Elementary

Als ich vor einigen Jahren „Elementary“ entdeckte, war ich fasziniert. Eine Adaption von Sherlock Holmes in New York ist heute nur folgerichtig. Denn New York ist heute das, was Ende des 19. Jahrhunderts London war. Und: Anders als so viele New York-Serien ist diese nicht in Los Angeles gedreht worden. Andererseits: Wenn US-Sender sich europäischen Stoffen widmen, dann wird das Ergebnis schnell banal.

Und dennoch: Was ich sah, gefiel mir. Lucy Liu als Watson war eine interessante Wahl. Sherlocks Neuerfindung als Junkie ist gerade heute sehr relevant. Die ersten Fälle waren spannend erzählt, gekonnt verwoben und die Regisseure geizten nicht mit Ausblicken auf diese faszinierende Stadt. Ich war hooked: Ich freute mich nach einer Folge schon auf die nächste. Nach zirka zwei Staffeln hatte sich mein Verhältnis zu der Serie wieder deutlich abgekühlt. Ich sah keinen Sinn mehr, die nächste Folge einzuschalten. Und tat es deshalb auch nicht mehr.

In letzter Zeit habe die Serie auf Netflix entdeckt und wieder reingeschaut. Und wieder war ich fasziniert. Diesmal nicht von der Serie an sich, sondern weil ich herausfinden wollte, was mich stört. Ich bin ein Anhänger der These, dass Fiktionen auf viele Weise unsere Realität widerspiegeln – und in der Masse verändern die Fiktionen wiederum unsere Realität. Und dass in der Realität einiges schiefgelaufen ist, steht nicht wirklich zur Debatte. Was also hat mich von der Serie abgeschreckt, obwohl sie nach kommerziellen Kriterien ein gewaltiger Erfolg ist und bald in die sechste Staffel geht?

Eine gelungene Kombination?

Fangen wir zuerst nochmal mit den positiven Aspekten an: Obwohl eine Staffel aus 24 Fällen besteht, ist Elementary clever geschrieben und schafft es immer wieder, aktuelle Themen mit den alten Geschichten von Sir Arthur Conan Doyle zu verknüpfen. Drohnen. Mrs Hudson. Das Bienensterben. Lestrade. Anonymous. Drogensucht. Dabei steht die Serie Konkurrenten wie The Good Wife, Castle oder White Collar in nichts nach. Dass Holmes nun auf Verkleidungen verzichtet und stattdessen ein unglaubliches Sprachtalent mitbekommen hat, ist nur folgerichtig. Dass die Red Headed League sich nicht mehr nach zu einem Tresor durchbuddelt, sondern zu einem Transatlantik-Datenkabel – Kudos. Dass Moriarty nun mit Irene Adler kombiniert wurde – nun, das ist zumindest wagemutig.

Doch die anfänglich Kreativität ist nach 40, oder 50 Folgen in Stagnation und Lethargie umgeschlagen. Beispielsweise war das Hacker-Kollektiv „Everyone“ mal eine anregende Idee. Zwischenzeitlich wird es aber zum Joker, der in fast jeder Folge gezückt wird, wo ein kleines Plot-Loch besteht: Sherlock müsste etwas ermitteln, was eigentlich nicht zu ermitteln ist? Keine Sorge: „Everyone“ ist unfehlbar und immer verfügbar.

Ein Grund-Defekt vieler Serien mit dem Schauplatz New York ist, dass die gezeigten Apartments immer zu groß sind. Bei Elementary fiel das zunächst nicht so auf. Mit seinem Brownstone in Williamsburg/Harlem hat sich Holmes eine extraterritoriale Oase geschaffen, seine Ermittlungen führen ihn meist an den Arbeitsplatz von Zeugen, selten mal in eine Wohnung. Doch wenn man die Serie länger schaut, erkennt man schnell: So lebt man nicht wirklich in New York. Weite Strecken sehen mittlerweile wie ein Werbespot für Luxus-Immobilien aus. Das wirkt sich irgendwann auch auf den Plot aus. In unwirklichen Wohnungen leben unwirkliche Menschen. Auf der einen Seite die besserverdienenden Abziehbilder: Anwälte, CEOs, Unternehmensberater. Auf der anderen Seite die untere Klasse, die in geradezu Dickins’scher Armut gezeigt wird. Werden sie in Apartments ermordet, fällt die Farbe von den Wänden.

