Publizistischer Schwarzschimmel

In irgendeinem Kriegsfilm – eventuell war es „Good Morning, Vietnam“? – habe ich den Satz aufgeschnappt: „Military intelligence? Was für ein Widerspruch.“ Zugegeben: im Deutschen kommt der Witz nicht so gut heraus. Im Englischen heißt intelligence eben nicht nur „Intelligenz“ sondern auch „Geheimdienst“.

Aber keine Bange – ich habe einen deutschen Ausdruck gefunden, der dem flachen Wortwitz in jeder Hinsicht Paroli bieten kann. Gefunden habe ich ihn in der taz, die in einem Artikel die Denkungswelt eines Netzeitungs-Chefredakteurs vorstellt.

Neben dem neuen Layout, das wohltuend aufgeräumt daherkommt, hat das Chefredakteursduo am „bislang zu einseitigen und mitunter etwas drögen“ Themenmix geschraubt. Das neue Schlagwort lautet: intelligenter Boulevard. Das heißt weniger Politik, dafür mehr Sport und Vermischtes auf der Startseite.

Ich wiederhole diese absurde Wortkombination gerne nochmal: intelligenter Boulevard.

Wie sieht das wohl aus? Ich kann es mir nicht wirklich vorstellen. Die Synapsen meines Gehirns versuchen die Information zu verarbeiten, fördern aber nur Bilder zu Tage, die eines M.C. Escher würdig sind. Absurde Konstruktionen. Intelligent und Boulevard? Hat das barbusige Mädchen aus Seite 1 nun eine Brille auf? Der Penisbruch als Katharsis und nicht etwa als billige voyeuristische Attraktion?

int-boulevard.jpg

Ein Blick auf die Netzeitung belehrt mich – und er erklärt auch, warum ich die Seite in den letzten Monaten immer seltener aufrufe. Intelligenter Boulevard: das sind Besetzungs-Meldungen aus der Welt der Super-Models, Sprüche aus dem WM-Studio, die neuen Nachrichten aus einer abgestandenen Casting-Show und alberne Fotos von Politikern.

Ich könnte mir nichts Drögeres vorstellen.

PS: Stefan Niggemeier hat das taz-Interview auch gelesen, und lässt sich über Vor-Ort-Recherche, Chefredakteurs-Euphorie und Werbung bei der Netzeitung aus. Wer mehr über den intelligenten Boulevard erfahren will, erfährt am 13. Juni an der FU Berlin mehr.

Clubmate und die Massen

Olaf probiert Clubmate zum ersten Mal und vergleicht es mit „aufgekochtem Heu mit Kohlensäure“. Nicht ganz falsch, aber ich finde, er hat die deutliche Note „Eigenurin“ vergessen.

Vielleicht sollte man in Berlin einfach andere Etiketten auf die Flaschen kleben. „Echter Bärensaft“ stünde drauf, daneben ein kleiner, weißer Flauschi-Bär. Markenname: „Knurin“.

Vom Blog auf Google in 10 Sekunden

Okay, die Überschrift ist etwas übertrieben. Aber nicht so viel.

Was ist passiert? Heute morgen habe ich in meinem anderen Blog den Text einer Trojaner-Mail gepostet. Ohne weiteren Kommentar – ich ging davon aus, dass die Leser eines Nerd-Blogs Trojaner-Mails zur Genüge kennen und einschätzen können. . Und so war ich doch sehr überrascht als ich vom Einkaufen zurück kam und einige Kommentare vorfand, die das so gar nicht verstanden haben. Ein Kommentator hatte sogar in Panik Dateien von seinem Computer gelöscht. Auch die schiere Anzahl von Kommentaren überraschte mich – ich bin doch schließlich kein A-Blogger.

Des Rätsels Lösung: Ich bin wohl weniger als eine Stunde nach der Veröffentlichung meines Blog-Postings bei Google an erster Stelle gelandet, wenn man nach dem angeblichen Absender der Virenmail suchte.

PS: Weiter geht es beim weitaus größeren Blog.

Der erste Gumball-Tote?

