Breaking Bad

Walter White ist eine jämmerliche Gestalt. In Unterhosen und einem schrecklich grünen Hemd steht er neben einem abgewrackten Wohnmobil und nimmt seine vermeintlich letzten Worte auf. „Skyler – Du warst die Liebe meines Lebens. Ich hoffe, Du weisst das“, spricht er in den Camcorder. Und man glaubt ihm: wie sollte der Mann mit dem lächerlichen Schnurrbart, mit den Krähenfüßen und der hässlichen Brille schon sicher sein, dass ihn seine Frau wirklich liebt?

© Sony 2007 CPT Holdings Foto: ARTE France

Deutsche Fernseh-Zuschauer kennen Walter, beziehungsweise den Schauspieler Bryan Cranston schon einige Jahre. In „How I met your mother“ war er der psychopathische Chef, in „King Of Queens“ der nervende Nachbar, in „Malcolm in the Middle“ der aufgekratzte Vater mit immer neuen Launen und Vorstadt-Abenteuern. Cranston ist ein Clown. Er übersteigert das Absurde – er tanzt, schneidet Grimassen, wirft sich in jedes lächerliche Kostüm. Er ist albern und verlässlich.

In „Breaking Bad“ hat Cranston den Befreiungsschlag geschafft. Vince Gilligan hat ihm eine Rolle auf den Leib geschrieben, die ihn von der Karikatur zum Charakter macht. Hier darf sich Cranston endlich vom Verlierer zum Macher entwickeln. Allein die Szene, in der Walter von seiner Krebserkrankung erfährt, in der er eine, zwei Minuten in die Kamera starrt, zeigt mehr schauspielerisches Talent als zwanzig Jahre Sitcom-Rollen.

Die Geschichte der Serie ist an sich simpel. Walter ist ein Verlierer: ein schlecht bezahlter Lehrer, der im Nebenjob die Autos seiner Schüler waschen muss. Eines Tages erfährt er, dass er Lungenkrebs hat. Inoperabel. Fortan beherrscht ihn nur noch ein Gedanke: Er möchte seiner Familie, seinem behinderten Sohn, seiner schwangeren Frau genug Geld hinterlassen, damit sie nicht in Armut leben müssen. Um das zu erreichen, ersinnt der Chemielehrer einen absurden Plan: Mit Hilfe seines ehemaligen Schülers Jesse Pinkman wird er zum Drogenproduzenten, kocht in einem Wohnmobil in der Wüste CrystalMeth – eine Droge, die zum übelsten gehört, was die Drogenmafia Amerikas hervorgebracht hat.

Mit jedem Schritt wird der Walter weiter in das Drogengeschäft hineingezogen. Der Familienvater muss sich um den Vertrieb der Drogen kümmern. Er trifft auf Dealer, die so gar nichts mit seiner Vorstadt-Welt zu tun haben. Als sie ihn ermorden wollen, muss Walter zu drastischen Mitteln greifen – und wird selbst zum Mörder. Doch das ist erst der Anfang des Aufstiegs und Abstiegs von Walter White.

Um die Geschichte zu erzählen, hat Produzent Gilligan die Schauspieler von Los Angeles nach Albuquerque geschafft. Ein Geniestreich: Das Lokalkolorit verleiht der Serie besondere Authenzität, die Schauspieler scheinen fern von Hollywood besonders engagiert. Die meisten Szenen sind an Original-Schauplätzen aufgenommen: das Hauptquartier der Drogen-Ermittler ist in einem alten FBI-Büro aufgeschlagen worden, Walters Haus ist in einer ruhigen Vorort-Straße von Albuquerque. Dazu Bilder der Wüste von New Mexico. Und ein Soundtrack, der Mut zeigt. Um die Geschichte zu erzählen, wird sogar eine „Narco Band“ eingespannt, die sonst den Alltag der gesetzlosen Gesellschaft der Drogenmafiosi in Mexiko besingt.

„Breaking Bad“ ist mehr als nur eine Charakter-Geschichte. Von der ersten Folge an zieht die Serie den Zuschauer in eine Sittengemälde der Vereinigten Staaten im Angesicht der Krise. Menschen, die verzweifelt sind, die vom Schicksal herumgeschubst werden, die eine Krebs-Diagnose unweigerlich in den finanziellen Ruin treibt. Die perverse Logik von Angebot und Nachfrage, die das Geschäft mit der Sucht zur legitimen Verwirklichung des amerikanischen Traums macht. Und natürlich der Drogenkrieg an der Grenze von Mexiko, der in der Realität so viele Tote fordert, dass er mittlerweile auch in deutsche Zeitungen
immer wieder zum Thema wird.

