Gestern hatte ich mich ja schon kurz mit dem aus meiner Sicht allzu internet-optimistischen Internet-Manifest beschäftigt. Eine der Behauptungen ist, dass die Ansprüche des Publikums gestiegen sei: „Ein Publikum gewinnt auf Dauer nur, wer herausragend, glaubwürdig und besonders ist.“ Ich persönlich fände es sehr bedauerlich, wenn nur noch herausragende Menschen vom Publizieren leben könnten – man stelle sich vor nur Madonna verdient mit Musik Geld und alle gehen leer aus. Aber das ist eine Petitesse, das Thesenpapier wurde einfach zu hurtig formuliert um tatsächlich fundierte Analysen zu bieten.
Trotzdem möchte ich hier nochmal drauf eingehen. Eine der Lieblings-Quellen für deutsche Netizens ist das Blog von Fefe, der beim Chaos Communication Congress immer die unterhaltsamen Jahresrückblicke veranstaltet. Ist die Quelle glaubwürdig? Auf den ersten Blick: nein – ganz oben steht: „Wer schöne Verschwörungslinks für mich hat: ab an felix-bloginput (at) fefe.de!“ Das Blog ist demnach eher ein alternate reality game als eine Nachrichtenquelle. Was stimmt, was nicht? Wer erkennt das bekannte Muster? Wo sind die 23 CIA-Agenten versteckt?
Der Inhalt des Blogs stammt zum großen Teil aus Agenturen, Stücke von Spiegel Online, dem Guardian – kurz: die Massenmedien, die Fefe so gern verhöhnt, sind seine wichtigste Informationsquelle. Deren Kurzmeldungen dampft er nochmal auf ein zweizeiliges Zerrbild ein. Aber Fefe hat mehr: zusätzliche Infos, die die vielen Zuträger einsenden: unbekannte Fakten, neuer Kontext, verschrobene Interpretationen. Manchmal ist das sehr unterhaltsam – aber glaubwürdig? Nein.
Das Problem: Trotzdem wird Fefe geglaubt. Ihm selbst ist das furchtbar unangenehm und er hat zur Abschreckung einen Beitrag verfasst, der seine Arbeitsweise als inoffizielles Redaktionsstatut von bild.de entlarvt: von ihm kann man weder Neutralität, noch Korrekturen erwarten. Überhaupt: alles, was er schreibt, sind ja eh nur Meinungsäußerungen. Wer will, kann ja den Links folgen, die oft – aber keineswegs immer – die Quelle der Kurz-Anekdoten zeigen.
Und noch immer kommt es bei dem Publikum nicht an. So ist heute morgen wieder eine Fefe-Meldung in meinen Twitter-Horizont geschwappt.
Die SPD ist so verzweifelt, dass sie schon alte Schröder-Plakate aufhängt. Aufgenommen gestern in Berlin Pankow. Im Hintergrund sieht man ein großes Steinmeier-Plakat, falls jemand zweifelt, dass das eine aktuelle Aufnahme ist.
Wirklich lustig ist das ja nicht, und so blöd sind SPD-Plakatierer auch nicht. Ein Blick auf das Beweisfoto offenbart, was man eh schon vermutet hat: jemand hat das Steinmeier-Plakat abgerissen und darunter kam ein Schröder-Plakat zum Vorschein. Oben hängt sogar noch ein Fetzen Steinmeier herum. Und dennoch: auf Twitter wird die Falschinterpretation ohne jede Kritik weiter verbreitet – von Menschen, die eigentlich selbst denken können, die eine so billige Manipulation mit einem Blick erkennen müssten.
Ich bin mal gespannt, wie viele Leute heute glauben werden, dass der Axel-Springer-Verlag Welt.de und Bild.de noch in diesem Jahr für den freien Zugriff sperren will. Schließlich hat es ja RIA Novosti in einem Fünfzeiler gemeldet. Zwar sind glaubwürdigere Quellen nur einen Klick entfernt, man kann die Rede von Herrn Wiele sogar komplett online ansehen – aber wen interessieren schon Fakten?
Was bleibt zu sagen? Medienkompetenz wird nicht automatisch mit einem Internet-Anschluss erworben, objektive Wahrheiten sind eh nur eine Illusion und daher auch komplett verzichtbar.