Noch einige Missverständnisse zur Blockchain

Seit ich kürzlich einige Missverständnisse zur Blockchain aufgezählt habe, haben Leute eine perverse Freude daran, mir Artikel mit teils absurden Blockchain-Lobpreisungen zuzuschicken. Jemand designte sogar ein T-Shirt, das mir in den meisten Fällen angemessen angemessen erscheint.

Aber ich habe erkannt: Es gibt eine Menge weiterer Missverständnisse, und sie verbreiten sich massenhaft ohne nennenswerten Widerspruch. Es ist eine Melange aus etwas Mathematik, viel Esoterik und Wall Street-Denken entstanden. Also lege ich hier mal ein paar Erklärungen nach.

Das Dezentralitäts-Paradox

Blockchains sind — im Prinzip — eine dezentrale Technik. Das alleine scheint schon viele Leute von der Technik zu überzeugen. So fantasiert zum Beispiel Philippe Wampfler in seinem Blog über eine Bildungsrevolution — dank Blockchain. Da ich seit über 20 Jahren Dezentralität im Internet verfechte, bin ich nicht ganz so leicht überzeugt.

Zum einen: Sehr dezentral sind Blockchains in der Praxis gar nicht. Die Mining-Kapazitäten der Bitcoin-Blockchain liegen in der Hand von einer Handvoll Miner, die reichlich Kontogebühren für ihre kryptographischen Dienste verlangen. Die ganzen Tokens, die nun im ICO-Verfahren verkauft werden, sind meist furchtbar zentral. Selbst wenn die ausgebende Firma ihre Krypto-Einheit nicht völlig selbst in Eigenregie minen will, obliegt ihr die volle Kontrolle darüber, wie Geld in das System fließt, welche Preise sie setzt und wer zu welchen Bedingungen an eventuellen Umsätzen beteiligt wird. (Da es eigentlich fast nirgends echte Umsätze gibt, ist die Frage erst mal nur von theoretischer Bedeutung.)

Dezentralität bedeutet auch generell nicht, dass die Macht eines Systems automatisch in die Hände der vielen übergeht. Nein. Für den einzelnen ohne Macht hat Dezentralität viele Nachteile. Wer jemals einen Joint mit Bitcoins gekauft hat, kann sich mittlerweile ziemlich sicher sein, dass eine staatliche Stelle darüber Bescheid wissen kann. Dezentralität verhindert schnelle Updates, und die Sicherheitslücken müssen die Nutzer als erstes ausbaden. Dezentralität gibt den Leuten viel Macht, die die Imperfektionen des Ist-Zustands ausnutzen und die große Mehrheit übervorteilen wollen. (Simples Beispiel: E-Mail-Spam.)

Dezentralität alleine bietet auch keine Sicherheit. Wer gerne im dezentralen Internet Relay Chat unterwegs ist, weiß dass die Komplikationen doch um einiges höher sind als bei WhatsApp. Und von einer End-zu-End-Verschlüsselung kann man nur träumen. (Bei XMPP kann sie funktionieren, es ist aber eine Heidenarbeit.)

Dezentralität setzt meist auch eine Zentralität voraus. Jeder muss sich strikt an ein Protokoll halten, damit auch jeder Knoten in dem weiten Netz die selben Daten auf die selbe Weise interpretieren kann. Wenn zum Beispiel Philippe davon fantasiert, dass die Blockchain zentrale Institutionen im Bildungsbereich überflüssig machen kann, ist er auf dem Holzweg. Eine Dezentralität setzt sogar eine im Bildungsbereich bisher unbekannte Zentralität voraus. Wenn Bildungsabschlüsse auf der ganzen Welt in eine gemeinsame Datenbank eingespeist werden sollen, dann muss auch die ganze Welt einig sein, wann eine Prüfung bestanden ist und wann nicht. Und welche Inhalte zu jedem Abschluss gehören. Wenn das nicht gegeben ist, kann auch die Blockchain nichts ändern.

