Twittern aus Hilflosigkeit

Vor ein paar Tagen machte der Twitter-User „nipp“ Medienkarriere als erster twitternder Augenzeuge. Er hat nun seine Erfahrungen kurz zusammengefasst:

I could not get to the airplane. Not knowing exactly how to act I went online put the news of the crash on the internet a website called Twitter. I was the only one near the crash site who had access to the internet. I kept updating on the situation through Twitter not knowing what else to do. Within minutes my messages where picked up by the worlds media. I got phone calls from CNN, BBC, Al Jazeera and more major network stations asking to describe what I was seeing.

Das war freilich nicht viel: ein Flugzeugwrack in der Ferne, Rettungskräfte eilen hin, ein paar freihändige und uninformierte Spekulationen.

Above all, I am amazed by the power of internet reporting, and the speed by which is was picked up by the (old) but very powerful medium that television still is – how various stations got my mobile number within minutes remains a mystery to me.

Aprospos: Nip mag der erste menschliche Augenzeuge auf Twitter gewesen sein, insgesamt war aber doch nur zweiter.

Wieder auf die Straße trauen

Das Bundesverfassungsgericht hat das bayerische (Anti-)Versammlungsgesetz in Teilen gekippt. Die Richter führen an, dass Gesetze eben nicht nur Wirkung auf Leute haben, die gezielt dagegen verstoßen:

Das Bundesverfassungsgericht kritisierte besonders die Bußgeldvorschriften: Damit verbinde sich das „Risiko einer persönlichen Sanktion, die bei den Bürgern zu Einschüchterungseffekten führen und die Inanspruchnahme des Grundrechts der Versammlungsfreiheit beeinträchtigen kann“, heißt es.

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann sieht sich trotzdem im Recht:

Der Antrag auf einstweilige Anordnung beim Bundesverfassungsgericht gegen das Bayerische Versammlungsgesetz ist weitgehend erfolglos geblieben. Das Gesetz wurde in seinem Kern von Karlsruhe nicht beanstandet. Wichtig ist in meinen Augen auch, dass die gegen rechtsradikale Umtriebe gerichteten Regelungen des Versammlungsgesetzes unangetastet bleiben.

Hat sich das Bundesverfassungsgericht also hinter diese Regelungen gestellt? Dem ist keineswegs so, wie man auf der Webseite des Gerichts nachlesen kann:

Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung liegt eine Verfassungsbeschwerde mehrerer Landesverbände von Gewerkschaften und Parteien sowie anderer nichtstaatlicher Organisationen gegen annähernd das gesamte BayVersG zugrunde. Die Beschwerdeführer rügen einen versammlungsfeindlichen Charakter des Gesetzes als Ganzes sowie seiner Regelungen im Einzelnen. Die Vorschriften führten zu bürokratischer Gängelei und Kontrolle der Bürger, die von der Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit abschreckten. Ausdrücklich ausgenommen von den Angriffen sind allerdings die Vorschriften, die spezifischen Gefahren rechtsextremistischer Versammlungen begegnen sollen (Art. 15 Abs. 2 Nr. 1a und 2 BayVersG).

Das Gericht hat sich also – noch – gar nicht um die Teile des Gesetzes gekümmert, die – noch – unangetastet blieben. Aber es kommt noch härter:

Dagegen scheidet eine vorläufige Außerkraftsetzung der den Bußgeldvorschriften zugrunde liegenden versammlungsrechtlichen Ge- und Verbote aus. Eine solche hätte zur Folge, dass es dem Bayerischen Versammlungsrecht bis zur Entscheidung über die Hauptsache an zentralen Vorschriften, wie etwa schon generell an einer Anzeigepflicht, fehlte. Damit wäre eine sichere Wahrnehmung des Versammlungsrechts zumindest erheblich gefährdet. Das Bundesverfassungsgericht müsste wenigstens einige der angegriffenen Vorschriften durch eine gerichtliche Anordnung ersetzen.

Was heißt das konkret? Heribert Prantl formuliert es etwas knackiger:

Aus der Begründung der Eilentscheidung folgt, dass in der Hauptsache-Entscheidung vom Gesetz kaum mehr etwas übrig bleiben wird. Das höchste Gericht hat in seiner Eilentscheidung nur deshalb nicht das ganze Gesetz aufgehoben, weil sonst in Bayen ab sofort überhaupt keine Regeln für Versammlungen vorhanden wären.

