Fließbandurteile zu P2P?

Michael Seidlitz macht auf eine interessante Variante der Filesharing-Rechtsprechung aufmerksam. Ein Familienvater wurde von einer Spielefirma auf Unterlassung verklagt, weil von seinem Anschluss aus ein Computerspiel in eine P2P-Börse hochgeladen worden sei. Der verteidigt sich damit, dass er so etwas in seiner Familie ausdrücklich verboten habe und außerdem nur Port 80 an seinem Modem freigegeben habe (was auch effektiv Online-Banking und E-Mail-Clients blocken würde).

Das Landgericht Köln meinte jedoch, dass diese Maßnahme nicht ausreichte, der Mann war schlichtweg nicht sorgfältig genug:

Er hätte auch weiterhin wirksame Maßnahmen zur Verhinderung der Rechtsverletzungen ergreifen müssen. Hierzu war er als Inhaber des Internetanschlusses auch unzweifelhaft in der Lage. So hätte ein eigenes Benutzerkonto mit beschränkten Rechten eingeräumt werden können. Des Weiteren wäre auch die Einrichtung einer wirksamen „firewall“ möglich und zumutbar gewesen, durch die die Nutzung einer Filesharing-Software verhindert werden kann (vgl. auch LG Hamburg ZUM 2006, 661). Auch andere technische Möglichkeiten, wie die Nutzung bestimmter Modems hat der Beklagte nicht dargelegt (vgl. hierzu insgesamt bestätigend, zuletzt, OLG Köln, Beschluss vom 11.09.2009, Az. 6 W 95/09). Der Vortrag des Beklagten, es sei lediglich der Port 80 des Modems freigegeben gewesen, führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis, da der Beklagte nicht hinreichend dargelegt hat, dass diese Freigabe lediglich durch ihn zu ändern gewesen wäre.

Wie sorgfältig das Landgericht Köln den Fall geprüft hat, offenbart auch eine nur flüchtige Lektüre des Urteils:

Am 15.12.2009 um 10:08:14 Uhr MEZ ermittelte die von der Klägerin beauftragte Firma L… AG – nach dem bestrittenen Vortrag der Klägerin -, dass das Computerspiel „R… o…“ durch einen Nutzer mit der IP-Adresse … im Rahmen eines Filesharing-Systems im Internet zum Herunterladen verfügbar gemacht wurde. Hierbei ermittelte die Firma L…, insoweit ebenfalls nach dem streitigen Vortrag der Klägerin, dass aufgrund eines Abgleichs des Hash-Wertes der Originalspielfilm zum Abruf bereit gestellt wurde.

Hiernach hätte es dem Beklagten nicht nur oblegen, den zugangsberechtigten Dritten ausdrücklich und konkret zu untersagen, Musik mittels Filesharing-Software aus dem Internet herunterzuladen.

Aber wer will es den Richtern verübeln, dass sie bei einer solchen Schwemme von P2P-Verfahren ihre Urteile aus Textbausteinen zusammensetzen? Es wäre aber nett, wenn die Bausteine auf den Tatbestand passen.

P.S.: Noch ein schönes Beispiel findet sich bei Anwalt24 um den Urheberrechtsstreit über das Filesharing eines Produktes des Brockhaus-Verlags.

Das Amtsgericht Magdeburg machte mit dem Anschlussinhaber kurzen Prozess: Es gab der Klage der Rechteinhaberin mit Urteil vom 12.05.2010 in vollem Umfang statt (Az. 140 C 2323/09) und verurteilte diesen zur Zahlung von insgesamt 4.128,58 € zuzüglich Prozesszinsen. Der zuständige Richter gab dabei für die Bemessung des hohen Streitwertes eine wenig überzeugende Begründung ab. Er verwies lediglich darauf, dass das Werk hier einer unbegrenzt großen Personenzahl zur Verfügung gestellt worden sei, ohne auf die näheren Umstände des Einzelfalles einzugehen. Hinsichtlich der Schadensersatzforderung in Höhe von über 3.000,- € hatte er keine Bedenken. Es sei aufgrund der Verbreitung an eine unbestimmt große Personenzahl nicht zu beanstanden, dass die Rechtsinhaberin den doppelten Verkaufspreis als Schadensersatz fordert.