Dezentralität ist wichtig, sie ist die Grundlage des World Wide Web, des Internets. Damit sie funktioniert, darf man sie aber nicht nur als Hype, als selbst erfüllenden Slogan begreifen. Dezentralität ist viel Arbeit. Und wenn niemand wirklich ihre Notwendigkeit versteht, bleibt sie halt unerledigt. Oder man überlässt es Google, Flash abzuschaffen und Verschlüsselung durchzusetzen. Aber ich schweife ab…

Blockchains können lügen

Einer der anderen großen Marketing-Slogans der Blockchain-Gemeinde heißt: Vertrauen. Was in der Blockchain abgespeichert ist, ist mathematisch so gesichert, dass sich auch Leute darauf verlassen können, die nie voneinander gehört haben. Oder noch besser: Leute können einander vertrauen, wenn sie schon eine Menge voneinander gehört haben und dem anderen aus guten Gründen keinen Gebrauchtwagen abkaufen würden. Denn die Mathematik ersetzt das Vertrauen.

Das mag für Bitcoins einigermaßen zutreffen. Aber halt nur deshalb, weil hier schlichtweg abstrakte Zahlen anderen abstrakten Zahlen zugeordnet werden. So lange man nur dies erreichen will, ist die Blockchain wohl ein gutes Prinzip.

Doch man muss sich auch die Grenzen des Konzepts vergegenwärtigen. Zwar ist bisher ziemlich sicher, dass ein Betrag X von Konto A auf Konto B überwiesen wird. Das Konto B kann aber per Hack rückstandslos leergeräumt werden. Oder durch einen Dienstleister, der mal eben pleite macht. Oder durch eine Festplatte, die auf der Müllkippe landet. Sobald man sichergehen will, dass ein Betrag X nicht mehr nur dem abstrakten Konto B, sondern einer bestimmten Person zu Gute kommt, ist die Blockchain bisher nicht sonderlich erfolgreich.

Steve Wozniak beschwerte sich zum Beispiel gerade, dass ihm Bitcoins gestohlen wurden. Jemand kaufte ihm die Bitcoins ab, die genutzte Kreditkarte war jedoch gestohlen. Die Blockchain hat den Kauf final registriert, die Kreditkartenfirma jedoch nicht. Ergebnis: Wozniak ist sein Geld los. Und er hat auch keine Aussicht darauf, das Geld zurückzubekommen, obwohl die Beute für jedermann sichtbar in der Blockchain ausliegt.

Dieses Problem ist nicht unbedingt spezifisch für eine Blockchain: Datenbanken vermerken nur, was man in sie eingibt. Wenn jemand bei der Eingabe lügt oder sich auch nur irrtümlich vertippt, dann kann die Datenbank nichts dafür. Die Blockchain verhindert aber recht effektiv, dass Fehler nachträglich korrigiert werden könnten.

Kurzum: Um die dezentrale Technik Blockchain nutzbar zu machen, muss man in den allermeisten Fällen so viel Zentralität voraussetzen, dass das Abspeichern in der Blockchain eh keinen Unterschied mehr macht. Man kann dann auch jede andere Datenbank einsetzen und das Ergebnis ist billiger, verlässlicher und weniger missbrauchsanfällig.

Mit der Verbreitung von „Smart contracts“ wird das Ganze noch schlimmer. Denn die Leute, die diese neuen Super-Verträge schreiben sollen, scheitern heute wahrscheinlich schon mit PHP. Und hier wie da werden Fehler ignoriert, bis es zu spät ist.

Blockchains sind kein Super-Kopierschutz

Auch diese Idee ist mittlerweile erstaunlich populär: Blockchains retten den Urheber. Dank der neuen Technik kann nun endlich Wissen sicher gehandelt werden. So hat zum Beispiel die Bundesregierung eine Studie ausgeschrieben, die die Blockchain als Grundprinzip eines Wissen-Marktplatzes erkunden soll.

Manche versuchen per Blockchain schon wieder eine art Leistungsschutzrecht zu etablieren. So schreibt die „Welt“.