Wenn man das weiß, kann man die Dummdreistigkeit dieser Stellungnahme erst richtig einschätzen:

Der Innenminister: „Bei dieser Sachlage kann von einer “kräftigen Watschn“ für den bayerischen Gesetzgeber, wie die SPD behauptet, keine Rede sein. Das belegt schon die Kostenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die den Antragstellern zwei Drittel der Verfahrenskosten auferlegt hat. Insofern steht es zwei zu eins für die Staatsregierung.

Wenn ein Gesetz nur teilweise verfassungswidrig ist, ist das für Herrmann offenbar ein echter Gewinn. Aber ob dem so ist, wissen wir noch nicht.

Standards! Aber nicht ohne meinen iPod!

Thomas Hillenbrand fantasiert auf Spiegel Online wie viel die Autoindustrie doch von der Google und Co doch lernen könne:

Die meisten Bordcomputer sind grässlich schlecht zu bedienen, der iPod-Anschluss funktioniert häufig nicht – sogar in Premium-Limousinen von BMW und Mercedes. Könnte das etwas damit zu tun haben, dass jeder Hersteller seine eigene hausinterne Software-Lösung zusammenfrickelt, statt auf offene Software- und Hardware-Standards zu setzen?

Wer auf offene Hard- und Software-Standards setzt, kann gar keinen iPod-Anschluss anbieten.

You saw it first on Twitter

Ein Flugzeug ist in Amsterdam abgestürzt und ich als Newsjunkie habe mal CNN eingeschaltet. Die ersten Wörter die ich höre:

…you see pictures from Twitter, the website…

cnn-twitter

Hat also Twitter mal wieder die Massenmedien geschlagen? Bürger mit Handies sind Journalisten überlegen?

Ganz einfach: Nein.

In meinem eigenen Twitter-Horizont kann ich sehen, dass der Flugzeugabsturz im Nachbarland als erstes durch die Massenmedien wahrgenommen wird. Wenn jemand tatsächlich Bilder vom Unglücksort getwittert hat, dann wurden die von einigen Followern gesehen, die sie weitergetwittert haben mögen und vielleicht auch in ein paar Stunden bei mir ankommen. Oder auch nicht.

Es scheint wohl mehr eine Schwäche von CNN zu handeln. Denn grade berichten die Reporter, dass die „local media“ Berichte vom Unglücksort bringen. Der Twitter-Twist ist für CNN lediglich eine Möglichkeit, schnell an Bilder zu kommen, die sie wohl nicht bezahlen.

Abschalten

Aus einer dpa-Meldung:

Vier Bundesländer haben ihre V-Leute in der rechtsextremen NPD abgeschaltet. Die SPD will so einen neuen Anlauf zu einem Verbotsverfahren ermöglichen.

V-Leute abschalten? Das klingt ein bisschen nach einem US-Krimi aus den Goldenen Achtzigern. Der Gangsterboss sagt „Schalt ihn aus“, der vernarbte Killer nickt langsam und bringt den wichtigen Zeugen um. Wenn es hingegen um V-Leute geht, da würde der Krimi-Kommissar eher einen Identitätswechsel und ausgiebigen Personenschutz verschreiben. V-Leute abschalten?

In diesem Fall heißt es schlicht: Ein paar NPD-Funktionäre werden nun nicht mehr staatlich bezuschusst.

*KLICK*

Leser: Herzlich willkommen zu unserer Bild.de-Klick-Auktion. Ihr kennt die Regeln: Es handelt sich um eine Reverse-Auktion – das niedrigste Gebot gewinnt. Zu gewinnen: meine Aufmerksamkeit. Ich klicke auf Bilder, ich kaufe Volks-Zahnbürsten und ich verachte jeden Prominenten, den auch ihr verachtet. Aber strengt Euch an. Ich bin heute anspruchsvoll!

Unterhaltungs-Redakteur: Wir werden uns alle Mühe geben. Darf ich sagen, dass Sie heute besonders trendy aussehen? Die größten Stars tragen jetzt Ballonseide. Der neue Trend aus Hollywood!

