ConTrain zum Stadion

Der Alltag deutscher Fußball-Fans ist mir fremd. Wenn ich diesen Artikel im Kölner Stadtanzeiger lesen, wird mir jedoch die Empörung vieler Fans verständlich.

Wie im vergangenen Jahr werden die Bahnen der KVB von Polizeifahrzeugen bis zum Rhein-Energie-Stadion in Müngersdorf eskortiert. Deshalb ist die Aachener Straße stadtauswärts nur einspurig befahrbar. Kurz nach 14 Uhr ist auch der zweite Sonderzug in Ehrenfeld angekommen. Laut Polizei ist die Stimmung unter den Fußballfreunden vor dem Spiel bisher friedlich.

Wohlgemerkt — das ist Alltag. Spezielle Spürhunde privater Sicherheitsdienste, Sektorentrennung der Fans, Alkoholverbote. Mit Blaulicht werden die zusammengepferchten Fans in ein Stadion gebracht und dann so schnell wie möglich rausgeschleust.

Sind Fußballfans inhärente Gewalttäter, kann man Menschen in Massen nicht trauen? Oder wird der Normalmensch immer mehr zum Störer, zum Gefährder, zum unkalkulierbaren Risiko?

Acht Eskalationsstufen zu viel

Daniel Voelsen hat mit seinen Bemühungen einen Link auf theorieblog.de unterzubringen Schiffbruch erlitten und schildert seine Erlebnisse in neun Eskalationsstufen:

Eskalationsstufe 2: Ich bitte den Admin “ot” darum, mir mit Blick auf mein Argument zu erklären, warum er den Link gelöscht hat. Seine Reaktion: Er verweist mich auf die Diskussion um die Verlinkung eines kommerziellen Angebotes.

Eskalationsstufe 5: Per facebook wende ich mich an die Leser des Theorieblog und bitte darum, sich an dieser Diskussion zu beteiligen. Wenn eine Diskussion verfahren ist, kann es ja nicht schaden, neue Perspektiven dazuzuholen, so mein naiver Gedanke. Doch weit gefehlt. […]!

Eskalationsstufe 9: Mir ist als träumte ich. Als nächstes versuche ich darauf hinzuweisen, dass es sich hier um eine Urheberrechtsverletzung handelt. Vielleicht juristisch nicht 100% wasserdicht, aber wenn man eine Liste 1:1 kopiert, geht das ja doch stark in die Richtung. Doch wiederum falsch gedacht. Nur eine Minute, nachdem ich den Antrag auf Überprüfung der Urheberrechtsverletzung gestellt habe, weist Admin “DerHexer” ihn zurück, Begründung: “Diese Liste hat keine Schöpfungshöhe”.

An sich ganz typische Phänomene bei Wikipedia – der Neuling, der Mal eben eine Verbesserung einbringen will, die erste Begegnung mit Bürokraten, Regelwüsten und undurchschaubaren Abkürzungen, der emotionale Diskussionsmarathon, vermeintliche Sockenpuppen und final der etwas beleidigte Entschluss, die Inhalte aus der Wikipedia entfernen zu lassen.

Was mir auffällt: eigentlich hätte die Diskussion an Stufe 1 zu Ende sein können. Denn wenn man die Verlinkungsregeln von vorne liest, stößt man auf diesen Absatz:

Die goldene Regel der Wikipedia zum Thema Weblinks ist: Bitte sparsam und vom Feinsten. Nimm nicht irgendwelche Links zum Thema, sondern wähle das Beste und Sachbezogenste aus, was im Netz zu finden ist. Fünf externe Links sollten in der Regel zu einem Thema genügen (Belege und Einzelnachweise ausgenommen), im Zweifel lieber einer weniger. Wikipedia ist ein Projekt zum Aufbau einer Enzyklopädie und keine Linksammlung.

Fünf Links müssen reichen – eigentlich eine klare Ansage. Dass die Professuren zum Thema im deutschsprachigen Raum für Wikipedia mehr von Belang sind als die bereits vorhandenen sechs Weblinks (sic!) im Artikel über Politische Theorie und Ideengeschichte. Klar: die Grenze ist relativ willkürlich festgelegt. Aber vor ein paar Jahren gab es eine lange und engagierte Diskussion zum Thema – und so hatte die Community entschieden.

Warum wurde dieses Argument nicht zuallererst vorgebracht? Ist die Fünf-Links-Regel wieder abgelaufen? Haben Community-Beschlüsse aus der fernen Vergangenheit (Wikipedia ist nicht Mal 10 Jahre alt) keine Durchsetzungskraft mehr? Kann man sie einem Neuling nicht vermitteln?

Bildungsfern

„Bildungsferne Schichten“ ist ein schrecklicher, ein zynischer Ausdruck. Als ob es einen Teil der der Bevölkerung gibt, der verloren ist. Den man nicht mehr retten kann, der sich schon viel zu weit entfernt hat. Vater und Mutter waren schon so – also geben wir dem Kind auch einen Tritt. Damit es da bleibt, wo es hingehört.

Nennen wir sie doch einfach: MySpace-Nutzer. Wer-kennt-wen-ler. Abmahn-Opfer. Internet-Ausdrucker.

Die Presse ist gar nicht so

Nachdem Jon Stewart unter anderem den Medien am Wochenende so phänomenal die Leviten gelesen hat, fühlen sich einige Medienvertreter zu Unrecht angegriffen.