Das Prinzip Blockchain dürfte das Internet grundlegend verändern. Heute können digitale Wirtschaftsgüter wie etwa Musikstücke beinahe mühelos kopiert und verteilt werden. In der Blockchain-Welt geht das nicht mehr. Alle Transaktionen werden in einem Kassenbuch abgespeichert – und dann Zeile für Zeile verschlüsselt und dabei mit den vorigen Daten verkettet. Dadurch sind einmal geschriebene Daten nicht mehr veränderbar.

Wir könnten Steuergeld sparen, wenn die Bundesregierung einfach diese Antwort akzeptierte.

Nein. Neinneinnein. Nein. Nein! NEIN! Nein. Nein. Neinneinnein. Nein. NEIN! Und: Nein.

Zum einen: Mein Broterwerb besteht daraus, urheberrechtsgeschützte Texte zu produzieren. Es kommt ganz, ganz selten vor, dass ein Urheberrechtsstreit daran scheitert, dass jemand das Entstehungsdatum eines Inhalts nicht hinreichend dokumentieren kann. Die Blockchain ist hier eine Lösung für ein Problem, dass es in der Praxis eigentlich nicht gibt.

Zum zweiten: Blockchains setzen Offenlegungen voraus. Wenn alle Geschäfte mit urheberrechtlich geschützten Material in einer öffentlich zugänglichen Plattform liegen, dann kann auch jeder sehen, welche Zwischenhändler wie viel einsteckt. Ich glaube nicht, dass dies im Sinne der Zwischenhändler ist – und in dem Fall würden sie einfach nicht mitmachen. Und falls doch: Durch die prominente Veröffentlichung numerischer Werte ohne Kontext würde das Apple-Problem verstärkt: Seit Steve Jobs beschlossen hat, im App-Store 30 Prozent Provision zu nehmen, will niemand anders weniger als 30 Prozent nehmen.

Zum dritten: Wenn man Inhalte erst registrieren muss, um Urheberrechtsschutz zu genießen, dann wird eine Menge Material nicht mehr geschützt werden, weil der Aufwand doch immer beträchtlich ist.

Zum vierten: Die Tauglichkeit der Blockchain als Kopierschutz hängt an einer simplen Tatsache: Sie ist kein Kopierschutz. Zwar könnte man zum Beispiel eine DVD-Ausgabe der Titanic auslesen und in der Bitcoin-Blockchain abspeichern. Das Problem daran ist: Jeder kann auf diese Weise den Film auslesen und den Rest der Blockchain ignorieren. Statt Raubkopien zu verhindern, liefert die Blockchain jedem Interessierten die Daten frei Haus. Zudem: Wer soll all den Kram auf Tausenden von Nodes abspeichern wollen?

Theoretisch kann man sicher ein System erdenken, dass auf jedem Blu-Ray-Player und jeder Streaming-Box installiert wird, und das Inhalte erst abspielen will, wenn eine Zahlung auf irgendeiner Blockchain registriert ist. Stattdessen kann man aber auch jeden anderen Kopierschutz nehmen, der viel einfacher zu installieren, zu updaten, zu kontrollieren ist. Hier gilt wie so oft: Wenn man es mal geschafft hat, die Blockchain zum Laufen zu bekommen, ist sie wahrscheinlich allen anderen etablierten Lösungen unterlegen.

Anti Augmented Reality

Die Augmented Reality reichert unser Leben, reichert unsere Umgebung an. Fotos zeigen nicht nur Tante Else und Onkel Karl, sondern halten auch exakt fest, wo ihr Hund Moritz grade sein Geschäft verrichtet hat. Die Supermarktregale sind nicht nur voll mit bunten Verpackungen und Fernsehprominenz, sondern zeigen auch alle dreißig Zentimeter die hässliche Fratze unserer Lebensmittelallergie. Wir irren nicht mehr durch Städte und lernen sie kennen, wir werden durchgeschleust zu den Orten, die unsere Facebook-Kontakte gut fanden. Augmented Reality. Erweiterte Realität.