Die Serie verlangt von ihren Zuschauern viel ab. Der ständige Wechsel von subtilem Humor zu unglaublich brutalen Szenen, die ständige Interaktion und Fortentwicklung der Haupt-Charaktere, die Rückblenden, die immer ausgefeilteren Lügengeschichten, mit denen Walter sein Doppelleben verbirgt. Und wer dabei bleibt, wird in einen immer währenden Albtraum hineingezogen, der jede Verheißung mit immer neuen menschlichen Abgründen bestraft. Und dennoch wird die Geschichte mit so viel Menschlichkeit, mit so viel Detailtreue erzählt, dass einem nichts weiter übrig bleibt, als weiter zuzuschauen.

„Breaking Bad“ läuft ab 9. Oktober jeden Samstag um 22 Uhr auf arte.

Uncensored

Jon Stewarts Daily Show kommt immer mehr ins Web. In den letzten Monaten werden Interviews, die nicht komplett in die TV-Sendezeit passen, ungekürzt online gezeigt. Gerade bei politischen Diskussionen, ist das zum Vorteil aller: beide Seiten können Argumente austauschen, der Zuschauer kann sich besser informieren.

Nebeneffekt: die seven dirty words müssen nicht mehr über*beep*t werden, wie es bei der TV-Ausstrahlung vorgeschrieben ist. Deshalb wird vor diesen Spots eine kleine Warnung eingeblendet:

Meine Frage: Wo sind die „Censored!“-Warnschilder vor allen anderen Clips?

Watching Television for the Internet Age

Drüben bei Slashdot machen sie sich Gedanken über Judicial Nominations In the Internet Age.

Ein interessanter Debattenbeitrag zum Thema stammt aus dem Jahr 1999, als Josiah Bartlet einen neuen Richter für das Supreme Court suchte, in der Serie The West Wing, Episode 9, Season 1.

SAM: It’s not about abortion. It’s about the next 20 years. Twenties and thirties, it was the role of government. Fifties and sixties, it was civil rights. The next two decades, it’s gonna be privacy. I’m talking about the Internet. I’m talking about cellphones. I’m talking about health records, and who’s gay and who’s not. And moreover, in a country born on a will to be free, what could be more fundamental than this?

HIMYM – Kthxbye!

Wie ich eben sehe, ist die Mutter in „How I met your Mother“ endlich gefunden. Damit ist der Serie endlich der Todesstoß versetzt – auch wenn die Produzenten wahrscheinlich nicht nur eine halbe, sondern anderthalb Staffeln mit der letzten Romanze des Ted Mosby füllen werden. Schließlich hat man das Gesicht der Frau ja noch nicht gezeigt, und ihren Namen krampfhaft verschwiegen. Ein erbärmlicher Schachzug, um das unvermeidliche Ende hinauszuzögern. Aber wenigstens ist jetzt klar – wie ein Satellit außerhalb seines Orbits rast die Serie auf ihr Ende zu.

Dabei hatte die Serie so gute Ansätze. Das übliche Setting „schöne Menschen in Manhattan“ bot einen vertrauten Rahmen, in dem die Autoren ein paar schöne Konstellationen ausprobieren konnten. Der Testosteron-Grenzfall Barney hat mit seinen Männer-Philosophien die Aufmerksamkeit auf sich gezogen – aber besser geschnitten als seine Anzüge waren die Plots. Ein gut abgestimmtes Hin- und Her aus Alltagsgeschichten und den unvermeidlichen Liebeswirren, aus gezielt überspielten Wortwitzen und überdrehten Klischees. Banalitäten? Sicher – aber wenigstens gut erzählt und mit immer wieder guten Ideen. Let’s go to the mall kann ich mir immer wieder ansehen – gerade weil Cobie Smulders so einen wirklich lausigen Job macht. Slap bet? Toller Cliffhanger!