4128,58 Euro sind für eine doppelte Brockhaus-Enzyklopädie wahrhaftig günstig. Die 30-bändige Ausgabe kostet immerhin 3270 Euro. Jedoch ging es nicht um diese Luxus-Print-Ausgabe, sondern eine vergleichsweise billige DVD-Ausgabe „„Der Brockhaus multimedial 2006“. Die aktuelle Premium-Ausgabe kostet gerade einmal 99,95 Euro.

Beteiligung um der Beteiligung willen?

Für die SPD-Fraktion ist es ein Schwarzer Tag für mehr Demokratie im 21. Jahrhundert, die Opposition macht einstimmig — wie soll es auch anders sein? — die CDU verantwortlich, Christian Scholz, der sich wohl am ehesten als „18. Sachverständiger“ verdient gemacht hat, sieht den Tag gekommen, an dem die Internet-Enquete baden ging. Was ist passiert? Nun, die “Kommission für den Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechniken und -medien“ hat den Einsatz des Tools Adhocracy abgelehnt.

In Wahrheit ist diese Initiative schon vor Monaten gestorben. Wie ich höre, begründet die IuK-Kommission die Ablehnung damit, dass die Software nicht in Gang gesetzt werden kann, bevor die Enquete-Kommission ihren Zwischenbericht schreibt. Sprich: Selbst wenn ganz plötzlich die gesamte Netzgemeinde plötzlich ihre Leidenschaft für konstruktive Arbeit in politischen Gremien entdecken würde, statt per Twitter darüber zu lästern – in ihrer begrenzten Laufzeit könnte die Enquete-Kommission mit den einströmenden Vorschlägen nicht mehr viel anfangen.

Ein wesensfremdes und kaum erprobtes Tool wie Adhocracy in die Parlamentsarbeit zu integrieren, wäre ein politischer Kraftakt gewesen. Dazu hätte es politischer Schwergewichte gebraucht, die der Enquete-Kommission angehören und sich dieser Lösung verpflichten. Das Tool hätte innerhalb von wenigen Wochen stehen müssen, um irgendeine Traktion zu gewinnen. Zehn Monate nach der Einsetzung der Enquete ist jedoch noch keine greifbare Lösung vorhanden. Es ist nicht mal eine Lösung in Sicht, wie sich die Nutzer identifizieren sollten, um die vorgesehenen Abstimmungen durchzuführen. Nicht die IuK-Kommission hat den Einsatz verhindert, sie haben es schlichtweg offen ausgesprochen: das direktdemokratische Feigenblatt wird nicht kommen.

Man kann nun die CDU und die Bundestagsverwaltung der Verzögerungstaktik beschuldigen, die allein aus dem sinistren Grund den Bürger dumm und machtlos zu halten, die Initiative sabotieren. Doch wer jemals in einer Talkshow mit Spitzenpolitikern war, kennt die Claqueure aus den Orts- und Jugendverbänden, die ihre eigenen Parteikameraden öffentlich hochleben lassen. Ob Vorratsdatenspeicherung oder Websperren – es wären mit Leichtigkeit möglich gewesen Bürger zu organisieren die den Konsens der kleinen deutschen netzpolitischen Gemeinde ablehnen und den vermeintlich sicheren Triumph in eine bittere Niederlage verwandeln. Nein, diese Erklärung ist mir zu einfach.

Was mir bisher fehlte, war die positive Vision von Adhocracy. Ich nutze gerne soziale Tools um Hinweise zu geben, um Fragen zu stellen – doch hätte ich einen relevanten Teil Lebenszeit investiert, um der Enquete-Kommission bei der Erstellung eines Papiers zu helfen, das im Nachhinein umgedeutet und ignoriert wird? Ein großer Teil der Leute, die sich so engagieren, sitzen bereits in der Kommission oder haben einen direkten Draht zu ihnen.