Doch die voll-verdatete Welt ist eine Illusion. Die Realität ist viel komplexer als die Datenbanken uns Glauben machen wollen. Sie sind nur begrenzt, eine Ansammlung von Zahlen. In Tabellen, die sich irgendwer erdacht hat. Sie kennen nicht den Duft von frischem Schnee. Und sie wissen nicht wo „vorne links“ ist. Den Zufall hassen sie. Denn gegen ihn sind sie machtlos, ihn versuchen sie mit Hilfe der Algorithmen zu besiegen.

Doch wenn die erweiterte Realität allzu offensichtlich versagt, dann können wir ja die einfache Realität abändern. Dann schreiben wir halt auf Straßenschilder drauf, was denn die Navigationsgeräte verarbeiten können. Und schreiben dazu GPS. Denn was GPS sein mag, können die meisten Menschen nicht verarbeiten. Für sie ist es ein Synonym für „Navigation“. Das muss das Navi nicht wissen. Das muss der Autofahrer nicht wissen. Das Schild sortiert die Realität in die Datenbank.

Ein Zensus ist nötig

Viel, viel, viel zu spät haben einige Netizens entdeckt, dass es 2011 eine registergestützte Volkszählung geben wird. Und sie haben plötzlich Beschwerden:

  • Wir sehen ganz grundsätzlich die Gefahr, dass diese sensiblen und durch die Volkszählung zusammengeführten Daten z.B. der Aufbau des neuen umfangreichen Adressenregisters aller Gebäude mit Wohnungen nicht dauerhaft sicher sind vor Hacker-Angriffen, Diebstahl, Missbrauch und Datenverarbeitungsfehlern. Nur nicht erhobene Daten sind sichere Daten. Wie Spiros Simitis einmal treffend gesagt hat: “Demokratie zeichnet sich durch Informationsverzicht aus!”
  • Das deutsche Zensusgesetz verlangt die Erhebung von mehr Daten, als von der EG-Richtlinie gefordert. So werden in den Stichprobenerhebungen auch Fragen nach Religionszugehörigkeit und Migrationshintergrund gestellt. Besonders markant sind die dabei nochmals die Fragen zum “Glaubensbekenntnis”, in denen insbesondere Menschen islamischen Glaubens weiter differenziert erfasst werden.
  • […]

  • Fragliche Praktiken der Erhebungsbeauftragen =Volkszähler, die beim Nichtantreffen der zu Befragenden auch die Erlaubnis haben, Familienangehörige, Minderjährige und Nachbarn zu befragen. Von den Volkszählern dürfen auch Informationen darüber erfasst und gespeichert werden, die von und über die Wohnung von außerhalb von öffentlich zugänglichen Plätzen und Räumen aus in Erfahrung zu bringen sind.

Ein buntes Sammelsurium an Kritik, die keinem erkennbaren Schema folgt. So scheint dem „AK Zensus“ noch nicht klar zu sein, ob man denn solche Dinge wie eine amtliche Statistik braucht, die zuverlässiger ist als eine Telefonumfrage.

Wenn man glaubt, man könne ganz darauf verzichten, kann man die „fraglichen Praktiken der Erhebungsbeauftragen“ kritisieren – das Ergebnis ist dann aber auch eine öffentliche Planung, die das Schwarzbuch des Steuerzahlerbundes und die Berichte der Rechnungshöfe anschwellen lässt. Das Planungschaos um die Transrapid-Strecken hat gezeigt: wenn keine amtlichen Daten vorliegen, werden die Zahlen halt passend gemacht.

Das Zitat von Spiros Simitis mag schmissig klingen. Aber es erscheint derzeit eher wie ein Witz, da die griechische Demokratie grade Schlag um Schlag verkraften muss, eben weil die Daten der griechischen Behörden nicht stimmten. Daten per se sind kein Feind der Demokratie, sondern eine Grundvoraussetzung. Wenn eine Steuererhöhung geplant wird, muss man auch irgendeine Ahnung haben, wie viel Geld das denn einbringt, wenn man Kindergarten kostenlos machen will muss man ungefähr wissen, was das kostet.

