Blick von jenseits des Tellerrands

Im September hat sich ein Michael Bernstein vom US-amerikansischen National Public Radio auf den Weg gemacht, um den Berichten über die Proteste gegen Google und Facebook in Deutschland nachzugehen, das Verhältnis der Deutschen zu ihrer Privatsphäre zu ergründen. Ich war einer derjenigen, die von Bernstein befragt wurden und ich weiß nicht, ob ich mehr zur Verwirrung oder zur Aufklärung der Situation beigetragen habe.

Jetzt ist das Ergebnis dieser Reportagereise online: herausgekommen ein interessanter Mix aus den verschiedenen Sichtweisen auf das Thema.

In a country where hanging out in the park naked is a weekend pastime, Germany has recently made international headlines for its virtual prudishness. American tech companies are under close scrutiny. Facebook was threatened with fines if it didn’t tighten its privacy controls. Apple’s iPhone 4 raised concerns over collection of user data. And then, of course, there was that enormous brouhaha over Google Street View.

Der Englische Garten hat offenbar großen Eindruck in den USA gemacht. So sind wir wohl jenseits der Atlantik als FKK-Volk bekannt. Aber wenn Bernstein historische Zusammenhänge bemüht, wird es noch interessanter: denn nicht nur der säbelschwingende Adel, sondern auch die Nazis haben uns ihren Stempel aufgedrückt.

Yale Law School Professor James Whitman says this idea has roots in Europe’s legacy of dueling. When private details went public in the past, nobles challenged the leaker to a duel with a sword or pistol. An invasion of privacy, after all, was an attack on one’s honor.
Today in Germany, weapons have been replaced by strict privacy laws. And while many Germans may think the laws were made in reaction to their totalitarian past, in fact, Whitman says, quite the contrary.

JAMES WHITMAN: The Nazis insisted on the right of every ordinary German to protection of personal dignity and personal honor. Privacy in the German sense – every member of the national community had a right to dignity, including members of the lowest social status.

The fact the fascists made this promise belonged to their competition with Communist movements. What the Nazis were saying was that where they would not redistribute wealth, they would nevertheless redistribute honor.

Eins ist mir klar geworden: Das Thema Datenschutz ist noch komplexer als ich es bisher annahm. Es fällt mir sehr schwer jemandem aus einem anderen Kulturkreis wie den USA mein Verständnis über Datenschutz und Privatsphäre zu erklären – nahezu unmöglich ist es hingegen, eine konsistente Erklärung zu finden, wie es denn dazu kam.

Aprospos:

Seit der WLAN-Affäre im Mai sind in Deutschland keine Autos mehr unterwegs. […] Nun muss sich Google in Italien einen höheren Auflage stellen. Auf der Webseite muss Google nun drei Tage im Voraus ankündigen, wo Aufnahmen geplant sind. Dies ist wesentlich genauer als in Deutschland, wo nur der Zeitraum für zwei Monate genannt wurde.

Das entspricht ja ungefähr dem, was ich im August vorgeschlagen hatte.

We don’t need no expertise

Adam Davidson von Planet Money hat ein interessantes Interview gegeben:

I mean, I think it’s a more trustworthy journalism if the journalist reveals their process of discovery. I don’t think it weakens our authority. I think it strengthens our authority ’cause it’s closer to the actual truth, and it’s closer to the world that our audience experiences on a day-to-day basis. They know we don’t, we’re not experts in that sense, and frankly, the expert we quote isn’t an expert in that sense — that he’s definitely right, or he can speak with objective truth about things.

Die Sendung mit dem Geld

Einer der spannendsten Podcasts ist für mich zur Zeit eine Sendung des National Public Radio: Planet Money.

Die Sendung startete Ende 2008, als die Finanzkrise begann sämtliche Schlagzeilen zu bestimmen. Aber das Team um Adam Davidson und Laura Conaway verfällt nicht in die übliche Panik-Berichterstattung, sondern geht engagiert daran, die Wirtschaft tatsächlich zu verstehen

Statt mit großspurigen Analysen und nicht vorhandener Kompetenz anzugeben, stellt Planet Money kleine, konkrete Fragen – und findet immer wieder interessante Antworten. So wird in dieser Folge geklärt, was hinter der vermeintlichen chinesischen Kapitalflucht verbirgt und wieso wir ein solches Problem haben, große Zahlen zu verstehen.

Die Sendung richtet sich explizit an Nicht-Experten – Leute, die bisher nichts über Zinsderivate, Konsumelastizitäten und Giralgelder wussten. Serviert wird das in einer Weise, die gleichzeitig sehr locker und doch ernsthaft ist. So wird der Korrespondent David Kestenbaum aus seinem Haus in New York zugeschaltet, die Volontärin Caitlin Kenney posiert in kleinen Inszenierungen mal als unzuverlässige Kreditnehmerin, mal als menschliche Geldzählmaschine. Manchmal möchte man wünschen, dass einige Investoren und Banker die Sendung hören, damit sie wieder eine Ahnung bekommen, was sie überhaupt machen, welche Konsequenzen ihre tägliche Arbeit für die Welt da draußen haben kann.

Die Wirtschaft, dieses komplexe Monster, das selbst Nobelpreisträger immer wieder überfordert, wird zerlegt und damit gezähmt. Wir müssen keine Angst vor der diesem unverständlichen Ungetüm haben, sind keine Opfer die nicht verstehen können, was passiert. Nein: wir können Fragen stellen. Und Antworten bekommen.

Planet Money arbeitet auch mit This American Life zusammen und hat die sehr hörenswerten Einstünder Bad Bank und The Giant Pool of Money produziert.