Copycat

Ich hab mal wieder ein neues Geschäftsmodell.

Ab heute nenne ich mich Torsten Samwah, gele mir die Haare, gehe zu wichtige Konferenzen. Und dann warte ich darauf, dass mir eine erfolgreiche Unternehmerfamilie ein Übernahmeangebot macht.

Ein dreistelliger Millionenbetrag muss es aber schon sein.

Herr Medienrath, wohin mit den Millionen?

Sehr geehrter GeheimMedienrath von Beckedahl,

Sie sind nun bei der mabb, sitzen in den gläsernen Palästen der Medienbürokratie. Sie mögen es noch nicht bemerkt haben – aber Sie, sehr geehrter Medienrath von Beckedahl, Sie sitzen auf Millionen.

So haben kürzlich der Verband Bayerischer Lokalrundfunk VBL und die Vereinigung Bayerischer Rundfunkanbieter VBRA einen sachgerechten Anteil der Versteigerungserlöse der Digitalen Dividende gefordert? Wozu? Um die Einführung des DAB+-Standards zu finanzieren. Geld, das gut angelegt wäre, wenn man den beeindruckenden Erfolg von DAB in Deutschland betrachtet. Zugegeben – die Investition erscheint nicht ganz so nützlich wie das Geld zum Sonntagabend-Tatort im Kamin zu verfeuern, aber es ist doch irgendwie nützlich.

Sehr geehrter Herr Medienrath, mein Geschäftsmodell ist nicht vorhanden, mein Idealismus ist aufgebraucht. Und 250 Millionen Euro sind eine Menge Geld. Selbst wenn Wikipedia Jimmy Wales wilde Träume hat, dann fantasiert er lediglich von 100 Millionen. Dollar! Mit dem dreifachen Betrag müsste doch etwas zu machen.

Robert Lemke 24 Stunden lang? Das muss kein Traum bleiben! Eine Schule, die den Menschen beibringt, warum sie Fefe mit Wattebäuschchen bewerfen sollte? Immer her damit! Eine Flasche Whiskey für jeden Tweet, der nicht an dem Verstand des Twitterers zweifeln lässt? 500 Mal das überaus großzügige Jahresbudget von Wikileaks, da steckt doch Musik drin.

Sehr geehrter Medienrath von Beckedahl, Sie sitzen auf Millionen. Bitte stehen Sie auf, dass wir Sie besser sehen können!

Die Ökonomie der Überwachung

Die britische Regierung hat ein kreatives neues Geschäftsmodell vorerst gestoppt, wie die BBC berichtet:

The private company scheme intended to stream live footage to subscribers‘ home computers from CCTV cameras installed in shops and other businesses.

Nunja – warum sollte man den Überwachern auch die Heimarbeit verbieten? Das Ganze sollte natürlich dazu dienen, die Kosten für die teure Überwachung zu drücken. Und da kommt der spannende Teil:

The company had initially offered to pay out up to £1,000 if registered viewers spotted shoplifting or other crimes in progress.

Da war die BBC möglicherweise nicht ganz korrekt, denn bei den wenigsten Straftaten, die von Überwachungskameras festgestellt werden können, entsteht ein Schaden von 1000 Pfund.

Auf der Webseite des Anbieters findet sich heute eine etwas andere Formulierung:

Feedback is converted into points and credited to the Viewer’s account on a monthly basis. The user name of Viewer’s who have made the best contribution to the prevention of crime or to securing evidence of crime will be published in a“Thank You List“ at the end of each month unless the Viewer has elected to remain anonymous. The highest scoring Viewer will also receive an award to the value of £1000, which will be paid into the Viewer’s bank account in Europe on verification of identity and age. This fee will be split in the event of a tie.

Der Normal-User bekommt also gar nichts, nur einen feuchten Händedruck, der nicht mal physische Gestalt bekommt. Alleine der Beste der Besten bekommt tatsächlich so viel Geld, dass er damit einen Billig-Job substituieren könnte.

Die Firma weiß sehr genau, welche Art von Usern sie mit diesem (Nicht-)Bezahlmodell anziehen wird: unzuverlässige.

Each Viewer receives 5 alerts per month.
[…]
Use of alerts may be monitored and the numbers of free alerts is limited to prevent system abuse.

Über Linkkürzer

Gerade dank Twitter & Co sind Linkverkürzer grade sehr in Mode. Ein paar Fakten.

Solche Dienste sind ein Sicherheitsrisiko. Dank der Verkürzung erkennt der Internet-Surfer vorher meist nicht, wo er denn landet, und er weiß nicht ob die Daten nicht an anderer Stelle verändert wurden wie vor kurzem geschehen.

