Die Zeit schreit nach Satire

Grade lese ich bei der Netzeitung, dass Dieter Hildebrandt der Sendung Scheibenwischer die Namensrechte entzogen hat.

Der Sprecher des Bayerischen Rundfunks, Rudi Küffner, sagte: «Wir akzeptieren das, wenn Herr Hildebrandt das nicht mehr möchte.» Dies geschehe «schon alleine aus Respekt vor diesem großen Mann». Es gebe keinerlei Verstimmung, wenn Hildebrandt diesen Wunsch habe, sei er ihm zugestanden, betonte Küffner. Man sei derzeit ohnehin dabei, die Sendung neu zu konzipieren. Deswegen tue es nicht so weh, auch einen neuen Namen zu suchen.

Hildebrandt entzieht den Namen, aber es gibt keine Verstimmung. Soll das Satire sein?

Wenigstens sehen sie es jetzt ein. Bruno Jonas war ohne Hildebrandt nicht erträglich. Richling war es noch nie. Wer seine Nummern hauptsächlich mit lächerlichen Kostümen und vermeintlichen Sprachfehlern von Politikern bestreitet, macht noch lange kein politisches Kabarett.

Comedy bestätigt Vorurteile und Klischees, gutes Kabarett hingegen spielt mit ihnen und sollte den Zuschauer dazu bringen, ab und an mal nachzudenken – sich selbst in Frage zu stellen. Das wird beim Satire-Gipfel so wenig passieren wie auf einem Kölner Rosenmontags-Zug.

PS: Aprospos „keine Verstimmung“ – Richling schießt per Interviews in Focus und Spiegel zurück:

Auch ein einzelner Papst kann nicht dogmatisch festlegen, was Kabarett zu sein hat, und abweichende Vorstellungen der Exkommunikation unterwerfen.

Wenn man allerdings Richlings Kollegen-Verschleiß betrachtet, ist aus dem einzelnen Papst inzwischen ein ganzes Konzil geworden.

Beifallheischend

Die Netzeitung hat etwas an der „beifallheischenden“ Häme von Letterman einzuwenden:

Anstatt seinen Gast aber vor sich selbst zu schützen, führt der TV-Moderator seinen Gesprächspartner in den knapp sieben Minuten, die auch im Internet zu sehen sind, komplett vor. Nach einigen Witzen über den Vollbart «Juckt es?», auf die Phoenix gar nicht oder nur peinlich berührt reagiert, lockt ihn der Talkmaster in eine Art Falle: «Toller Film, den Du da gemacht hast, mit, na, wie heißt sie noch?», so Letterman scheinheilig. Und tatsächlich, Phoenix schien sich nicht an den Namen seiner Film-Partnerin Gwyneth Paltrow zu erinnern, Letterman muss ihm unter lautem Lachen des Publikums helfen.

Ekelhaft, was? Und deshalb muss der Auftritt nicht nur ausführlich geschildert, sondern auch als YouTube-Video eingebunden werden. So kann das hämische Netzeitungs-Publikum hämisch johlen und die ehemaligen Altpapier-Leser der redaktionellen Distanzierung ihren Beifall zollen.

Video ist YouTube ist Video

Die Netzeitung gefällt sich darin aus einem Sketch in Saturday Night Life eine eigene Meldung zu machen. Einen besonderen Grund dafür scheint es nicht zu geben: keine Zuschauerrekorde, in der Meldung sind auch keine wütenden Proteste erwähnt. Aber einen Grund gibt es doch – am Ende des Teasers steht: „Mit Video“.

Und tatsächlich: unvermeidlich prangt unter dem Artikel das YouTube-Video. Nunja. Das Startbild ist noch da. Der Rest nicht mehr:

Youtube ohne Palin

Das ist nun wirklich keine Überaschung, wenn man die bei der Netzeitung verlinkte SNL-Seite ansieht. NBC hat nämlich seinen eigenen Video-Player mit eigener Embed-Funktion und besserer Qualität. Und da man die eigene Plattform lieber mag, lässt NBC eigenes Material auf YouTube regelmäßig löschen.

Aber „Mit Video“ heißt nun mal „YouTube“ – da kann man nichts machen.

Onlinesüchtig und selbstreferentiell

Schön: Der Online-Redakteur der Netzeitung Maik Söhler interviewt einen Onlinesüchtigen – sich selbst.

Netzeitung: Als Suchtsymptome nennen Psychologen meist diese Aspekte: enorme Anstrengungen, um an das Suchtmittel zu gelangen; die Dosis immer weiter zu erhöhen; Entzugserscheinungen, die sich in Niedergeschlagenheit, Unruhe und erhöhter Reizbarkeit ausdrücken; Rückzug von Freunden und Verwandten. Welche dieser Symptome sind Ihnen nicht fremd?

Söhler: Die Anstrengungen, an einen Computer mit Netzanschluss zu gelangen, sowie gelegentlich die Unruhe und Gereiztheit, wenn das nicht klappt. Auch die Erhöhung der Dosis kenne ich gut.