Die Frage, die ich mir stelle: hätte Adhocracy beigetragen, diese Arbeit wirklich nachhaltig zu bereichern? Es gibt einige Gründe, die dagegen sprechen:

  • Nur ein sehr kleiner Teil der Bürger käme mit einem solchen neuen Tool zurecht. Nicht Mal die Piratenpartei schafft es eine wirklich breite Basis zur Mitarbeit in Liquidfeedback zu bewegen – wie sieht es dann erst aus, wenn weniger netzaffine Menschen für etwas arbeiten sollen, was keinerlei konkrete Auswirkungen hat? Letztlich wäre Adhocracy ein Tool für eine sehr kleinen Gruppe von Menschen – diese Gruppe hat aber auch so kaum Probleme, die Sachverständigen zu erreichen.
  • Netzpolitische Fragen sind hoch komplex, wenn man tiefer greift als „Gegen Zensur“ oder „Pro Netzneutralität“. Eine der Aufgaben der Kommission ist herauszufinden: Was bedeuten diese Worte konkret? Und: wie könnte man sie implementieren? Die Anzahl der Beiträge, die dazu pro Jahr erscheinen, kann man bisher ohne Probleme mit einem Fax in die Bundestagsverwaltung schicken.
  • Wenig genutzte Systeme sind anfällig für unfreundliche Übernahmen. Wieder etwas Polemik: Würde ein Esoteriker-Kreis das Bundestags-Adhocracy entdecken, stände nachher im Enquete-Bericht vielleicht ein Kapitel zu Mineralien, die gegen Bildschirmstrahlung helfen sollen.
  • Bestehende Projekte sind nicht ermutigend. Der Showcase von Adhocracy zeigt eine Menge Karteileichen, aber kein funktionierendes Vorzeige-Projekt. Wäre es nicht besser, erst einmal eines der vielen Bürgerhaushalte-Projekte zu implementieren, als direkt im Bundestag anzufangen und darauf zu hoffen, dass es hier schon irgendwie klappen wird?
  • Bestehende Projekte wie Wikipedia oder Mailinglisten zeigen: die Netzcommunity ist prima darin sich gegenseitig zu blockieren. Wenn es darum geht, schwammig geschriebene Manifeste zu unterschreiben oder Millionen auszugeben, ist jeder gerne dabei, es fehlt aber an Leuten, die es auch umsetzen, die Prinzip A gegen Prinzip B abwägen und daraus Konsequenzen ziehen.
  • Die Enquete ist schlichtweg nicht brisant genug: das Abschlussdokument hat keine direkten Auswirkungen auf Realpolitik. Dass die EIDG ein nutzbares Konzept, einen Rahmen, eine gemeinsame Vision hervorbringen wird, glaubt in meinen Augen niemand. Ein Kommission zur Erschaffung warmer Worte. Mit Arbeitsgruppen.

Lange Rede, kurzer Sinn: Mehr Bürgerbeteiligung ist dringend wünschenswert. Das Problem: wir haben derzeit weder wirklich nutzbare Software-Tools noch die gesellschaftlichen Strukturen, die ein solches Experiment ausgerechnet im Deutschen Bundestag zum Erfolg werden lassen können.

Die Grenze zum Überwachungsstaat

Thomas Stadler kritisiert das Eckpunkte-Papier von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger:

Man muss die Diskussion daher anders führen und auf die zentralen Fragen zuspitzen, die lauten: Wollen wir dem Staat erlauben, die Verbindungsdaten aller Bürger – und zwar ohne jeden konkreten Anlass – für längere Zeit zu speichern, damit er anschließend die Möglichkeit hat, diese Daten für strafrechtliche Ermittlungen zu benutzen. Oder wird damit vielmehr die Grenze zum Überwachungsstaat bereits überschritten?