The other half

Dass etwas nicht stimmt, dass das nicht reicht, haben die Autoren in Staffel 3 selbst gemerkt. Joan Watson ist hier schon kein Gegenpart mehr, die den vermeintlichen Übermenschen Sherlock auf den Boden zurückholt. Stattdessen mutiert sie immer mehr selbst zur Überfliegerin, die Wissen aus reiner Luft bezieht und jahrealte Mysterien im Handumdrehen löst.

Man kann es an der Flut neuer Figuren bemerken, die schnell eingeführt werden und wieder verschwinden. Der London-Import Kitty bleibt merkwürdig unvollständig. Grade als man in den Versuch kommen könnte, sie zu verstehen, verschwindet sie wieder. Gleiches passiert mit dem Sponsor und Autoknacker Alfredo. Mit dem Bruder von Sherlock. Mit dem Vater von Sherlock. Irene. Storybögen werden gespannt — und verschwinden im Nichts. Immer wieder verliert sich Elementary in kreativen Sackgassen. Joan zieht aus, Joan zieht wieder ein. Der Job beim NYPD ist vorbei, der Job beim NYPD ist wieder da. Sherlock wird empathisch und Sherlock kehrt wieder zu seinem rüden Selbst zurück. Sherlock beginnt eine Liebesbeziehung. Und sie verfliegt.

Gleichzeitig flüchten sich die Autoren in Narrative, die man seit Jahrzehnten erfolgreich einem nicht-denkenden Publikum verkaufen kann: Der absolut einzige Weg aus Abhängigkeit sind Selbsthilfegruppen mit dem 12-Punkte-Programm. Es gibt das absolut Böse. Braune Menschen sind kriminell oder mit Kriminellen verwandt. Folter wirkt. Wenn wir nur überall Kameras aufhängen, ist quasi jedes Problem lösbar. Der Rechtsstaat hindert nur. Superhelden stehen über dem Gesetz.

No Law, But Order

Gerade diese tiefe Verachtung für den Rechtsstaat irritiert mich zunehmend. Holmes muss nie in einem Strafprozess aussagen, er zerstört immer wieder jegliche Beweiskette, erpresst Zeugen, bricht ein. Am Anfang konnte man das noch mit seinem Außenseitertum begründen — auf die Dauer wird es jedoch ermüdend. Richtig skurril wird es, wenn Detective Bell eine Romanze mit einer anderen Polizistin entwickelt. Als er erfährt, dass seine Freundin für die Internen Ermittlungen — the rat squad — arbeitet, versteigert er sich in moralische Tiraden über Spitzel, die echte Polizisten verraten, mit voller Unterstützung von Holmes und Watson. Da stand wohl die Serie Blue Bloods Pate. Denn das Department, der ehrliche Cop hat letztlich immer recht.

Auch die Konstruktion der Fälle wird zunehmend nachlässig und simpel. Egal ob es um Diebstahl, Betrug oder Entführung geht: Es muss immer jemand ermordet werden. Echte Gründe braucht dazu kaum ein Täter. Es ist egal wie komplex die Pläne sind, die zum Erfolg führen. Wachmänner, Zeugen, Geschäftspartner und Ehepartner werden ohne Skrupel oder Reue beseitigt. Was ist das nur für ein Menschenbild?

Und hier bin ich wohl am Punkt angelangt, der mich bei Elementary zunächst unbewusst gestört hat. Aus einem intellektuell anregenden Spiel ist durch bloße Wiederholung und dem Beharren auf simplen Denkmustern etwas geworden, was nur noch dazu eignet, sein Gehirn abzuschalten. Und wenn wir unser Gehirn abschalten und uns dauernd mit Zynismus berieseln lassen, dann verschwindet dieser Zynismus nicht so einfach wieder aus unseren Köpfen. Sondern setzt sich fest. Fiktionen spiegeln auf viele Weise unsere Realität wider – und in der Masse verändern sie unsere Realität.

