Mit Einverständnis

Zu meinem Berufsalltag gehört der Zugang zu Pressekonferenzen. Das ist mal mit mehr, mal mit weniger Aufwand verbunden. Manchmal reicht es, wenn ich zur richtigen Zeit aufkreuze und den Namen einer meiner Auftraggeber nuschle, manchmal gibt es aufwändige Akkreditierungsverfahren – bitte vier Wochen vorher per Fax einzureichen.

Bei Veranstaltungen mit Polit-Prominenz muss ich in letzter Zeit immer öfter einem BKA-Check unterziehen lassen. Das heißt: ich unterschreibe auf dem Akkreditierungsformular, dass das BKA meine Daten überprüfen darf. Wenn ich das nicht mache, werde ich nicht zugelassen.

Diese Praxis beschreibt das BKA mit dem netten Wort Einverständnis:

Es sei verbunden mit einer Sicherheitsüberprüfung wie bei anderen Großveranstaltungen auch, etwa der Fußball-WM im vergangenen Sommer. Die Sicherheitsüberprüfung werde im Einverständnis mit den Journalisten durchgeführt, hieß es weiter. Nur wenn eine entsprechende Empfehlung der Sicherheitsbehörden vorliege, werde keine Akkreditierung ausgestellt. Den Betroffen stehe der Rechtsweg offen.

BTW: Bei der Cebit konnte ich mich dem russischen IT- und Telekommunikationsminister mit meiner Techie-Ausrüstung auf zwei Schritte nähern – und habe nur eine Visitenkarte abgegeben.

Endlich

Udo Vetter berichtet über eine Bahn-Dienstanweisung, wonach Reisegruppen zu melden sind – auch wenn sie nicht als Randalierer oder G8-Gegener zu identifizieren kann. Bei der Tagesschau steht es in martialischem Beamtendeutsch:

«Möglichem Gefahrenpotenzial» sei durch «polizeiliche bzw. betriebliche Maßnahmen frühzeitig und konsequent entgegenzuwirken».

Als Bahnfahrer kann ich da nur sagen: Bravo. Endlich tut jemand etwas gegen die lästigen Kegelvereine.

(Und ja: Frauen-Kegelvereine sind drei Mal schlimmer als Männer.)

Was Rasterfahndung bedeutet

Die Süddeutsche Tod interviewt Friederike Hausmann, die zur Ikone wurde, als sie bei den Studentendemos vor 40 Jahren dem sterbenden Benno Ohnesorg beistand.

Ein sehr interessantes Interview – es erinnert daran, dass die heutigen Entwicklungen nicht so furchtbar neu sind. Am interessantesten fand ich folgende Textstelle:

SZ: Nach Ihrem Studium wurden Sie als Lehrerin nicht eingestellt – wegen Ihrer „Liga gegen den Imperialismus“-Mitgliedschaft und weil das Nummernschild Ihres Autos nahe verbotenen Demonstrationen notiert worden war.

Hausmann: Ich wollte Referendarin in Stuttgart werden, durfte aber nicht. In Hessen ging das, die Computer waren noch nicht gut genug vernetzt. Vor dem Zweiten Staatsexamen wurde mir aber gesagt: „Angestellt werden Sie sicher nicht.“

BTW: der Wikipedia-Artikel über Benno Ohnesorg braucht noch ein paar Quellenangaben.

Die Freiheitsredner

Wirtschaftslobbies wie IFPI oder INSM machen es vor: Mit Vorträgen und professionell erstellten Unterrichtsmaterialien versuchen sie ihre Überzeugungsarbeit an den Schulen zu beginnen. Dies will jetzt eine Gruppe um den Arbeitspreis Vorratsdatenspeicherung nachmachen. Freiheitsredner sollen kostenlos an Bildungseinrichtungen auftreten und über die Bedeutung der Privatsphäre aufklären.

Leider wird diese Aktion in der jetzigen Form wohl kein Erfolg werden. Dafür sehe ich drei Gründe:

  • Es gibt kein eigenes konsistentes Vortragsmaterial
  • Offenbar wird einfach jeder als Freiheitsredner akzeptiert. Zitat: „Sie brauchen kein Experte zu sein oder Vortragserfahrung zu haben. “ Stell einen ungeübten Redner vor eine schulklasse und du kannst in 95 Prozent ein Debakel erleben.
  • Wie ich die Webseite interpretiere, wartet die Gruppe wohl auf Anfragen von Schulen und Universitäten statt aktiv auf die Zielgruppe zuzugehen.

PS: Mit Markus Beckedahl und Ralf Bendrath sind zwar zwei geübte Redner im Angebot, auf der Webseite sind sie aber bisher nur als blaue Punkte auf einer Deutschlandkarte sichtbar.