Netzeitung: Wie genau äußert sich das bei Ihnen?

Söhler: Ich kann im Urlaub ganz gut ohne Computer, Internet und Spielkonsole leben. Wenn ich am Strand liege, vermisse ich sie nicht. Das kann tagelang so gehen. Dann aber laufe ich zufällig an einem öffentlich zugänglichen Computerterminal vorbei, bleibe stehen, logge mich ein, rufe meine Mails ab und surfe. Fortan werde ich am Urlaubsort meine Wege so einrichten, dass ich zumindest an jedem zweiten Tag an diesem Terminal vorbei muss.

Die Dosis wird ganz von selbst erhöht, indem man sich auf das, was man digital gerade macht, immer stärker einlässt. Ich besuche ein Weblog, in dem jemand einen tollen Eintrag geschrieben hat. Dieser Eintrag hat 40 Kommentare hervorgerufen. Von den 40 Kommentatoren verlinken 25 auf ihre eigenen Blogs. Die surfe ich dann alle ab. Wie es so geht, komme ich von dort auf wieder neue Blogs mit tollen Einträgen und so weiter.

Nett gemacht.. Und auf die Idee muss man erst mal kommen.

Gammelblog

In der Netzeitung ist ein Artikel über das Weblog Politically Incorrect erschienen. Leider wird man daraus nicht viel schlauer.

Auffällig ist, dass der Autor im Gespräch mit dem Blogger Stefan Herre wohl erstaunlich aufgeschlossen war und ihm wiederholt Glauben schenkt – etwa wenn der angeblich Fehler bereut oder wenn er sich zu Bushs Politik Gedanken macht. Irritierend ist, dass zu Beginn mehrmals von dem islamkritischen Weblog gesprochen wird, zum Schluss aber ohne weiter Begründung das laue Wortspiel vom „politisch inkompetenten“ Weblog als Fazit präsentiert wird. Auch vermisse ich viele Informationen: Wovon lebt Herre eigentlich? Wieviele Spenden hat er für Klagen gegen den politischen Gegner eingesammelt? Wie oft wurde er selbst schon wegen Volksverhetzung angezeigt?

Lediglich ein Absatz ist mir positiv aufgefallen:

Ein Thema wird zum nationalen oder religiösen Symbol erhoben und den Lesern suggeriert man damit, genau davon hinge das eigene Schicksal und die eigene Zukunft ab. Gammelfleisch in Dönerbuden wird mit dem Jihad, eine Schulhofsschlägerei mit dem iranischen Atomprogramm und der türkische Gemüsehändler um die Ecke mit den Taliban in Verbindung gebracht.

Viralparanoia

Zuerst habe ich die IIS-Fehlermeldung, die zur Zeit auf netzeitung.de erscheint für das gehalten, was sie zu sein vorgibt: die Meldung eines Fehlers.

IIS-Fehlermeldung auf netzeitung.de

Da die aber schon seit 20 Minuten ohne Änderung erscheint, keimt in mir der Verdacht: Ist das etwa eine Viralmarketing-Kampagne für den IIS von Microsoft?

Die Kernbotschaften: IIS kann dynamische Inhalte verwalten – eigenet sich aber auch prima für statische Monolithen. Und Fehler sind in ein paar Mausklicks zu beheben. Wenn sie denn jemand beheben will.

Technisches Missverständnis

Laut Netzeitung sagt die bayerische Justizministerin Beate Merk folgendes:

In der Auseinandersetzung um die Pläne von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) werde zum Teil «ideologisch verbrämt» diskutiert, kritisierte Merk am Samstagmorgen im Deutschlandfunk. Dabei würden «ganz bewusst Ängste geweckt» und «Horrorszenarien» über flächendeckende Untersuchungen verbreitet. Diese seien in Wirklichkeit jedoch technisch gar nicht möglich.

Das ist ein Missverständnis. Phisher und Virenprogrammierer zeigen, dass das Anzapfen von Hunderttausenden Rechnern kein großes Problem ist. Entsprechende Software ist sogar käuflich erhältlich – wenn man mit Kriminellen ins Geschäfte macht. Die Kritik an der Onlinedurchsuchung gründet sich unter anderem darauf, dass eben der gezielte Einsatz bei Terroristen, Mördern und Kinderschändern (war nicht zunächst nur von internationalem Terrorismus die Rede?) technisch zwar nicht unmöglich, aber in den meisten Fällen unrealistisch ist.

PS: Das Interview ist jetzt online. Das Zitat in lang:

Die Technik allein ist sehr kompliziert, sodass wir nicht sagen können, das wird sehr oft angewandt, sondern das wird nur bei schwersten Delikten, also bei Mord, bei Terror bzw. was ich immer wieder sage, auch im Fall von Kinderpornografie ganz massiv ist. In solchen Fällen wird man mit Online-Durchsuchungen arbeiten und nicht in anderen Fällen. Wir müssen wegkommen von diesen Gespensterdebatten, von diesen Horrorszenarien, dass eine flächendeckende Durchsuchung gemacht würde, geplant wäre oder überhaupt technisch möglich wäre.