Comedy in Zeiten von Trump

Did you hear this? I love this story. Oh my goodness.

Zum Osterfest im Weißen Haus kam ein Gast, der nur einmal pro Jahr kommt. Es war *trommelwirbel* Melania Trump!

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Kein Witz: Diese Pointe habe ich diese Woche in gleich drei verschiedenen Comedy-Shows gehört. Dass Melania ihren Mann anstupsen musste, damit der zur Nationalhymne Haltung annahm — das kam in jeder Show. Und das zeigt uns: Comedy in Zeiten von Trump hat ein Problem.

Ich weiß: Ich schwimme hier gegen den Strom. Alle Welt verehrt grade die heilige Göttin Comedy, die uns die Trumpiaden erträglich macht. Und doch: Was da allabendlich über die Bildschirme flimmert, mag im Einzelnen furchtbar komisch sein – zusammengenommen ist es jedoch sehr deprimierend. Ich genieße zwar, wie Stephen, Seth, Trevor, Jimmy und Conan Tag für Tag, Samantha und John Woche für Woche Donald Trump durch den Kakao ziehen. Doch tolle Comedy ist es nicht. Und die Wahrheit(TM) erst recht nicht.

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Comedians arbeiten sich an Widersprüchen und Stereotypen ab — und die Regierung Trump überschwemmt sie förmlich damit. Es ist wie eine DDOS-Attacke auf Comedy. Zu Beginn seiner aktuellen Staffel erklärte John Oliver noch optimistisch, dass sich nicht vorrangig mit Trump, sondern lieber mit den richtigen und wichtigen Themen beschäftigen wolle. Er hatte keine Chance. In den fast 100 Tagen seit Amtsübernahme haben wir nicht einen Tag erlebt, wo sich das Weiße Haus nicht lächerlicher machte, als es alle Comedians zusammen vermochten. Sean Spicer macht Hitler-Vergleiche, Donald Trump lässt seine Haltung zu China in zehn Minuten von Xi Jinping umdrehen. Und dann das Bild von Sarah Palin, Kid Rock und Ted Nugent im Oval Office. Wer sein Publikum amüsieren will, verbringt große Teile seiner Sendezeit damit, die Geschehnisse des Tages mit einem hämischen Tonfall nachzuerzählen statt sie zu reflektieren.

Der Spalter der Nation

Würde es Trump wirklich stören, dass die New Yorker Comedy-Shows über ihn lachen — er müsste sich komplett neu erfinden. Er tut es nicht, weil er das nicht wirklich kann. Aber dazu kommt: Das Gelächter ist eigentlich ganz in seinem politischen Interesse. Sein Erfolg beruht nämlich nicht darauf, dass er die Mehrheit der Bevölkerung überzeugen könnte. Sondern darauf, dass eine enorm große Minderheit im Lande die vermeintliche liberale Elite zum Kotzen findet. Und in dieses Narrativ passt es prima, wenn sich auch der letzte drittklassige Komiker einen Trump-Akzent aufsetzt und meint, sich aufs moralisch hohe Ross setzen zu können. Und wenn sich Komiker aufs hohe Ross setzen, sieht das in der Regel nicht wesentlich besser aus als Ted Nugent im Oval Office.

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Zwar haben die Parodien in Sendungen wie Saturday Night Life sicher dazu beigetragen, dass das Gewinner-Image Trumps in breiten Bevölkerungsschichten angegriffen wurde. Doch Trevor Noah sagte kürzlich in einem Interview mit dem Magazin The New Yorker, dass Comedy in solchen Zeiten einen negativen, anti-aufklärerischen Aspekt haben könnte. Denn wenn die Leute ein Phänomen verlachen, dann ist die Motivation gering, dagegen auch etwas zu tun.

