Mal ehrlich: wer verschickt nch Briefe? Emails sind doch viel einfacher. Über die gute alte Post werden doch nur noch Behörden-Schreiben, Rechnungen und Werbung verschickt. Und trotzdem steht im Grundgesetz immer noch das verbriefte Grundrecht auf das Briefgeheimnis, aber kein Wort vom Email-Geheimnis.
Ein unhaltbarer Zustand, so befanden die Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz von der SPD und Ralf Göbel von der CDU. Wir alle leben immer mehr im Internet: Wir chatten mit unseren Freunden, wenn sie grade nicht da sind, wir verkaufen unseren Plunder bei Ebay und so mancher hat schon den Partner fürs Leben zuerst Online getroffen. Wiefelspütz nennt das eine „vierte Dimension“. Das ist vielleicht intelligenter, als andauernd das unsägliche Schlagwort vom zweiten Leben – „Second Life“ – zu bemühen. Denn das Internet gehört zu unserem ganz normalem ersten Leben. Und so ist es nur logisch, wenn sich diese eine Realität auch im Grundgesetz wiederfindet. Gute Idee, weiter so.
Doch der großkoalitionäre Vorstoß dient nicht wirklich der Sicherung unserer aller Online-Freiheit, wie Ralf Göbel dem Tagesspiegel verrät: die Innenpolitiker sind nämlich erst auf die Idee des Internet-Grundrechts gekommen, weil sie gerade an einem Gesetz basteln, dass eben nicht die Online-Freiheit zum Ziel hat, sondern das Gegenteil. In Zukunft soll die Polizei auch per Internet auf die Festplatten der Computer schauen können.
Im Gegensatz zur normalen Wohnungsdurchsuchung sollen die elektronischen Durchsuchungen ganz geheim ablaufen – der Durchsuchte erfährt zunächst nichts davon. Eine verfassungsrechtlich höchst bedenklicher Akt: denn er zielt direkt auf den Privatbereich, der durch das Briefgeheimnis, Schutz der Wohnung und Recht auf freie Meinungsäußerung geschützt werden soll. Das Kalkül der Innenpolitiker ist offenbar: Wenn die Online-Freiheit getrennt von den alten Grundrechten definiert würde, kann man sie auch viel bequemer wieder einschränken.
Und so nimmt ein Stück Online-Erfahrung auch von unserem normalen Leben Besitz. Im Internet haben wir uns nämlich längst daran gewöhnt, dass in vermeintlich harmlosen Emails Schadprogramme, so genannte Trojanische Pferde stecken, die unseren Computer übernehmen wollen. Nun müssen wir nicht nur unsere Festplatte, sondern unsere Verfassung vor den Trojanischen Pferden bewahren.