Netzneutralität ist nicht einfach

Tillmann Neuscheler hat sich für die FAZ die Mühe gemacht, das komplexe Thema „Netzneutralität“ anzugehen. Dabei ist er relativ stringent vorgegangen, hat sich nicht von den üblichen Klischees der internetverstopfenden Filesharer leiten lassen und sogar Fachleute befragt.

Ökonomen warnen davor, eine solche Priorisierung im Internet einfach gesetzlich zu verbieten. Bei vielen Anwendungen mache es kaum etwas aus, wenn die Daten leicht verzögert am Ziel ankämen. Etwa bei E-Mails oder beim Runterladen von großen Dateien über Nacht. Andere Anwendungen dagegen seien sehr zeitsensibel – etwa die Internet-Telefonie oder Video-Konferenzen über das Internet. Die unterschiedliche Zeitsensibilität müsse beachtet werden.

Da ich selbst Volkswirt bin, ein paar nicht ganz unwesentliche Anmerkungen:

  • Das Internet ist nur so groß geworden, weil es die einzige Technik ohne aufwändige Abrechnungsmechanismen war. Paketvermittelte Datenverbindungen gab es auch vorher – wäre das alleinige der Erfolgsfaktor gewesen, dann würden wir heute mit 64kBit und Datex-P surfen. Naja: eher paddeln. Und die Bundesnetzagentur würde Skype vielleicht im Jahr 2015 probeweise für 1000 Haushalte in Berlin-Wilmersdorf zulassen.
  • Priorisierte Pakete in Deutschland mögen in der Theorie schön und gut sein – was macht man aber, wenn die Gegenstelle in den USA oder Neuseeland nichts davon hält? Eine explizite Aufhebung der Netzneutralität würde unmittelbar zu Marktschranken und damit Wohlfahrtsverlusten führen – die Verwaltung dieser komplexen Verträge, die jeder Provider mit quasi jedem anderen Provider weltweit abschließen müsste, übersteigen die mittelfristig zu erwartenden Einnahmen bei weitem. Und selbst wenn die Politik zu einer Art Kyoto-Abkommen für Daten fähig wäre, die Ökonomen haben wenige Modelle in der Schublade, die das Problem lösen könnten. Wir können ja nicht Mal wirklich ausknobeln, ob Fernsehsender die Kabelnetzbetreiber für die Durchleitung bezahlen müssen oder die Kabelnetze den Content bezahlen sollten.
  • Die Netzneutralität ist in Deutschland längst unter Beschuss. Hat niemand gemerkt, was zum Beispiel die Telekom in Verbund mit Apple macht? Traffic wird teurer, weil man ein bestimmtes Endgerät benutzt. Bestimmte Services werden zentral und ohne Kontrolle verhindert. Dabei geht es alleine um Produzentenrente und Marktanteile, nicht etwa um Investitionen und Servicequalität.

Es gibt noch viele, viele weitere Aspekte, aber das soll an dieser Stelle für heute genügen.