Verwertungsgesellschaften und Commons

Bei Heise zitiert Monika Ermert die Beschwerde von Verwertungsgesellschaften über die allgegenwärtigen Creative-Commons-Vertreter.

„In jeder großen Debatte zwischen Autoren, Verwertungsgesellschaften und den Nutzern von Inhalten über den Wert des Lizenzsystems wird ein Vertreter von Creative Commons gegen uns aufgeboten“, beschwerte sich Cottle. Regelmäßig würden die Verwertungsgesellschaften als unflexbiel gescholten. „Wenn das Commons-Projekt irgendetwas erreichen will, muss es einen Weg finden, mit den Autoren zu kooperieren“, meint Cottle. Von den Commons als der jüngeren Organisation sei auch ein gewisser „Respekt“ zu erwarten. Lessig verteidigte das Commons-Projekt als ein „Werkzeug“ für die Autoren und Kreativen, die eine nichtkommerzielle Nutzung ihrer Werke zulassen, dabei aber ihre Urheberrechte wahren wollten.

Blogs und Foren wissen es genau: Die Verwertungsgesellschaften sind inflexibel, dumm, arrogant, überflüssig, CreativeCommons ist die Zukunft. Doch solchen Schwarz-Weiß-Malereien kann ich wenig abgewinnen: denn den Stein der Weisen hat selbst Lawrence Lessig noch nicht gefunden. Zwar gibt es vielversprechende Angebote wie zum Beispiel Magnatune, die kommerzielle Lizenzen von CC-lizensierten Musikstücken verkaufen. Dabei muss man sich aber bewusst sein: das ist nur eine Nischenlösung. Wie man zum Beispiel die vielen CC-Lizensierten Fotos und Texte auch in Geld verwandeln kann, ist noch völlig unklar.

Dabei hat man sich auch im Commons-Lager durchaus nach Verwertungs-Strategien umgesehen. Im letzten Jahr hatte ich den euphorischen Start des RegisteredCommons-Projekt auf der Berliner Konferenz „Wizards Of OS verfolgt. Die Idee: für CC-lizensierte Werke kann man hier ein Veröffentlichungszertifikat anlegen und sogar als Ausdruck kaufen. Somit wäre ein Grundstein zur kommerziellen Verwertung gelegt. Wenn man sich aber den Feed mit den neusten Registrierungen ansieht, findet man nur sehr wenig Nachfrage nach einem solchen Projekt: weniger als ein Werk pro Tag reicht einfach nicht.

Hauptsache Aktion?

Be schreibt:

Und mir ist bloßer Aktionismus lieber als gar keiner.

Ein nachvollziehbares Gefühl. Man muss doch irgendetwas tun können. Doch damit die Aktion nicht völlig im Nichts verpufft und Kräfte nicht unnötig gebunden werden, sollte man sich vorher einige Fragen stellen. Eine kleine Checkliste:

  • Ist die Botschaft für Außenstehende sofort verständlich? Fragt jemanden, der Outlook nutzt und Ebay toll findet.
  • Falls nicht: werden durch Planung und Ausführung Kräfte mobilisiert, die nachhaltig auch für andere Aktionen zur Verfügung stehen?
  • Ist jemand beteiligt, der die Aktion auch gegenüber der Presse vertreten kann und will?
  • Entspricht die Aktion den eigenen Grundsätzen? Menschenfreunde schlagen keine Menschenfeinde zusammen.
  • Gibt es eine Möglichkeit Erfolge von Misserfolgen zu trennen, sodass man die Ausführung im Fall der Fälle anpassen kann?

PS: Einen sehr wichtigen Punkt habe ich vergessen

  • Wird ein Dialog mit dem Kritisierten ermöglicht?

In2Revolution

Die FAZ hat mit den Geld-oder-Leben-Revolutionären gesprochen:

Elena erzählt, dass sie früher mal bei den Grünen war. Lange hat sie es dort nicht ausgehalten: „Die haben eigentlich immer nur über sich selbst debattiert.“ Johannes und Holger wollen sich parteipolitisch ohnehin nicht binden, denn das seien auch nur „Institutionen des bestehenden Systems“. Ihr eigener Zusammenschluss „Geld oder Leben“ sei schon aus diesem Grund keine feste Organisation, sondern eher ein Debattierklub ähnlich gesinnter Jugendlicher aus ganz Deutschland. Gewalt lehnen sie alle kategorisch ab. Aber wie ein Staat wie die Bundesrepublik überhaupt aufgebaut sein sollte, um der Sehnsucht dieser vier durchaus intelligenten jungen Leute nach mehr Nestwärme und Menschlichkeit zu entsprechen, bleibt letztlich ein großes Rätsel.
[…]
Holger ist 22 Jahre alt und studiert in Berlin Sozialwissenschaften. Wenn er nicht gerade den Reichstag stürmt oder über Politik diskutiert, spielt er gerne Gitarre. Mit seinen schulterlangen Haaren und den feinen Gesichtszügen wäre er in jeder Band der Schwarm aller Mädchen. Heute trägt er Ringelpulli und an den Füßen Socken in unterschiedlichen Farben. Er sagt: „Es ist doch schräg, dass sich an den Schulen heute alles nur um die richtigen Jeans oder um Markenturnschuhe dreht.“ Sein Mitbewohner Johannes ist auch 22 und studiert Physik – wie Claas (22) und Elena (21). Er hat dunkle, wache Augen, ein paar Bartstoppeln stehen ihm im Gesicht, und wenn er redet, findet er immer gleich die richtigen Worte.