Welche Linkverkürzer in fünf Jahren noch online sind, ist höchst fraglich – gute und nachhaltige Geschäftsmodelle habe ich bisher nicht gesehen. Im besten Fall gehen die Links irgendwann ins Leere. Die Sage, dass das Internet nichts vergisst, ist bekanntlich Blödsinn – wie wir Menschen behält das Internet nur das, was ihm grade besonders interessant vorkommt – und auch davon nur die Hälfte. Wenn das große Tiny-Sterben einsetzt, helfen aber nicht einmal Google-Cache oder Archive.org, das Ergebnis wird eine rapide Internet-Demenz sein.

Auch Kurz-URLs brauchen Platz. Die Links, die TinyURL grade ausspuckt sind 25 Zeichen lang, das sind 17,8 Prozent eines Tweets. Bit.Ly kommt derzeit mit vergleichsweise schlanken 19 Zeichen aus.

Dabei lassen sich ellenlange URLs oft sehr einfach verkürzen. Zum hat zum Beispiel der oben erwähnte Link

http://www.heise.de/security/2-2-Millionen-URLs-bei-URL-Verkuerzerdienst-manipuliert–/news/meldung/140557

ganze 106 Zeichen. Ohne Zauberei wird aus der langen, sprechenden URL eine relativ kurze:

http://www.heise.de/security/news/meldung/140557

hat nur noch 48 Zeichen, führt zum gleichen Ziel und zeigt dem Nutzer auf den ersten Blick, wohin er denn klickt. Bei vielen langen URLs geht das ganz ähnlich. Session-IDs sollte man eh vor der Weitergabe an Dritte streichen.

Deshalb: Wer sinnlos Linkverkürzer einsetzt, denkt auch kürzer.

De Twitterus fantasticus

Im JoNet tobt mal wieder die Diskussion, um Twitter, Blogs, Facebook und Co. Und wie zu erwarten wiederholen sich immer wieder die alten Argumente. Zwei simple Feststellungen:

  • Natürlich wird Twitter gerade gehypt. Die Firma hat keine Einnahmequellen, von einem gangbaren Geschäftsmodell habe ich nichts gehört. Und Twitter hatte bei der Notwasserung im Hudson exakt keinen Mehrwert gegenüber den klassischen Medienkanälen. Die deutschen Twitterer haben die Tweets des twitternden Augenzeugen erst entdeckt, als der schon CNN (oder MSNBC?) ein Live-Interview gegeben hatte. Das Flugzeug ist vor DER Medienhauptstadt der Welt notgewassert. Da Spiderman grade in Washington beschäftigt war, hatte der Daily Bungle diesmal nicht als erstes Exklusivfotos. Who cares?
  • Und natürlich sollten sich Berufskommunikatoren für neue Kommunikationsformen interessieren. Dass die derzeit meist besuchten Plattformen wie Facebook oder StudiVZ in der Regel nicht mal taugen um eine simple Geburtstagsparty zu organisieren, sollte uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich hier neue Kommunikationsmechanismen etablieren. Wer das ignoriert, wird das Nachsehen haben. Wer diese Medien jedoch als Allheilmittel verkaufen will, belügt sich selbst. Die Brechtsche Radiotheorie ist eine Theorie, YouTube ist die Praxis.

Die Porno-Blase platzt

Vor ein paar Wochen fragte ich: Wann platzt die Geo-Porno-Blase? Wie lange noch kann sich jede schlechte YouPorn-Kopie sich über Adultfriendfinder finanziert?

Nun, die Antwort ist hier: das Unternehmen steckt über beide Ohren in Schulden, macht derzeit kräftig Verluste und hat keine Ideen, wie sich das ändern könnte. Die Eigentümer sind so verzweifelt, dass sie das Unternehmen mitten in der Finanzkrise an die Börse bringen wollen.

Die Folge: die Gelder aus den Fake-Anzeigen scheinen bereits heute nicht mehr so kräftig zu sprudeln wie früher. So scheinen sich die Anbieter nach anderen Einnahmequellen umzusehen: Webcams, DVD-Verkauf, bezahlte Abonnements. Gerade letzteres dürfte bei den lieblosen Interfaces und einem Datenbestand, der überwiegend aus Raubkopien besteht, nicht so erfolgversprechend sein – und die anderen Optionen bringen nicht gerade viel Geld ein. Porno-Freunde werden sich wohl bald nach Alternativen umsehen müssen.

Nachhaltiges zwitschern

Ich persönlich habe es nie benutzt, aber die SMS-Anbindung von Twitter war eines der Features, das den Dienst in vielen Ländern populär gemacht hat. Nun hat Twitter mal eben die Auslieferung der SMS außerhalb von Nordamerika ohne Vorwarnung gestoppt. Vage Hoffnung: Twitter will lokale Zugangsnummern einrichten. Irgendwann. Vielleicht.

