Elke Heidenreich gibt mir recht

Zwar hat sie meinen Blogeintrag zwar kaum gelesen, aber Elke Heidenreich schließt sich meiner Meinung an, dass Sendeplätze immer unwichtiger werden. Und das nicht nur mit vielen Worten, sondern auch mit Taten: sie verbreitet ihre Sendung jetzt im Internet.

Mit dem Fernsehen sei sie nun aber irgendwie fertig. Auf die Idee, ihre Sendung ins Internet zu verlegen, habe sie anfangs skeptisch reagiert. Jetzt sei sie aber voll überzeugt, denn das Internet sei „das Medium der Zukunft“. Jeder könne sich „Lesen!“ nun anschauen, wann er wolle. litCOLONY sei außerdem sehr professionell gemacht.

Nundenn – ich bin mal gespannt, ob die Buchhändler in Zukunft die bei „Lesen!“ vorgestellten Buchhändler immer noch in großer Stückzahl vorbestellen. Aber dies ist im Zweifel gar nicht mehr nötig: die sorgfältig gelobten Bücher kann man nun direkt im Onlineshop nebenan bestellen.

Update: Mit dem neuen news cycle korrigiert dann Heidenreich auch unschöne Details im allzu öffentlichen Gedächtnis:

„In meinem Herzen war ich mit dem Fernsehen durch“, sagt die Literaturkämpferin, die betont, ihr Rauswurf beim ZDF sei idiotisch gewesen, weil sie vorher schon zum Jahresende gekündigt habe.

Das ist das erste, was ich darüber höre. Nach Fernsehgalagate hat Heidenreich das ZDF noch trotzig aufgefordert, sie doch rauszuwerfen – das war sichtlich nicht ernst gemeint. Dann präsentiert sie ihre Pläne für ihre zwei verbliebenen Sendungen, bis der Vertrag ausläuft. Kurz darauf die öffentliche Kündigung durch das ZDF – wann will sie da selbst gekündigt haben? Immerhin, die Legende lebt: Literaturkämpferin ist sie nun.

Do the math

Ich habe am Donnerstag in Sachen Netzsperren gegen Kinderpornographie nachgefragt und bekam vom Bundesfamilienmisterium ein buntes Sammelsurium möglichst kontextloser Fakten geliefert. Als Außenstehender hat man es natürlich schwer, das nachzuvollziehen. Was bedeutet es, wenn ein paar Tausend Ermittlungsverfahren eröffnet werden? Die Aussagekraft von Polizeistatistiken ist eh nur sehr beschränkt.

Um so enttäuschter war ich, als ich die wenigen konkreten Zahlen las, die das Bundesfamilienministerium vom Bundeskriminalamt übernommen abgeschrieben hat.

Bei der Besitzverschaffung von Kinderpornografie durch das Internet war von 2006 auf 2007 sogar ein Zuwachs von 111% festzustellen von 3.271 auf 6.206 Fälle.

Wenn die Statistiker nicht mal einfache Prozentrechnung können, sehe ich schwarz für die Glaubwürdigkeit. Und die wäre bei dem Thema eigentlich ganz wichtig.

Update: Zwei Tage nachdem ich das BKA auf den Fehler aufmerksam gemacht habe, hat die Behörde die Angaben korrigiert:

Bei der Besitzverschaffung von Kinderpornografie durch das Internet war von 2006 auf 2007 sogar ein Zuwachs von 111% festzustellen (von 2.936 auf 6.206 Fälle)(Angabe aktualisiert am 26.11.2008).

Netzparanoia

Wenn man zu lange im Internet unterwegs ist, wird man mit der Zeit paranoid. Da geht kein Weg dran vorbei. Wo immer man einen Kommentar oder einen Link sieht, fragt man sich unwillkürlich: Da hat doch jemand dran gedreht? Wer hat dafür bezahlt, dass der Rasierapparat / der Film / das perpetuum mobile so über den grünen Klee gelobt wird?

Eine Möglichkeit: patentwürdige Anreizsysteme. Eine andere Möglichkeit: Transparenz. So bietet zum Beispiel die International Movie Data Base eine ausführliche Aufschlüsselung der Bewertungen:

Hier haben wir also einen Film, den 753 Leute sehr, sehr schlecht fanden (also schlechter als diesen), für 33 Leute war der Film aber das beste überhaupt – kein Film könnte eine bessere Wertung kassieren. Das ist eine auffällige Abweichung vom sonstigen Bewertungsmuster. Wie kommt das? Und dann fragt man sich wie viele Leute wohl an der Produktion beteiligt waren und IMDB-Accounts haben.

Und das ist die Paranoia. Denn hinter solchen Extremwertungen stecken nicht etwa Schauspieler, Drehbuchautoren und Produktionsassistenten – es sind die Kinder von Tim Robbins und Jon Stewart.

Schnell & gut

Kurz nach dem ersten Start des Internet Explorer 8 muss man einige Entscheidungen treffen.