Sieht man hingegen die Notwendigkeit von amtlichen Statistiken als gegeben an, muss man sich auch mit den Grundlagen beschäftigen. Würde man alleine auf freiwillige Mitwirkung der Bürger bauen, wäre die Qualität der Daten höchstwahrscheinlich deutlich geringer. Wer nimmt sich schon gerne Zeit Formulare auszufüllen? Und wie stellt man sicher, dass man nicht ein Panel von Leuten erwischt, die nicht bestimmte Merkmale überrepräsentieren?

Ohne eine Ahnung von der Religionszugehörigkeit der Bevölkerung kann man auch nicht den – aus meiner Sicht wünschenswerten – Islamunterricht jenseits der Hinterhöfe durchsetzen. Wer eine ungefähre Ahnung bekommen will, sollte einfach mal einen Lehramtsstudenten fragen, welche Umzugspläne er nach seinem Studium hegt. Gleichzeitig hat die Erfassung der Religionszugehörigkeit gerade in Deutschland einen extrem üblen Beigeschmack. Man braucht nicht viel Fantasie um sich sofort an die Judensterne zu erinnern. Der Gesetzgeber hat diese Abwägung getroffen und – soweit ich informiert bin – die Antworten freiwillig gemacht. Muss man anders abwägen, ganz verzichten? Eine schwere Frage.

Meine Meinung: an einem Zensus geht kein Weg vorbei. Durch die registergestützte Zählung und die anschließende Löschung der Daten hat der Gesetzgeber wesentliche Voraussetzungen geschaffen, die die informationelle Selbstbestimmung nicht allzu sehr einschränken. Sicher kann man noch einiges verbessern – gerade bei der IT-Infrastruktur und den Zugriffsrechten muss Klarheit herrschen. Und ich verstehe auch nicht, warum bei Wohnungen das Vorhandensein einer Badewanne abgeglichen sein muss.

Dennoch: Fundamentalopposition ist falsch. Um das längst beschlossene Gesetz noch irgendwie nachzubessern müssen die Netizens noch viel, viel Arbeit leisten – jenseits der empörungsfördernden Öffentlichkeitsarbeit. Erst müssen die Grundlagen geklärt werden und dann fundierte Verbesserungsvorschläge gemacht werden.

Kundenkarten sind für Anfänger

Kundenkarten sind toll für Werbetreibende: Man jagt die personalisierten Daten von Millionen Kunden durch Datenbanken, fügt ein wenig Marketing-Voodoo hinzu – und schon kann man die Kunden zielgenau auf ein Produkt steuern. Ein bisschen zumindest.

(Ausschnitt aus Abstruse Goose 250, es gilt die Creative Commons Attribution-Noncommercial 3.0 United States License)

Oder auch nicht? Ein Payback-Kunde bekommt die gleichen Gutscheine wie der andere, die „Heute gibts fünffache Punkte für Produkt X“-Kampagnen scheinen nicht mehr so beliebt zu sein und viele Supermärkte verteilen immer noch ihre eigenen Treuepunkte – zusätzlich zu den anderen Kundenkarten.

Dass es auch ohne Datensammelwut und trotzdem sehr zielgerichtet funktionieren kann, beweist der Supermarkt Globus in Köln Marsdorf. Dort habe ich vor kurzem Kochbeutelreis gekauft – und bekam an der Kasse automatisch zum Kassenzettel auch einen Gutschein ausgedruckt. Bis Juni bekomme ich 50 Cent Rabatt auf eine Packung Kochbeutelreis – natürlich von der Konkurrenzmarke.

Lachen mit Pakistan und den Vereinigten Arabischen Emiraten

Pakistan etabliert ein antiterroristisches Lachverbot: Wer Witze über den Präsidenten per SMS oder E-Mail verbreitet, kann bis zu 14 Jahre lang im Knast landen:

The country’s interior minister, Rehman Malik, announced the Federal Investigation Agency (FIA) had been asked to trace electronically transmitted jokes that „slander the political leadership of the country“ under the new Cyber Crimes Act.

Mr Malik, said the move would punish the authors of „ill motivated and concocted stories through emails and text messages against the civilian leadership“.