Mal ehrlich: welche Parfümmarke soll nun beworben werden? Oder ist es die INSM?

Ich sehe die Storyline schon vor mir: Elena lernt diesen knuffigen Lateinamerikaner kennen, der ihr die Augen öffnet, wie linke Politik die Dritte Welt ruiniert. Und Johannes, Holger und Claas wollen die Politikszene erkunden, fühlen sich aber von Attac und Linkspartei abgestoßen und enttäuscht. Als ihr Freund Eduardo dann von finsteren Nazis verfolgt wird, tritt plötzlich Björn auf den Plan, der die Nazis vertreibt und rein zufällig für eine dieser tollen Gruppen arbeitet, wo noch echte Kreativität gefragt ist. Für die gute Sache. Bei den Jungen Liberalen.

Natürlich ist das billige Polemik: aber wer erst das Maul ganz groß aufreißt und dann schließlich nur Pseudo-Lyrik und Pseudo-Standpunkte absondert, wird nichts bewegen und will wahrscheinlich nicht mal etwas bewegen.

Johannes: „Mit dieser Aktion haben wir ja politische Verantwortung übernommen!“ Das soll es schon gewesen sein? Holger: „Es war zumindest ein Zeichen, jetzt wollen wir den Diskurs fortsetzen und eine Bewegung schaffen.“ Was für eine Bewegung? Elena: „Das ist im Moment noch nicht ganz klar.“

Flash-Mob statt Politik.

Publizistischer Schwarzschimmel

In irgendeinem Kriegsfilm – eventuell war es „Good Morning, Vietnam“? – habe ich den Satz aufgeschnappt: „Military intelligence? Was für ein Widerspruch.“ Zugegeben: im Deutschen kommt der Witz nicht so gut heraus. Im Englischen heißt intelligence eben nicht nur „Intelligenz“ sondern auch „Geheimdienst“.

Aber keine Bange – ich habe einen deutschen Ausdruck gefunden, der dem flachen Wortwitz in jeder Hinsicht Paroli bieten kann. Gefunden habe ich ihn in der taz, die in einem Artikel die Denkungswelt eines Netzeitungs-Chefredakteurs vorstellt.

Neben dem neuen Layout, das wohltuend aufgeräumt daherkommt, hat das Chefredakteursduo am „bislang zu einseitigen und mitunter etwas drögen“ Themenmix geschraubt. Das neue Schlagwort lautet: intelligenter Boulevard. Das heißt weniger Politik, dafür mehr Sport und Vermischtes auf der Startseite.

Ich wiederhole diese absurde Wortkombination gerne nochmal: intelligenter Boulevard.

Wie sieht das wohl aus? Ich kann es mir nicht wirklich vorstellen. Die Synapsen meines Gehirns versuchen die Information zu verarbeiten, fördern aber nur Bilder zu Tage, die eines M.C. Escher würdig sind. Absurde Konstruktionen. Intelligent und Boulevard? Hat das barbusige Mädchen aus Seite 1 nun eine Brille auf? Der Penisbruch als Katharsis und nicht etwa als billige voyeuristische Attraktion?

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Ein Blick auf die Netzeitung belehrt mich – und er erklärt auch, warum ich die Seite in den letzten Monaten immer seltener aufrufe. Intelligenter Boulevard: das sind Besetzungs-Meldungen aus der Welt der Super-Models, Sprüche aus dem WM-Studio, die neuen Nachrichten aus einer abgestandenen Casting-Show und alberne Fotos von Politikern.

Ich könnte mir nichts Drögeres vorstellen.

PS: Stefan Niggemeier hat das taz-Interview auch gelesen, und lässt sich über Vor-Ort-Recherche, Chefredakteurs-Euphorie und Werbung bei der Netzeitung aus. Wer mehr über den intelligenten Boulevard erfahren will, erfährt am 13. Juni an der FU Berlin mehr.