Kleine Entscheidungshilfe: ich habe die Beta 2 auf MSN/Live Search gesucht und bekam das geliefert:

Der erste nicht gekaufte Link führt einen nicht zur Beta 2, sondern zur Beta 1.

Wenn Beate Uhse in den E-Perso guckt

Dieter Wiefelspütz über den E-Perso:

Die künftigen Internet-Möglichkeiten, die der neue Ausweis ermögliche, brächten „gigantische Vorteile für die Verbraucher“. Die Nutzung staatlicher Online-Dienstleistungen werde erleichtert, der Jugendschutz verbessert.

Kurze Assoziationskette: Jugendschutz plus Internet gleich Porno-Anbieter. Sollen Pornoanbieter auf den E-Pass zugreifen?

Man muss es nur richtig verkaufen können.

DPA-Alarmglocken ohne Klöppel

Da hat sich die DPA mal wieder ein Ei ins Nest gelegt und einen wirklich, wirklich schlechten Artikel über private Sexbilder im Internet veröffentlicht.

Das fängt schon im ersten Absatz an.

„Erotische Fotos von sich und dem Partner – täglich fotografieren oder filmen sich etwa 2300 Jugendliche in Deutschland beim Liebesspiel. Was viele von ihnen nicht ahnen: «20 bis 30 Prozent dieser Aufnahmen landen früher oder später im Internet», sagt Torsten Gems, Vorstand des biometrischen Suchdienstes ProComb in Dortmund.

Aus oberflächlich journalistischer Sicht prima. Ein Experte kann tatsächlich das Problem genau quantifizieren. Schalten wir aber mal den Menschenverstand ein: Woher soll der gute Herr Gems so genau wissen, was in deutschen Schlafzimmern so geschieht, wenn es denn nicht veröffentlicht wird? Hat er eine repräsentative Umfrage gemacht? Wohl eher nicht. Denn Herr Gems ist nicht nur hochseriöser Experte, er verdient mit dem Problem auch Geld. Nicht weniger als 69 Euro kostet es, die Dienste von ProComb in Anspruch zu nehmen. Die Alarmglocken hätten sich hier schon deutlich melden sollen.

Aber das war ja nicht alles an Recherche. Schließlich hat man die DPA auch eine Bestätigung von der hoch angesehenen Internet-Seite internetvictims.de eingeholt, die sich total selbstlos um alle möglichen Internet-Opfer kümmert. Ähm, tja, dieser Leumundszeuge ist erst recht ein Grund misstrauisch zu sein.

Aber selbst wenn man nicht im Internet weiter recherchiert, hätten die Kollegen von DPA wenigstens die Webseite ihres Experten kritisch begutachten können. Dort wird nämlich mal eben angeboten, fünf Fotos aus dem Internet zu entfernen. Kostenlos. Einzige Einschränkung: das Urheberrecht muss verletzt sein. Solche Versprechungen sind nur eins: unseriös. Der Dienst könnte sich höchstens um die Entfernung bei einigen ausgewählten Diensten kümmern, beliebige Internetseiten kann man nicht einfach löschen. Da hätten bei der DPA alle Alarmglocken Sturm läuten müssen.

Der komplette Webauftritt von ProComb sollte jedem Journalisten wirklich übel aufstoßen. Nirgendwo wird erwähnt, dass die Erfolgsaussichten, aufgrund eines Amateur-Fotos (kein „skilled photo“ erforderlich) erotische Filme im Internet zu finden bestenfalls mikroskopisch klein sind. Andere Belichtung, ungünstige Blickwinkel, Millionen sehr ähnlicher Menschen im Netz, dazu die Kapazitätsprobleme überhaupt einen relvanten Teil des Internets zu durchsuchen. Hätte ProComb da einen technischen Durchbruch erzielt, könnte sie den Erfolg sehr anschaulich demonstrieren. Stattdessen wird die „biometrische Suche“ als Allheilmittel angepriesen. Einziger Beleg für die Wirksamkeit: ein paar anonymisierte, dafür aber um so euphorischere „Kundenreaktionen“ auf einer Webseite ohne deutsches Impressum.

Fünf Silberlinge für Deine Freunde

Ich bin kürzlich über dieses (veraltete?) Angebot gestolpert:

Spokeo officially launched its social networking friends aggregation tool last month, and is now getting ready to launch the Spokeo Challenge, giving $5 to any user that doesn’t love its site.

Spokeo ist ein Friendfeed-ähnliches Startup, dass einen übergreifenden Überblick über die Aktivitäten Deines gesamten Bekanntenkreises im Internet verspricht. Fünf Dollar, wenn es nicht gefällt? Klingt doch nach einem guten Deal. Aber es geht noch weiter:

You’ll have to be a new user registering for an account in order to participate. You’ll also need 30 social network friends, and you’ll have to try out Spokeo for an entire week. Should you find that you don’t like Spokeo after all, you’ll need a PayPal account in order to receive your $5.

