Ich bin leider eben erst bei den Kollegen vom DLF drüber gestolpert: Erich Kästner ist vor 40 Jahren gestorben. Bis heute ist Kästner einer meiner Lieblingsautoren.
Natürlich fing es in Kindertagen an. „Der kleine Mann“ war eins meiner ersten Lieblingsbücher, später kamen „das Fliegende Klassenzimmer“ und „Emil und die Detektive“ hinzu. Ich verstand nicht einmal die Hälfte, was Kästner mit spitzer Feder (oder eher: mit der Schreibmaschine auf der Fensterbank) in seinen Büchern alles unterbrachte. Aber die Geschichten standen für sich und überdauerten die Zeit.
Dass Mädchen Streichhölzer verkaufen und Jungen mit einer Hupe durch die Straßen laufen war für mich als Kind keinesfalls erstaunlich — auch wenn es so gar nicht meiner Lebenswelt entsprach. Zwar war Kästner als Lehrer vor einem Klassenraum gescheitert, doch ein Lehrer ist er geblieben. In einem bedeutend größeren Klassenzimmer, mit seinen Büchern als Tafel. Sein Fach: Menschlichkeit und die Zweifel an derselben.
Später entdeckte ich das Gesamtwerk von Kästner. Seine Arbeit bei der Weltbühne, seine „Gebrauchslyrik“, die Schilderungen aus seinem Leben. Natürlich ging mir seine Schilderung der Bücherverbrennungen nahe, wo er selbst in Berlin betrachtet, wie unter Hassparolen auch seine Bücher in Flammen aufgingen. Wie er sich wegduckt, als er erkannt wird und sich in ein Leben flüchtet, wo man besser die Klappe hält. Und die Todesnachrichten von Freunden zählt.
Den großen Kriegsroman hat Kästner nicht geschrieben. Aber mit „Fabian“ ist ihm schon vorher eine eindrucksvolle Schilderung des Berlins gelungen, das von den Goldenen Zwanzigern in den Terror abgleitet. Fabian, der nur als Beobachter daneben stehen will und dann doch hineingezogen wird in eine verdorbene Welt, in die Heimat flieht und dort sang- und klanglos ertrinkt. Keine Weltliteratur, aber ein für mich sehr eindrucksvoller Blick in die Zeit der Verwirrung, in das Denken von Kästner.
Kästners Texte sind im guten Sinne verkopft. Er wollte verstehen wie die Menschen funktionieren und verpackte diese Erkenntnis in seine Texte. Über das , was er schreibt, hat er lange nachgedacht — auch ein Grund, warum er keine Dialoge schreiben konnte. Alle Charaktere sprechen, als hätten sie ein paar Stunden über den nächsten Satz nachgedacht, an ihm gefeilt und ihn in die rechte Form gezogen. Gleichzeitig lässt uns Kästner an seinem Schmerz teilnehmen, seiner Angst — und an seinen Freuden. Die Verachtung hob er für die Verachtenswertesten auf.
Dies wünsche ich mir auch zuweilen: Einen Schritt zurücktreten, nachdenken und dann die heiteren Seiten des Lebens finden. Mehr Kästner tut uns vielleicht allen ganz gut.