Dr. Leaks – oder: Julian auf der Flucht

Bild.de hat einen neuen Spitznamen für Julian Assange:

Entkommt Dr. Leaks den britischen Behörden?

Das könnte natürlich eine ungelenke Kimble-Anspielung sein. Mich erinnert das jedoch eher an eine Szene aus „The Big Bang Theory“.

Sheldon: Leonard is upstairs right now with my archenemy.
Penny: Your archenemy?
Sheldon: Yes: the Dr. Doom to my Mr. Fantastic, the Dr. Octopus to my Spiderman, the Dr. Sivana to my Captain Marvel…
Penny: OK, I get it, I get it…
Sheldon: You know, it’s amazing how many supervillains have advanced degrees. Graduate schools should do a better job of screening those people out.

Dr. Leaks ist zweifellos der Name eines Super-Schurken aus dem Reich von Batman und Superman. Das Wikileaks-Drama in den Medien kann eigentlich nur noch absurde Züge annehmen.

Or is he…?

Gestern hatte ich mich darüber aufgeregt, dass alle Welt berichtete, Schauspieler Mark Ruffalo sei auf einer terror watch list gelandet. Das war falsch. Nun rollt die zweite Welle durch die Unterhaltungs-Redaktionen. In den Worten von E!Online:

So, are Ruffalo’s boyish good looks and effortless charm simply the world’s greatest terrorist cover-up? Is he really on a watch list? Brace yourselves for the inevitable pat-downs, this rumor is…

So false! If you believe The Man, that is.

Which clearly Ruffalo doesn’t. Either that, or nobody’s bothered to set him straight.

Ja, die Behauptung war Blödsinn. Bin ich durch die Kehrtwende in der Berichterstattung zufrieden? Nein.

Denn zum einen behaupten Redaktionen wie die des Guardian weiterhin dieses moderne Märchen, dass sie aus einem Interview-Fitzel der Zeitschrift GQ zusammengeklaubt haben.

Zum zweiten: auch die gegenteiligen Nachrichten sind weit entfernt von der Wahrheit. Denn Obwohl Mark Ruffalo auf keiner terror watch list und auch in keinem security bulletin verzeichnet ist, gab es in Pennsylvania einen echten politischen Skandal: Mit Staatsgeldern wurde eine Privatfirma beauftragt politische Aktivisten jeder Couleur auszuforschen und als Sicherheitsrisiko zu behandeln. Ein hochrangiger Beamter musste zurücktreten, der Gouverneur wurde gerade auch durch den Einsatz hartnäckiger Reporter in die Defensive gedrängt. Soweit ich es von hier beurteilen kann: eine hervorragende journalistische Arbeit.

Und was macht der Medienzirkus heute daraus? Statt diesen Skandal zumindest zu erwähnen transportieren sie nun einen Drei-Zeilen-Dementi aus dem Philadelphia Inquirer, dass an den Vorwürfen überhaupt nichts dran sei: Ruffalo steht nicht auf der Liste. Es gibt nicht Mal eine Liste. Wir haben keine Ahnung, wo das her kommt, sagt das Department of Homeland Security. Die ersten beiden Aussagen sind soweit korrekt, die dritte in meinen Augen dreist gelogen. Und trotzdem wird das Dementi als unreflektiert weiter verbreitet – zumindest von einem Teil der Medien.

Das Ergebnis: wer die amerikanische Regierung und die Homeland Security nicht leiden kann, kann weiterhin an die top-geheime Terror-Liste glauben, auf der Mark Ruffalo steht. Wer hingegen diese linken Hollywood-Typen nicht leiden kann, glaubt daran, dass Ruffalo sich etwas ausgedacht hat um seinen neuen Film zu bewerben. Die wirklichen Zusammenhänge aber — die mit viel Arbeit transparent gemacht wurden — scheinen hingegen niemanden zu interessieren.