Was mich etwas verwundert, ist die Entweder-Oder-Haltung. Denn wenn wir uns zehn Jahre zurückerinnern in eine Zeit, in der es keine Flatrates gab, war die IP-Speicherung beim Provider zu Abrechnungszwecken Pflicht der Provider — aus Gründen des Kundenschutzes. Schließlich sollte der Anbieter nachweisen können, was er seinem Kunden in Rechnung stellt. Im Mobilmarkt gibt es auch heute keine Flatrates ohne Volumenbegrenzung. Auch hier muss daher gespeichert werden und auch hier kann der Staat Auskunft verlangen. Netcologne nutzt die kurzfristig gespeicherten IP-Daten dazu, Kunden zu warnen, deren Rechner von einer Schadsoftware übernommen wurde. Die Einführung von IPv6 wird das Ganze nochmal wesentlich verändern. Die Grenze, die viele Datenschützer derzeit in den Sand zeichnen, wird rechts und links überschritten ohne dass sich irgendwer daran zu stören scheint.

Die Konzentration auf IP-Adressen verdeckt auch den Blick auf noch brisantere Wunschzettel der Strafverfolger: Bewegungsprofile stehen ganz oben auf der Liste. Für Ermittler mag das furchtbar praktisch sein, auf Anfrage herauszubekommen welche Bürger auch nur in der Nähe eines Tatorts waren. Wenn die Datenschutzbewegung das Thema entdeckt wird wahrscheinlich das Meme wahrscheinlich „Die Fußfessel für alle Deutschen“. Nicht zu Unrecht. Ich persönlich habe kein Zutrauen zu Menschen, die ohne ausreichende Überwachung an gigantischen Datenbanken herumspielen — egal ob sie Beamte oder Mark Zuckerberg sind.

Die widerstreitenden Interessen zu Überwachung und Datenschutz sind kein Paradox, sondern eins der vielen Spannungsfelder der Politik. Umweltschutz oder Arbeitsplätze? Sozialstaat oder Marktwirtschaft? Der Staat kann keine Entweder-Oder-Entscheidungen treffen, er muss sich zwischen den Extremen platzieren. Jedes Grundrecht hat seine Schranken. Ab und an muss man zwei Schritte Abstand nehmen, um zu erkennen, wo das eine Grundrecht aufhört und das nächste anfängt, wie sich ein Gesetz auswirkt. Das hier soll weiß Gott kein Plädoyer für die Vorratsdatenspeicherung sein – eher eine Aufforderung gelegentlich die Perspektive zu erweitern. Wir brauchen eine Diskussion, die sich nicht nur auf den Ist-Zustand konzentriert, die nicht von einem Extrem ins andere umschlägt. Eine Diskussion, die eine Technikgeneration überleben kann.

„Mein Internet“

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus – und so trifft die Ankündigung des CSU Netzkongresses gerade auf Twitter auf freudige und gespannte Erwartung.

Das Programm lässt einiges erhoffen. Nach einer Einleitung durch Dorothee Bär, MdB, Stv. Generalsekretärin der CSU, wird der Parteivorsitzende Horst Seehofer seine Aufwartung machen und eine inspirierende Rede halten. Thema: „Mein Internet“.

Dank der jüngst gegründeten Viralvideo-Abteilung der junggebliebenen bayerischen Volkspartei kann hier schon ein exklusives Preview präsentiert werden.

PS: Des Englisch mächtige Zuschauer können sich den O-Ton ansehen.

<x-pire> is expired

Gerade wird in Berlin vorgestellt, wie sich die Bundesregierung einen digitalen Radiergummi vorstellt. Wie Kristian Köhntopp beschreibt ist das Ganze eine Art DRM, das jedes Mal beim Keyserver anfragt, ob es denn eine Datei anzeigen kann. Ein aus meiner Sicht nicht sehr praktikables Konzept.

Und es ist nicht Mal neu: Bereits 2002 war das Problem mit zunehmendem Alter peinlich oder gar schädlich werdenden Inhalten bekannt. Allerdings konzentrierte man sich damals noch auf e-Mails wie zum Beispiel dieser AP-Bericht zeigt:

In addition to Authentica, Atabok Inc., SafeMessage Americans Inc. and Omniva Policy Systems have systems designed to keep embarrassing or incriminating messages from surfacing years later. In essence, they allow e-mail to self-destruct.