Die Nachrichten von vorgestern

Und dennoch arbeitet sich Trevor Noah Abend für Abend an genau den gleichen Lächerlichkeiten ab wie zuvor schon seine Kollegen. Seine Grafik-Abteilung packt dazu einige lustige Film-Plakate und dann kommt ein mehr oder weniger lächerliches Korrespondenten-Stück. Ein paar Minuten pro Woche wird ein ernstes Thema wie die Trinkwasser-Krise präsentiert. Aber wer die Medien auch nur flüchtig verfolgt, kennt die präsentierten Stories längst. Einen Impuls zum Aktivwerden bietet die Sendung allenfalls, wenn sie dem Publikum einen hämischen Hashtag vorschlägt.

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Comedian Aparna Nancherla kritisierte noch vor der Amtsübernahme in der Village Voice:

The most cliché Trump jokes — his orange skin, emphatic hand gestures, and tween-like reflexes on social media — have been hashed and rehashed, hashtagged and retweeted. In fact, many Trump jokes just start with commenting on something he’s already tweeted. It’s an easy way to fulfill our quasi-contractual obligation as comedians to roast the powerful.

Folge dieser Klischeeparade sei eine Normalisierung. Und das ist der Stand der Comedy heute. Einige der Klischees, die immer wieder auftreten:

  • Trumps Haar- und Hautfarbe
  • Putin persönlich hat die Wahl gehackt.
  • Donald Trump will Sex mit seiner Tochter haben.
  • Die Trump-Söhne sind dämlich, seine Tochter Tiffany ein Versager.
  • Grab them by the pussy
  • Melania ist ein Trophy Wife
  • President Steve Bannon
  • Donald Trump liest nicht.
  • Donald Trump hat keine Ahnung.
  • Donald Trump spielt viel, viel Golf.
  • ….

Gerade die Witz über Melania schlagen mir inzwischen übel auf. Die nicht so subtilen Andeutungen, dass die Frau des Präsidenten eigentlich eine Prostituierte ist, haben längst auch die super-sympathischen Comedians wie Seth Meyers und Jimmy Fallon in ihrem Repertoire. Abwechselnd wird sie als geldgeiles Trophy Wive oder als Geisel eines Psychopathen karikiert, dazu als strunzdämliche Frau, die so ziemlich das Gegenteil von Michelle Obama verkörpert. Der letzte Punkt mag stimmen, aber in der Masse sind die Witze bei einem Maß angelangt, das wir bei einer uns sympathischeren Frau als untolerierbar, gar als menschenverachtend empfinden würden.

Comedy als Schlammcatchen

Was hier geschieht, kann man als „mudding the water“ bezeichnen. Dieses Schlagwort wird in Zusammenhang mit Trump immer wieder gebraucht. Es bedeutet, dass Trump weite Teile der Bevölkerung nicht überzeugt, dass er die Wahrheit sagt. Er überzeugt sie aber damit, dass auch alle andere Politiker lügen. Dies macht es Leuten, die tatsächlich die Wahrheit sagen wollen, unheimlich schwer gehört zu werden. Zum einen ist die Wahrheit selten so sexy wie eine gerissene Lüge. Zum anderen: Warum sollte man ihm oder ihr glauben? In einer gesellschaftlichen Debatte, die im Wesentlichen nur noch die Lager „Pro Trump“ und „Anti Trump“ kennt, kann man den vermeintlichen Gegner schnell ablehnen, bevor er auch nur ein Wort von Belang gesagt hat.

Das gleiche geschieht in der Comedy: Autoren und Publikum werden gerade auf die Flachwitze festgelegt. Wer nicht annähernd so lächerlich wie Donald Trump ist, bekommt auch nicht annähernd so viel Sendezeit. Und die Wahl von 2016 hat eins gezeigt: Sendezeit entscheidet Wahlen.

Falls sich das Niveau der Debatte wieder heben sollte, bleiben die Comedy-Shows erst einmal außen vor. Denn sobald sich ein Herausforderer positionieren sollte, werden die ersten Fragen sein: Sieht seine oder ihre Frisur nicht irgendwie lächerlich aus? Hat der Ehepartner etwas Dämliches gesagt? Findet sich im großen Interviewarchiv aus den letzten 20 Jahren nicht der eine Satz, der einen Kandidaten vom Start an lächerlich machen und damit disqualifizieren kann? Comedy kann Leute aus der Schockstarre befreien. Sie kann jedoch auch Veränderung unsagbar schwer machen.