Die bevorzugte Weise, sich – und seine Freunde – anzumelden: Man verrät Spokeo sein Passwort eines Webmail-Services. Damit will Spokeo natürlich keinen Missbrauch treiben: sie schöpfen lediglich Dein komplettes Adressbuch ab. Sprich: wer diese Fünf-Dollar-Garantie in Anspruch nahm, verkaufte Spokeo quasi die Mailadressen der engsten Freunde – für wenige Cent pro Stück.

Na und? Was kann Spokeo schon mit den Adressen machen? Nun, sie können damit alle anderen Accounts Deiner Freunde in Erfahrung bringen. Wenn ein social network eine API anbietet, ist die Email-Adresse nämlich der Schlüssel zum Accountnamen.

Wie einfach das geht, zeigt Identifight: Einfach die Mailadresse eingeben und man erfährt ob der Besitzer der Emailadresse bei Flickr, Friendster, StumbleUpon, Yahoo360 oder einem ganzen Rudel anderer Seiten registriert ist. Mehr noch: man erfährt auch gleich die öffentlich verfügbaren Informationen wie Username oder eingestellte Bilder. Und das ist nur das unterste Level des Auto-Stalkings. Damit man tatsächlich Geld damit machen kann, muss man nämlich einigen Unternehmen die Daten – oder ein Extrakt davon – verkaufen. User-Profile, personalisierte Werbung, Bewerber-Check. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Mit Identifight sollte man es allerdings auch nicht übertreiben – wer weiß, was die mit den Daten machen?

Der wahre Motor des Internets

Der Bundesverband Musikindustrie hat mal wieder eine steile These:

Die deutsche Musikindustrie fordert mehr Kooperation der Internetprovider beim Schutz geistigen Eigentums in der digitalen Welt. „Deutschland ist ebenso ein Land der Kultur wie der Hochtechnologie. Beides darf nicht im Widerspruch zueinander stehen“, sagte Prof. Dieter Gorny, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Musikindustrie am Donnerstag in Berlin. Breitbandinhalte wie Musik oder Film seien der Motor für die Verbreitung schneller Internetanschlüsse. Während die Internetprovider von der Musik- und Filmindustrie profitierten, entzögen sie sich beim Kampf gegen die Internetpiraterie aber der Verantwortung.

Wer wirklich glaubt, dass Angebote wie Musicload auch nur für nur ein Prozent der bestellten Breitbandanschlüsse in Deutschland ausschlaggebend waren, sollte sich meiner Meinung nach dringend einem reality check unterziehen. T-DSL hat in Deutschland nur wegen Napster und dem nicht-zeitbasierten Tarifs so gut eingeschlagen. Die ersten legalen und massentauglichen Musik-Downloads kamen in Deutschland erst Jahre später auf – als Breitband-Internet schon lange ein Massenmarkt war.

Dass die Angebote der Musikindustrie nun wirklich nichts mit der Bestellung einer 30MBit-Flatrate zu tun haben, hat ja auch Gorny erkannt – und nimmt mal eben die Filmindustrie mit ins Boot. Doch deren Online-Angebot ist ja bis heute so deprimierend, dass wir uns bis heute lieber runde silberne Datenträger per Post zuschicken lassen.

Porno-Ausreden – in eigener Sache

Einige Leute haben es schon bemerkt, dass ich bei der nächsten re:publica halten werde. Das Thema lautet: Porno 2.0. Ein solches Thema verlangt nach einigen Disclaimern, auch bekannt als Ausreden.

Re-Publica

  1. Die Standard-Ausrede: Ich guck doch keine Pornos. Naja – ab und zu schon – aber nur weil die so witzig sind! „Warum liegt denn hier Stroh rum?“ Ich könnte mich stundenlang scheckig lachen.
  2. Die Netzkultur-Ausrede: Das älteste Gewerbe der Welt ist bekanntermaßen die Prostitution. Und so ist auch die Pornografie die killer-application der Internets gewesen, Quell technischer Neuerung und eben auch eines guten (oder schlechten?) Teils der Netzkultur.
  3. Die Die-lieben-Kollegen-Ausrede: Es gibt bereits eine wahre Artikelschwemme zum Thema. Youporn und Co sind Medienstars – spätestens seit der Sperre bei Arcor. Doch kaum einer der geschätzten Kollegen guckt sich die Portale tatsächlich an – und wenn sie es tun, fehlt offenbar die professionelle Distanz. Einen ehrlichen Review, was auf diesen neuen Porno-Portalen wirklich los ist, habe ich bisher noch nicht gelesen.
  4. Die Das-Publikum-will-es-Ausrede: Vor anderthalb Jahren habe ich einen kleinen Eintrag zu Youporn verfasst – bis heute ist er der am meisten aufgerufene Artikel dieses Blogs.
  5. Die Aufklärungs-Ausrede: Wenn wir Pornos verschweigen, schadet das der Internet-Sicherheit.
  6. Die Ist-doch-wahr-Ausrede: Internet-User sind doch alle nur biertrinkende Porno-Gucker!