Leser: War das schon ein Gebot?

Unterhaltungs-Redakteur: Nein, nein.

Leser: Na dann. Wer möchte als erster? Es ist Samstag – Was gibt’s Neues vom Sport?

Sport-Redakteur: Schalke hat gegen Dortmund gespielt!

Leser: Ja, aber das haben sie auch bei der Sportschau, im Radio und auf Kicker.de. Was habt Ihr zu bieten?

Sport-Redakteur: Hmmm – wir sagen die Wahrheit. Schalke sind voll die Versager! Und wir machen Wortspiele. Statt „Königsblau“ schreiben wir „Königsblöd“. Lustig!

Leser: Königsblöd? Das ist klasse! Noch besser als die Prunksitzung gestern! Okay. Zum ersten!

Unterhaltungs-Redakteur: Busenblitzer!

Leser: Was?

Unterhaltungs-Redakteur: Wir haben einen Busenblitzer! Nicole Scherzinger!

Leser: Wer?

Unterhaltungs-Redakteur: Interessiert Dich das wirklich? Wir haben ein Foto! Wahrscheinlich gefälscht, aber Busenblitzer! Busenblitzer!

Leser: Verstehe! Packt ihr noch das Foto von Janet Jackson dazu?

Unterhaltungs-Redakteur: Klar! Und mit einem Sportler ist sie auch verbändelt! Hamilton! Formel Eins! Wruuuuum Wruuuuummmm.

Leser: Das nenne ich ein Gebot. Ich glaube, da geht nichts mehr drunter!

Feuilleton-Redakteur: Ähm…

Leser: Wirklich?

Feuilleton-Redakteur: Ja. Wir haben da ein Buch…

Leser: Also bitte!

Feuilleton-Redakteur: … es ist ganz versaut! Glauben Sie mir! Versaut ist es!

Leser: Versauter als von dieser LaWosch? Die überall hinpinkelt?

Feuilleton-Redakteur: Sicher, sicher… ganze 490 Seiten Ferkeleien!

Leser:: Wow!

Unterhaltungs-Redakteur: Busenblitzer! Busenblitzer!

Feuilleton-Redakteur: Wir packen natürlich auch Titten dazu. Eine der Autorinnen nackt! Das hat die LaRoche nie gemacht. Außerdem nuckelt sie an einem hochhackigen Schuh herum. Wie im Porno. Oder auf Viva!

Leser: Kenn ich die denn?

Feuilleton-Redakteur: Die eine hat bei BigBrother gewonnen!

Leser: Mehr brauch ich nicht zu hören. Zum ersten, zum zweiten und….

bild-ranking

*KLICK*

Die Selbstkontrolle und die Polizei

Peter Robbins, Chef der Internet Watch Foundation hat ZDNEt ein Interview zu den bemerkenswerten Fehlleistungen seiner Organisation gegeben.

Darin beschwert er sich über übermäßige Kritik:

Unfortunately the debate was touched off around censorship, but that’s not our function. We publish a list [of content] that organisations block on a voluntary basis. But that is secondary to our main [activities], which have always been our hotline, and notice and takedown. That’s what self-regulation brought about.

Selbstregulierung und nicht Zensur, das ist der Grundgedanke der IWF. Die Provider tun etwas und darum muss der Staat nicht tätig werden. Alles klar getrennt – oder etwa nicht?

Offenbar ist das nicht so ganz klar – denn direkt im Anschluss sagt Robbins dies:

We heard later on that people could get around the [Wikipedia] blocking. Other attempts to evade blocking will be dealt with by the police.

Zahlenspielereien

Auch in den USA beherrscht man Zahlenspielereien:

Congressman Smith: “Of the nearly 600,000 images of graphic child pornography found online and reported to law enforcement officials, only 2,100 of these children have been identified and rescued.

Warum steht da „of these“? Wird von jedem missbrauchten Kind exakt ein Bild gemacht und wird davon jeweils exakt eine Kopie gefunden? Nein. In Wahrheit stehen die beiden Zahlen in keinem Verhältnis. Von den 2100 identifizierten Opfern können Hunderttausende Bilder kursiert haben. Derzeit entwickeln gleich mehrere Organisationen Techniken um die Opfer des Missbrauchs besser zuzuordnen.