Manifest oder besser nicht?

Sie hatten mich neugierig gemacht: eine bisher unbekannte Gruppe hat eine spektakuläre Aktion im und um den Bundestag durchgeführt und dabei unter anderem den Schriftzug „Dem deutschen Volke“ mit dem Banner „Der Deutschen Wirtschaft“ verdeckt. Wer die Leute sind und was sie wollen, war lange unklar. Auf einem neu eröffneten Weblog wird eine Proklamation unter dem Titel „Der Bundestag ist gescheitert” verbreitet, die von der Gruppe stammen soll.

Erster Gedanke dazu: Mit dieser Erklärung könnte Thomas Gottschalk zum Kanzler kandidieren. Und er könnte sie sogar selbst geschrieben haben.

Schade drum.

Gab es die Flüssigbomben denn nun?

Heute morgen habe ich im Radio ein Servicestück gehört, was Passagiere mit ins Flugzeug nehmen dürfen. Demnach bleiben allein am Flughafen Düsseldorf täglich acht Tonnen Flüssigkeiten zurück.

Erinnern wir uns: diese tollen Sicherheitsregeln wurden eingeführt, nachdem im letzten Jahr ein Terrorkomplott aufgedeckt wurde. Doch ob es jemals auch nur einen Prototypen dieser Flüssigkeitsbomben gegeben hat, ist nach wie vor unklar. Ich tippe mal: nein.

PS: Thomas Wigold beschreibt ein weiteres Kuriosum: die Israelis haben überhaupt kein Interesse, Getränke an Bord zu verbieten. Aber was wissen die schon von Terroristen?

Etikettenschwindel mit Westerwelle

Fortschritte in der Zuschauermessung – ein dröges Thema. Aber nicht, wenn man eine Westerwelle-Wegschaltquote in die Überschrift packt.

Doch was erfahren wir über die Leute, die bei Anblick von Guido abschalten? Nichts. Das Interview endet so:

Was hat sich eigentlich genau verändert, seit die Quoten sekundengenau ausgewertet werden? Gibt es Sachen, die man seitdem weniger oder gar nicht mehr im Fernsehen sieht? Guido Westerwelles Medienpräsenz ist ja in letzter Zeit auffällig zurückgegangen – liegt das vielleicht an einer Westerwelle- Wegschaltquote?

Andreas Kühner: Nein. So etwas ist mir nicht bekannt.

Zum Abschalten ist es da zu spät. Und Klicks kann man nicht zurücknehmen.

Legegebühr

Aus purer Neugier habe ich mir mal angesehen, wie günstig man doch im Vergleich zur Bahn fliegen kann. Auf der Übersichtsseite herrschen geradezu paradiesische Zustände: Flüge für unter einem Euro, für meinen gewünschten Reisetermin gab es noch jeweils einen Flug für unter 10 Euro.

Tja, denkste.

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Passagierbezogene Gebühren? Steuern? Treibstoffzuschlag? Würden die bei jedem anderen Geschäft nicht in den ganz normalen Preis eingerechnet? Für was werden denn die Preise in der Übersicht berechnet? Für die Polsterabnutzung? Warum nicht gleich alle Flüge umsonst und alles als Zuschlag deklarieren?

Aber wozu schimpfen? Ich finde, man sollte das Modell ausweiten. Im Supermarkt gibts die Eier für 0,2 Cent – an der Kasse werden dann noch 48 Cent Steuern, Dreikornzuschlag und Legegebühren aufgeschlagen. Der Döner umsonst, aber vorher musst Du drei Ayran zum Preis von je zwei Euro die Kehle hinunterkippen. Die Pizza gibt es nur mit Schutzgeldzuschlag und die Bank benötigt dringend einen Überfall-Ausgleich für das kostenlose Konto.

Nachhilfe in PR

Wenn man die Öffentlichkeit vom friedlichen und harmlosen Zocker-Leben überzeugen will, sollte man in der Gegendarstellung möglichst nicht von einer „most hated-Liste“ fabulieren. Auch sollte man seine Wortwahl nicht künstlich militärisch gestalten, in dem man „Bericht erstatten“ mit „berichten“ verwechselt. Auch der Satz „Das Spiel verfolgt im allgemeinen nicht das Ziel, grundsätzlich extreme Straftaten zu begehen“ ist ein denkbar schwaches Dementi. Man stelle sich vor, ein Hundebesitzer antwortet auf die Frage „Beißt der?“ mit einem verschmitzten „Im Allgemeinen nicht…

Ach ja: Man sollte das Ganze von irgendwem gegenlesen lassen, der jemanden kennt, der schon Mal einen Duden gesehen hat.