Many of these services can also restrict what recipients do with messages – such as bar them from forwarding, copying or printing email. These digital-rights management tools work much like copy-protection systems being developed for music, movies and e-books.

Der Schwachpunkt des Ganzen:

Even if the self-shredding software disables printing, copying and screen-capture functions, nothing will stop a determined person from photographing the screen or jotting down the information by hand.

Und vor allem: dies waren alles proprietäre Techniken, die voraussetzten, dass Sender und Empfänger das gleiche Produkt zur Ver- und Entschlüsselung benutzten. Es wurde dann auch nichts aus der Idee der selbstkompostierenden E-Mail. Statt E-Mails zu shreddern, shredderten sich die Anbieter selbst — in Rekordzeit.

Aber wartet Mal: eine unpraktische proprietäre Lösung mit staatlichem Stempel? Die Technik könnte doch einfach bei De-Mail eingebaut werden und so die notwendige Marktpenetration erreichen. (Anmerkung: die Prämisse dieses Arguments ist rein hypothetisch. Dass De-Mail jemals eine Marktpenetration erreicht, die irgendwas bewirken könnte, glaube ich vorerst nicht.)

Aber nein, nicht Mal das klappt, wie man bereits 2002 wusste:

Though a 2000 federal law gives electronically signed documents the same legal standing as paper documents, electronic documents can’t be considered equal to paper if senders can shred them by remote control.

Senders get unprecedented powers over decisions normally left to the recipients. So it becomes up to the recipient to go back to the sender to request a paper or permanent electronic copy – and count on the sender’s cooperation.

Wenn man elektronische Botschaften Rechtssicherheit verleihen will, können Selbstvernichtungsmechanismen nicht angewandt werden.

Was bleibt also: eine uraltes Konzept, das sich aus guten Gründen nicht durchgesetzt hat und jetzt auf in einem neuen Bereich angewendet werden soll, der sich noch weniger für die Idee eignet als das vorangegangene Szenario. Denn seien wir ehrlich: wer peinliche Bilder auf Facebook hochlädt, wird nicht gerade viel Energie in Verfallsmechanismen investieren.

Voller Urheberrechtsschutz nur bei Anmeldung?

Die EU-Kommmission hat einen Bericht (PDF) zur „New Rennaissance“ vorgelegt, der sich mit den Erfordernissen an das Urheberrecht im Hinblick auf unser kulturelles Erbe befasst.

There is probably no greater ambition than to perpetuate our rich cultural heritage. It is therefore in full consciousness of our responsibility towards past and future generations and in deep humility that we have approached our mission.

Dass das Titelbild aussieht, als wäre es 1991 mit DeluxePaint auf dem Amiga erstellt worden, lässt wenig gutes über die Zukunftsorientierung des Berichts erwarten. Und tatsächlich: auf Seite 5 wird es schon spannend:

Future orphan works must be avoided. Some form of registration should be considered as a precondition for a full exercise of rights. A discussion on adapting the Berne Convention on this point in order to make it fit for the digital age should be taken up in the context of WIPO and promoted by the European Commission.

„Orphaned works“ sind Werke, bei denen man den genauen Urheberrechtsstatus nicht mehr sicher feststellen kann. Ist der Urheber schon so lange tot, dass man das Werk frei nutzen kann? Ist es gar ein Gemeinschaftswerk? Oder wer sind die Erben, wo kann man die Rechte an dem Werk rechtssicher erwerben?

The Association des Cinémathèques Européennes estimates that 21% of films held in audiovisual archives are orphaned, with 60% of these being over 60 years old. The British Library estimates that 40% of its in-copyright collections are orphan. The ‚In from the Cold‘ report estimated approximately 90% of the photographic record in UK cultural institutions as orphaned.

Ein Vorschlag der Autoren: Im Zweifel zahlt der Lizenznehmer die Tantiemen in ein Treuhandkonto ein, mit dem ein Urheber oder Rechteeinhaber später entschädigt wird. Eine unbefriedigende Lösung: denn welchen Tarif soll man zu Grunde legen und wie lange soll das Geld auf dem Konto vor sich hingammeln?