So schreibt David Carr in der New York Times:

So instead the host of “The Daily Show” took steady aim on the one American institution that everyone can agree to hate: The Media. Within the first minute of his deft, very articulate stump speech at the end of the rally, Mr. Stewart turned his gun sights on the, um, fake news, which he called, “the country’s 24-hour political pundit perpetual panic conflictinator,” which, he added, “did not cause our problems, but its existence makes solving them that much harder.”

Dem mag sich Carr nicht ganz verschließen — er sieht die Prioritäten aber falsch gesetzt. Schließlich haben Medien doch nur einen so beschränkten Einfluss:

But here’s the problem: Most Americans don’t watch or pay attention to cable television. In even a good news night, about five million people take a seat on the cable wars, which is less than 2 percent of all Americans. People are scared of what they see in their pay envelopes and neighborhoods, not because of what Keith Olbermann said last night or how Bill O’Reilly came back at him.

Warum also hat Jon Stewart die Medien attackiert? Sie sind – so argumentiert Carr – willkommene Sündenböcke für eine Realität, die den Menschen nicht gefällt. In dem Jon Stewart die pundits beschimpfte, musste er nichts über Arbeitslosigkeit, Staatsschulden und Kriegen sagen.

His barrage against the news media Saturday stemmed from the fact that, on this day, attacking the message would have been bad manners, so he stuck with the messengers.

Ähnlich argumentiert Hamilton Nolan bei Gawker:

The media does not have the power to convince liberals or conservatives that their position is incorrect. The media does have the power to do this: draw a box, and say, „This box represents the boundaries of acceptable opinions.“ The boundaries of this box are arrived at by sampling a small range of politically acceptable pundits—say, from Arianna Huffington to Charles Krauthammer—and declaring them to represent the absolute extremes of rationality. Any opinions that fall outside of this box are dismissed as lunacy, and may be freely ignored.

Nicht Schreihälse wie Glenn Beck oder Keith Olbermann seien die Wurzel des Übels, sondern Journalisten, die Wischi-waschi-Standpunkte vertreten, um nicht aus dem Rahmen zu fallen. Der Konsens — wie auch anderswo — sei Gift.

Fuck bipartisanship. Politics is about different ideas, and many of them are irreconcilable. You have to choose one or the other. Jon Stewart is right to call for civility, but he should recognize that the real enemy is agreement, rather than disagreement. Social niceties blunt honesty, which renders our public dialogue coded and often worthless. Democracy thrives on the thesis-antithesis-synthesis process of open and uninhibited discussion and, yes, argument.

Der demonstrativ linke Talkmaster Keith Olbermann sieht sich zu Unrecht angeprangert. Stewart sei naiv — die anderen hätten schließlich angefangen. Wer zuerst aufhöre zu schreien,habe den meinungskampf verloren. Und wohin so etwas führt, wissen wir doch alle, oder?

P.S.: Olbermann will nun zumindest nicht mehr regelmäßig die „worst persons of the world“ küren — und Jon Stewarts Rede wurde autotuned:

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Facts you deserve to know

Viel wird derzeit über Staatsgeheimnisse, vermeintliche Verschwörungen und deren Aufdeckung geredet. In diesem Zusammenhang hat John F. Kennedy kurz nach seinem Amtsantritt vor der American Newspaper Publishers Association eine interessante Rede gehalten.

The very word „secrecy“ is repugnant in a free and open society; and we are as a people inherently and historically opposed to secret societies, to secret oaths and to secret proceedings. We decided long ago that the dangers of excessive and unwarranted concealment of pertinent facts far outweighed the dangers which are cited to justify it. Even today, there is little value in opposing the threat of a closed society by imitating its arbitrary restrictions. Even today, there is little value in insuring the survival of our nation if our traditions do not survive with it. And there is very grave danger that an announced need for increased security will be seized upon by those anxious to expand its meaning to the very limits of official censorship and concealment. That I do not intend to permit to the extent that it is in my control. And no official of my Administration, whether his rank is high or low, civilian or military, should interpret my words here tonight as an excuse to censor the news, to stifle dissent, to cover up our mistakes or to withhold from the press and the public the facts they deserve to know.

Edle Worte. Keine geheimniskrämerische Regierung, gegen den überbordenden Apparat der Geheimdienste! Doch es gibt da eine Ausnahme:

But I do ask every publisher, every editor, and every newsman in the nation to reexamine his own standards, and to recognize the nature of our country’s peril. In time of war, the government and the press have customarily joined in an effort based largely on self-discipline, to prevent unauthorized disclosures to the enemy. In time of „clear and present danger,“ the courts have held that even the privileged rights of the First Amendment must yield to the public’s need for national security.

Today no war has been declared–and however fierce the struggle may be, it may never be declared in the traditional fashion. Our way of life is under attack. Those who make themselves our enemy are advancing around the globe. The survival of our friends is in danger. And yet no war has been declared, no borders have been crossed by marching troops, no missiles have been fired.

If the press is awaiting a declaration of war before it imposes the self-discipline of combat conditions, then I can only say that no war ever posed a greater threat to our security. If you are awaiting a finding of „clear and present danger,“ then I can only say that the danger has never been more clear and its presence has never been more imminent.

Frei übersetzt: Aber unsere Geheimnisse sind so wichtig, dass Journalisten sie stillschweigend akzeptieren sollten. Wer an unseren Geheimnissen rührt, rührt an der Sicherheit des Landes! Back off!

PS: Der historische Kontext ist auch spannend: Zehn Tage vor der Rede hatte Kennedy die Invasion der Schweinebucht befohlen, ein Angriff auf den kommunistischen Vorposten in Kuba. Um den Kriegsakt vorzubereiten, hatte der Geheimdienst CIA ein Jahr lang kubanische Exil-Kämpfer rekrutiert und ausgebildet.