Gestern war ich wieder beim fabulösen Kölner Poetry Slam Reim in Flammen. Obwohl der Veranstaltungsraum jetzt bedeutend größer ist als zuvor, war es proppenvoll.
Etwas fand ich sehr bemerkenswert: die Art, wie die Slammer mit einem vermeintlichen Textklau umgingen. Einer der Teilnehmer – ein arbeitsloser Lehrer – hatte einen Text vorgelesen, im dem er schilderte wie toll doch die Welt sein könnte, wobei er sich in immer fantastischere Visionen hineinsteigerte, bei denen es doch meist wieder um Sex ging.
Nach dem Vortrag jedoch kam es zum Eklat. Jemand aus dem Publikum rief „Das ist geklaut“, „Das ist von Sebastian 23“, das Wort „YouTube“ war zu hören. Kurze Konfusion, der Moderator erinnerte sich an einen ähnlichen Text und rief ohne langes Federlesen zur Abstimmung auf. Von den fast 300 Zuhörern hob niemand seine Hand. Es war das erste Mal, dass ich einen Slammer mit Null Punkten von der Bühne gehen sah. Keine Diskussion, keine Textanalyse, keine Abmahnung – die Strafe der öffentlichen Demütigung wurde sofort vollstreckt. (Das klingt jetzt vilelleicht dramatischer als es ist: wer nicht Gefahr laufen will ohne Applaus von einer Bühne hinunterzusteigen, darf sie nie betreten.)
Erst in der Finalrunde wurde der Vorfall nochmal thematisiert. Michael Goehre schickte seinem Auftritt voraus, dass er einzelne Worte verwendet, die auch schon Mal Sebastian 23 in den Mund genommen habe. „Und dennoch ist das mein Text. Genau so wie das eben sein Text war.“ Kurzer Zwischenapplaus, dann weiter nach Schema F. In der Abschlussrunde stand der vermeintliche Textdieb wieder auf der Bühne und wurde mit den anderen Slammern mit Applaus verabschiedet.