Der heilige Jon

Die Vorstellung, dass Comedy als alternatives, womöglich sogar besseres Mittel zur Nachrichtenvermittlung dienen könnte, verdanken wir wohl John Stewart. Der hatte die „Daily Show“ von einer lächerlichen Newsparodie in der Amtszeit von George W. Bush zu einem Medium gemacht, das an der politischen Agenda mitschrieb. Was Stewart in seiner Sendung durch den Kakao zog, war am Tag darauf Gesprächsthema. Selbst wenn die Show auch zu besten Zeiten nur wenige Millionen Zuschauer hatte, die Meinungsmacher hörten alle zu.

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Doch Stewart hatte komplett andere Rahmenbedingungen. Er war quasi der einzige auf weiter Flur, der noch Witze über Politik machte und dabei sein eigenes Wertesystem auf die Comedy übertrug. Der sich über Politiker mokierte, aber die Politik nicht aufgab. Er lud Autoren und Politiker in seine Sendung, die erzählen konnten, wie es besser geht. Und er lud konservative Autoren in seine Sendung ein, um sie herauszufordern. Diesen Luxus haben heutige Comedians nicht mehr. Statt dicker Bücher zählen erst Mal nur die 140-Zeichen-Rants von Trump. Und es wird viel Arbeit kosten, das wieder zu ändern.

Ich bewundere insbesondere die Bemühungen von Samantha Bee und John Oliver, in ihrer Comedy mehr als nur den schnellen Witz zu ergründen, auch Stephen Colbert und Seth Meyers tun, was sie können. Im derzeitigen politischen und gesellschaftlichen Klima, sind sie jedoch Getriebene. Aber auch sie stellen sie nicht so sehr den Status in Frage, als dass sie die Welt sehr bestimmt in Gut und Böse aufteilen. Statt eine gesellschaftliche Debatte anzutreiben, wird das Ergebnis gleich als absolut vorausgesetzt.

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tl;dr: Comedy über Trump ist zwar lustig, aber im Endeffekt eher lähmend. Wer das Niveau der Debatte steigern will, muss auch das Niveau der Comedy wieder anheben.

Stephen Colbert: Großes Fernsehen

Einfache Regel für jeden professionellen Büroarbeiter: Bei konzerninternen Konflikten — und wer arbeitet heute nicht für mindestens einen Konzern? — schweigt man nach außen. Räche Dich, in dem Du nur in Unterwäsche in der Videokonferenz sitzt oder kritzel irgendetwas Gehässiges auf die internen Memos. Schluck es runter.

Nicht so Stephen Colbert. Ihm hat Viacom-Konzernschwester MTV einen Daft-Punkt-Auftritt in seiner Show abgejagt. Ein Debakel sondergleichen. Denn Colbert hat — wenn man ihm da glauben kann, und es spricht einiges dafür — nicht nur erst am Vortag davon erfahren, er ist auch gegenüber seinen Sponsoren teure Verpflichtungen eingegangen.

Was macht Colbert? Statt die Firmenanwälte ihr Ding machen zu lassen, und sein Budget für den Rest des Jahres kürzen zu lassen, geht er mit dem Konflikt möglichst breit an die Öffentlichkeit. Er setzt Schauspieler ins Publikum, die den nicht amüsierten Hunday-Vorstand spielen und liest eine E-Mail vom MTV-Chef vor, die diesen wie einen Idioten erscheinen lassen, der er wahrscheinlich auch ist. Kann man damit durchkommen? Selbst bei einer Spätsendung, die sich außerhalb des direkten Blickwinkels der Senderverantwortlichen befindet: Nein, nicht unbedingt.