Was in der ausgiebigen Berichterstattung nicht wirklich erklärt wird: Mit einem solchen Gesetz muss natürlich eine Zensur-Infrastruktur etabliert werden, die den Zugriff auf alle E-Mails und SMS ermöglicht. Mehr noch: Statt wie hierzulande gezielt nach den Kommunikationsdaten von Verdächtigen und ihrer Kontaktpersonen zu suchen, müssen die Pakistaner für ihr Vorhaben quasi alle Daten nach bestimmten Stichworten durchsuchen.

Unmöglich? Nein, mit modernen Datenbanken und ein wenig Expertenwissen ist das kein Problem. Zu den Mobilfunk-Providern in Pakistan gehört das Unternehmen Etisalat, das im Staatsbesitz der Vereinigten Arabischen Emirate ist und sich auch in Pakistan eingekauft hat. Etisalat ist kürzlich dabei ertappt worden, dass sie Blackberry-Anwender ausspionieren wollten, mit einer Software die wegen ihrer Unzuverlässigkeit vom indischen Telekommunikationsministerium abgelehnt wurde. Schließlich soll der Bespitzelte nicht bemerken, dass er bespitzelt wird.

Etisalat hat damit weniger Probleme. Zwar ist die Spionage-Attacke aufgeflogen und hat weltweit Schlagzeilen gemacht, aber Etisalat lügt unbeirrt weiter. Die Zeitschrift Arabian Business, die vor ein paar Tagen lautstark Antworten gefordert hat, wurde durch Exklusiv-Interview mit Etisalat-Manager Abdulla Hashim halbwegs ruhig gestellt. Die Redaktion gibt sich mit einem wortreichen und absolut unglaubwürdigen Dementi zufrieden, erwähnt nicht einmal mehr die erdrückenden Beweise gegen Etisalat oder die brisanten Details der Stellungnahme von Blackberry-Hersteller RIM. Der hat die Etisalat-Kunden sogar explizit davor gewarnt, das von Etisalat als Deinstallionsprogramm verteilte Update zu installieren. Wahrscheinlich wird das Spionageprogramm dadurch nur besser versteckt. Die Leser von Arabian Business werden hingegen ermuntert, in diese weitere Überwachsungs-Falle zu laufen. Man legt sich halt nicht gerne mit den Spitzen von Wirtschaft und Staat gleichzeitig an.

Immerhin die Arab News scheinen noch am Ball zu sein und zeigen ganz klar, dass die Behauptungen von Etisalat von vorne bis hinten falsch sind:

However, a telecom network expert and software programmer has dismissed Etisalat’s claim that the software it released to its Blackberry users was designed to aid 2G to 3G handovers as “rubbish” and “completely bogus.” Rudolf Van Der Berg, an expert in the field of telecommunications and based in Holland with experience of implementing telecoms interception and surveillance systems said the statement from Etisalat was “completely bogus.”

Gefunden: Das schwächste Argument für Access-Sperren

In dem sehr lesenswerten Streitgespräch zwischen Ursula von der Leyen und Franziska Heine präsentiert die Bundesfamilienministerin ein neues Argument für das von ihr initiierte Zugangserschwerungsgesetz:

Die Technik der Zugangssperren führt dazu, dass wir jetzt erstmals systematisch kinderpornografische Websites identifizieren.

Schon rein logisch ist das Argument fragwürdig: Weil „wir“ bisher schlechte Arbeit geleistet haben, brauchen „wir“ neue Gesetze? Im Gegensatz zur Erfassung von Verkehrsdaten spricht nach meinen Informationen nichts dagegen, dass das BKA systematisch Kinderporno-Seiten erfasst. Alleine bei der Erstellung und dem Einsatz der Kinderporno-Such-Software Perkeo müsste eine solche Liste quasi als Abfallprodukt abfallen.