Aber das ist lange Vergangenheit – nach zwei Staffeln habe ich die Serie beerdigt. Sie war ja von Anfang an auf drei Staffeln ausgelegt. Zu mehr taugte das Konzept einfach nicht, wenn man nicht einfach jede Folge von „Friends“ und „Sex in the City“ neu interpretieren wollte. Aber wenn eine Serie Geld einspielt, kann man sie ja nicht einfach sterben lassen. Selbst wenn die Hauptdarsteller vor laufender Kamera jeglichen Appeal verlieren, wenn sie lustlos Pointen runternudeln, die sie nicht mehr leben, nicht mehr verstehen können. Wie viel Witz steckt in einer Gruppe von Menschen ohne echte Probleme, die die ganze Zeit krampfhaft grinsen? Denen ihre Millionengage im Gesicht geschrieben steht? Und die laufend als Kulisse für Britney Spears und Konsorten herhalten müssen?

Aber wie gesagt: HIMYM hatte tolle Momente, einige inspirierte Ideen, teilweise tolle Schreiber und einen auswechselbaren Cast. Wenn die Produzenten in drei bis fünf Jahren ein paar neue Ideen haben, freue ich mich auf ihr nächstes tolles Projekt.

Nachtrag, Juni 2011: Leider hatte ich unrecht: HIMYM geht weiter und weiter, häuft Gaststar auf Gaststar, während die Serienidee und damit jede Originalität eingefroren wurde. Selbst ein toller Cast könnte da nur wenig reißen. Sogar in der Tony-Verleihung sah NPH besser aus.

Kanzlerduell: Die Verlierer stehen fest

Mit Spannung fragen sich Millionen von Naiven und Journalisten, wer der Gewinner des Wahlduells heute abend sein wird.

Wer die Verlierer sind, steht schon nach neun Minuten fest: Frank Plasberg, Maybritt Illner, Peter Kloeppel und Peter Limbourg. Und ein paar Millionen Zuschauer.

Wal-Mart und Jon Stewart

Eine ungewöhnliche Allianz, aber Jon Stewart und Wal-Mart ziehen derzeit an einem Strang. Okay, es ist keine Allianz, aber beide arbeiten daran Glenn Beck zu etwas zurecht zu stutzen.

Wer oder was Glenn Beck ist, lässt sich für die Konsumenten des domestizierten deutschen Medien-Marktes kaum erklären. Ein abgefeimter Lügner, der mit plumpesten Mitteln Stimmung gegen alles Linke und vermeintlich Linke macht und damit enorme Einschaltquoten einfährt. Nun hat Beck den Bogen etwas überspannt: In einer Talkshow unterstellte Beck Barack Obama, dass sein Hass auf Weiße sein bestimmendes Handlungsmotiv ist und nannte ihn einen Rassisten. Eine kalkulierte Provokation, die gewiss Einschaltquote und den Applaus einer treuen Fan-Schar beschert.

Die Antwort darauf: Ein Boykott-Aufruf. Linke Gruppierungen riefen – mit Unterstützung des FoxNews-Konkurrenten CNBC – die Sponsoren wie Wal Mart auf, ihre Werbespots zurückzuziehen und Beck so die kommerzielle Grundlage zu erzielen. Die Beck-Fans reagieren mit einem Gegen-Boykott: Wer seine Werbespots zurück zieht, soll bitter dafür bezahlen. Die andere Seite besteht eh nur aus bezahlten Studenten, die von schwarzen kommunistischen Terroristen engagiert wurde, deren geheime Machenschaften von Glen Beck enthüllt wurden. Tatsächlich geben nur Glenn-Beck-Fans richtig viel Geld für die beworbenen Produkte aus.

Doch so ganz leicht wie ein Town Hall Meeting lassen sich Konzerne nicht niederschreien – und so hat ein Dutzend sehr potenter Auftraggeber ihre Werbezeiten bei Glenn Beck gekündigt. Mit geholfen hat vielleicht auch ein Beitrag von Jon Stewart, der wieder sehr schön vorführt, wie Beck seine Fahne nach dem Wind hängt. Ein Jahr, nachdem er die Krankenversorgung in den USA als Todesfalle portraitierte, lobt er das System in den Himmel und schürt die Ängste vor – frei erfundenen – „death panels“ der Obama-Regierung. Ein Publikum, dass solche Widersprüche schluckt, muss schon ein anderes Interesse an Beck haben als die viel zitierte „Wahrheit“, die er angeblich so laut ausspricht.

PS: Ein Anhänger von Glenn Beck fasst seine Faszination so zusammen:

I find the Glenn Beck show on FOX News to be 99.9% pure good stuff! No wonder the Progressive Left despises it.

Glenn makes no pretense to be a “journalist”, but often puts many “journalists” to shame!

