im Juli hat die die niedersächsische Landesmedienanstalt (NLM) dem Sender RTL die Ausstrahlung der SKL-Show verboten:

Die niedersächsische Anstalt beruft sich darauf, dass die Werbung für öffentliche Glücksspiele im Fernsehen nunmehr untersagt ist. Das sehen die neuen Vorschriften vor, die seit Anfang 2008 gelten. Sie wurden von den Bundesländern verfügt, die das Glücksspiel in Deutschland regeln.

Da die Show ordentlich Geld in die Kassen der Gewinner Länder spülte, gab es einige Rettungsversuche, aber vergebens:

Es wird also, wenn man vom Studiopublikum mal absieht, niemand sehen können, wie Günther Jauch als Moderator dem auch diesmal mit Hellmuth Karasek, Marcel Reif und Katharina Witt wieder prominent besetzten Rateteam in gewohnter Manier Fragen stellt und letztlich den Gewinner von 5 Millionen Euro kürt. Die SKL verspricht aber eine begleitende, redaktionelle Berichterstattung in allen Medien, also Print, TV, Internet und Hörfunk.

Also will kein Sender diese plumpe Werbe-Show ausstrahlen – offenbar konnte niemand ein Konzept überlegen, die Jauch-Show in etwas ähnliches wie ein redaktionelles Format zu verwandeln. Aber zum Glück gibt es Medien, die mit solchen Erwägungen weniger Probleme haben:

Aber keine Bange, bild.de weiß natürlich, was verboten ist, ein Klick führt zu keinem Video-Portal von Springer, sondern direkt zur Webseite der SKL. Das bunte Treiben auf der bild.de ist natürlich knallhart redaktionelle Berichterstattung.

Ob die Nutella-Show bald folgen wird? (bild.de fragt dann vermutlich: „Kevin Kuranyi, hat Nutella Sie zum Fußball-Star gemacht?“).

Lange Rede, kurzer Sinn: Ist bild.de das neue NeunLive – eine Abspielstation ohne spießige Regeln und Gewissensbisse?

Die letzte Instanz: Der BILD-Fotograf

Grade eben habe ich im Pressespiegel von Bayern2 erfahren, dass sich die Münchner Abendzeitung und die BILD auf ihren Titelseiten über den Stinkefinger der verurteilten U-Bahn-Schläger aufregen. „So sieht ihre Reue aus!“ titelt die AZ.

Hmmm – wem mag der rüde Gruß der verurteilten Gewalttäter aus dem Fenster eines Gefangenen-Transports gegolten haben? Der Justiz? Dem Opfer? Bild.de weiß es: die Täter meinten die Fotografen, die sich – da habe ich fast keinen Zweifel – höchst korrekt verhielten und keinesfalls versuchten, die Täter zu provozieren, oder gar deren Familien abzulichten.

Was ich mich frage: seit wann sind Fotografen Teil der Justiz?

Der Kolumbus-Betrug!

Dass BILD-Werbung das Prädikat dumm-dreist verdient, wissen wir ja schon lange. Dieses Exemplar erscheint aber ungelenk:

„Das ist nicht Indien!“ – Okay, das sind vier einfache Worte und dazu kommt ein Ausrufezeichen. Die Überschrift kommt zwar ideellen Analphabeten entgegen, aber als BILD-Schlagzeile ist sei dennoch nicht ganz glaubhaft. Wo bleiben Sex, Crime und Niedertracht? Ich schlage diese Alternativen vor, die es wirklich auf die BILD-Titelseite schaffen könnten:

Wie wäre es mit der ethnologischen Variante?

Nackte Brüste, wilde Tänze – So treibt es die Neue Welt!

Oder Verbraucheraufklärung? Die Exklusiv-Enthüllung!

Der Amerika-Betrug – Ist es doch nur Indien?

Gerne genommen: die menschliche Tragödie:

Die See ist seine Braut – Ehe-Aus für Kolumbus!

PS: Die Bebilderung ist bemerkenswert authentisch, sie passt zu den Standards des beworbenen Mediums: Denn das Bild wurde 400 Jahre nach dem Ereignis aufgenommen, ist romantische Fantasie und keine Dokumentation. Aber da niemand wirklich weiß, wie dieser Kolumbus eigentlich aussah, ist die nicht gekennzeichnete Verwendung eines Symbolfotos ja mehr als legitim.

Schmuddliger gehts immer

Dass die BILD und die Roche nicht das beste Verhältnis haben, ist wohl bekannt. Kurios mutet ein Artikel heute auf der Titelseite von Bild Online an. „Wie viel Porno steckt in Charlotte Roche?“ fragt die Redaktion und untertit(t)elt: „Schmuddel-Buch in der Kritik“.

Das ganze Stück besteht aus scheinbar wahllos zusammengesuchten Kommentaren ungenannter Internet-Nutzer. Kein Neuigkeitswert – nichts. Weiter unten wird es kurios:

Bild.de über das Schmuddel-Buch

Ich kann mich nicht entscheiden. Will da jemand Charlotte Roche niederschreiben? Oder ist das Werbung – auf Porno steht die Bild.de-Kundschaft ja erwiesenermaßen. Oder soll der Button „Mehr Erotik“ unten die Botschaft verbreiten: „Diese Roche mag noch so schmuddelig sein – wir können noch viel, viel schmuddliger„? Oder brauchte die Redaktion nur Platz, um die vertraglich zugesicherten Erotik-Anzeigen in der rechten Spalte günstig zu platzieren?

PS: Das Buch werde ich wohl nicht lesen.

Der Colbert-Pocher-Hitler-Skandal!

He BILD-Zeitung,

da habt ihr mal einen echten Skandal. Der US-Komiker Stephen Colbert hat den deutschen Was-auch-immer Oliver Pocher beleidigt. In Hitler-Pose! Seht es Euch an.

Stephen Colbert in Der Große Diktator-Pose

Und dann fallen da noch so Deutschen-feindliche Sätze wie:

Pocher claims to be a German comedian – but we know there is no such thing.

Behandelt man so seien transatlantischen Freunde? Ich verlange Satisfaktion. Auf der Titelseite! Und lasst Wagner einen Brief schicken! Dann sieht Colbert, dass wir Deutschen von Natur aus Komiker sind.

Und als kleinen Skandal-Booster: Colbert hat seine Gags nicht selbst geschrieben.

PS: Hier ein Beispiel der hohen Kunst des Oliver Pocher: Er verspottet Uri Geller mit einem Toaster! Und das war überhaupt keine Werbung für Geller!! Diese Höhepunkte der Comedy gibt es übrigens in Zukunft auch in Deutschlands führendem Volks-Portal.

PPS: Der andere Torsten hat es auch entdeckt.