Auch faktisch ist das Argument falsch. Denn in der Antwort auf die parlamentarische Anfrage steht es eindeutig:

Das Bundeskriminalamt unterhält die nationale Bilddatenbank mit Informationen zu identifizierten sowie noch nicht identifizierten Tätern und Opfern in kinderpornografischen Schriften. Daneben erfolgte sowohl eine finanzielle (400.000 US $ im Dezember 2005) als auch eine fachlich aktive Teilnahme als Testpartner am Aufbau der internationalen Bilddatenbank beim Generalsekretariat von Interpol in Lyon. Diese Bilddatenbank befindet sich seit dem 05.03.2009 im Wirkbetrieb und ermöglicht online den weltweiten Austausch von Informationen zu bekannten und bisher unbekannten kinderpornografischen Bildserien zwischen den teilnehmenden Staaten.

Mehr Daten für Daten-Versager

Die Blamage der Polizeit ist riesig: ein lange gesuchtes Phantom entpuppt sich so langsam als Verunreinigung während der Beweissicherung. Wie viel Zeit und geld die Ermittler investiert haben, wie viele Gewalttäter deshalb noch in Freiheit sind – man kann nur spekulieren. Schon dieser eine Fall hat astonomische Ausmaße – und wer sagt, dass es der einzige ist? Unverzagt präsentiert Polizei-Funktionär Bernd Carstensen schon eine Lösung.

Als Reaktion auf die mögliche Verunreinigung der DNA-Probe zum „Phantom von Heilbronn“ forderte der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) Konsequenzen. Es solle eine Art Gütesiegel eingeführt werden, um die Möglichkeit von Falschanalysen wegen Verunreinigungen auszuschließen. „Die Hersteller sollten den Packungen DNA-Merkmale der beteiligten Mitarbeiter als Code beilegen“, sagte BDK-Sprecher Bernd Carstensen den „Stuttgarter Nachrichten“ zufolge, „damit könnte diese Spur gleich ausgeschlossen werden.“

Ganz abgesehen davon, dass man nicht genau weiß an welcher Stelle die Verunreinigung zu Stande gekommen sein mag – es scheint immer nur eine Lösung zu geben: der Staat braucht noch mehr Daten.

Bei Zeit Online findet sich hingegen die Einschätzung eines Kriminalbiologen, der sich tatsächlich mit diesen Tests auskennt:

ZEIT ONLINE: Wieso ist es niemandem aufgefallen, dass die Wattestäbchen möglicherweise schon vorher kontaminiert waren?

Benecke: Mir ist das absolut rätselhaft. Wenn wir Spuren am Tatort abreiben, kommt das Stäbchen sofort zurück in die Hülle oder die Probe wird getrocknet. Dann nehmen wir grundsätzlich und ohne jede Ausnahme ein zweites unbenutztes und verpacktes Wattestäbchen und machen auch davon einen genetischen Fingerabdruck zum Vergleich mit der abgeriebenen Probe. Ich habe es noch nie erlebt, das diese Blindprobe nicht gemacht wird. Das ist das erste, was jeder in diesem Beruf lernt. Und spätestens da muss auffallen, dass etwas nicht stimmt.

Darf Hugh Grant einen Facebook-Account haben?

Die Geschichte geht grade durch die Medien. 90000 „sex offender“ wurden aus MySpace verbannt – aus Sorge, dass sie dort Kinder als Opfer suchen. Techcrunch
schließt sich der Jagd an und verfolgt – dank erfolgreicher PR-Arbeit eines Datenbank-Dienstleisters – die Täter auf Facebook.

Sentinel’s technology is the foundation for Sentinel SAFE, the software MySpace uses to identify sex offenders on its site. Sentinel SAFE is a database of more than 700,000 registered sex offenders in the U.S., complete with names, photos, dates of birth, email and IM addresses (when available), and more than a hundred other data points. Cardillo took the 90,000 sex offenders who were removed from MySpace and started looking for them on Facebook.

Klingelt da nicht etwas? „700,000 registered sex offenders“, das sind über zwei Promille der US-Bevölkerung. Entweder sind die Amerikaner ein Volk der Pädophilen oder man fischt im Trüben. So dürfte wohl Hugh Grant ebenfalls in den Dateien stehen, nachdem er mit einer Prostituierten erwischt wurde. Oder der Vierjährige, der eine Frau in Texas sexuell belästigt haben soll.

Ein Glück, dass die Sentinels unsere Kinder vor solchen Triebtätern bewahren.