He and his crew manage to present analysis and discovery on a daily basis that is exceptional. It is offered for examination…

Recent figures indicate his TV audience is around 2,500,000 per day, that’s pretty good for a cable offering.

Mr. Beck is an entertainer with a distinct flair for introducing controversy and information into his offering.

Kurz zusammengefasst: Weil Beck die Linken ärgert, muss er ja gut sein. Typisch ist die Schere im Kopf der Beck-Fans: Journalisten und Fakten sind im Lager des „liberal bias“, aber Beck deckt auch ohne solche Hindernisse wie Recherche, Konsistenz oder Verantwortung die „truth“ auf.

Fünf Euro extra für die GEZ

Liebe Gebühreneinzugszentrale,

ich weiß, Du bist Kummer gewohnt. Jeder meckert über Dich: weil die freiberuflichen Prüfer so nerven, weil die Kryonik von Thomas Gottschalk so teuer ist, weil ihr meine Adresse aus Datenbanken klaubt obwohl ich doch regulär zahle. Doch heute ist das vergessen. Heute ist ein Feiertag.

Ich lese grade, dass Johannes B. Kerner das ZDF verlässt. Diese weichgespülte Version für die Öffentlichkeit ist selbstverständlich die halbe Wahrheit. Dafür habe ich volles Verständnis. Ich kann es mir lebhaft vorstellen, wie wirklich ablief. Kerner wurde in den Tagungsraum im Keller des gigantischen Gebühren-Rechenzentrums in der Antarktis einbestellt. Und dort musste er sich – bibbernd, mit blauen Lippen – einem strengen Gremium aus Rechnungsprüfern und Qualitätsgutachtern stellen. Und schließlich hast Du, liebe GEZ, gezeigt wie das System „Bad Bank“ wirklich funktioniert: Du hast Johannes B. einen kräftigen Tritt Richtung Sat1 gegeben. Wie vorher schon beim Pocher.

Natürlich ist das geheim, Du kannst es mir nicht verraten. Wenn Du mir aber Deine Anschrift verrätst, schicke ich diesen Monat noch fünf Euro extra zu meinem Rundfunkgebühren. Als Erfolgsprämie.

Mit öffentlich-rechtlichem Gruß
Torsten Kleinz

Pre-Order-Interview

Vor ein paar Wochen machte ich mir schon Gedanken über die fehlenden Werbekunden bei Comedy Central. Neue Werbespots sind zwar nicht dazu gekommen, aber offensichtlich hat man bei Viacom neue Wege der Refinanzierung gefunden:

pre-order

Ein Pre-Order-Link in der Programmvorschau? Das ist wirklich kreativ. Früher wurden die Produkte lediglich während des Interviews in die Kamera gehalten.

RTL2 muss nicht sein, Arroganz aber auch nicht

Spannende Idee: Ein Fernseh-Programm ohne RTL2, dafür mit einem Radio-Programm. Bei den Verlagen sind die Macher abgeblitzt, nun suchen sie im Internet Abonennten.

Prinzipiell würde ich zum sehr interessierten Kreis gehören. Aber warum kann man die wenigen Muster-Seiten nicht lesen? Gerade die Programmauswahl ist angesichts immer neuer Digitalkanäle die Quadratur des Kreises. Wenn die Programm-Macher nicht mal verraten, welche dieser Kanäle sie denn bemerkenswert finden oder dem künftigen Leser die redaktionelle Aufarbeitung des Programms eines beliebigen Tages zeigen können, sollen wir wohl die Katze im Sack kaufen. Oder erwarten sie, dass wir uns ins Layout verlieben?

Zudem scheint mir das Konzept überladen und ein wenig etepetete. Autoren-Texte von Charlotte Roche über Simone de Beauvoi interessieren mich nicht. Die sonstigen Themen: Dschungelcamp und Radio-Tatort. Nicht vielversprechend.

Und ist es nicht arrogant, wenn die Jungverleger zwar im Internet um Abonnenten werben, im Heft-Konzept die „neuen Medien“ aber komplett ignorieren? Stattdessen wird ein bundesweiter Theater-Kalender auf zwei Seiten gedruckt. Wohl für Leute, die auf dem Weg nach Bayreuth mal eben die Medienentwicklung verschlafen.

PS: Ich hab mir jetzt einen digitalen Videorekorder bestellt. Wozu brauche ich überhaupt noch Tageslistings?