Alles getan

Die politische Diskussion um den Abbau der Bürgerrechte für in meinen Augen untaugliche Anti-Terror-Maßnahmen kann Leute in die Depression treiben.

Laut Netzeitung sagt Günther Beckstein

Ich fürchte, dass wir uns mit der SPD erst nach einem hoffentlich nie kommenden Terroranschlag einigen können. Wenn es dazu kommt, werden wir in jedem Falle auch eine Diskussion über die Mitschuld bekommen.

Ja, in der Tat. Eine Frage, die man Schäuble und Beckstein stellen könnte: Warum habt ihr mit viel Brimborium Maßnahmen verabschiedet, die keinen einzigen Terroranschlag der letzten Jahre verhindert hätten?

Aber auch die Genossen der SPD sollten sich Fragen gefallen lassen:

«Für mich ist klar, dass wir diese Ermittlungsmaßnahme brauchen. Ebenso klar ist aber, dass sie nur mit sehr hohen Hürden und in extremen Ausnahmefällen zum Einsatz kommen kann», sagte Wiefelspütz. Er rechne mit einer Größenordnung von etwa zehn bis 20 Fällen pro Jahr.

[…] was Wiefelspütz als «unfair» zurückwies. «Die Arbeit an den Details dieser rechtlich heiklen Maßnahme hat gerade erst begonnen. Da ist es nur logisch, dass es im Moment noch mehr Fragen als Antworten gibt.»

Man stelle sich vor, der Mann kauft ein Auto. Er weiß zwar nicht, was ein Turbo-Differential-Matrix-Kompensator ist, aber er braucht unbedingt einen. Dass er die Erklärung des Verkäufers nicht versteht, zeigt nur, wie toll der Turbo-Diff ist. Dafür kann man dann ruhig eine hohe Hypothek aufnehmen.

Denn diese Hypothek zahlen ja erst diejenigen ab, die ihre Emails nicht im Sekretariat ausdrucken lassen.

Konservative und liberale Nachrichten

Nach einer Woche habe ich mal einen Blick in Jimmy Wales fabelhafte Welt der kollaborativen Politikberichterstattung. Nichts überraschendes: Es geht auf der Titelseite ausschließlich um US-Politik, es geht mehr um Kommentare als um Berichterstattung.

Ins Auge fiel mir der Artikel: Possible proof that Digg.com is biased against Conservatives

Daraus habe ich folgendes gelernt:

  • Bei Digg geht es nicht um Nachrichten für die Leser, sondern um ein paar Tausend Klicks für den verlinkten Blogger
  • Es gibt nicht einfach Nachrichten, es gibt liberale und es gibt konservative Nachrichten.
  • Wer beim kollaborativen Voten unterliegt, wurde sabotiert.
  • Das Wort „Proof“ bedeutet im Englischen nichts. Es dient als Ausrufezeichen-Ersatz.
  • Wer auf der einen kollaborativen Plattform scheitert, zieht zur nächsten weiter.

On further news: Kuro5hin hat ein länglicheres Essay Why Digg Failed.

Gut gemeint

Via Lawblog: Die Welt versucht sich heute an einem fundierteren Blick auf die Operation Mikado. Kreditkarten: Der Weg zur Unfreiheit ist mit guten Absichten gepflastert

Leider ist der erste Satz folgender:

Gut, dass die Polizei diese Woche einen Kinderpornoring ausheben konnte.

Ja, es wäre gut gewesen. Leider hat die Polizei keinen „Ring“ ausgehoben. Sie haben Leute gefunden, die mutmaßlich Kinderpornos per Kreditkarte gekauft haben. Bisher habe ich nichts davon gehört, dass sich die Beschuldigten kannten oder Kinderpornos ausgetauscht oder gar produziert hätten. Das mag in dem einen oder anderen Fall so sein – ich weiß es nicht. Primär haben wir es aber wohl mit einem Verkäufer und zirka 300 deutschen Kunden zu tun. Dafür spricht auch die lange Zeit, die sich die Staatsanwaltschaften offenbar bei den Durchsuchungen ließen. Bei einem Kinderporno-Ring muss man zeitgleich zuschlagen, weil sich die Mitglieder sonst gegenseitig warnen würden. Wenn sich die Durchsuchten so wenig kennen wie ich den Amazon-Kunden fünf Straßen weiter, ist eine solche Aktion natürlich unnötig.

Schade ist jedenfalls, dass selbst bei den Bedenkenträgern die Legende des Ermittlungserfolgs unreflektiert übernommen wird.