Eine Lösung für die Zukunft ist nach Überzeugung der Berichterstatter eine Registratur, in der Rechteinhaber sich und ihre Werke anmelden. Der volle Urheberrechtsschutz gilt nur noch für Werke, die registriert worden sind, der Rest geht ins Allgemeingut über.

In order to comply with the norms that exist in intellectual property laws, igitisation requires the clearance of each and every copyright and related right. Therefore mechanisms have to be developed that recognise the rights and interests of the rights holders, but at the same time facilitate the digitisation that in turn will lead to greater innovation and creativity. Given the cost of rights clearance, it is in the public as well as private interest of European society to streamline rights clearance in a manner that is fair and balanced.

Ich bin gespannt, wie das konkret aussehen soll. Zur Erinnerung: Eine solche Copyright registration war in den USA Pflicht, wurde aber durch das Berner Abkommen obsolet. Wenn die EU hier eine Rolle rückwärts macht, bekommt das Copyright wieder mehr einen kommerziellen Charakter anstatt die Verfügungsgewalt des Urhebers über sein Werk zu betonen. Denn egal wie „streamlined“ der Registrierungsprozess sein wird – am ehesten werden sich die Medienkonzerne dieser Möglichkeit bedienen. Sie haben schließlich ausreichend Erfahrung und die Infrastrukturen, die sie eh im Umgang mit Verwertungsgesellschaften benötigen.

Die doppelte Reinkarnation von John Lennon

Die Reaktion auf das Attentat auf die demokratische US-Abgeordnete Gabrielle Giffords warvorhersehbar: das aufgestachelte politische Klima hat den Täter zu seiner Tat getrieben. Und wer hat das Klima so aufgestachelt?

Die hasserfüllte politische Rhetorik der rechten Tea Party und insbesondere Alaskas ehemalige Gouverneurin Sarah Palin seien schuld an einer Atmosphäre, in der verwirrte Menschen wie der verhaftete Schütze Jared L. Loughner zu den Waffen greifen.

Bernd Pickert nennt das in der taz einen „billigen Reflex“, obwohl es Sarah Palin sehr einfach gemacht hat diesen Reflex auszulösen:

Ja, Sarah Palin hat auf ihrer Facebook-Seite eine Grafik veröffentlicht, in der von bestimmten Demokraten gehaltene Wahlkreise mit einem Fadenkreuz zu sehen sind, so auch der von Gabrielle Griffords. Ja, sie hat die republikanischen Abgeordneten in der Debatte um Obamas Gesundheitsreform aufgefordert: „Nicht zurückweichen, nachladen!“

Ein PR-Albtraum erster Güte. Nicht nur ein erschossener Bundesrichter, eine Astronautengattin, ein 9-jähriges Mädchen, das obendrein am 9. 11. September 20102001 geboten worden war. Wer will schon mit diesen Opfern in Verbindung gebracht werden?

Die spannende Frage war also: welchen Spin versucht die maßlose Populistin um die populistischen Angriffe gegen sich selbst abzuwehren? Die New York Times gibt Einblick:

As the nation reacted to the shooting of Representative Gabrielle Giffords and 19 others outside a Tucson supermarket this weekend, former Gov. Sarah Palin of Alaska and Glenn Beck, the conservative radio host, took to e-mail on Sunday to have a conversation of their own.

“I hate violence,” Ms. Palin wrote, according to Mr. Beck, who read what he said were excerpts of their e-mail exchange on his radio show on Monday. “I hate war.”

Die Frau, die das Hobby Großwildjagd aus dem Hubschrauber als Imagekampagne benutzt hat, die immer wieder Krieg gegen dieses Problem oder die Todesstrafe gegen jenen Menschen fordert, ist in Wahrheit ein friedliebender Engel, der halt nicht in Frieden leben kann, weil es dem bösen Nachbarn (also: Russland?) nicht gefällt.