Alleine: Colbert hat es in der kurzen Zeitspanne geschafft, eins der Musikvideos zu drehen, die von Jimmy Kimmel so populär gemacht wurden und für das die Stars wie Matt Damon Schlange stehen. Kurzerhand hat er Hugh Laurie eingespannt, der am Vorabend Gast der Sendung war, und Bryan Cranston, der zur Zeit eines der heißesten Assets des Show Business ist. Colbert tanzt sich an dem Abend durch die Fernsehstudios vieler Kollegen und durch das Büro von Henry Kissinger, schafft Ashton Kutcher und Matt Damon in sein Studio und schafft es auch noch Robin Thicke als Ersatz-Showact zu bekommen.

Ich weiß: Alles oberflächlich, alles Entertainment. Aber wenn man es sich ansieht: Das ist großartige Unterhaltung. Und wenn man dazu noch überlegt, welchen Aufwand dieses Video in dieser kurzen Zeit bedeutet hat und welche Risiken Colbert damit einging: Wow. Einfach nur Wow. Großes Fernsehen.

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The Colbert Report
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Die ganze Sendung ist hier abrufbar.

Und wer gar nichts mit Stars und Sternchen anfangen kann: Hier bringt Colbert die Kritik an den Terrorwarnungen der USA besser auf den Punkt als das halbe deutsche Feuilleton und hier gibt er eine sehr eindrucksvolle Präsentation, was man im Fernsehen nicht sagen darf. Und das ist nur der Output dieser Woche.

PS: Ganz so spontan war das Video doch nicht produziert — hier habe ich mich blenden lassen. Die Szene mit Jeff Bridges zum Beispiel stammt offenbar vom Juli, die mit Jimmy Fallon von vergangener Woche. Etc, pp. Colbert ist gut, zaubern kann er aber doch nicht.

Ohhh man Justin singt nicht für uns!

Jugendliche sitzen nicht mehr nur vor dem Bildschirm und konsumieren passiv. Sie sind aktiv, nutzen das Internet um ihre Gedanken und Gefühle zu teilen. Sie wollen teilhaben, sich ausprobieren. Aktiv sein.

Und so sieht das aus. Nur wenige Minuten nachdem es bei der Sendung „Wetten dass…?“ zu einem schweren Unfall gekommen ist, postet „TheAfghangirl2“ dies auf YouTube:

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Julia hingegen hat auf Twitlonger ihrer Chronistenpflicht genüge getan:

Lilly hingegen vertraut ihre Gedanken lieber der Facebook-Pinnwand von „Wetten dass…?“ an:

P.S. Mehrere Hundert Videos sind gestern bei YouTube hochgeladen worden, die im wesentlichen alle die selben Szenen zeigen, die gestern über den Bildschirm geflimmert sind. Die meisten haben zwei- bis dreistellige Zuschauerzahlen — eines hingegen sticht heraus:

Verleger forever

Wer die Debatte um Leistungsschutzrechte kurios findet, sollte ein wenig in die Vergangenheit schauen. Zum Beispiel in den Wikipedia-Artikel über die Freies Fernsehen Gesellschaft, der erste gescheiterte private TV-Sender der Bundesrepublik.

Bei vielem enttäuschte den Programmbeirat die mangelhafte Qualität und besondere Heiterkeit erzeugte der häufige Zusatz „Nähere Einzelheiten erfahren Sie aus der Tagespresse“ in der Weltschau, zu welchem die Zeitungsverleger drängten.

Hallo GfK

Liebe Gesellschaft für Konsumforschung,

eine Frage: wer ist eigentlich öfter auf deutschen Bildschirmen zu sehen – Johannes B. Kerner oder Wolfgang Bosbach?

Bitte antworte per Pressemitteilung, Deine Tarife sind mir meine Neugier nicht wert.

Bye Giga

Giga wird abgeschaltet. Und Giga-Chef Stephan Borg blickt zurück:

Hier ging es nicht um langweilige Web 2.0 Anwendungen, sondern darum gemeinsam eine Idee zu leben.

Oh, ich erinnere mich da an das Hauptstadtstudio direkt am Brandenburger Tor. Das war echt nicht langweilig, aber der cringe-Faktor war verdammt hoch. Diese besondere Idee lebt freilich weiter als „RTL2-News“.