Bei der Gumball gab es einen Todesfall: Ein Porschefahrer raste in einen Golf. Ein Mann ist tot, seine Frau in einem kritischen Zustand. Beide waren harmlose Autofahrer, die keine Ahnung hatten, dass sie auf einer Rennstrecke fuhren. Warum wussten sie das nicht? Sie fuhren auf keiner Rennstrecke, die Gumball ist eine illegale Straßenrallye, die das Leben Unbeteiligter gefährdet. Die Veranstalter vergießen jetzt Krokodilstränen und versichern in ihrem Blog:

This is the first time anything like this has happened in 9 years of travelling through over 40 countries with 1000’s of drivers and it is with deep regret that I make this announcement.

Der erste Tote? Ich glaube nicht so recht daran. Bei der ganzen Veranstaltung geht es – so wie ich das verstanden habe – vor allem darum, zu schnell durch den ganz normalen Straßenverkehr zu rasen. Ohne besondere Rücksicht auf Gesetz oder andere Straßenteilnehmer. Eher im Gegenteil: Bußgelder zahlen ist ja cool – man kann es sich ja leisten. Zum Zustand der Fahrer: sie haben bestenfalls viel zu wenig Schlaf. Ich hab mal einige Web-Videos dieser Angeber gesehen – ob da hintendran ein Auto auf der Strecke bleibt, bekommen die doch kaum mit. Und wenn doch was passiert, es gibt ja zum Glück noch Korruption und Länder, die dringend Geld brauchen.

Dass weitere Todesfälle nicht auszuschließen sind, zeigt das vorbildliche Verhalten der Unfallverursacher:

The drivers of the Porsche 911 Turbo Techart which Macedonian TV station A1 named as Nick Morley and Matthew McConville, allegedly got out of their crashed car and ran off.The station said they later climbed into another car, a BMW, and tried to leave the country. But eye witnesses alerted police and the pair were arrested at the border.

PS: Mittlerweile gibt es offenbar zwei Tote. Robert Basic findet noch ein paar deutliche Worte – auch an die Sponsoren.

Die Waagschale des Antiamerikanismus

Claus Christian Malzahn berichtet im Spiegel über einen US-Film, der dokumentiert, wie Unschuldige in Guantanamo zu Tode gefoltert wurden – systematisch und mit Deckung der Regierung. Malzahn glaubt dem Film, er bezeichnet ihn als „verstörenden Einblick“. Diese Verstörung merkt man. Denn der Autor wendet sich gegen seinen eigenen Text. Der ist ihm zu glatt. Es mögen Fakten sein, aber es sind antiamerikanische Fakten. Die konnte Malzahn nicht für sich stehen lassen. So kann man wohl diesen Absatz am Schluss des Artikels erklären.

Die Nörgler in Europa, die seit Jahren das dumme Lied vom amerikanischen Faschismus singen, sollten sich deshalb nicht zu früh auf Gibneys Film freuen. Sie haben zur Aufklärung der amerikanischen Verfehlungen in Afghanistan und im Irak so gut wie nichts beigetragen.

Aha. Was? Wie? Was hat die ganze Story mit Europa zu tun? Von wem redet er da?

Ganz einfach: Um die Story ausgewogener zu machen, sucht Malzahn etwas, was er in die andere Waagschale legen kann. Und da er zu dem Zweck offenbar nichts hat bis auf einige liberale US-Medien, erklimmt er selbst die Waagschale und springt wütend darin herum. Aber es geht noch weiter:

Gibneys Film liegt auf dieser Linie amerikanischer Selbstkritik der vergangenen Jahre. Noch ist offen, ob „Taxi to the Dark Side“ in den USA schnell ein TV-Network finden wird. Auf Dauer werden die TV-Imperien aber nicht an ihm vorbeikommen.

Fassen wir die Aussagen des Artikels zusammen: Die USA sind ein Land, dessen Regierung in Gefängnissen Unschuldige zu Tode foltern lässt und dessen „TV-Imperien“ diese Wahrheit systematisch unterdrücken. Aber kein Faschismus!

Disclaimer: Ich halte Faschismusvorwürfe gegen die USA auch für dumm – was dort abläuft ist etwas anderes. Allerdings habe ich selten eine so absurde Entgegnung gelesen.