Aber auch Glenn Beck, der in seiner Sendung eine moderne Version der jüdischen Weltverschwörung erstehen lässt, der mit Hitler- und Stalin-Vergleichen um sich wirft, sucht Absolution in dem E-Mail-Wechsel unter Gleichgesinnten:

“Sarah, as you know, peace is always the answer,” said Mr. Beck, reading from an e-mail he sent her. “I know you are feeling the same heat, if not much more on this. I want you to know you have my support. But please look into protection for your family. An attempt on you could bring the republic down.

Es ist als ob das „new tone“ die Empörung über die Gewaltrhetorik übertriebenes Gutmenschentum sei, dass es ganz normal sei, den politischen Gegner nicht nur zu rhetorischen Zielscheiben zu machen.

Lange Rede, kurzer Sinn: die aufgeheizte Debatte, die jedes Maß verloren hat, mag oder mag nicht zu den Morden beigetragen haben. Zu einer Selbstreflexion oder gar Umkehr scheint das tragische Ereignis nicht geführt zu haben.

P.S.: Jon Stewart bringt es Mal wieder auf den Punkt:

It would be really nice if the ramblings of crazy people did’nt in any way resemble how we actually talk to each other on TV.

CCC: Anarchisten mit RAF-Kontakten?

Die niederländische Zeitung Telegraaf hat ein Portrait über den „meesterhacker“ Rop Gonggrijp veröffentlicht, der jüngst wegen seines zeitweiligen Engagements für Wikileaks in den Fokus der amerikanischen Behörden und somit auch in die Schlagzeilen geriet.

Wenig schmeichelhaft ist die Beschreibung seiner Kontakte zum deutschen Chaos Computer Club:

Op zijn twintigste verhuisde Gonggrijp met wat vrienden naar Amsterdam, waar hij in contact kwam met hackers en techneuten binnen de kraakbeweging. Volgens Siebelt kreeg hij in die tijd nauwe banden met Duitse anarchisten van de Chaos Computer Club (CCC), die weer banden hadden met RAF-terroristen. CCC zorgde in 1987 voor grote opschudding met een inbraak in de Amerikaanse NASA-computers. „Een jaar later werd bekend dat een aantal CCC’ers samenwerkten met de Russische geheime dienst KGB om in Amerikaanse computers in te breken”, zegt Siebelt.

Dass irgendwann Mal RAF-Kontakte des CCC dokumentiert worden wären, ist mir neu – ich bezweifle auch, dass es hier wesentliche Verbindungen gab, die über das Triviale hinaus gehen.

Aber wenn es um Wikileaks geht, muss ja irgendwo eine Terror-Verbindung bestehen, oder?

Warum warten, Frau Piel?

Frau Monika Piel macht als turnusgemäße ARD-Intendantin Furore. Sie erklärt zum Beispiel gegenüber der Frankfurter Rundschau:

Man ist offensichtlich von Seiten der Verlage auf dem Holzweg, wenn man journalistische Inhalte kostenlos anbietet. Diese Kostenloskultur kann nicht Ziel führend sein. Das kann für die Verlage nur heißen, man muss dahin kommen, die journalistischen Inhalte zu verkaufen. Da sind kostenpflichtige Apps der richtige Anfang. Bei diesen fühlen sich die Verleger jedoch im Markt behindert. Wenn der Verlegerverband die Apps kostenpflichtig macht, dann werde ich mich auch vehement dafür einsetzten, dass unsere öffentlich-rechtlichen Apps kostenpflichtig sind.

Man muss sich da schon fragen: wo war Frau Piel in den letzten fünf bis zehn Jahren? Denn so lange versuchen schon Medienkonzerne das Modell Free-TV – sagen wir es Mal so – um eine weitere Bezahl-Komponente zu ergänzen. Ob Grundverschlüsselung bei Kabel Deutschland oder bei Astra – der Zuschauer soll zukünftig einen monatlichen Obulus zahlen. Das erste Jahr gibt es gratis, danach kostet „HD Plus“ 50 Euro pro Jahr — ein Fakt, den Pro7 in seinen „Jetzt sind wir viel schärfer“-Werbespots verschweigt.