In diesem Thread gibt es auch ein paar Zahlen:

It pains us to take this measure. However, we need to avoid placing undue burden on our company and our service. Even with a limit of 250 messages received per week, it could cost Twitter about $1,000 per user, per year to send SMS outside of Canada, India, or the US. It makes more sense for us to establish fair billing arrangements with mobile operators than it does to pass these high fees on to our users.

Warum hat man dann diesen wahnsinnig teuren internationalen SMS-Versand überhaupt eingeführt? Statt das Problem zu lösen und billigere Alternativen zu fördern, hat Twitter die Entwicklung verschlafen und ist ohne die warme Gelddecke der Investoren aufgewacht. Der für Twitter ohne externe Kosten verbundene Versand über Instant-Messaging-Dienste ruht nach wie vor.

Mail von VistaPrint

Mein Vater hatte vor etwas über einem Jahr Gratis-Visitenkarten bei VistaPrint bestellt. Und bekam seitdem fast täglich eine neue Mail mit tollen Produkthinweisen, Sonderangeboten, Gewinnspielen. Dass das viel zu viel ist, weiß VistaPrint offenbar selbst. Wer sich abmelden will, bekommt folgenden Kompromiss angeboten:

Wir sind dem Link „Abmelden“ gefolgt, haben eine kleine Umfrage zu den Gründen beantwortet und konnten dem Lockangebot eines pauschalen 25-Prozent-Rabatts auf VistaPrint-Produkte widerstehen. Und was bekommt mein Vater am nächsten Tag? Eine weitere Mail von VistaPrint:

Wir möchten uns für Ihr Vertrauen in VistaPrint bedanken! Da wir großen Wert auf Ihre Meinung legen und stets darum bemüht sind unser Service für Sie zu verbessern, bitten wir Sie um Ihr Feedback und laden Sie dazu ein an unserer Umfrage teilzunehmen.

Um an unserer Umfrage teilzunehmen klicken Sie bitte hier.

Als Dankeschön für Ihr Vertrauen und Ihre Zeit möchten wir Ihnen, einige unserer beliebtesten Produkte zu einem großartigen Preis anbieten.

Offenbar haben wir meinen Vater nur von der Mailingliste für Sonderangebote und Sonderverkäufe abgemeldet, nicht aber von dem Verteiler für Vertrauensdank und Umfragen in Verbindung mit großartigen Preisen.

Ob diese merkbefreite Kamikazekommunikation auch patentiert ist?

Keine Angst vor Craigslist

Seit zwei Wochen gibt es Craigslist auf Deutsch. Mit hohen Erwartungen.

Grund genug, sich das Angebot für Köln mal genauer anzusehen. Fast eine Million Einwohner, Zigtausende von Studenten, viele Medien-Menschen, da muss Craigslist doch brummen. In Nullkommanichts.

Was haben wir denn da? In der ersten Rubrik Communities Allgemein finde ich tatsächlich vier Anzeigen. Zwei Mal Spam eines Medikamentenvertriebs, einmal Werbung für eine wahnsinnig tolle Community, und eine Bitte, an einer Online-Umfrage der Jacobs-University in Bremen teilzunehmen. Sicher. Gerne.

Okay, vielleicht ist diese Rubrik wenig ansprechend, weil sie zu allgemein gestaltet ist. Schauen wir mal bei den Immobilien rein. Büro/Handel: nichts. Nada.
Ferienwohnungen fünf Angebote seit dem Deutschland-Start, davon nur eines mit Kölner Ferienwohnungen – aber ohne konkrete Angebote. Bei den Wohnungsangeboten gibt es drei Anzeigen: zwei Wohnungen und ein Vermittlungsservice, der als ersten Schritt die Erstellung eines Kredit-Profils empfiehlt.

Okay, das war wieder nichts. Sind die Subprimes schuld? Vielleicht hat Craigslist bei menschlicheren Bedürfnissen seine Stärken? In der Rubrik Sie sucht ihn wartet seit einem Monat eine 59jährige Kalifornierin auf einen Deutschen, der zu ihr nach Südkalifornien zieht. Und eine 45jährige Amerikanerin, die temporär in Köln wohnt, sucht sozialen Anschluss samt Sprachnachhilfe. Niedlich: Statt Sülz, schreibt sie „Solz“. Eine amouröse und orthografische Herausforderung.

Bei der in Köln sicher klischeehaft beliebten Rubrik Er sucht ihn sieht es nicht besser aus: Ein Kanadier möchte einen „german bottom boyfriend“, ein Athletic Bi Student sucht „nsa fun“. Ob er gemeinsam Telefone abhören will?

Lange Rede, kurzer Sinn: die deutschen Medien haben nicht allzu viel zu befürchten. Bis die Anzahl der echten Anzeigen den nutzlosen Spam überwiegt, dauert es wohl noch eine ganze Weile. Es reicht halt doch nicht lieblos eine deutsche Sprachversion zusammenzustoppeln, um den Markt aufzurollen.