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Man muss kein Netzaktivist sein, um in dem jetzigen Ergebnis der Bundestagswahlen einen enormen Verlust für die Netzpolitik zu sehen. Oder um Ulf Buermeyer zu zitieren: „Ihr werdet euch noch wünschen,die FDP wäre reingekommen…“

Mit der Partei, die sich gerne „liberal“ nennt — aber mit der Definition dieses Wortes nach unendlichen Jahren ko-konservativer Regierungszeit immer wieder haderte — verschwindet eine strategische Kraft aus der Regierung und dem Bundestag, die in wichtigen netzpolitischen Fragestellungen ein Patt erzwingen konnte. Oder um eine andere Formulierung zu wählen: Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger blockierte, was aus netzpolitischer und bürgerrechtlicher Sicht allzu viel Schaden angerichtet hätte. Sie konnte allerdings nur aufschieben, nichts lösen.

In Sachen NSA, GCHQ & Co zeigte sich Bundeskanzlerin Merkel und ihre Regierung demonstrativ desinteressiert. Man kann allenfalls erahnen, dass sie hinter den Kulissen die Enthüllungen nutzen wollen, um die allzu forschen Interessen der amerikanischen Freunde zurückzudrängen. Allerdings ist die Spionage, die alle Deutschen betrifft — aber eben nicht so viel, dass sie sich unmittelbar belauscht fühlen — eine politische Verhandlungsmasse. Die eigenen, die deutschen Dienste wollen auch mit den Daten arbeiten. Und die Franzosen, Polen, Briten. Big Data für alle!

Offenkundig gibt es ein Ungleichgewicht: Der NSA kann machen, was das deutsche Bundesverfassungsgericht ohne mit der Wimper zu zucken kassieren würde. Und selbst nach über zwei Monaten Dauer-Enthüllungen gibt es nicht mal eine personelle Konsequenz in der NSA-Führung oder gar in der britischen Geheimdienstbürokratie, von der man gehört hätte. Von einem Kurswechsel ganz zu schweigen. Die logische Konsequenz ist: Wenn man die Schnüffelei nicht abstellen kann — warum soll man nicht daran partizipieren? Wenn wir die Hintertüren ein wenig verschließen, müssen wir die Vordertür nicht aufmachen? Ein überwachungspolitischer Druckausgleich.

Was in den vergangenen Wochen kaum Aufmerksamkeit bekam: Die USA haben eine geheime Mega-Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür eingeführt. Rechtsstaatlich einigermaßen abgesicherte Verfahren wurden hintertrieben, indem Beweisverfahren systematisch gefälscht wurden. Die Geheimdienste öffneten ihre riesigen Datenspeicher zumindest einen Spalt weit. Statt nach rechtsstaatlichen Maßstäben kaum verwertbare Beweismittel in Gerichtsverfahren einzuführen, gaben die Geheimdienstleister den offiziellen Polizisten Hinweise, welche Steine sie denn umdrehen müssen, welche Verbindungsprotokolle sie abfragen müssen, um etwas gegen Verdächtige in der Hand zu haben.

Nachdem die Praxis enthüllt wurde, sehe ich wenig Chancen, dass die Öffentlichkeit oder die Politik sagt: „Stopp! Lasst die Schurken nur laufen!“ Auch wenn noch so viele Inhaftierte, Angestiftete oder Flughafen-Durchsuchungs-Dauergäste nichts verbrochen haben nichts im eigentlichen Sinne. Nichts im uneigentlichen Sinne. Und doch… Terroristen greifen Einkaufszentren an! Da muss man doch etwas tun!

Lange Rede, kurzer Sinn: Die Vorratsdatenspeicherung kommt wieder. Mit stolzgeschwellter Brust und ohne Beweise.