Ein Bollwerk gegen solche Versuche war bisher ARD und ZDF. Sie sagt seit Jahren: Verschlüsselung gibt es mit uns nicht, unsere Signale sollen frei empfangbar bleiben. Oder in ihren eigenen Worten:

„Das Fernsehen droht, seine publizistische Seele zu verlieren“, zeigte sich ZDF-Intendant Markus Schächter in Berlin besorgt. „Es verlässt seinen gesellschaftlichen Auftrag und hat nicht mehr das Ziel, das Gespräch der Gesellschaft anzustacheln.“ ARD-Generalsekretärin Verena Wiedemann fürchtete gar, dass sich „unsere Demokratie grundsätzlich verändern wird“.

Der Widerstand hatte Erfolg. Wer auf Konservenregale wie „Kabel1 Classic“ oder andere noch unterentwickelte HD-Programme verzichten kann, erhält so mit seinem einfachen Receiver ohne weitere Kosten die zahlreichen ARD-Programme empfangen – egal ob Zimmerantenne, satellit oder Kabel, egal ob analog oder Digital, HD oder Standard-Auflösung. Das öffentlich-rechtliche Programm mag gerade über Weihnachten eine Qual gewesen sein, aber gewöhnlich ist es mehr als ausreichend.

Allerdings sehe ich nicht den prinzipiellen Unterschied zwischen Bezahl-Apps und Grundverschlüsselung. Wenn Frau Piel das eine will, kann sie doch nicht mehr wirklich gegen das andere sein. Wenn also die Verleger mit ihren iPad-Träumen auf dem Markt sind, auf den die ARD so unbedingt angewiesen ist, dann sind es die Privat-Sender erst recht. Ein voll verdongeltes Medien-Vertriebssystem mit Zahlkomponente gibt es nicht nur bei Apple und Google. Wenn also die Bezahl-Apps der Verlage die ARD zu Bezahl-Apps treiben können, dann ist wohl auch die Opposition gegen Grundverschlüsselung hinfällig.

Bisher zahle ich meine GEZ-Gebühr pünktlich und ohne jeden Groll. Sollte die ARD kann mit Kabel-Betreibern, Providern und Satelliten-Services ins Bett steigen, um uns ein zweites Mal abzukassieren, würde ich mir überlegen den TV-Empfänger komplett abzuschaffen. Aber welchen Unterschied würde das machen – ab 2012 ist ja die Haushalts-Gebühr fällig.

Henkel: Negativ-Werbung gegen sich selbst

Seit ich einen digitalen Videorekorder habe, bekomme ich nur noch wenige Werbespots mit. Aber einer erwischte mich dann doch. Die sehr rothaarige Esther Schweins steht lässig-souverän an der aufgeklappten Waschmaschine und sagt in die Kamera:

„Wussten Sie, dass Erdöl die Basis fast aller Waschmittel ist?“

Das Ganze ist eine Werbekampagne für Henkels neues Öko-Waschmittel „Terra“, das auf pflanzlicher Basis entwickelt wurde und eben nicht wie „fast alle“ Waschmittel ist.

Kleines Problem dabei: „Fast alle“ ist vor allem das Produktportfolio von Henkel selbst. Aus dem Konzern stammen zum Beispiel:

  • Persil
  • Spee
  • Weißer Riese
  • dato
  • Perwoll
  • Sil
  • Vernell
  • Pril
  • Somat
  • ATA
  • Biff
  • Bref Power
  • Der General
  • Dor
  • Sapur
  • Sidol
  • Sidolin
  • Sofix
  • WC Frisch

Wer also noch weiter auf das böse Erdöl setzen will, ist bei Henkel gut aufgehoben. Und statt in großem Stil umzuschwenken, etabliert Henkel einen Versuchsballon, weil die Konsumenten halt fast stündlich neue Produkte verlangen. Zieht die Öko-Schiene nicht, bleibt Persil halt wie es ist. Außer dass es jedes Jahr natürlich viel, viel weißer wäscht.