Quick Links Daily Show

Die deutsche Ausgabe des Senders Comedy Central strahlt einen größten Erfolge der US-Ausgabe in Deutschland nicht aus: die Daily Show mit Jon Stewart. Stattdessen wird die Sendung im Netz angeboten. Natürlich nicht ohne Hindernisse: die Sendung ist in fünf Teile gesplittet und die Einzelteile verschwinden nach einem Tag aus der ohnehin unkomfortablen Playlist.

Daher als kleiner Kundenservice: hier die Quick-Links zu den jeweils letzten Folgen der Daily Show

Teil 1
Teil 2
Teil 3
Teil 4
Teil 5

Als die Trojaner laufen lernten

Man sagt nicht „Ich hab’s ja gleich gesagt.„. Das klingt überheblich. Aber darf ich ganz bescheiden anmerken, dass ich über dieses Interview beim Deutschlandfunk nicht besonders überrascht bin?

Denn demnach haben die Behörden bei der Umsetzung der Onlinedurchsuchung ziemlich herumgestümpert – und das obwohl sie laut Focus Online Schulungen und Praktika beim BND hinter sich gebracht haben.

Offensichtlich hat das gezielte Ausspähen von Personal Computern und Festplatten nicht funktioniert, und es hat nicht schnell genug funktioniert. In einem Fall sollen Festplatteninhalte von 120 Gigabyte über Wochen hinweg an die Zieladresse des Verfassungsschutzes von einem Trojaner geschickt worden sein. Der betroffene PC-Besitzer, der da online ausgespäht wurde, hat das wohl nach 14 oder 15 Tagen gemerkt, weil er über ausgewertete Systeminformationen mitbekam, dass 120 Megabyte von seinem Rechner aus ins Netz geschickt wurden.

„Ausgewertete Systeminformationen“ klingt etwas kompliziert. In der Praxis äußert sich das in etwa so: Der Belauschte bemerkt, dass sein Internetverbindung extrem langsam ist. Gleichzetiig sieht er eventuell in der Taskleiste rechts unten, dass dauernd Daten hin- und hergesendet werden – obwohl er eigentlich nichts macht. Man kann diesen kleines kleine Netzwerksymbol auch anklicken und erfährt etwas über die transportierten Datenmengen. Wie gesagt: alles kein Kunststück. Für den Rest muss der Belauschte in eine beliebige Computerzeitschrift gucken und ein wenig über Trojaner nachlesen.

Die Rechneranalyse ergab dann, dass ein Trojanisches Pferd Schadsoftware von einem Rechner eines V-Mannes herunter geladen hatte.

…der jetzt wohl kein V-Mann mehr ist.

In einem anderen Fall hat der Besitzer eines online durchsuchten PCs unbestätigten Informationen zufolge den Trojaner gleich beim Einschleusen bemerkt, die Aktivitäten des Bundestrojaners genau analysiert und der Zieladresse dann regelrechten Datenmüll geschickt.

Oh Wunder.

Zu den Verbreitungswegen lesen wir folgendes:

Es gibt allerdings Hinweise, dass der Verfassungsschutz den Bundestrojaner bisher auf zwei Verbreitungswegen in die Zielrechner geschleust hat. Zum einen, das ist sozusagen die sichere Methode, sollen Verfassungsschutzmitarbeiter einfach in Büroräume eingedrungen sein und den Bundestrojaner dann händisch auf die Zielrechner überspielt haben.

Genau wie schon erwähnt. Aber es gibt ja noch eine andere Methode:

Sie sollen mit Trojaner verseuchte CDs verteilt haben. Und das Problem dabei soll gewesen sein: Neben den Zielrechnern, die sie online durchsuchen wollten, sind auch andere Rechner mit diesem Trojaner wohl verseucht worden. Und das soll zur Folge gehabt haben, dass so viele Daten an den Zielrechner geschickt worden sind, dass der Sammelrechner, auf dem die ganzen Durchsuchungsdaten landen sollten, sich offensichtlich wie bei einem Denial of Service Angriff verhalten hat. Das heißt, ob der vielen Daten soll der einfach in die Knie gegangen sein.

Aua!

Ob der BND auch so arbeitet?